Alt wie ein Stein

Berg und Wasser , 04. bis 26.10.2015

Schlappe 50 Kilometer von Baishou nach Yongfu. Kein Regen, nur Sonne.

Meine Gruppe ist konditionell sehr homogen und auch recht fahrstark. Keiner bummelt verträumt vor sich hin und keiner versucht das Gelbe Trikot zu ergattern (in welchem sowieso fast alle von uns an unterschiedlichen Tagen in Form des gelben China By Bike Leibchens unterwegs sind).

In der Ebene, wenn einem die Landschaft nicht gerade aus dem Sattel reißt und/oder der Verkehr etwas stärker ist, fahren wir oft aufgereiht wie auf einer Perlenschnur hintereinander. Es macht dann richtig Spaß die verschiedenfarbenen T-Shirts und Helme in der Kette zu sehen, wenn man, wie ich meistens, hinten fährt. Manchmal gibt es ein Spitzengrüppchen in wechselnder Besetzung und nie sehr weit entfernt vom Peloton. Auch am Berg beträgt die Entfernung zwischen dem oder der Ersten und dem oder der Letzten selten mehr als einen Kilometer. Es rollt einfach gut zusammen.

Unter diesen Voraussetzungen ist meine Gruppe für eine Strecke von unter 50 Kilometer mit nur einer kleinen Steigung am Anfang und sonst wellig mit der Tendenz bergab kaum aus den Federn zu bekommen. Daher muss eine Vormittagsbeschäftigung her.

Die Altstadt von Baishou bietet sich dafür bestens an. Entdeckt hatten wir den etwas versteckten und noch von einer intakten Stadtmauer umgebenen Teil Baishous erst, als wir den Zwischenstopp in Siding in die Tour integriert hatten und somit bereits frühzeitig in Baishou ankamen, um noch einen Dorfspaziergang zu unternehmen. Die Altstadt von Baishou unterscheidet sich in zwei Punkten von anderen Altstädten Chinas. Erstens ist sie touristisch noch völlig unerschlossen und zweitens ist sie wirklich alt. Die für den Tourismus zuständigen Leute in Baishou sind offensichtlich die reinsten Schnarchnasen.

Unser morgendlicher Bummel durch die Altstadt verzögerte sich etwas, als Christine auf dem Weg dorthin eine Apotheke entdeckte. Eigentlich wollte sie nur ein Mittelchen gegen ihre Erkältung erwerben (in der Gruppe geht gerade eine Erkältung um deren Urheber wahrscheinlich ich war). Aber die kleine und auf traditionelle chinesische Medizin spezialisierte Apotehke hatte nicht nur Arzneimittel im Angebot, sondern auch einen Doktor. Der rüstige 83-jährige musste erst untersuchen, danach gab es die passenden Pillen. „Strecken Sie doch bitte mal Ihre Zunge raus!“ „Und jetzt her mit den Händen zum Abtasten.“

Plötzlich hatte jeder hier oder dort ein kleines Wehwehchen, und so machte der Medizinmann die Runde in der Gruppe, während seine Gehilfin (Tochter?) die entsprechenden Pillen zusammen klaubte. Was für eine Gaudi für ihn und uns! Vielleicht sollten wir einen Besuch bei diesem Doktor ins feste Programm einbauen. Genügend Plazebos hat er gewiss auf Lager.

Danach aber doch noch Altstadt. Einmal durch das alte Stadttor, hoch auf die alte Stadtmauer, quer durch die Altstadt und raus aus dem anderen alten Stadttor. Zurück zunächst außerhalb der alten Stadtmauer.Und da wir schon mal hier sind gleich noch die Grotte mitnehmen, welche der Ort Baishou wahrscheinlich ihren Namen verdankt.

„Bai“ bedeutet „Hundert“ und „Shou“ bedeutet „Langes Leben“ oder „Unsterblichkeit“. Also „Hundertmal langes Leben“oder „Hundertmal Unsterblichkeit“. Ehrlich gesagt wäre mir selbst ein mal zu viel, aber es ist ja nur eine Metapher. Bzw. eine Steinarbeit, denn in der besagten Grotte, die der Göttin der Barmherzigkeit gewidmet ist, prangt eine eingemeißeltes Schriftzeichen für „Shou“ im Felsen, welches in sich hundert weitere Variationen des Schriftzeichens „Shou“ beinhaltet. Siehe Foto in der Galerie dort unten. So richtig originell ist das nicht, denn in ganz China verstreut finden sich ähnliche Steinarbeiten.

Um 11 Uhr saßen wir auf den Rädern. Und haben die gemütliche und landschaftlich sehr reizvolle Strecke nach Yongfu in unter drei Stunden abgespult. Dem kulturellen Vormittagsprogramm folgte ein kulturelles Nachmittagsprogramm: Stadtspaziergang durch Yongfu. Hier gibt es zwar keine Altstadt (die wird wahrscheinlich erst noch gebaut), aber die Neustadt aus den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren und dem Besten von Heute war nicht minder interessant. Es gab sogar Briefmarken zu kaufen.


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