Renhainaji

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Ein beschaulicher Tag in der Stadt Xigaze, bevor es wieder auf die Piste geht und wir uns den Widrigkeiten auf dem Weg zum Mahalangur Himal stellen, wo dann die sehr hohen Berge auf uns warten. Xigaze ist die zweitgrößte Stadt der Provinz Tibet und wächst: die gestrige Einfahrt führte durch endlose Baustellen, die Verlängerung der Tibet-Bahn von Lhasa aus ist mittlerweile fast abgeschlossen. Man könnte also bald von Peking direkt nach Xigaze durchfahren, in etwa 50 Stunden. Und von hier aus wird die Trasse weiter in Richtung indischer Grenze verlegt werden, vielleicht sogar den Friendship Highway entlang nach Nepal. Nepal selber hat etwa 20 Bahnkilometer zu bieten, ganz im Süden des Landes.

Wir waren in Tashilunpo, dem großen Kloster der Stadt und offizieller Sitz des Panchen Lama, dessen chinatreue Version sich allerdings lieber in Peking aufhält (die andere, „eigentliche“ Inkarnation ist seit über 20 Jahren samt Familie verschwunden). Wieder mal eine mächtige Anlage, der Vibe kam diesmal aber nicht so gut rüber…die Mönche schienen vor allem mit Geldzählen beschäftigt und eher genervt von den Pilgern, wohlgenährt und ständig am Telefonieren, die ganze Sache hat einen ziemlich geschäft- smäßigen Eindruck gemacht.

Nach einem ausführlichen Stadtbummel war ich mit Lhaba und Reinhard dann noch im Militärkrankenhaus, das Volkskrankenhaus hat während der Feiertage nur vormittags auf. Reinhard hat Atem- und Schlafprobleme, er hält sich tapfer und würde nie jammern, aber ein paar Nächte fast ohne Schlaf zermürben noch jeden. Also wollten wir das checken lassen, bevor es in die Pampa geht…wir sind mit ein paar Medikamenten von dannen gezogen und der kurze Besuch war glaube ich sogar für Reinhard amüsant. Wie immer standen andere Patienten hochinteressiert um ihn herum, wie immer wurde man hin- und hergeschickt und besondere Freude löste bei allen Beteiligten sein Name aus, den Lhaba bei der Anmeldung aus dem Stegreif ins Chinesische übersetzt hatte: „Renhainaji, das ist doch kein Name. Was ist denn das für ein Name?“

Die großen Tsampanos

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Strecke, ca. 90km, Wetter: wechselhaft wie gewöhnlich

Heute eine Übergangsetappe, flach und erfreulich, durch die Gerstenkammer Tibets. Die große Ernte ist gerade vorbei aber mancherorts wird noch gedroschen und gesiebt, fast überall hat das Vieh übernommen: auf den abgeernteten Feldern laufen Pferde, Schafe und Ziegen herum, Yaks und Rinder sind in den kleinen Ortschaften angeleint. Die Gegend um Gyantse und Shigatse ist die fruchtbarste der Provinz Tibet und die Leute hier sind relativ wohlhabend, sie sind die Tsampa-Könige schlechthin! Tsampa ist ein Grundnahrungsmittel der Tibeter, geröstete und gemahlene Gerstenkörner, meistens in Buttertee verknetet. Haben wir auch schon versucht, schmeckt aber ein bisschen langweilig für unsere verwöhnten Gaumen.

Das Wetter schlägt gerade seine kleinen Kapriolen, morgens ist es bedeckt und irgendwann regnet es, später schlägt die Sonne durch, alles ist geboten ob wir wollen oder nicht. Hat Spaß gemacht heute, wir hatten noch dazu wunderbare Mahlzeiten: Mittags Nudeln und Momos in einer reizenden kleinen Teestube, abends koreanisches Barbecue, welches uns noch lange in den Klamotten hängen wird.


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Gyantse, ein netter Ort!

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Heute Ruhetag in Gyantse, der kommt zur rechten Zeit. Ausschlafen, üppig Frühstücken und dann durch den Ort spazieren, der in Teilen noch sehr verwunschen ist. Wir haben das Kloster mit der berühmten, siebenterrassigen Pagode und später eine tibetische Familie besucht. Über allem thront der mächtige Dzong, die alte Festung.

Uli ist die Härte

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Strecke,70 – 105 km, Wetter wechselhaft

Ein kurzes Hoch auf Uli, unseren schwäbischen CBB-Veteranen (bereits zum fünften Mal mit uns unterwegs) – nur kurz und schon das ist ihm sicherlich peinlich! Er ist in Topform und das, obwohl er noch in Lhasa leichtes Fieber hatte. Heute z.B. ist er als einziger komplett durchgefahren, über einen 5000m-Pass, durch Sonne, Wind, Hagel und Schneeregen. Und wenn es sein muss, wartet er geduldig auf die Nachzügler. Feine Leistung!

Die Höhe scheint er gut abzukönnen, wir sind ja alle noch unter ihrem Einfluss, die einen mehr und die anderen weniger. Herbert hat schwer zu kämpfen, kommt aber langsam in Schwung. Reinhard hatte eine miese Nacht (auf 4400m, das ist aber auch ein großer Sprung) und hat sich heute durchgeschleppt. Jürgen radelt sonst wie der Weltmeister, aber auch er muss der Höhe Tribut zollen. Für uns alle ist die Performance noch tagesformabhängig, aber wir geben alles: Rosi und Helmut fahren im Gleichtritt den Karo La hoch (5015m), es gibt wenig höhere Pässe auf der Welt. Dagmar ist heute später auf das Rad gesteigen und ließ es dann richtig rollen und Eckhart hat sich bis kurz unter die Passhöhe gekämpft, bis ihm der Magen Probleme gemacht hat.

Eins ist aber mal klar: bei dieser Landschaft ist es schlussendlich egal, wie sehr man sich plagen muss und ob man ab und zu im Fahrzeug sitzt oder nicht. Was bleibt wird in jedem Fall der Eindruck dieser Landschaft sein, durch die wir klein und winzig durchrollen dürfen.


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Höhenrausch

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Strecke: knapp 70 km, Wetter: bewölkt, später sonnig

Wir sind in Nagarze angekommen und sogar zum Schmutzbier zu kaputt, das will was heißen. Stattdessen ein Becher Kaishui (heißes Wasser) auf dem Zimmer. Der Kampa-La, der erste große Pass auf unserer Tour, hat uns heute fast den ganzen Tag gekostet…der Ort Nagarze und vor allem das Hotel sind kalt, der Wind weht eisig vom Yamdrok-See herüber. Aber man kann heiß Duschen, d.h. wenn man den Trick raus hat.

Aufbruch war früh und nach einer Stunde waren wir am Pass, von da an ging es 20km nur bergauf, 1200 Höhenmeter. Das klingt machbar, aber auf dieser Höhe fordert es das Doppelte an Energie. Hier ist der Luftdruck nur etwa halb so hoch wie auf Meeresspiegel und dementsprechend schwach ist die Sauerstoffzufuhr. Angekommen sind wir schließlich auf 4800m, einige haben sich durchgehechelt, andere sind zwischendurch in den Begleitbus gestiegen, oben der fantastische Blick auf den wunderschönen Yamdrok- See und alle Schmerzen waren vergessen. Am See sind wir dann noch 25km entlang gefahren, dann waren wir durch: die Höhe, der Anstieg, der Wind. Kurz nachdem wir für die letzten 30km ins Fahrzeug gestiegen sind, hat es zu schütten angefangen, gut gemacht.

Jetzt haben wir üppig gespeist und sind wieder hergestellt. Morgen wird auch nicht leicht, wir knacken die 5000m-Marke und wenn alles nach Plan läuft, werden es über 100km.


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Avalokiteshvara

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Strecke, ca. 68km, Wetter äußerst wechselhaft

Zum hundertstenmal, lieber Reinhard: A-va-lo-ki-te-shvara. Der wichtigste Boddhisattva Tibets, mit vielen Armen und vielen Köpfen. Aber keine Vorwürfe, diese ganzen tibetischen Figuren und Klostergeschichten kann man sich kaum merken, wir werden es trotzdem weiter durchnehmen.

Heute waren wir in Drepung, einem der großen Klöster Lhasas, das war wieder ganz toll aber am bemerkenswertesten war trotzdem der Weg dorthin. Wir haben morgens unsere Räder gesattelt und sind pünktlich losgekommen, durch Lhasa durch, an den begeisterten Massen vor dem Potala vorbei (Fahnenzeremonie, chinesischer Nationalfeiertag), an Soldaten im Gleichschritt vorbei und dann in Richtung Drepung abgebogen. Es ging ein paar Kilometer steil bergauf, das hat uns schwer zurückgeworfen. Aber morgen wird es in viel größere Höhen gehen, deshalb gutes Training.

Das Wetter war launisch, zunächst hat es geschüttet, dann hat herrliche Sonne die Berge rund um das Yarlung Tsampo-Tal beschienen und dann hat es sich noch einmal zugezogen und wurde windig und kühl. Angekommen sind wir trotzdem gut in dem kleinen Kaff Chusul, eigentlich für Ausländer gesperrt aber irgendwelche Wege finden sich ja immer. Auch wenn das heißt, dass wir jetzt in einer etwas versifften Trucker-Herberge schlafen. Auf die chinesischen Restaurantbetreiber, die es noch an die seltsamsten Orte verschlägt, kann man sich aber verlassen, wie auch hier: Abendessen war gut, jetzt ab in die Koje.

Schwer zu glauben, ich liege hier mit unseren beiden Fahrern Tashi und Tawa und Lahba dem Guide im Vierbettzimmer, der Kleine vom Hotel kommt zur Tür rein und verkündet die neue WIFI-Verbindung, man ist wirklich nirgends mehr sicher.


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Gebäck

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Mittlerweile geht es uns allen wieder ganz ordentlich, die Höhensymptome halten sich in Grenzen. Treppenlaufen macht etwas Mühe, deshalb haben wir uns heute immer schön in Bodennähe gehalten, zunächst waren wir beim Allerheiligsten jedes Tibeters: dem Jokhang-Tempel, der einen wirklich überwältigt. Vom Tempel selber und seinen Schätzen kriegt man gar nicht viel mit, weil es so voll ist, aber hier liegt Energie in der Luft. Tibeter kommen aus allen Himmelsrichtungen, um einmal im Jokhang zu sein, aus Kham, aus Amdo, aus Westtibet oder aus den nordtibetischen Steppen. Die meisten Besucher sind Pilger und drängen sich an den Mauern des Tempels entlang, sie berühren ehrfürchtig was sie können und murmeln ihre Mantras dabei, sie schauen mit großen Augen. Viele vollführen vor dem Tempel ihre Niederwerfungen. Wir sind jetzt nicht wirklich die einzigen Westler in Lhasa, aber für die meisten dieser Pilger aus den entlegensten Gebieten sind wir immer noch sonderbar, das schafft eine neugierige und lustige Atmosphäre.

Die Kora um den Jokhang, d.h. die rituelle Umrundung, kann man prima dazu nutzen, einzukehren und einzukaufen. Wir haben uns ausgerüstet für unsere große Reise, die morgen richtig beginnt. Teehäuser haben wir heute gleich zweimal beehrt, das sind wohl die Orte, an denen sich das tibetische Leben am behaglichsten erfahren lässt. Unser zweiter Teehaus-Besuch war während der ersten kleinen Probetour, die Räder laufen rund und geben keinen Anlass zur Sorge. Abends waren wir wieder hervorragend sichuanesisch essen und haben uns danach beim Konditor gehen lassen. Wir sind bereit.

Lhasa wie es singt und lacht

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Ach Herrje, genau wie im letzten Bild unten fühle ich mich gerade, aber jetzt wird brav Blog geschrieben. Nach einer kurzen und nicht so tollen Nacht gestern, die Höhe, einem vollen Tag und ein paar Gläser Erguotou nicht zu vergessen.

Es ist schön hier bei den tibetischen Hutzelweibchen, die ihre Runden und ihre Gebetsmühlen drehen, aber man kann auch verzweifeln daran, wie sehr Lhasa vereinnahmt wird, von allen Seiten. Der Blick von der Dachterrasse des Hotels auf den Potala ist inzwischen fast zugestellt von einem dumpfen Einkaufszentrum und überall machen sich neue Allerweltsbauten breit. Die chinesische Tourismusindustrie rückt mit der Dampfwalze an, was auch daran liegt, das bald Nationalfeiertag ist, die Hauptreisezeit. Nichts gegen chinesische Touristen, wir sind ja Teil des desselben Problems, aber irgendwann wird Tibet nur noch von Chinesen für chinesische Touristen veranstaltet.

Der Potala war ordentlich gefüllt. Das Gebäude ist beeindruckend wie wenig andere, mystisch, dunkel und legendenumwoben. Drinnen ein Schatz neben dem anderen. Wir haben uns dann aber doch gefragt, was das ganze überhaupt sollte: wie sich ein ganzes Volk so selbstverständlich in den Dienst ihrer Lamas stellen konnte, mit ihrer ganzen Arbeit und ihrem ganzen Leben. Es wäre für uns verständlicher ohne die ganzen Reichtümer hier, vor allem buddhistischer. Alles nicht so einfach, alles nicht so schwarz und nicht so weiß.

Jetzt ist aber auch gut, denn auch wenn es jetzt nicht so klang war es war ein interessanter und guter Tag bei feinem Wetter. Nachmittags wurde eigentlich nur geschraubt und abends tibetisch gegessen. Morgen lasse ich erstmal meinen Tuxedo reinigen, das ist der erste Vorschlag für die Wäsche, die im Yak Hotel in Lhasa abgegeben werden kann.

Reisen nach Plan

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Nur ein kurzer Eintrag…es ist nicht viel passiert, also alles ideal gelaufen. 9 Räder haben wir auf den Flug bekommen, wir haben Fensterplätze an der linken Himalaya-Seite gehabt und konnten schön die großen Jungs aus den Wolken ragen sehen (von wegen Jungs, Cho Oyu= Göttin in türkis, Qomolangma = Heilige Mutter). Am Zoll kein Stress und nichts wurde konfisziert. Lahba, unser tibetischer Guide, hat auf uns gewartet und flugs ging es auf einstündige Fahrt nach Lhasa. Wetter: wunderbar, sonnig, frisch. Eingecheckt, Geld gezogen, sehr gut und billig Sichuan-Küche gegessen. Die Höhensymptome halten sich bei allen in Grenzen, klopf klopf klopf. Und jetzt sitzt man also am Blog, trinkt ein Lhasa-Bier und schaut sich nebenher Bayern – Wolfsburg an, kein großer Kick.

Außerdem war der Tag schon wieder kürzer. Zweieinviertel Stunden haben wir beim Grenzübertritt verloren.

Die Götter von Nepal

Auf dem Dach der Welt, 24.09. bis 20.10.2013

Wir sind alle randvoll mit Eindrücken, mehr wäre echt nicht gegangen.Es ist schwierig, alles auf einen Nenner zu bringen, Nepal ist so bunt und reich an Geschichten und Legenden, dass man von einer Situation in die nächste stolpert. Aus dem Königsgelände in Patan wurde vor hundert Jahren ein Fries mit Vishnu und Konsortin gestohlen und später im Ostasienmuseum in Berlin-Dahlem ausgestellt. Jetzt erst wurde es an Nepal zurückgegeben, unser heutiger Guide Om meinte dazu: „Die Götter langweilen sich in Europa, sie kommen lieber wieder zurück.“ Das ist eine komplett verständliche Aussage!

Morgens beim Frühstück haben wir Eckart erstmal beim Yoga zugeschaut, und zwar voller Mitleid und Anerkennung. Dann los im Bus für die normalen Busreisen „Tourist Only“, das muss hier gekennzeichnet werden, auf die Innenscheibe war ein Hanfblatt geklebt, wahrscheinlich für die Kiffer von Studiosus. Und dann ging es Schlag auf Schlag: in die Schwesterstadt von Kathmandu mit ihrem noch älteren Königsplatz Patan, zum gewaltigen Hindu-Heiligtum Pashipatunat mit den Baghmati-Ghats, wo die Toten direkt am Fluss verbrannt und die Asche direkt ins Wasser gefegt wird und schließlich noch zur großen weißen Stupa von Bodnath in ihrem exiltibetischen Umfeld.

Etwas surreal und bedrückend war unsere Begegnung mit der Lebenden Göttin, mit der Kumari von Patan. Die Kumari gilt als Inkarnation einer hinduistischen Gottheit und davon gibt es im Tal von Kathmandu einige. Sie müssen aus der Linie der Shakya stammen, und wenn sie mit 3 oder 4 Jahren einen extremen Merkmalskatalog erfüllen und auch noch bestimmte Tests bestehen und einige Dinge intuitiv richtig erledigen, dann werden sie zur Göttin erklärt. D.h. sie leben bis zur ersten Menstruation weggeschlossen in ihrem Palast und sehen die Welt bis auf ein paar rituelle Gelegenheiten nie von außen. Unser Guide hat uns eher zufällig zu einer Begegnung geholfen und wir wurden gesegnet von dieser kleinen schüchternen Göttin.