Endlich Urlaub! Und gemischte Gefühle

Goldenes Dreieck, vom 11.10. bis 02.11.2019

Mit dem Boot von Muang Khua bis nach Muang Ngoi, weiterhin warm und trocken.

Der heutige Tag fühlt sich richtig nach Urlaub an! Statt selbst in die Pedalen zu treten, lassen wir uns heute in einem gecharterten Boot den Nam Ou herunterschippern. Die Landschaft wird gerade zum Ende der Bootstour immer schöner: Steil ragen am Ufer des Flusses die mit Urwaldbäumen bewachsenen Felswände gen Himmel, blau spiegelt sich der Himmel in den Wassern des Flusses.

Noch mehr nach Urlaub fühlt sich dann der Ort an, in dem wir heute nächtigen. Muang Ngoi ist ein angenehmes, etwas verschlafenes Touri-Nest, das traumhaft direkt am Ufer des Flusses liegt, umgeben von grünen Bergen. Westliche Backpacker tummeln sich Kaffee trinkend und rauchend in den Terrassenbars mit Blick auf den Fluss, mieten sich Kayaks oder gehen wandern in den umliegenden Bergen. Auch wir lassen die Beine baumeln und genießen die Atmosphäre.

Dabei war ich mir im Vorfeld der Tour gar nicht ganz sicher, ob wir überhaupt noch zu diesem Ort gelangen würden. Schließlich war schon vor zwei Jahren, als ich die Tour zum letzten Mal gefahren bin, ein Staudamm, der sich etwa auf halbem Weg der Bootsfahrt befindet, kurz vor der Fertigstellung. Ob nach Bauende immer noch Bootsverkehr auf dem Nam Ou möglich sein würde, stand damals noch in den Sternen. Die Lösung für dieses Problem ist nun allerdings denkbar einfach: Am Damm werden die Boote gewechselt. Wir steigen aus, werden einen km mit dem Tuktuk auf die andere Seite des Dammes gefahren, und schon geht die Tour in einem anderen Boot weiter. Schön, dass so nun auch weiterhin der Nam Ou von unseren Reiseteilnehmern bestaunt werden kann.

Die neuen Dämme am Nam Ou sind ein Thema für sich, das viel über dieses Land verrät. Gebaut werden sie allesamt von den Chinesen, die die notwendige Technologie und Gerätschaften, sowie großes wirtschaftliche Interesse haben, hier Staudämme zur Energiegewinnung zu errichten. Vertraglich wird festgelegt, dass vorerst ein Großteil des gewonnen Stroms von den Chinesen importiert werden kann. Nach einer bestimmten Laufzeit gehen die Anlagen dann in den Besitz des laotischen Staates über. Wirtschaftlich gesehen also durchaus eine win-win Situation. Und doch gibt es bei dem Deal auch Verlierer: die Dämme bedeuten einen tiefen Eingriff in die Kreisläufe der Natur – Fische, die früher vom Mekong aus den Nam Ou herauf wanderten, bleiben nun zum Beispiel aus. Schlecht für die Bewohner der Dörfer am Fluss, die vor Allem vom Fischfang leben. Und dann gibt es noch die Umsiedlungen. Einige Dörfer, die zu nah am Wasser des Mekongs liegen, wurden evakuiert und an höherer Stelle neu aufgebaut.

Gegen Mittag schauen wir uns heute einem solchen Ort einmal an. Ban Hat Saa heißt das Dorf, an dem wir auch früher schon immer während der Bootsfahrt angelegt haben, um uns die Beine zu vertreten. Hier hat sich einiges verändert: Das alte Dorf ist zurückgelassen und teilweise abgebaut, einzig der Tempel scheint noch komplett intakt. Statt dessen stehen nun etwas weiter den Hang hinauf auf einer trockenen Ebene viele neue Häuser im Schachbrettmuster aufgereiht. Der Ort hat sich sichtbar vergrößert – wir erfahren, dass hier mehrere früher getrennte Dörfer zu einem zusammengefasst wurden. Dank Ming kommen wir mit den Dorfbewohnern ins Gespräch und hören so etwas mehr über die Hintergründe der Umsiedlung. Anscheinend haben sich die chinesischen Investoren verpflichtet, pro evakuierten Dorfbewohner eine nicht unerhebliche Summe Schadensersatz zu zahlen. Leider kommt von diesem Geld aber nicht alles bei den Dorfbewohnern an und wird von der Regierung veruntreut. Trotzdem, eine gewisse Entschädigung erhalten alle, deren Haus vom steigenden Wasser verschluckt wird. Entweder in Form eines neu gebauten Hauses, oder als Geldbetrag – das kann sich jeder Haushalt aussuchen.

Sind die Bewohner des neuen Dorfes zufrieden damit? Hier gehen die Meinungen auseinander: Während einige beteuern, sehr gerne im neuen Dorf zu wohnen, sind andere der Meinung etwas billig abgespeist worden zu sein. Das neue Dorf hat auf alle Fälle eine modernere Infrastruktur und ist nun mit einer Straße an die nächstgrößere Stadt angeschlossen. Früher konnte man nur über Wasser in Booten verkehren. Auch die Schule ist nun etwas größer und besser ausgestattet, es gibt Toiletten in allen Häusern, eine zuverlässigeres Strom- und Telekommunikationsnetz. Im Vergleich zum alten Dorf scheint mir das neue hingegen etwas karg, da auf der kürzlich planierten Ebene keine Schatten spendenden Bäume stehen. Bis die neu gepflanzten Bäume groß genug sind, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Wir verlassen das Dorf mit gemischten Gefühlen – es bleibt nur zu hoffen, dass die mit der gewonnenen Zivilisation verknüpften Träume der Bewohner sich zumindest teilweise erfüllen werden.

Print Friendly, PDF & Email

Kommentare sind geschlossen.