Zu Gast bei Häuptling Nasenbär

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Jetzt sind drei Tage vergangen, seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe, natürlich ist viel passiert in der Zwischenzeit. Wir sind strapaziert und durchgeschüttelt worden. Wir haben echtes Tibet erlebt und hundertmillionen Mal den Everest fotografiert, unter anderem.

Vorgestern scheint schon lange her zu sein, aber da war uns der erste Blick auf die Himalaya-Riesen erlaubt, natürlich gleich auf die Prominenz: die „Mutter des Universums“ (tibetisch Qomolangma, 8848m) und auf den Cho Oyu (8188m) westlich davon. In frühabendlichem Licht und vor einem wolkenlosen Himmel. Dazu jede Menge 6000er und 7000er, aber die haben ja teilweise nicht mal einen Namen hier. Die Strapazen des Tages waren da natürlich endgültig vergessen. Morgens waren wir glücklich dem Eiskeller entkommen, dem großen unterkühlten Hotel von Lhatse. In den Morgenstunden ist es besonders schön zu fahren, die Welt wacht und wärmt sich auf, alles schimmert in einem besonders warmen Licht. Den Abzweig zum Indus haben wir nicht genommen: das wären 800km nach Westen gewesen, also erstmal zum Kailash, dann im Uhrzeigersinn darum herum und nach etwas über 1000km wären wir dann am Ursprung des heiligen Flusses herausgekommen, mehr oder weniger. Alles ausgeschildert.

Wir hatten wie immer Glück mit dem Wetter und sanften Wind von hinten, Serpentinen, dann drehte sich der Wind und blies immer wütender von vorne, auf den letzten Kilometern zur Passhöhe auf über 5200m waren wir ihm komplett ausgeliefert. Schließlich ein großes Glücksgefühl und ein erster Blick in Richtung der Schneeberge. Track s.u. (der Rest unserer Radlerei wurde nur unvollständig aufgezeichnet, das lasse ich hier weg).

Am nächsten Tag, nach Eintritt in das Everest-Schutzgebiet, war uns klar dass die Fahrt heute nicht weit gehen würde. Eine ungute Mischung aus Waschbrett-, Schotter- und Schlaglochpiste tat sich auf, 60km und ein weiterer 5000er vor uns. Erbarmen für Mensch und Material! Wir wurden also den Großteil des Tages nicht auf dem Rad sondern in den Begleitfahrzeugen durchgeschüttelt. Im Nest Passum waren wir dann natürlich früher als geplant, ein Glücksfall, Passum liegt in einer weiten, vom Everest beherrschten Ebene. Stimmung und Sicht sind großartig. Gäste empfängt man hier selten, die meisten Fahrzeuge fahren direkt zum Basecamp durch. Am Nachmittag sind wir umhergeschlendert, in eine Schule geraten (welche Schule liegt schon auf 4500m?), und wir haben das kleine lokale Kloster der Nyingmapa-Schule aufgestöbert. Abgelegenen Stätten wie diese sind mindestens genauso interessant als die großen Heiligtümer, hier wird man willkommen geheißen und das religiöse Leben ist ursprünglich, es stehen auch mal verbotene Fotos auf den Altären (in diesem Fall vom verschwundenen elften Panchen Lama). Später hat man uns die Tsampa-Mühlen gezeigt, die Nomaden haben gerade ihr Zelt aufgebaut, unsere Unterkunft im Ort war einfach aber sauber und sehr herzlich. Das Dorf – angeführt von Häuptling Nasenbär – saß mit uns zusammen am Yakdung-Ofen und man beglückwünschte und bestaunte sich den ganzen Abend lang.

Die Piste für den nächsten Tag war nicht besser – gut 35km Richtung Rombuk, dem höchstgelegenen Kloster der Welt. Einige Unentwegte habe es dann trotzdem gewagt und triumphiert! Eine große Leistung (ich selber bin im LKW hinterher, mein rechtes Knie macht Probleme, aber nicht schlimm). Immerhin nochmal über 700 Höhenmeter, durch Geröllwüsten, in Staub gehüllt. Aber das Ziel war ein selbstverständlich ein Großes und Erhabenes. Jetzt sind wir in einem Hotel, in dem die Übernachtung mehr als in den meisten chinesischen 4-Sterne-Läden kostet, das aber weder Wasser noch tagsüber Strom hat und noch dazu komplett heruntergewirtschaftet ist. Vor der Terrasse erhebt sich majestätisch Mount Everest. Alles war es wert und alles ist es wert!

P.S. Man beachte in diesem Zusammenhang bitte Sigis schicke Mütze.


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