Die kleine Schwester von Winnetou meldet sich zu Wort

Die Drei Schluchten des Yangzi, 15.04 bis 10.05.2015

Fahrt nach Manchuan, 93 km

Den gestrigen Tag haben wir nach dem Essen mit einer wohltuenden Massage ausklingen lassen. Und heute verspricht ein langer Tag zu werden. 93 km stehen an und es soll heiß werden. Gewisse Wetter-apps, die hier zu Rate gezogen werden, sprechen von Hitzegewittern an unserem Zielort. Eine landschaftlich schöne Strecke soll es sein. Die Gruppe ist langsam skeptisch. Ich spreche von lieblichen Tälern und was bekommen sie? Staubige Baustellen und weggebrochene Straßen neben aufgeständerten Autobahnen. Wie soll man mir da noch vertrauen?

Aber erstmal Frühstück. In unserem Hotel muss letzten Abend irgendeine Feierlichkeit stattgefunden haben, der das Personal nicht wirklich gewachsen war. Als Mark gegen Sieben Uhr morgens den Speisesaal betritt, herrscht noch absolutes Chaos, zwanzig Minuten später sind die Auswirkungen der letzten Nacht zwar noch zu spüren, aber es steht schon Essbares auf dem Frühstücksbuffet. Eckart probiert den halb zusammengebrochenen Laufsteg aus, wir versuchen nicht am Fussboden kleben zu bleiben.

Nicht lange darauf brechen wir auf. In der kühlen Morgenluft kommen wir gut voran und wir genießen die leicht abschüssige Strecke. Und endlich! Wir radeln durch eine wunderschöne Flusslandschaft. Das sanft durch sein Kiesbett mäandernde Gewässer wird uns fast die ganze Strecke über begleiten. Kaum Verkehr, ab und an eine Siedlung, Vogelgezwitscher. Alle sind selig und es geht schnell voran. Die ersten 10 km baustellenfreie Strecke wird gefeiert. Ich habe meine eierndes Hinterrat, was mich die letzten Tage so genervt und mir den Ruf einer Prinzessin auf der Erbse eingebracht hat, völlig vergessen und Eckart offenbar den Kaffee, auf dessen Suche er immer ist. Bei einer Foto-Ananas-Bananen-Pause treffen wir auf einen alten Bauern, der uns Zuckerschoten schenkt und uns über die Preise des hiesigen Obstes und Gemüses aufklärt. Und das Glück hält an. Schöne Landschaft, keine Baustellen, gute Straße. Es wird langsam heiß. Nach gut zwei Dritteln der Strecke belohnen wir uns mit einer Portion kalter Nudeln (wirklich lecker) und begeben uns auf die Suche nach einem Plätzchen, an dem die Herren ein Mittagsschläfchen halten können. Das ist alsbald gefunden. Ein schattiges Plätzchen am Fluss lädt zum Verweilen ein.

Als wir wieder aufbrechen ist es bereits drei Uhr und der Pass liegt noch vor uns. Außerdem ist es in der Zwischenzeit so richtig heiß geworden. Deswegen setzen wir uns erstmal ins Auto und machen einen kurzen Abstecher zu einer nahegelegenen Tropfsteinhöhle. Da angekommen müssen wir allerdings feststellen, dass man, um zu der Höhle zu gelangen, erst noch einen Berg erglimmen muss. Da kehren wir lieber wieder um zu unseren Rädern und machen uns in der brütenden Hitze, wie geplant, an den Anstieg. Meter für Meter kämpfen wir uns nach oben. Als ich nach einer Kurve Günther treffe, begrüßt der mich mit den Worten, ich sähe aus, wie die kleine Schwester von Winnetou. Winnetou! Der Held meiner Kindheit und ich reite auf meinem eisernen Ross dem Gipfel entgegen…Naja, es ist schon sehr heiß heute.

Oben angekommen genießen wir den Ausblick von der Sitzbank aus, die Xiao Wang aus dem Auto ausgebaut hat. Dann geht es bergab. Hin und wieder müssen wir gegen einen ziemlich starken Gegenwind kämpfen. Der Tag neigt sich bereits dem Ende und die Sonne hat ihre Kraft verloren. Und zu guter Letzt hat sie uns wieder; die Baustelle: In Manchuan, unserem Zielort, müssen wir einen kleinen Umweg fahren, um ins Hotel zu gelangen.

Als wir uns in das alte Stadtzentrum aus dem Ende des 19. Jahrhunderts aufmachen, dämmert es bereits. Die Luft ist aber noch wunderbar warm und der Ort und die Menschen hier strahlen irgendwie eine Ruhe und Entspannung aus, die auch uns einnimmt. Wir sind müde von der Sonne, dem langen Tag und den vielen schönen Eindrücken.

Zu guter Letzt genießen wir ein Essen lokaler Spezialitäten unter dem sternenklaren Abendhimmel in lauer Luft. Nach dem Mahl gibt es noch eine kleine Fotosession mit dem Wirt und seiner Familie und wir werden von ihm zu seinem selbstgebrannten Maisschnaps eingeladen, der uns die nötige Bettschwere verpasst.

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