Das Lächeln des Buddha

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

Stadtbesichtigung in Gyantse

Beim Frühstück sieht man allen die gestrige Fahrt an. Heute ist Stadttag angesagt und wir lassen es gemütlich angehen, erst ein ausgedehntes Frühstück, dann schlendern wir in den tibetischen Teil von Gyanste. Mir fällt wieder auf, dass die Tibeter immer ein offenes freundliches Lächeln für uns übrig haben.

Die schwarzen Streifen an den Türen symbolisieren Yakhörner und sollen das Haus schützen. Ein Yakkopf über dem Eingang hat die gleiche Bedeutung.“ erklärt Lhaba. Außerdem erfahren wir, warum auch die Burg der Adligen, auf tibetisch Dzong genannt, eine Tanka-Mauer hat und was Sonne und Mond an der Hauswand bedeuten. Im Kloster Pelkor Chöde können wir schon eine ganze Menge wiedererkennen: zum Beispiel die vier Himmelskönige, das Rad des Lebens, Tsongkapa (den Begründer der Gelugba Schule) und den Langlebigkeitsbuddha, der das Wasser des Lebens trägt. In Lhasa hatten wir schon gesehen, wie Mönche kleine Opferstupas formen. „Die Dorma werden aus Tsampa, braunem Zucker und Yakbutter hergestellt und am Festtag einmal im Jahr als Pilgerspeise verteilt“ weiß Lhaba und fügt nach unserem Stirnrunzeln hinzu „na ja, jeder bekommt nur ein kleines bisschen, es ist eben eine heilige Opferspeise und mehr symbolisch gedacht.“ Ein Tibeter fragt uns „Lasst mal eure Fotos vom Buddha in der obersten Etage sehen. Das ist eine geheimnisvolle Sache, manchmal lächelt er und manchmal eben nicht“. Leider haben wir – wie es sich gehört –brav nicht fotografiert und werden so nicht mehr erfahren, wie der Buddha uns gesinnt ist.

Im Klosterhof zeigt ein Mönch zwei Arbeitern, wie aus verschiedenfarbigen Steinen Sand für Mandalas geklopft wird, sonst ist es in der Tempelanlage erstaunlich ruhig und nahezu menschenleer (nach der Schlacht am Frühstücksbuffet hatte ich auch hier Reisebusse und Massentourismus erwartet). So genießen wir noch eine Weile die friedliche Atmosphäre und den Ausblick vom Gyantse Kumbum über die Stadt und lassen die vielen Eindrücke auf uns wirken – wahrscheinlich werde ich nur einen Bruchteil der Erklärungen behalten können. Der tibetische Buddhismus mit seiner Götterwelt, den Reinkarnationen und vier Hauptschulen ist vielfältig und ich kann die Details hier nicht mal annähernd wiedergeben.

Nach der Klosterbesichtigung begeben wir uns auf die Kora um den Dzong und bekommen einen Einblick ins traditionelle Leben der Tibeter. In den Gassen der Altstadt sind Kühe angebunden (traditionell sind im Erdgeschoss der Viehstall und im Obergeschoss die Wohnräume der Dorfbewohner untergebracht), Tischler stellen hübsch verzierte Fensterrahmen her, im Hinterhof werden Teppiche geknüpft… nach einem schönen Ruhetag freuen wir uns, morgen wieder aufs Rad zu steigen.

Windige Angelegenheit

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

103 km, 1.200 m Aufstieg, von Nangatse nach Gyantse (über KaroLa Pass 5050 m, zunehmend Gegenwind)

Ein wenig Angst hatte ich schon vor der heutigen Etappe. Den KaroLa Pass hatte im Februar niemand mit dem Rad erreicht. Heute aber haben wir gute Bedingungen: kein Wölkchen am Himmel, nur leichter Gegenwind und keine Minusgrade. So sind wir weit vor zwölf Uhr am Gletscher und genießen dort die obligatorische Nudelsuppe. Was folgt, ist „jede Art von Braun“, wie Ruth es treffend beschreibt. Nach dem schmalen Tal, das sich zum Pass hinaufzieht, öffnet sich das Land und gibt immer wieder den Blick frei auf Felder, Dörfer und Schafherden irgendwo am Horizont. Brauntöne in allen Varianten. Nur im Blick zurück ragt noch die Schneekuppe des KaroLa weiß in den Himmel.
Wir bewegen uns den ganzen Tag auf über 4.000 m Höhe, haben uns aber schon ganz gut angepasst und kommen zügig voran. Das dachten wir jedenfalls, bis uns der Wind erwischt. Was auf dem Höhenprofil nur als leicht welliges Terrain zu erkennen war, will schier kein Ende nehmen. Noch ein Hügel und noch einer und und und… Doch dann taucht die Stadt Gyantse mit der stattlichen Burg und der roten Klostermauer auf und die Anstrengung ist vergessen. Das Schmutzbier haben wir uns mehr als verdient und nach einem leckeren Abendessen fallen mir im tibetischen Hotelzimmer sofort die Augen zu.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/05/2012-05-13_XIZANG121.gpx“]

Der Berg ruft

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

92 km, 1.238 m Aufstieg, von Qushui nach Nangatse (über KampaLa Pass 4.785)

Eine tolle Etappe, am besten sprechen die Bilder für sich. Nur soviel: Nach dem anstrengenden Aufstieg zum KampaLa Pass – man merkt schon, dass die Luft dünner wird – fehlt es nicht an Belohnung: der Yamdrok See, ein heiliger See der Tibeter, schimmert türkisblau, dahinter ragt unser erster Siebentausender mit schneebedeckter Kuppe auf, die Landschaft ist einfach fantastisch. Ein kurzer Graupelschauer, dann radeln wir mit Rückenwind die letzten 50 km am See entlang, vorbei an Schaf- und Yakherden. Es gibt noch einige Ausfälle wegen Kopfschmerzen und Magenbeschwerden, die Etappe steckt jedem ein wenig in den Knochen, aber wir hatten einen guten Start in die Berge und ich bin guter Dinge, was die nächsten Radtage angeht. Nur der Schlaf ist noch unruhig, was sicherlich an der Höhe (gute 4.440 m über Meeresspiegel), mehr aber an den Hunden liegt, die anscheinend tagsüber in der Sonne dösen und sich nachts zum gemeinsamen Konzert treffen.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/05/2012-05-12_XIZANG121.gpx“]

Die Tour beginnt

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

65 km, von Lhasa nach Qushui

In der Nacht hat es gewittert und kräftig geregnet. Auf den umliegenden Bergen liegt noch mehr Schnee als am Vortag. Bei unserem Tourstart am Vormittag scheint jedoch die Sonne und die Luft erwärmt sich auf angenehme T-Shirt-Temperatur. Wir sind guter Dinge und radeln uns ein.

Die Etappe ist flach, immer am Lhasa-Fluss entlang. Unterwegs sehen wir die ersten tibetischen Straßendörfer mit hübsch gepflegten Einheitsfassaden, fahren vorbei an Gerstenfelder und am Wegrand zeigen die Bäume erstes zartes Grün. Es ist Frühling in Tibet. Jegliches Grün ist unvorstellbar, wenn man das Land vom Winter her kennt. Auch Wiedehopf und Rotschwanz sind hier keine Seltenheit.

Wir übernachten im Obergeschoss eines tibetischen Teehauses in Qushui. Im Dorf wird überall Yakdunk zum Heizen getrocknet, sonst gibt es außer einigen Dorfläden nicht viel zu sehen. Wir sind aber sehr wohl gesehen worden und bekommen Polizeibesuch. Erst nach einigen Telefonaten ist klar, dass Westler auch auf dem Land willkommen sind. Wir beziehen bald unsere Bettenlager, denn morgen geht es früh raus und über den ersten Pass.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/05/2012-05-11_XIZANG121.gpx“]

Impressionen aus Lhasa

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

Es hat über Nacht geschneit. Nicht bei uns in Lhasa, aber die umliegenden Berge sind mit einer weißen Puderschicht überzogen. Mir gefällt`s, die Landschaft sieht verschneit noch schöner aus. Die Temperatur ist merklich gesunken, aber ideal zum Radfahren.
Der Jokhang Tempel ist das wichtigste Heiligtum Tibets, der Pilgerstrom scheint nicht abzureißen. Überall werden Gebetsmühlen geschwungen, Gebete gemurmelt und Butterkerzen angezündet. Im Tempel drängen sich so viele Tibeter in den unzähligen Kapellen, dass wir bald aufs Dach flüchten und die Aussicht genießen. Trotz der vielen Menschen ist die Atmosphäre ruhig und irgendwie heiter, man ist schnell in den Bann gezogen.
Doch Lhaba erinnert an das Notwendige. „Ihr habt doch eine Einkaufsliste gemacht, also auf zum Markt“. So durchstöbern wir die Markthalle und verlassen sie voll bepackt mit einigen Kartons Proviant für die Reise. Arne ist mit üblem Magen außer Gefecht gesetzt und verabschiedet sich fürs erste. Yakbuttertee, Yakfleisch-Momo, Yakmilchtee, irgendein Yak war wohl zuviel. Der Rest der Gruppe bricht auf zum ersten Radausflug.
Wir machen einen schönen Ausflug zum Kloster Sera, zurück in die Stadt und entdecken auf der Insel Xianzu eine kleine Uferpromenade mit netten Cafés zum Ausruhen. Für mich war das Highlight des Tages, den Mönchen in Sera beim Debattieren zuzusehen. Bei soviel Bewegung und in die Hände klatschen wirds beim Frage-und Antwort-Unterricht sicherlich nicht langweilig, an Einschlafen oder Dahindösen ist gar nicht zu denken. Wäre mal eine Anregung für den Schulunterricht daheim.
Es ist ein hübscher Wind aufgezogen und die ersten Regentropfen fallen, also drückt uns die Daumen für einen guten Start morgen.

In den nächsten Tagen rechne ich nicht mit Internet, der nächste Blog folgt also etwas später.

Pilgerrunde

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

Unser Tag beginnt mit einem Frühstück auf der Dachterrasse. Von dort aus hat man wunderbare Sicht auf unser heutiges Ziel, den Potala-Palast. Na ja, durch den Bau eines großen Kaufhauses ist dieser Anblick nicht mehr ganz ungetrübt.
Am Ziel angekommen staunen wir nicht schlecht, denn anscheinend ist heute ganz Lhasa auf den Beinen, um den Tsekor, die Kora um den Winterpalast des Dalai Lama, abzuschreiten. „Heute ist Mittwoch“, ist die Erklärung, „und weil der Dalai Lama an diesem Wochentag geboren ist, sind besonders viele Pilger unterwegs.“
Buddhistische Götter, unterschiedliche Schulen, Grabstupas, tibetische Gebräuche, Bedeutung von Glückssymbolen und Farben, und dafür nur eine Stunde Zeitfenster – es sind viele Eindrücke, die erstmal verdaut werden müssen. Das geht am besten bei Yaknudelsuppe und Buttertee. Obwohl die große Mehrheit der Gruppe keinen Geschmack am tibetischen Nationalgetränk finden mag.
Nach einigen Transportschäden sind unsere Räder recht schnell wieder flott gemacht. So bleibt uns Zeit, noch durch die Altstadt zu schlendern und dabei ins Tsemonling Kloster eingeladen zu werden. Die Mönche formen gerade in der Versammlungshalle kunstvolle Opferstatuen und versuchen ein kleines Gespräch mit uns Westlern. Es ist zwar kein prächtiger, aber ein schön lebendiger Ort, da sind wir uns einig.
Vielleicht haben unsere Klosterbesuche sich ausgezahlt. Denn obwohl Ruths Kamera nach einer Bruchlandung übel scheppert, ist nichts Wesentliches beschädigt worden und kann nach gemeinsamer Anstrengung wieder flott gemacht werden. Wir freuen uns alle schon auf die ersten Radtage, wollen es aber in der Akklimatisierungsphase noch nicht übertreiben. Vielleicht machen wir morgen einen kleinen Ausflug, um unsere Puste und die Räder zu testen.

Gerädert

Auf dem Dach der Welt, 06. bis 31.05.2012

Endlich sind wir auf dem Dach der Welt angekommen. Den Zwischenstop in Kathmandu haben wir genutzt, um Räder auszuwählen, einzupacken und einen Spaziergang durch den quirligen Stadtteil Thamel zu machen.
Die Luft dort war feuchtstickig-warm, die Reise lang und wir waren dementsprechend gerädert. In Lhasa angekommen sind alle wohlauf und frisch gestärkt durch die ersten Yakfleisch-Momo. Auf der Fahrt in die Stadt konnten wir bereits einen Blick auf den Brahmaputra und den Bau der Lhasa-Shigatse-Bahn werfen. Morgen machen wir uns auf den Weg, das Dach der Welt genauer zu erkunden.