In die burjatische Hauptstadt

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

64 Kilometer von Illinka nach Ulan Ude, nachmittags ein wenig Regen beim Stadtspaziergang bei 22 bis 24 Grad, 300 Höhenmeter.

Pünktlich nach dem Frühstück hört es auf zu regnen und wir machen usn auf den Weg in die burjatische Hauptstadt. Es geht leicder nur auf der Haupttrasse entlang und nach dem gestrigen Baltika No.9 und Baltika No.3 strampelt es sich erstaunlich schlecht und auch der kleine Pass mit 200 Höhenmetern strampelt sich nur mit leichter Mühe, dabei müssten wir nach den letzten Tagen ja einiges gewöhnt sein.

Auch wenn es nicht regnet ist alles grau in grau, also radeln wir bias zum Mittag zügig durch und dann taucht auch die Hauptstadt der Republik Burjatien auf. Eine richtige Großstadt ist es mit 400.000 Einwohnern nicht, aber für sibirische Verhältnisse eben doch. Als wir vom Rad steigen fängt es wieder an zu regnen. Was für eine tolle Planung!

Die Hotelzimmer im „Burjatia“ sind nicht schlecht, außer, dass es kein warmes Wasser gibt, das sei in der ganzen Stadt abgestellt, wegen Wartungsarbeiten, für mindestens drei Wochen. Aber genau das kenne ich auch noch aus dem letzten Jahr, wir sind eben in Russland.

Nach einer kurzen Erfrischung pilgern wir ein wenig durch die Straßen der Stadt. Zuerst statten wir dem großen Leninkopf einen Besuch ab, schönere Bilder können wir hoffentlich morgen bei besserem Wetter produzieren. Heute zieht es uns erst einmal mehr in ein Kaffee. Danach schlendern wir die Fußgängerzone bis zur orthodoxen Kirche hinunter und beobachten die Leute, ob es nun die Alkoholiker mit ihrem Bier in der Hand sind oder die adretten Bujatinnen, die die Blicke auf sich ziehen, der Spaziergang durch die Stadt lohnt sich.

Für das Abendessen habe ich ein tolles russisches Restaurant im Viesier, hier hatten wir im letzten Jahr fürstlich getafelt. Besonders die Spezialitäten mit Aubegiene, kleine Röllchen mit Ziegenkäse und Nussfüllung waren einfach grandios.

Heute sind wir anfangs die einzigen Gäste, der Bestellprozess zieht sich leider etwas hin, da es viele gericht leider nicht gibt, obwohl sie auf der Karte stehen. Inzwischen hat sich der Laden dann mit vier Tischen doch eztwas gefüllt und der Koch ist gnadenlos überlastet, ebenso wie die Bedienung mit der Zuordnung der Speisen. Das Essen, Omul in zwei Varianten, überbackenen Kartoffeln und diverse Salate schmecken sehr gut und stechen positiv vom Raststättenessen an der M55 ab, die langen Wartezeiten waren allerdings nur mit sehr viel Humor zu ertragen.

Am Platz vor dem Theater steht ein schöner Springbrunnen, der rhytmisch zu burjatischer Musik sprudelt und die Fontänen leuchten in bunten Farben. Hier treffen sich die Jugendlichen oder Familien auf ein abendliches Sit-Out. Mich ruft aber recht schnell dann die Arbeit, das Internet im Hotel ist preislich recht deftig und ich will versuchen in einer Stunde so viel wie möglich zu schaffen.

Gegen Mitternacht ist es dann auch angenehm ruhig in der Stadt, ich genieße bei einem Glas Kwas, dem russischen Brotgetränk noch die schöne Aussicht aus dem 6. Stock des „Burjatia“ und darf dann bis 8.00 Uhr morgens ausschlafen.


Übers Land

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

102 Kilometer von Posolskoe durchs Selengadelta nach Illinka, 22 Grad, während des Radelns kein Regen, dafür ruhiges beschauliches Sträßchen durchs Delta

Als ich um 7 Uhr meine Sonnengrüße mache, topft es draußen dicke Regentropfen vom Himmel. Entsprechend packen wir uns auch schon wasserfest ein, aber in dem Augenblick, als wir aufbrachen hört es auf zu regnen.

Die Strecke hier durchs Selengadelta ist eine der schönsten, die wir in Russland fahren. Die kleine Straße ist asphaltiert (natürlich mit großen Löchern drin), aber es gibt so gut wie keinen Verkehr, aller 10 Minuten rattert vielleicht einmal ein Lada vorbei. Am Anfang haben wir auf der linken Seite noch den Baikalsee, von dem wir uns heute verabschieden müssen, aber ich hoffe ja, dass ich 2014 hierher wieder zurückkehre, wenn ich von Berlin nach Singapur fahren will, natürlich führt der Weg dann wieder durch Sibirien und auch hier am Baikal entlang.

Doch bald entschwindet der See im Nebel und wir fahren durch grüne Wiesen und Weiden, die Kühe starren uns Radler ausdruckslos wiederkäuend an. In den kleinen Dörfern sind die Häuser meist recht gut in Schuss und man kann den Traum vom schönen Landleben träumen, allerdings ist das, und vor allem in Russland nur ein Traum, denn die Winter sind hart und Arbeit haben viele auch nicht und auch wenn der Omul lecker ist, aber jeden Tag Omul mit Kartoffeln und Dill machen auch keine ausgeglichene Diät aus.

Gemütlich ziehen die kleinen Dörfer vorbei und gegen Mittag erreichen wir nach 60 Kilometern die M55 Hauptmagistrale wieder. Das Mittagessen in einer Raststätte ist erstaunlich gut, der beste Borschtsch bisher und auch die Soljanka ist sie wie sie sein soll. Dazu natürlich ein paar leckere Salate, ich entscheide mich, wie immer für die Rote Beete mit Käse und Knoblauch.

Die restlichen Kilometer durch die flache Landschaft spulen wir dann schnell herunter, ab und zu nehmen wir die „Abkürzung“ durch ein Dorf durch. Die Leute sind nett und freundlich und winken uns lachend zu. Überall muss ich zurückrufen woher wir kommen und wohin wir fahren. Erstaunlicherweise kommt dann kein ungläubiges Kopfschütteln zurück sondern ein „Gute Reise!“. Eine schöne alte Kirche wird mitten im Dorf rekonstruiert. Der Garten drumherum und das Gebäude sehen noch sehr verfallen aus, aber überall stehen Gerüste und die Kuppeln der Kirche mit den Zwiebeltürmchen sind schon frisch vergoldet. Auch hier ist es wie überall auf der Welt. Die einfachen Leute haben kein Geld und fahren seit 25 jahren in ihren rostigen Ladas durch die Gegend und das eigene >Haus fällt zusammen, aber die Kirche hat immer Geld für tolle Prunkbauten.

Durch unsere Ortsdurchfahrten haben wir natürlich unseren Fahrer Mischa verloren und sausen auch glatt am Hotel vorbei, aber nach einer halben Stunde haben wir uns wieder gefunden. Eigentlich sind wir heute nicht in einem richtigen Hotel, sondern nur in einem Motel an der M 55. Hervorragend geplant haben wir, dass wir gerade, als wir unsere Räder und Sachen in die Zimmer bringt draußen ordentlich anfängt zu regnen.

Am Abend machen wir es uns im Restaurant gemütlich. Das Essen ist mehr als vorzüglich, es gibt gegrilltes Gemüse, noch einmal Omul Fisch in der Alufolie und nette Salate. Danach schauen wir uns auf meinem Computer die Bilder des letzten Jahres an und während es draußen regnet probieren wir uns durch die Biere der Baltika-Serie. Besonders gut schmecken Baltika No.3, welches das normale Pilsner ist und Baltika No.9, ein Starkbier mit 8% Alkohol, welches super schmeckt und gut dreht. Mit zwei dieser Biere kann man dann auch die Straßengeräusche während des Einschlafens hervorragend ausblenden und auch die Züge der Transsibirischen Eisenbahn rattern nicht mehr so laut vorbei.


Im Delta der Selenga

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Ruhetag in Posolskoe, Botsausflug ins Delta der Selenga, Spaziergang im Dorf und sonst nicht viel bei wechselnden Winden, leicht bedeckt 20 bis 25 Grad, 97 Höhenmeter

Leider hatten wir keine Zeit vereinbart fürs Yoga, so mache nur im Zimmer ein paar Sonnengrüße, denn ich hatte zu lange und zu gut geschlafen um noch an den Strand zu gehen. Das Frühstück ist gewöhnungsbedürftig, gestern hatte es noch Milchreis gegeben, heute ist es „Gretschka“, Graupenbrei mit Zucker und etwas Quark.

Um 9 Uhr quetschen wir uns dann zu fünft plus den Fahrer Michail, einen kräftigen Burjaten in den 20 Jahre alten Lada Niva und tuckeln 15 Kilometer über schlechte Straße zwei Dörfer weiter und dann auf einem Feldweg zu einem Gehöft an einem Flussarm. Hier wohnt Michail mit seiner burjatischen Familie, die eigentlich eine Landwirtschaft mit 50 Kühen betreibt. Auf der Wiese am Flussarm liegen noch eine Menge kleiner Bootswracks und ein oder zwei noch gangbare Kähne. In eines mit einem modernen Motor bestückt steigen wir dann, es ist nur wenig bequemer als der Niva zuvor.

Mehr als zwei Stunden kreuzen wir dann in kleinen und größeren Flussarmen, es gibt viel Schilf, viele gelbe Blumen auf dem Wasser und viel Vogelgetier, welches mit Lärm und Wellen des Bootes aufscheuchen. Das Wetter ist leider nicht so schön wie am Vortag, es ist bedeckt und weiß nicht so recht, ob es ein wenig regnen soll und im Fahrtwind wird es schnell sehr frisch, so haben wir recht schnell alle verfügbaren Sachen am Körper. Wir bekommen einen schönen Überblick über die Größe des Deltas und auch an den Flussbiegungen gibt es heilige Orte und wir opfern den Schamanen ein Rubel, die in Wasser geworfen werden. Vor allem im Frühjahr und Herbst muss es hier noch reger zugehen, wenn zwischen 4 und 7 Millionen Zugvögel hier Rast einlegen. Dass wir die seltene Baikalrobbe zu Gesicht bekommen hatten wir nicht erwartet und natürlich haben wir sie auch nicht gesehen.

In den 80er Jahren war hier im Selengadelta eine große Zellulosefabrik errichtet worden, die wegen der massiven Verschmutzung des Baikalsees unrühmliche Berühmtheit erlangte. Davon bekommt man aber glücklicherweise nichts mit, was auch an der Selbstheilungskraft des Sees liegt. Durch seine niedrige Wassertemperatur kann mehr Sauerstoff gelöst werden, als in warmen Gewässern und so enthält der See reges Leben. Für die Sauberhaltung sorgen vor allem winzige Krebse, die man mit Flohgröße auch nicht zu sehen bekommt, die sämtliche biologischen Abfälle in kürzester Zeit vernichten. Michail schippert uns dann durchgefroren wieder zurück und wir sind froh über den überheizten Lada, der uns zum Mittag wieder nach Posolskoe zurück bringt. Schön, dass es wieder Omul-Fisch gibt, das ist die im Baikal vorkommende Lachsart, die in allen Varianten immer wieder sehr lecker ist.

Am Nachmittag schlendern wir durchs gesamte Dorf. Gleich neben dem Guesthouse befindet sich der ehemalige Motorenstützpunkt. Hier gammelt die Technik der 80er Jahre schrottreif vor sich hin. Landwirtschaft wird nicht mehr sehr viel betrieben in der Region, lediglich gehört ein Kartoffelfeld zu jedem Hof. Viele Häuser und Scheunen sind recht windschief, einige der schönen Holzhäuser sind blau oder grün angemalt und nett anzusehen. Das kleine denkmal für die gefallen Soldaten des Zweiten Weltkrieges gammelt vor sich hin, ebenso wie einige andere Gebäude und die Straßen. Trotzdem ist es ein nettes Dorf im Vergleich zu den Siedlungen an der M 55, an der Haupttrasse. Im Kloster bekommen wir nicht zu viel zu sehen, da heute kein Gottesdienst abgehalten wird und das Gelände um die Kirche ist auch nicht sooo interessant. Lediglich eine chinesische Reisegruppe belebt das Areal und als wir wieder gehen erscheint eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft und lädt uns auf eine kurze Fotosession ein. Am Nachmittag treffen wir dann auf Julia aus Ulan-Ude, die unseren Russlandaufenthalt organisiert und uns dann in drei tagen in der Stadt wieder in Empfang nehmen wird.

Der späte Nachmittag vergeht dann ruhig, für einen weiteren Spaziergang ist es zu frisch und zu windig, aber dadurch habe ich zeit endlich einmal wieder zu schreiben und meine Bilder aufzuarbeiten, auch wenn es Internet erst übermorgen wieder in der Stadt gibt. Zum Abendessen gibt es natürlich wieder Fisch, als Vorspeise in einer leckeren Pastete und als Hauptgang als Bulette zu Kartoffelbrei und Salat und es schmeckt wieder ganz ausgezeichnet. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir langsam Kiemen wachsen.

Tuman II (Nebel II)

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Stattliche 115 Kilometer von Tanchoi nach Posolskoe, bei dichtem Nebel und frischer Kühle am Morgen, am Nachmittag Sonne bis 30 Grad und zum Schluss idyllische Strecke durchs Selengadelta, 800 Höhenmeter

Während ich wie tot geschlafen habe, erzählt Martina von regem leben auf der Dorfstraße und von Zügen im vier Minuten Takt auf der Transib-Strecke. Ich mag den Kascha zum Frühstück, Milchreis, einige nicht, aber wir sind eben in Russland in einer Herberge. Draußen ist das Wetter nicht viel besser als am Vortage, es sieht nach Regen aus und ist nebelig. Dafür kommen wir gut voran, zumindest bis zur Baustelle, die es schon im letzten Jahr gab. Hier sind eben keine chinesischen Straßenbauer am Werk, die 200 Kilometer Trasse in einer Saison durchziehen können. Es ist etwas schlammig, aber das ist tausendmal angenehmer als an trockenen Tagen von den Trucks eingestaubt zu werden. Der Verkehr ist interessanterweise wesentlich ruhiger als am Vortag und die Fahrer halten recht vernünftigen Abstand zu uns Radlern. Leider lässt der dicke Nebel die Landschaft nicht im besten Licht erscheinen, man sieht eigentlich gar nix, deshalb stecke ich mir die Musik in die Ohren, die ich eigentlich für die langen Wüstenetappen geplant hatte. Mein Sohn hatte mir noch fast 2 GB Musik nach meinen Wünschen zusammengestellt und so geht es musikalisch kreuz und quer durch die 80er und 90er Jahre, durch die Schlammstrecke passenderweise mit ACDC und Billie Idol.

Das Mittagessen in der Raststätte motzen wir mit einem geräucherten Omul Fisch aus dem Baikal, sowie Erdbeeren und Blaubeeren auf und wenig später schlägt das Wetter innerhalb von Minuten um. Es klart auf, zwar haben wir einen leichten Gegenwind, aber auch strahlenden Sonnenschein und gute 28 Grad. Die Birken leuchten und links schimmert der blaue Baikalsee durch die Bäume. Auf der rechten Seite liegen sanfte Hügelketten, wunderschöne sibirische Landschaft und pures Fahrvergnügen, denn wir haben die Hauptstraße verlassen. Nach einer halben Stunde taucht dann die Kirche von Posolskoe auf und wenig später sind wir in unserem Guesthouse.

Die burjatische Familie ist nett und das Abendessen lecker, es gibt wieder frischen Fisch aus dem Baikal und danach machen wir uns auf einen Spaziergang auf und wandeln am Ufer des Sees entlang. Ein wenig kann man das andere Ufer erahnen, der See ist hier vielleicht 10 Kilometer breit, doch das ist nichts zu seiner Länge mit über 600 Kilometern. Auf den Wiesen am Ufer stehen zahlreiche Zelte und die meisten der Russen auf Urlaub bereiten gerade am Feuer das Abendessen, zumeist brodeln Fischsuppen in den Töpfen über dem Feuer. Der Spaziergang in der warmen Abendsonne ist nach einem langen Radeltag sehr entspannend. Als die Sonne dann im See versunken ist, kehren wir zur Herberge zurück. Verdient müde warten die Betten auf uns. 350 km haben wir in den letzten drei Tagen und es war auch recht bergig. Unseren morgigen Ruhetag haben wir uns also mehr als verdient.


Tuman I (Nebel I)

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

113 Kilometer von Sjduljanka nach Tanchoi bei leichtem Regen und Nebel, bergige 770 Höhenmeter bei 15 bis 20 Grad

Das Wetter sieht nicht sehr gemütlich aus und es ist mit 15 Grad auch recht kühl, wir packen uns ordentlich ein und ziehen nach dem Frühstück los. Die Berge von gestern stecken doch noch ein wenig in den Beinen und gleich am Morgen erwarten uns schon wieder die ersten Hügel. Eigentlich ist die Strecke sehr schön, rechts müsste ein Gebirgszug liegen und links der Baikalsee, doch von beidem sehen wir nichts. Lediglich die Flussläufe die wir überqueren, mit ihrem klaren Wasser, lassen etwas von der landschaftlichen Schönheit bei besserem Wetter erahnen. Nach einer halben Stunde beginnt es auch noch zu regnen, aber nach einer weiteren halben Stunde hört es auch wieder auf. gegen Mittag haben wir das Gefühl, das die Sonne vielleicht doch noch die Wolkendecke aufbrechen könnte, aber sie tut es nicht.

Zwischen Straße und Baikalsee verläuft auch die Strecke der transsibirischen Eisenbahn, aller fünf bis zehn Minuten rauscht ein Zug vorbei. Selten ein Personenzug, meistens lange Güterzüge, oft mit Ölwaggons, manchmal mehr als 80 davon hintereinander. Von Moskau sind wir hier schon 6000 Kilometer entfernt und bis nach Wladiwostok kann man die Bahnlinie noch einmal mehr als 2000 Kilometer lang verfolgen.

An der Straße gibt es nur wenige Dörfer oder Siedlungen, reich sind die Leute hier nicht, die Holzhäuser sehen zwar nett, aber meist recht schäbig aus. An den Bushaltestellen und Rastplätzen für die Autos sitzen reihenweise ältere Frauen und Männer und verkaufen Pilze und Erdbeeren oder geräucherten Omul. Der Omul ist ein lachsähnlicher Fisch, der nur im Baikalsee lebt.

Gegen 17 Uhr erreichen wir Tanchoi und übernachten im Gästehaus der Nationalpark-Verwaltung. Die Herberge hat den Charme einer Jugendherberge, aber die Leute sind nett und wir bekommen ein ordentliches Abendessen. Danach drehen wir noch eine Runde durch das kleine Dorf im Nebel und steigen über die Gleise an den See. Auch hier ist nicht zu viel zu sehen, aber es ist schön am Strand entlang zu laufen und das Rauschen der Wellen zu hören, die aus der Nebelwand nur wenige Meter vor uns auftauchen.

Am Bahnhof kehren wir dann wieder zurück. Leider kommt jetzt gerade kein einziger Zug vorbei, obwohl noch einige Leute auf einen Regionalzug warten. Dafür herrscht vor dem kleinen Laden auf dem Vorplatz reger Andrang. Meist kommt ein Lada mit dröhnender Musik angebraust, jemand springt heraus und holt im „Magasin“ schnell noch eine Flasche Schnaps.

Auch wir haben heute Abend mit dem Fahrer eine halbe Flasche mit dem „Wässerchen“ gelehrt und das bildet eine gute Grundlage für einen gesunden Schlaf. Da es heute nicht einmal halb so viele Höhenmeter waren, war der Tag auch nicht so anstrengend, wie der gestrige.


Berge ohne Ende

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Harter Radeltag von Irkutsk nach Sjudljanka, 113 Kilometer und deftige 1747 Höhenmeter !!! bei wechselhaften Wetter und Temperaturen zwischen 18 und 28 Grad

Endlich ist es soweit, wir sitzen auf den Rädern und können losradeln! Die Bedingungen sind optimal, es ist leicht bewölkt bei vielleicht 20 Grad. In Irkutsk und aus der Stadt heraus herrscht straffer verkehr, aber wir haben selten das Gefühl, dass es gefährlich sein könnte. Der Abstand, den die Autos beim Überholen halten ist nicht all zu groß, aber es wird nie richtig dicht, also nur ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die russischen Straßen sind schlecht und ziemlich löcherig, aber das macht auch den Autofahrern mehr zu schaffen als den Radlern.

Von Anfang an geht es mäßig bergan, wir haben heute ein ziemliche Mittelgebirge vor uns und sind mental vorbereitet. Ob wir körperlich vorbereitet sind, das wird sich am Abend zeigen. Es ist schon etwas komisch eine zweimonatige Radtour mit dem nominell härtesten Höhenprofil am ersten Tag zu fahren, aber es geht nicht anders. Bis zum nächsten Ort mit Übernachtung sind es nun mal 110 Kilometer und dazwischen liegen eben die Berge.

So haben wir dann nach 25 Kilometern den ersten Pass geschafft und es geht wieder ziemlich weit runter und dann flugs an den nächsten Anstieg, der geht wieder auf fast 900 Meter nach oben. Von da an ist es dann kräftige Hügelei, 200 Meter runter und dann 300 wieder nach oben. Auch ist es warm und sonnig geworden. Erst nach über 70 Kilometern gibt es wieder eine Raststätte und wir sind ordentlich hungrig. Das Programm in den Raststätten kenne ich noch vom letzten Jahr. Soljanka oder Borschtsch als Suppe, Bulette zu Reis oder Kartoffelbrei, Spiegelei mit Brot oder Wurst, dazu kalorienreiche Salate. Für meine Gruppe ist alles neu, also kein Problem, aber im letzten Jahr nach zwei Monaten auf der russisch-sibirischen Piste hat man sich alles über gegessen, doch das ist ja für mich nun auch schon eine Weile her.

Nach dem späten Mittag bergt es weiter, immer hoch und runter und zwei Mal über die transsibirische Eisenbahn. An einigen Stellen, an einer Quelle und an den Pässen hat man bunte Stoffstreifen an die Bäume gebunden und die Autofahrer werfen Münzen aus den Autos auf die Straße. Das sind heilige Stätten der Burjaten und Ewenken, deren Religion, der Schamanismus sehr naturverbunden ist und so stiftet man den geistern die die Bäume, die Gewässer oder die Berge und Steine beleben eine kleine Gabe.

Endlich dann der letzte Pass und wir radeln in eine kühle Wolke und in dieser bleiben wir dann auch, dichter Nebel zieht vom jetzt schon nahen Baikalsee herauf. Wir biegen um die Ecke und müssten dann eigentlich eine gigantische Aussicht haben, aber alles ist grau und verhangen und im Dunst; schade, schade. Auch die Verkäufer von geräuchertem Fisch besetzen nur ein Drittel der Stände, weil das Geschäft bei dem trüben Wetter nur mäßig läuft.

Die letzten Kilometer ziehen sich ewig hin, die Berge sitzen in den Knochen und wir sind froh, als wir unser Quartier erreichen. Müde sind wir, aber es hätte schlimmer kommen können, letztlich hatten wir den ganzen anstrengenden tag über angenehme Radeltemperaturen.

Das Guesthouse beherbergt ein Museum für Mineralogie oder auch umgekehrt. Wie auch immer, haben der Hausherr und seine herrische Chefin über 40 Jahr aus aller Welt Minerale zusammen getragen, sortiert und klassifiziert. Eine beeindruckende Sammlung hübscher „Steine“. Untergebracht sind wir in einem Nebengebäude in netten Zimmern im 70er Jahre Stil. Eine Dusche gibt es nicht, aber eine Banja, also eine Art Sauna mit einem großen Pott heißem Wasser und kaltem Wasser, mit dem man sich wechselweise übergießen kann, das ist mindestens ebenso erholsam wie eine heiße Dusche. Nach dem Abendessen raffen wir uns dann mit letzter Kraft zu einem Rundgang durch das Museum auf und fallen dann mehr als rechtschaffen müde in die Betten.


Wer zum Teufel ist Erich Hartmann?

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Stadtspaziergang und Rundfahrt durch Irkutsk, Foodshopping auf dem Markt und abendliches Picknick und Wodkatrinken am Ufer der Angara bei sommerlichen sonnigen 28 Grad.

Gut sind wir, denn wir starten den Tag mit 30 Minuten Yoga auf dem Flur des Hotels, zur körperlichen Ertüchtigung nach dem langen Flug und zur Erbauung des Etagenpersonals noch vor dem Frühstück.

Pünktlich um 10 Uhr wartet dann Slawa, unser Stadtführer, und wir starten mit einem Spaziergang an der Duma vorbei und den wichtigsten russisch-orthodoxen Kirchen vorbei zum Ufer der Angara mit dem neu errichteten Kosakendenkmal zum 350 Jubiläum der Stadtgründung im letzten Jahr. Die erste Siedlung am Fluss wurde von den verwegenen Reitern hier gegründet. Die schönen Verwaltungsgebäude haben wir einem Stadtbrand zu verdanken, der das hölzerne Zentrum im 19. Jahrhundert vernichtete, danach entstanden die klassizistischen Bauten und Irkutsk wurde zum „Paris Sibiriens“. An der ewigen Flamme zum gedenken an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gegen die deutschen Faschisten werden heute die Polizeitruppen vereidigt und so bekommen wir stramme Jungs in Uniformen und fesche Mädels in Highheels zu sehen, die Vereidigung an sich ist so langweilig wie alle Vereidigungen der Welt, so dass wir schnell weiterziehen.

Geschichtlich interessant wird es im Dekabristenmuseum, im Dezember 1825 hatte sich eine russische Elite gegen den Zaren erhoben, die Offiziere hatten den Eid auf den Zaren verweigert.

Die Anführer hat man gehängt, die anderen Teilnehmer nach Sibirien verbannt. Die Frauen durften entscheiden, ob sie mit in die Verbannung gehen, nur eine Dame von 29 hat sich entschieden „zu Hause“ zu bleiben. Eigentlich waren die Verbannten die meisten ihrer Bürgerrechte los, durften keinen Kontakt zur Außenwelt haben, ebenso kein Eigentum und Besitz; aber das Wohnhaus eines der Teilnehmer zeigt einen doch recht gehobenen und kulturvollen Lebenswandel und die Dekabristen bildeten sozusagen eine Parallelhighsociety zum lokalen Adel. Beziehungen wurden durch die Frauen gepflegt, die den Kontakt halten durften, es entstanden eigene Schulen und Stiftungen und auch die Beziehung zur Provinzregierung war nicht schlecht. Damit hatte der Zr zwei Probleme gleichzeitig los; zum einen waren die Rebellen sehr weit weg vom Zentrum der macht und ohne Einfluss auf die Politik, zum anderen wurde die intellektuelle Elite in Sibirien entscheiden gestärkt und die Entwicklung des Landesteiles vorangetrieben, denn nur wenige wollten hier freiwillig hin. Durchs Museum werden wir von einer strengen Aufseherin gepeitscht, die den Job wohl schon in Sowjetzeiten erledigt hat.

Der Wissensdurst ist gestillt und wir lassen uns wieder am Markt absetzen; jetzt heißt es Einkaufen fürs abendliche Picknick, wir wollen es richtig russisch und legen los. Zuerst die Grundlagen: Kaviar, Wodka, Sekt und Brot, dazu noch Käse, Speck und Räucherfisch, abgerundet mit Roter Beete, Radieschen und Gurken und Zwiebeln und Knoblauch dürfen auch nicht fehlen.

Nach einer Pause suchen wir dann eine flaches Stück Ufer, die Stelle scheint auch bei den Irkutskern beliebt, denn es sind auch ein paar Russen zum Baden und ein paar weiter zum Trinken und Baden hier, die letztere gesellt sich relativ schnell zu uns und dann geht es in grottigem Englisch und meinem mittelschlechten Russisch durch Politik, Kultur und Weltgeschichte. Michael ist Bauarbeiter und hat schon gut vorgetrunken, und erzählt uns die Legende von der Entstehung des Flussnamens Angara. Angara, eine Frau war schrecklich verliebt in den Jenissei, der ebenfalls ein großer Fluss in Sibirien ist, doch der Vater, der Osero Baikal, der Baikalsee war dagegen. Mit Hilfe eines Schamanen jedoch konnten Angara und Jeniseiy und die Angara konnte fliehen. Noch heute gibt es den Schamanenstein bei Liswijanka am Baikalsee und die Angara, der einzige Abfluss des See mündet in den Fluss Jeniseeiy.

Konstantin ist Ingenieur und interessiert sich für Fliegerei. Er verehrt einen deutschen Flieger namens Erich Hartman und hat sich von ihm sogar ein Bild an die Wand gepappt, gleich neben Herman von Richthofen, den Namen hat man ja schon einmal gehört, auch bekannt als „Roter Baron“ und der bekannteste Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Während wir letzteren kennen, sagt uns Hartmann überhaupt nichts, aber wir versprechen den Dreien unsere Wissenslücke schnellstmöglich zu schließen und tippen auf einen Flieger im Zweiten Weltkrieg.

Und genauso war es: Erich Hartmann war Offizier der Seutschen Luftwaffe und mit 352 Abschüssen der erfolgreichste Kampfpilot aller Zeiten. Das hat ihm dann aber auch eine Verurteilung als Kriegsverbrecher in Russland eingebracht und mehr als 10 Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager. Nach seinem Tod wurde er jedoch wieder rehabilitiert.

Der Dritte im Bunde, Georgi, mit italienischer Abstammung erweist sich als musikalisches Talent und schmettert uns ein paar improvisierte Melodien. Als schwer erweist es sich der weiteren Einladung zum Trinken in ihrem Haus zu entgehen. Wir schieben unsere morgige zeitige Abreise vor, brauchen aber doch jede Menge Überzeugungsarbeit.

Unter sibirischer Sonne

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Ankunft in Irkutsk, Räder schrauben und langer Stadtspaziergang, 7 km mit dem Rad ins Zentrum, sonnig bei 25 Grad.

Wie schon in St. Petersburg strahlt die Sonne morgens um 8 Uhr in Irkutsk, aber es ist nicht glühend heiß, sondern angenehm frisch. Ich bin der erste unserer kleinen Gruppe und alle Flüge sind verspätet, letztlich gut für uns, denn so liegen die Ankünfte nicht so weit auseinander. Nachdem ich mein Rad ausgepackt und zusammengeschraubt habe, kommt dann eine Stunde später schon Michael aus der Schweiz, auch sein Rad kommt heil an und wir schrauben schnell. Ebenso wieder eine Stunde später stößt Dorothea zu uns und nur wenig später sind wir mit Martina und Wolfgang komplett. Die beiden nehmen dann unseren Minibus ins Hotel, wir anderen radeln schon mal die 7 km ins Zentrum, die Straßen sind nicht zu belebt, doch der Verkehr rollt recht straff und zügig. Vorbei geht es an kleinen Holzhäusern in das klassizistische Zentrum.

Das Hotel „Angara“ liegt mehr als zentral, ist aber ein alter Sowjetbau. Glücklicherweise sind die Zimmer seit letztem Jahr renoviert worden und die sowjetischen Hängebauchbetten sind ersetzt worden, letztes Jahr hatte ich darin kaum ein Auge zugetan. Doch jetzt sieht es recht angenehm aus, doch um etwas zu meckern, die Duscharmatur ist, wie so oft in Asien falsch belegt und es gibt nur eine einzige Steckdose und die ist weit vom Schreibtisch entfernt.

Aber wir sind ja nicht hier, um europäischen Hotelstandard zu genießen, sondern um Land und Leute kennen zu lernen und so treffen wir uns nach einer Stunde auf einen Kaffee und vertreiben die Müdigkeit und stürzen uns in die sibirische Metropole an der Angara. Für ihre lediglich 700.000 Einwohner macht die Stadt einen recht großen Eindruck, aber es gibt noch viele Stadtteile mit kleinen, niedrigen Holzhäusern. Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt von Kosaken gegründet und ist ein Schmelzpunkt der Kulturen. Mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn und der Transsibirischen Traktes kamen die Russen zu den Kosaken. Auch die Nähe zur Republik Burjatien ist zu spüren und als Angelpunkt des russisch-chinesischen Handels mit Pelzen, Diamanten, Gold, Holz und Seide entwickelte sich die Stadt prächtig, auch Dank der Verbannungen durch den Zaren, mit denen intellektuelle Köpfe ins hinterste Sibirien gespült wurden.

Im Zentrum dominieren schöne Bauten aus dem späten 19. Jahrhundert, die sich mit netten Parks abwechseln. Gleich dem Hotel gegenüber gibt es mehrere Halfpipes, wo sich die größeren Kids und Jugendlichen zum Skateboarden und BMXen treffen und erstaunliche Kunststückchen vorführen, um den Mädels zu imponieren. Auch Lenin begegnet uns in den Parks zwei Mal und dann sind wir schon am Rande des Zentrums, wo die Holzhäuser beginnen. Die sind in recht unterschiedlichem Zustand. Einige der schönen Bauwerke aus dicken Holzstämme, die man in ganz Sibirien trifft, sind neu hergerichtet, aber vieles sieht sehr verfallen aus und einiges steht am Rande des Zusammenbruchs. Eine Englischlehrerin, die eigentlich aus Armenien stammt, erzählt uns, dass die Gebäude hier im Viertel alle so um die 100 Jahre alt seien, inzwischen hat man auch Wasserleitungen in die Höfe gelegt und im Winter wird elektrisch geheizt, was natürlich sehr teuer sei. Die Häuser dürften nicht abgerissen werden, aber die meisten Familien haben kein Geld für eine professionelle Renovierung der schönen Bauten und so verfallen die schönen Verzierungen um die Fenster und am Dach. Von dem Viertel, das ein wenig höher liegt, hat man einen schönen Überblick und es wehrt ein kühles Lüftchen in der sibirischen Sonne. Hoffentlich haben wir das schlecht Wetter in Deutschland zurück gelassen und können nun die zweite Hälfte des Sommers genießen.

Hinter dem Viertel gibt es einen riesigen „Chinamarkt“ mit reihenweise Blechbuden. Dort kann man die schöne neue Plastik- und Textilwelt kaufen, die Buden werden hauptsächlich von Chinesen aus dem Norden betrieben, alle Leute, die ich anspreche sind aus der Gegen um Ha’erbin. Dazwischen aber auch Händler aus den ehemaligen turkstämmigen Sowjetrepubliken. Durch die Marktstraßen nähern wir uns wieder dem Zentrum mit seinem alten Markt. In einer riesigen Halle gibt es dann alles an Lebensmitteln, was die Region und das Land hergibt. Fische aus dem Baikal in allen Varianten, Käse, Fleisch und Gemüse. Hier wollen wir dann morgen noch einmal her und etwas für ein Picknick an der Angara besorgen.

Jetzt treibt uns dann aber der Hunger doch in ein Restaurant in der Karl Marx Straße, denn bei Aeroflot gab es im Flieger heute Morgen natürlich kein Frühstück. Die Preise in dem Lokal sind recht hoch, wie in Deutschland, und alles ist recht fleischlastig, aber lecker, wie der Omulfisch, die Nudeln oder die Suppen.

Danach bleibt uns nur noch zurück ins Hotel zu schlendern und nachdem ich letzte Nacht im Flieger nicht schlafen konnte brauche ich nicht einmal 5 Minuten, bis ich in dem zu warmen Zimmer eingeschlafen bin. Schön ist es wieder auf Reisen zu sein und wir haben den ersten Tag schon gut genutzt und haben eine interessante Runde durch die Stadt gedreht.


„Leto bes Letu“ (Sommer ohne Sommer)

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Langer Weg von Berlin über Sankt Petersburg nach Sibirien, Berlin in strömendem Regen, St. Peterburg sonnig mit 32 Grad und in Irkutsk soll es morgendlich frisch 12 Grad sein.

Grau hängen die dunklen Wolken über Berlin und meine Wohnung übergebe ich fast schon steril sauber an meine Untermieter. Also nichts wie weg hier. In der Nacht habe ich noch bis morgens am Computer gesessen, ich will im Flieger richtig müde sein, sonst kann ich nicht schlafen.

Kurz bevor mein Taxi zum Flughafen kommt, öffnet der Himmel alle Schleusen und es regnet mehr als in Strömen. Da ich wieder einmal nur die Sandalen an den Füßen und keine weiteren Schuhe im Gepäck habe macht mir das knöcheltiefe Wasser nichts; wenn es noch einen Tag so weiter gießt, sieht es aus wie in Beijing vor zwei Wochen, Land unter und man muss in der Badewanne zum Supermarkt rudern.

Gegen 9 Uhr bin dann am Provinzflughafen für das Dorf Berlin, ich hatte eigentlich vorgehabt meine Taschen noch einmal in Plastikfolie einwickeln zu lassen, aber so etwas gibt es nur in zivilisierten Ländern, wie in China zum Beispiel, ebenso wie logistisch einigermaßen funktionierende Flughäfen. Vorgestern sprach ich mit Christof von China By Bike noch über den neuen Flughafen von Kunming, der ist von der Idee über die Planung bis zur pünktlichen (!) Eröffnung in nicht einmal drei Jahren aus dem Boden gestampft worden. Hätte man dort die Eröffnung wegen technischer Probleme, sagen wir mal um zwei Wochen, verschieben müssen, dann wären einige Funktionäre abgesägt worden, bei einer Verschiebung von einem Jahr, hätte der amtierende Bürgermeister die Einweihung aus der Gemeinschaftsbaracke eines Arbeitlagers die Feier verfolgen dürfen; aber Berlin ist eben nicht China- zur Orientierung: Kunming ist eine mittlere Großstadt im Süden von China mit 5 Millionen Einwohnern.

Die drei Mädels am Eincheckschalter stehen unter der Diktatur einer „Svetlana“, die mit haarigen Zähnen die drei Schalter überwacht. Aus der Schlange heraus kann man schön beobachten, wie die Leute mit Übergepäck ordentlich abgezogen werden, ein armer kleiner Japaner darf seinen Koffer noch mal umschichten, vor den Augen aller Umstehenden. Dann bin ich an der Reihe und Svetlana will mir nicht glauben, dass mein Fahrrad nur 15 kg wiegt, irgendwie muss ich dann mein Rad noch auf das Förderband stellen und die Waage zeigt…..schlaffe 11 kg an. Mein Restgepäck wiegt auch noch mal 15 kg, also bin ich im Limit von 30 Kilogramm. Tja, Svetlana, in Physik nicht aufgepasst, hatte meine Tasche noch so gestellt, dass der Fahrradkarton mit einer Ecke noch drauf steht. Aber nicht ärgern, es wären eh nur drei oder vier Kilo drüber gewesen und so dünn wie ich bin, habe ich da nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Aber das Svetlana dann wegen der ganzen Aufregung vergessen hat die 50 € fürs Rad zu kassieren, das ist schon peinlich.

Dafür ist ja auch der Service lausig, es gibt nur Wasser an Bord, kein Bier, keine Cola, keine Fanta und dazu ein lausiges Sandwich.

Auch die Russen in Berlin sind nicht zufrieden mit dem Wetter in Berlin, „Leto bes Letu“ („Sommer ohne Sommer“) titelt die Berliner Zeitschrift für Exilrussen, trotzdem gibt es in der Zeitung leckere Rezepte für kalte Suppen an heißen Tagen, die Hoffnung ertrinkt zuletzt. Die Suppen interessieren mich aber trotzdem und ich denke ich werde in Russland dann noch ein paar kalte Suppen probieren und dann gibt’s auf meinem Tomtomtofu Blog dazu einen „leckeren“ Bericht.

Drei Stunden später in St. Petersburg ist mir dann bei 32 Grad und strahlender Sonne nach einer kalten Suppe zumute. Der zu klein geratene Flughafen ist eine Baustelle und es ist mehr als hart sich mit dem Wagen und dem Rad drauf durchs dichte Gedränge zu wühlen. Leider kann ich nicht gleich wieder einchecken, und muss fast 5 Stunden mit den Sachen zubringen in dem übervollen Flughafen. Zwei Stunden döse ich dann draußen und noch einmal zwei Stunden verbringe ich im „Planet Sushi“ bei nur mäßigen Rollen. Dann geht es wieder durchs Gedränge und die schwitzenden Massen, aber das Einchecken geht völlig reibungslos, es gibt hier wohl keine „Svetlana“. Um 20.30 steigen die Fluggäste dann vom Airport-Shuttle in die Maschine und stehen zwischendrin im Sturm. Etwas 100 Meter weiter steht ein anderer Flieger mit dem „Hintern“ zu uns und gibt ordentlich Schub, dass die Basecaps nur so fliegen.

In der Nacht geht es dann über Sibirien hinweg, richtig dunkel wird es nicht, so weit nördlich zieht die Maschine über die unendlichen Weiten, die wir im letzten Jahr noch durchradelt haben……ich erinnere mich dann wieder an Moskitos, Wodka, Pferdebremsen, unendlich lange und gerade Straßen, staubige Pisten und lausige Hotelzimmer und dann zieht es mir doch die Augen zu.

Pilgerleben II

Berge, Tempel, Thangkas, 24.09. bis 24.10.2011

Noch ein Ruhetag in Xiahe und noch einmal ein ruhiger Rundgang durchs Labrang Kloster, Besteigung der Hügel rund ums Kloster, meditativer ruhiger Tag bei trüben 14 Grad und nachmittags Regen

Es scheint, dass die Pilger sehr wetterabhängig ihre runden drehen, gestern war es mehr als belebt auf dem Rundgang und heute ist fast nix los. Die Sonne hat sich hinter dichten grauen Wolken versteckt und ab und zu nieselt es. Der wetterbericht für lanzhou stimmt mich nicht sonderlich optimistisch.
Zum Fotografieren der Gesichter ist es heute jedoch optimal, die starke Hochgebirgssonne kann keine dunklen schwarzen Schatten werfen, dafür muss man halt die ISO-Zahl etwas hochschrauben.
Zum Frühstück kehren wir in einem typischen Backpackerladen ein und dort gibt es natürlich dann auch Bananapancake und Yoghurt mit Früchten, der Lhasa Kaffee stellt sich dann als ein eher indisches Teegetränk heraus, trotzdem aber lecker.
Von den Hügel rund um das Kloster hat man eine hervorragende Sicht über das ganze Tal. Zwischen den Tempeln liegen, in gleichmäßige Quadrate aufgeteilt, die Wohnhöfe der Mönche. Die goldenen Dächer glänzen heute nicht im gleißenden Sonnenschein, sondern passen sich der herbstlichen Landschaft rundherum an.
Hinter dem Tempel liegt ein Kloster für die Novizen, hier sind sogar lange haare erlaubt, die die jungen Mönche zu einem Zopf geflochten und unter einem Tuch verdeckt um den Kopf gerollt haben. Es läuft gerade eine zeremonie für eine Pilgergruppe und nur mit Mühe dürfen wir in einer Ecke Platz nehmen und den Singsang beobachten. Danach, die Prozession ist nicht nicht zu Ende, werden wir recht mürrisch und unhöflich nach draußen gekehrt.
Hinter dem letzten Tenpel gibt es nichts Städtisches mehr, müde Hunde bewachen die festungsgleichen Höfe, an einigen Häusern wird noch gewerkelt, um einen Wassergraben oder eine Wand vor dem Winter fertig zu stellen. Ganz hinten im Dorf stehen zwei Yakkälbchen auf einer trockenen Weide, die beiden Tiere sind noch nicht mal eine Woche alt und haben keinerlei Angst und scheu vor der Welt und mir.
Auf dem Rückweg begegenen wir noch dem ein oder anderen Pilger, ich will eine frau befragen, wieviel Zeit sie für die Hardcore- Umrundung des Klosters benötigt, aber sie lacht mich nur an und versteht kein Wort Chinesisch, schade. Aber sie posiert gerne fürs Foto, es ist die Dame mit den „Holzschuhen“ an den Händen. Als wir wieder weg sind wirft sie sich wieder der länge nach hin, spricht ein kurzes Gebet, steht auf und wirft sich wieder hin. Ich versuche nachzurechnen, also die Frau ist 1, 70m groß und schafft zwei Körperlängen pro Minute, der Rundweg beträgt 6 Kilometer plus zwei Kilometer für die Umrundungen der inneren Tempel, dabei kommt sie auf 4705 Niederwefungen, wofür sie dann fast 40 Stunden effektiv und ohne Pause unterwegs ist. Wenn sie jeden Tag also 10 Stunden ihren Weg fortsetzt, ist sie also 4 Tage für eine Runde unterwegs…..danach ist der Geist definitiv von jeglichem bösen Gedanken befreit.
Zurück in der Stadt treffen wir auf zwei deutsche Radler aus Hamburg. Johanna und Andreas sind seit März unterwegs und haben als „Wessis“ natürlich die südliche Route gewählt. Mit massiv viel Gepäck haben sie sich durch die Türkei und Kirgsien bis nach China durchgestrampelt und wollen weiter nach Süden und dann nach Vietnam. Viel Glück und viel Spaß, ihr Abenteuer ist nachzulesen auf: www.cycle-the-world.de
Wir starten dann morgen auf unsere letzten drei tage in Richtung Lanzhou und kehren Tibet und den tempel und den Tankhas den Rücken, wieder geht es vor allem durch moslemisches Hui- Land und dann bald nach Hause, für meine Truppe ist es ein „Schon“, für mich nach mehr als 6 Monaten ein „Endlich“.