Die Zähmung

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Den Tag gestern haben wir dem Yangzi geschenkt und er hat es uns mit schönen Impressionen gedankt. Von seiner Wildheit ist hier am Mittellauf durch die Staumauern einiges verloren gegangen, trotzdem glorreich. Die Zähmung der Flüsse ist ein wiederkehrendes Motiv in der chinesischen Geschichte, eins der wichtigsten: Da Yu, der legendäre Urkaiser, soll damit die chinesische Zivilisation geschaffen haben. Alle chinesischen Kaiser waren Mittler zwischen Himmel und Erde und damit direkt verantwortlich für die Kapriolen der Natur. Wenn Überschwemmungen oder Dürrezeiten das Reich plagten, dann drohte der gerechte Zorn des Volkes. Das Mandat des Himmels durfte entzogen werden. Überschwemmungen des Yangzi haben auch im 20. Jahrhundert für Millionen Opfer und Unruhe im Volk gesorgt, insofern schreibt der Drei Schluchten-Damm chinesische Geschichte im Verhältnis von Herrschenden und Untertanen fort.

Wir haben den Damm gestern besichtigt, nicht schlecht, aber so richtig ehrfurchterregend wird er erst, wenn man weiß, was für Massen sich dahinter aufstauen: über 600km ist der Fluss nun gestaut, bis nach Chongqing, auf die doppelte Wasserfläche des Bodensees. Die Hebewerke sind die größten ihrer Art weltweit und der Fluss ist nun ohne Probleme auch für Hochseekähne schiffbar, bis weit in den Westen. Neben der Flussregulierung und seinem Ausbau als Wasserstraße ist es aber vor allem das Energiepotential, welches den Damm einzig macht. Mit Hilfe des entstandenen Gefälles soll ein Zehntel der chinesischen Bevölkerung mit Strom versorgt werden. Das sind unglaubliche Leistungen, sie werden am Damm gefeiert dass es kracht. Von den negativen Konsequenzen – den Umsiedelungen, der Unberechenbarkeit etc. – ist hier natürlich nicht die Rede.

Chinesische Propaganda oder nicht, die westliche Berichterstattung ist fast ebenso einseitig, meistens selbstgefällig und heuchlerisch. Man weist z.B. gerne auf die Umweltschäden hin, und richtig so: überschwemmte Industrieanlagen, der Abfall der sich im Becken stauen wird, Verschlickung des Damms und Entschlickung des Unterlaufs usw. Man fordert aber zur gleichen Zeit, als sei es eine Selbstverständlichkeit, dass China seinen CO2-Ausstoß reduzieren solle (derzeit werden hier 75% der Energie aus der Kohle generiert), man will, dass auf Atomkraft verzichtet wird. Der Damm hat die Energieleistung von 8 – 18 mittleren Atomkraftwerken, je nach Schätzung und Turbineneinsatz. In der Provinz Yunnan haben sehr viele Häuser Solarkollektoren auf dem Dach. In Nordwest-China stehen die größten Windkraftanlagen der Erde. Wasser, Sonne, Wind. Wo soll denn die Energie sonst noch herkommen für das Land? Deutschland, das alles besser weiss und lange Zeit hatte, aus seinen Fehlern zu lernen, bezieht gerade mal 10 Prozent aus erneuerbaren Energien, sonst wie gehabt: Kernenergie, Kohle, Erdgas. Und deutsche Firmen (Siemens, Voith) haben bestens mit dem Damm verdient.

Wir sind mittags den Yangzi entlanggeradelt, durch das herrliche Tal hinter dem Damm, auch über unseren letzten kleinen Pass. Welf ist dann noch die Kette gerissen, das hat der Fahrradtour einen schönen Rahmen gegeben. Die Ankunft in Yichang war chaotisch, am Hotel haben wir unseren Triumph begossen und die Räder ummontiert, dann erst habe ich gemerkt, dass es das falsche ist. Yichang ist eine Millionenstadt und man schiebt sein Rad mal nicht eben über die Straße zur richtigen Herberge. Das konnte uns nicht aus der Ruhe bringen, für alles findet sich eine Lösung und irgendwann lagen wir satt, müde und zufrieden im Bett.

Und jetzt sind wir schon in Wuhan, einer selbst für chinesische Verhältnisse großen Stadt, der Metropole im Zentrum des Landes. Über die allererste Brücke über den Yangzi (1957) sind wir gefahren und haben die Gelbe Kranich-Pagode gesehen. Im Guiyuan-Tempel haben uns 500 Arhats beäugt, dann haben wir lustige Fleischersatz-Gerichte zu Mittag gehabt. Das Provinzmuseum wusste mit uralten Funden zu beeindrucken: Prinz Yi von Zeng hat sein Grab noch zur Zeit der Streitenden Reiche, also vor der ersten Reichseinigung (221 v.Chr.), bequem ausstatten lassen, ausgefeilte Bronzekunst und schräge Musikgegenstände, vor allem aber Unmengen stilvoller Trinkgefässe sind darin gefunden worden, bestens konserviert. Der Mann wusste zu leben. Und abends sind wir schließlich durch Hankou spaziert, dem ehemaligen Konzessionsviertel. Über Wuhan gibt es so viel zu erzählen, aber irgendwann muss ja mal Schluss sein für heute.

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