Völker hört die Signale!

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Manhao, ein kleines, verschlafenes Nest, am Ufer des Roten Flusses im Süden Chinas, nahe der vietnamesischen Grenze. Es ist halb zehn Uhr am Abend. Auf dem Sportplatz des Wohn- und Bürogeländes der lokalen Wasserwerke beenden einige Frauen gerade ihre Abendgymnastik. Im Hintergrund zirpen, kaum wahrnehmbar, die Zykaden. In einigen Gebäuden brennt noch Licht. Eine ruhige, ja friedliche Szene. Dann, plötzlich, zerreißt ein Dröhnen aus der Kantine die Stille: „Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht, die Internationale erkämpft das Menschenrecht!“

Cut.

Knapp dreizehn Stunden zuvor, etwa 80 Kilometer flussaufwärts in Yuanyang. Die letzte Nacht haben nicht alle von uns gut überstanden. Irgendwann kam auf jeder meiner bisherigen Touren der Zeitpunkt, an dem der eine oder andere (heute sind es der eine und der andere) es mit dem Magen zu tun bekamen. Obwohl heute Morgen nicht alle voll im Saft stehen, sind wir aber entschlossen die heutige Etappe gemeinsam durchzustehen. Keiner wird zurückgelassen! Eine Radtour schweißt zusammen. Bevor wir uns nach dem Frühstück von Yuanyang verabschieden, stehen noch einige Erledigungen auf dem Programm: ein kurzer Abstecher bei der Post, dann flux zur Apotheke (niemand soll später sagen wir hätten nicht an die Elektrolyte gedacht) und im Anschluss noch etwas Proviant eingekauft. Als wir losfahren wollen, entdecken wir, dass der GPS-Track der heutigen Etappe nicht funktioniert. Zunächst ist das aber kein Problem, es geht einfach flussabwärts bis wir irgendwann Manhao erreichen. Ab dort wollen wir uns durchfragen.

Kurze Zeit später sind wir unterwegs. Die Etappe verläuft unspektakulär, in landschaftlich schöner Umgebung, an Bananenplantagen vorbei, immer entlang des Roten Flusses. Es nieselt hier und da, bleibt aber weitgehend trocken. Heftig ist aber der Gegenwind, der uns heute entgegenpeitscht. Kurz versuchen wir uns mal am Windschattenfahren, auch der berüchtigte belgische Kreisel steht mal zur Diskussion. Gegen ein Uhr am Mittag, 20 Kilometer vor Manhao machen wir eine Pause. Der Regen hat kurzzeitig etwas zugenommen. Wir essen und trinken eine Kleinigkeit an einer Straßenraststätte, deren Besitzer und Besucher uns freundlichst aufnehmen. Etwas zeitversetzt fahren wir los. Ich hinten an, habe nach fünf Minuten einen Plattfuß (das macht dann drei alleine an meinem Rad) und verliere eine gute Viertelstunde zum Rest der Gruppe. Das fehlende GPS-Gerät und die irreführende Ausschilderungen (zwei Wege gehen nach Manhao, ein neuer und ein alter) haben zur Folge, dass aus der Viertelstunde gute Vierzig Minuten werden. Nach einigen Um- und Irrwegen habe ich meine Schäfchen schließlich aber wieder beisammen. Schock schwere Not…

Wieder vereint erreichen wir nach einem steilen Schlussanstieg unsere Bleibe für heute Nacht: Das Wohn- und Bürogelände der lokalen Wasserwerke, an das auch ein kleines Hotel angegliedert ist. Herr Wang, der Manager des Hotels und des dazugehörenden botanischen Gärtchens heißt uns herzlich willkommen und erklärt uns sehr hilfsbereit und bemüht das weitere Prozedere für den Rest des Tages und für die Grenzüberquerung nach Vietnam morgen.

Nach einer kurzen Pause geht es zum Abendessen in… die Kantine. Herr Wang hatte das Abendessen schon vorbestellt, eine Kiste Bier steht gekühlt bereit und auch eine Teekanne, von deren unscheinbaren Aussehen wir uns aber nicht blenden lassen. Manager Wangs Ruf eilt ihm voraus und wir wissen um seine Trinkfreude und den hochprozentigen Inhalt der Kanne. Trotzdem wir uns gewappnet haben, gebieten uns aber die Gesetzte des Gastseins aber ein Gläschen mitzutrinken. Was dann geschieht lässt sich nur schwer rekonstruieren. Herr Wang jedenfalls stellte im Laufe des Abends mit großer Freude fest, dass der Großteil unserer Gruppe aus dem ehemaligen sozialistischen Bruderstaat, der Deutschen Demokratischen Republik stammt. In Udo findet er gar einen ehemaligen, mittlerweile aber vom Klassenfeind bekehrten Parteigenossen. Während wir devot weiter die Gesetze des Gastseins befolgen, schwindet der Inhalt der Teekanne. Schließlich singen wir zur Entzückung von Manager Wang die deutsche Version der Internationalen. Schon wieder eine China by Bike Gruppe die Herrn Wang in die Falle getappt ist…

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