Winter am sibirischen Fluss mit 3 Buchstaben mit Asyl für Ehemänner

102. Reisetag: 63 km von Kuitun nach Sima an einem angenehm sonnigen sibirischen Sommertag, ideal für einen kurzen Radausflug. Von Peter Frenzel.

Heute hatten wir einen sehr kurzen Radeltag mit schlappen 63 Kilometern bis zum sibirischen Winter, denn Sima heißt übersetzt Winter.

Das Wetter spielte super mit – Sonne, Wolken, um die 20° und trocken. Gegen 14 Uhr waren wir schon am Ziel.

Unsere heutige Unterkunft „An der Oka“ (mit „Bequemlichkeiten“, d.h. separate Dusche und WC im Zimmer), liegt wenige hundert Meter nach der Brücke über dieselbe. Die Taverne daneben nennt sich „Entfernt von den Ehefrauen“ (Wdali ot schen) – hm, stimmt, zumindest was Gerhard, Viktor und mich betrifft.

Bildchen vom Tage dazu:

Entspannen und Technik-Check bei Kosakin Ija (казачка Ия)

Bilderbuch am 100. Reisetag im Wald nahe Tulun, bewölkt und eher frisch als Sommer, nachmittags sogar leichter Regen. Von Peter Frenzel.

Tulun (Тулун) ist eine Stadt mit ca. 45.000 Einwohnern, die schon in der Oblast Irkutsk liegt. Eine erste Erwähnung soll es bereits um 1735 geben. Der Name bedeutet auf Jakutisch Tal. 1927 bekam das frühere Dorf Tulunowskoje dann das Stadtrecht.

Tulun liegt am Streckenkilometer 4795 (ab Moskau) der Transsibirischen Eisenbahn, etwa am Radweltreisekilometer 8190 (ab Berlin, nach meiner Zählung) an der Fernstraße P-255 / M-53 Nowosibirsk – Irkutsk – Listwjanka sowie am Fluss Ija, die als kräftiger Strom durch das Tal fließt. Die Ija (Ия) ist 484 km lang und von Anfang November bis Ende April zugefroren. Wie gut, dass wir am 8. Juli hier angekommen sind. Sommerlich heiß ist es aber gerade auch nicht. ? Weiter hinter Tulun mündet die Ija in den Bratsker Stausee, der auch von der Angara durchflossen wird. Wir haben also auf dem Land- , dem Schienen- und dem Wasserwege schon direkten Kontakt zum Baikal!

Von der Stadt bekamen wir nur einen kleinen Eindruck beim Durchradeln zur Unterkunft, die sich einige Kilometer außerhalb an der Ija befindet und eine „Erholungs-Basis“ (ба́за о́тдыхa) mit dem Namen „Kosakin Ija“ (казачка Ия) ist. So richtig gut läßt sich das aber nicht übersetzen, sagen Inna und Viktor.

Wir nutzen also die heutige Stille (die lauten Wochenendgäste sind alle abgereist) und machen tatsächlich mal nichts als entspannen.
R u h e t a g eben!
Wenigstens fast. Nach einigen tausend Fahrkilometern brauchen auch unsere bisher stets zuverlässigen „tout-terrains“ (und auch die beiden Räder von Karin & Martin) ein wenig Pflege.
Dreck wegputzen, Schraubverbindungen fetten, Schwalbe-Reifen kritisch beäugen (alles bestens!) einschl. Luftdruck prüfen, Gatescarbonriemenspannung justieren, wo nötig Magura-Bremsen justieren etc. pp und – ganz wichtig! – Ölwechsel im Rohloff-Getriebe.

Vielen vielen Dank an Gerhard, der uns seine Erfahrungen dabei vermittelte und das technische Management übernommen hatte. So haben nach knapp 4 Stunden auch alle mit den Interna unserer Rad-Hightech-Boliden noch nicht so Vertrauten ganz Wichtiges hinzugelernt. Hatte ich schon erwähnt, daß bei Karin und mir seit Berlin außer mal Luft nachpumpen in den hinter uns liegenden über 8000 Kilometern absolut kein technisches Problem aufgetreten ist? Hey Volker – alles perfekt „konfektioniert“ und die richtigen Sponsoren gewonnen! Ach so, an den immer noch wasserdichten MSX-Lenkertaschen musste bisher auch nix gewartet werden, außer einem kleinen Problem an meinem Schulterriemen. Da half mir übrigens bei einem Aufenthalt in Atschinsk ein netter junger Mann im „Remont Obufi“ (Schuhreparatur), der mir nach 15 Minuten gleichzeitigem angeregten Gespräch das Teil genäht und perfekt verklebt mit den Worten zurückgab „Kostet natürlich nichts, ist ein Geschenk Russlands an die tapferen Radfahrer aus Germanija“. Sowas vergißt man den Rest seines Lebens nicht mehr. ?

Für den heutigen Abend haben wir uns ein „Buffet“ (Шведский Стол / Schwedski Stol) mit lokalen Spezialitäten (z.B. mit Wild-Fleisch und besonderem Fisch) bestellt, um den Hundertsten gebührend zu feiern, bevor es morgen früh weiter in Richtung Irkutsk geht. Dahin sind es nicht mal mehr 400 km.

Waldbilderbuch auf:

Warum oder wo sind die Messer?

Tag 99, von Nischneudinsk nach Tulun 121 km, am Vormittag trüb und frisch – 12°, ab Mittag Sonne mit Wattewolken – 20°, nach Ankunft ein heftiger Schauer. Von Gerhard Leiser.

Erneut sind wir auf unserem Weg nach Irkutsk und dem Baikalsee durch abwechslungsreiche Taigalandschaft mit weiten Blicken auf die Umgebung und die Transsib geradelt. Aber Bilder sprechen mehr als alle Worte, deshalb der Verweis auf die Bildergalerie.

Einer Frage will ich mich heute widmen: was bringt normale Menschen, auch solche im fortgeschrittenen Alter dazu, sich auf ein Fahrrad zu setzen um die halbe Welt oder gar weiter zu umrunden?

Um von einem Ort zum anderen zu kommen, das kann es nicht sein. Hier gibt es heute schnellere und bequemere Mittel. Aus Spaß? Ja, wir haben unseren Spaß und unsere Freude unterwegs, aber nicht immer macht es Spaß. Die Straße steigt kilometerweit bergan, die Sonne sticht oder es geht gerade ein Starkregen auf uns nieder. Von qualmendem, stickendem, einen von der Straße drängendem, manchmal gefährlichem Verkehr ganz zu schweigen.

Eine kleine Umfrage unter den Mitreisenden führte auch zu keiner eindeutigen Antwort, teilweise gab es auch keine. Eines eint uns, so unterschiedlich wir auch sind. Alle sind wir weit gereist und haben schon viele Ecken der Welt gesehen.

Vielleicht haben wir alle, so wie ich, den Wunsch, die Veränderung der Landschaft mit ihren Gerüchen und Tönen hautnah und langsam genug zu erleben, verbunden mit dem Ziel immer weiter und weiter zu kommen und neues zu erkunden.

Die anderen Lebensumstände der Menschen unterwegs zu sehen und zu erleben, um nach der Rückkehr nach Hause zu wissen, dass man in anderen Region der Welt ebenfalls leben kann und muss, ohne das perfekte Funktionieren wie bei uns zu haben. Um zu lernen oder um sich daran zu erinnern, dass in unserer doch sehr bequemen Lebensumgebung durchaus auch auf etwas verzichtet werden kann. So kann ein „Nichtfunktionieren“ bei uns mit Geduld und Gleichmut hingenommen werden, ohne sich darüber aufzuregen.

Sicherlich spielt auch der Anspruch und Ehrgeiz die Rolle, eine solche Stecke über Tausende von Kilometern bewältigt zu haben. Um vor der Weltkarte zu stehen und sich selbst zu sagen: „von hier bis dort hin bin ich mit dem Rad gefahren!“

Nein, es gibt keine einfache Antwort für diese Unternehmung, genauso wie es keine Antwort gibt auf die Frage: „warum gibt es in Sibirien im Café immer nur Gabel und Löffel?“ Wegen der Verletzungsgefahr im Umgang mit Messern, als Training für Stäbchen in China oder weil alle geklaut wurden? Auch die Einheimischen wissen es nicht.

Wer noch eigene Gedanken zu diesen Fragen hat, gerne als Kommentar.


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Fahrt durch meine Heimatstadt mit besonderem Gefühl

98. Reisetag, Alzamaj – Nizhneudinsk, 90 km. Von Inna Popowa.

Alzamaj ist für die Holzbeschaffung bekannt, überall ist Wald. Man verkauft auf der Straße viele interessante und gesunde Sachen aus der Taiga. Für diese Gegend ist das typisch. Der Verkäufer hat eine große Auswahl an Kräutern mit Heilwirkung, Marmelade aus Johannis-, Preisel-, Drosselbeeren, Geißblatt… Wir nehmen Einiges mit, weil es einfach sehr schön ist, trinken den Kräutertee aus dem Samowar und fahren weiter.

In der Nähe von Nizhneudinsk liegt ein Bergland, Tofalarien, in den Ost-Sajanen-Gebirgen. Die Tofy sind ein einheimisches Volk mit 600 Menschen (besonders früher geschickte Renntierzüchter und Schamanisten).

Beim Zufluss Uk in den Uda-Fluss gibt es einen 16m Wasserfall. Bekannt sind hier auch Höhlen. Dort wurden Fundstellen von Urmenschen, große Kollektion von Fossilien entdeckt.

Nizhneudinsk wurde von den Kosaken 1648 gegründet. Ungefähr 44 Tausend Einwohner leben hier. Hier wurde ich geboren und habe meine Jugend verbracht. Zufällig begegnete ich meiner Freundin, die ich 5 Jahre nicht gesehen habe, auf der Straße. Wir waren beide überrascht und erfreut. Noch ganz kurz habe ich die unbewohnte Wohnung meiner Großeltern besucht. Und danach gab es noch ein schönes Essen mit den Spezialitäten im Café „Lawa“.

Mit einem besonderen Gefühl kehre ich ins Hotel nach der Stadtfahrt mit der Gruppe zurück. Gute Nacht!


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Abwechslung vom Alltag – Ein kurzer Abstecher zur BAM

97. Reisetag, 96 km von Jurty nach Alsamaj, Sommersonne, Wolken, heftige Regenschauer, aber keine „sibirische Kälte“. Von Peter Frenzel.

Das ist inzwischen ein „geflügeltes Wort“ in der Gruppe: Weniger als 100 km heute? Na gut, sowas wie ein Ruhetag mit Radelausflug …
Soll heißen: Wir lassen den Tag ruhig angehen. Frühstück erst 7.30 Uhr, dann Gepäck zum Bus bringen und die Fahrräder bereit machen, damit wir 8.30 … 9.00 Uhr in aller Ruhe losrollen können.
Bis zur „P-255“ sind es heute nur 50 m, denn das nette kleine Motel „Chutorok“ (ukrainisch für Siedlung oder Dorf) liegt direkt daneben.

Der Tag hält eine willkommene Abwechslung bereit. Wir radeln nicht direkt nach Alsamaj durch, sondern nehmen den Abzweig nach Taischet als alternative Route.

Taischet ist ein ansonsten beschauliches kleines sibirisches Städtchen mit ca. 36.000 Einwohnern, es hat aber einen sehr schönen repräsentativen Bahnhof und der hat nicht nur mit der Transsib zu tun, sondern auch mit der „BAM“!

Wikipedia weiß darüber u.a. dies:
„Die Baikal-Amur-Magistrale (abgekürzt BAM, Байка́ло-Аму́рская магистра́ль / БАМ) ist eine Eisenbahnverbindung, die in Sibirien beginnt und im Fernen Osten Russlands endet. Sie verläuft nördlich und in etwa parallel zur Transsibirischen Eisenbahn (Transsib) und wurde unter anderem aus militärstrategischen Gründen gebaut, weil der Ostabschnitt der Transsib nahe der chinesischen Grenze verläuft, was als potentielle Gefährdung angesehen wurde. Kernstück der BAM ist die ca. 3100 Kilometer lange Strecke von Ust-Kut an der Lena nach Komsomolsk am Amur. Nach ersten Arbeiten in den 1930er- und 1940er-Jahren wurde 1974 mit dem Bau begonnen und die Strecke 1984 offiziell in Betrieb genommen. Seit 1989 war die Strecke durchgehend und störungsfrei befahrbar, doch musste der zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellte Seweromuisker Tunnel zunächst über eine 61 Kilometer lange Umgehungsstrecke umfahren werden. Der Tunnel wurde erst Ende 2003 für den regulären Betrieb eingeweiht und ist mit 15.343 Metern der längste Tunnel Russlands.“
Zur BAM werden auch die schon zu Stalins Zeiten gebauten Anschlüsse gerechnet, also ebenfalls der in Taischet an der Transsib.

Seit Mitte der 1980er Jahre wurde das BAM-Projekt zunehmend kritisch betrachtet. Die geplanten Bergbau- und Industrieobjekte im Einzugsgebiet der BAM wurden bisher nicht errichtet und die Strecke war bis zum Ende der 1990er Jahre folglich schwach ausgelastet. 1996 wurde sogar die eigenständige Bahnverwaltung „Baikal-Amur-Magistrale“ aufgelöst. Mit dem Rohstoffboom der letzten Jahre und dem Aufschwung der russischen Wirtschaft wachsen die Transportleistungen jedoch wieder.

Auf dem Bahnhof in Taischet steht gerade ein Zug, der vom Ostsibirischen Nerjungri (Не́рюнгри, jakutisch Нүөрүҥгүрү/Nüörünggürü, einer Stadt in der Teilrepublik Jakutien) nach Moskau fährt. So kommen wir mit vielen Menschen „ins Gespräch“, denen wir natürlich u.a. mit unseren Fahrrädern auffallen.
Echt schön, solche kurzen Begegnungen. ?

Über Taischet weiß Wikipedia u.a. noch das:
„Zwischen den 1930er und 1950er Jahren war Taischet Gulag-Zentrale des Sonderlagers OserLag und der Einrichtung Angarstroi. Von hier aus wurde der Eisenbahnbau des ersten Abschnitts der Baikal-Amur-Magistrale gesteuert. Von Taischet bis Bratsk an der Angara liegt nach Gefangenen-Überlieferungen „unter jeder Schwelle mindestens ein Toter“. Neben japanischen Gefangenen der ehemaligen Kwantung-Armee stellten vor allem die Deutschen ein großes Kontingent von Zwangsarbeitern, die in der Regel zu 25 Jahren Lager verurteilt worden waren. Im Herbst 1955 wurden die Überlebenden von ihnen in Taischet gesammelt und nach Adenauers Besuch in Moskau zur Heimreise vorbereitet.“

Der beschauliche Vormittagsausflug kostet uns zwar ein wenig Zeit, aber die machen wir – zurück auf der „P-255“ – wieder wett. Es geht wie schon an den Tagen zuvor munter rauf und runter zwischen 320 und 420 Meter hohen Hügelchen. Die %-Schilder vor den nicht selten 2-3 km langen Anstiegen variieren zwischen 4% und 10%, doch sooo genau sollten diese Angaben nicht genommen werden.
Der Wechsel der Mehrheitsverhältnisse am Straßenrand geht auch weiter. Die schier endlose Zahl Birken weicht mehr und mehr den Nadelbäumen (Kiefern, Tannen und Fichten). Der Charakter der Taiga (dichte, scheinbar undurchdringliche Wälder) setzt sich langsam durch.

Als wir schon auf der Suche nach einem geeigneten Picknick-Plätzchen sind, öffnet der sibirische Himmel die Platzregen-Schleusen. Also weiter. 17 km vor Alsamaj scheint wieder die Sommersonne und wir organisieren eine Art Steh-Picknick. Unsere Vorräte müssen ja auch vorm Verderben bewahrt werden.

Unser Tagesziel ist wieder ein Motel an der „P-255“, das „Pallada“. Diese Motels sind einfach, aber nett, auch wenn es gemeinschaftliche Sanitäranlagen gibt und im Zimmer meist nur eine einzige freie Steckdose verfügbar ist. In den anderen stecken z.B. TV und DVB-T2-Receiver.
Auch das Essen im benachbarten „Kafe“ ist gut und vor allem – zumindest für uns – preiswert. Drei Gänge am Abend plus ein Bier für weniger als 300 Rubel ist doch OK, oder?


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Cannes in Sibirien

Tag 95, von Olgino nach Kansk, 120 km, 12 Grad, regnerisch. Von Inna Popowa.

Morgens früh ist es regnerisch, statt 30 Grad haben wir 12 Grad, den Rückenwind von Anfang an, aber dann den Wind von der Seite, es ist natürlich nicht so einfach zu fahren.

Unsere Pause haben wir im Transitcafé organisiert. Nachmittags ist das Wetter wieder besser. Unser Ziel heute ist eine Provinzstadt namens Kansk mit ungefähr 90.000 Einwohnern. Durch die Stadt fließt der Fluss Kan, rechter Zufluss vom Jenissej. Kansk wurde 1636 gegründet, in 1782 in den Rang einer Stadt erhoben. 1740 wurde die sibirische Straße durch die Stadt gelegt. Während des 1. Weltkriegs wurde hier ein Lager für Kriegsgefangene eingerichtet, das im Winter 1915-16 ca. 6000 Kriegsgefangene umfasste. 1920 heiratete der berühmte tschechische Schriftsteller Jaroslaw Hasek hier eine Kaufmannstochter.

In Kansk lebten auch die Dekabristen. Sie waren die Teilnehmer des Aufstandes gegen den Zaren im Jahre 1825. Der Aufstand brach am 14. Dezember aus (darum nennt man sie Dekabristen, vom Wort Dezember). Der Aufstand wurde am gleichen Tag unterdrückt. 5 Anführer wurden hingerichtet, 125 junge adlige Offiziere wurden zu Soldaten degradiert und auf ewige Verbannung nach Sibirien geschickt. In Sibirien haben die Dekabristen 30 lange Jahre bis zur Amnestie durch den neuen Zaren verbracht, aber viele sind doch in Sibirien geblieben und in dieser Zeit gestorben. Nur 42 Menschen sind wieder in den westlichen Teil von Russland zurückgekehrt. Es gibt ein schönes Buch namens „Prinzessin von Sibirien“ auf Deutsch, das von den Erinnerungen der Frauen der Dekabristen erzählt, die freiwillig ihren Männern nach Sibirien folgten – 11 Frauen, unter Ihnen Ekaterina Trubezkaja und Marija Wolkonskaja, um ihr Schicksal zu teilen. Nach Kansk wurden auch Polen und Marxisten in verschiedenen Zeitperioden verbannt.

Unser Hotel „Kanny“ (Namensgebung nach Cannes in Frankreich) ist ein 5-Sternehotel auf Kansker Art und Weise, liegt am Fluss Kan, wohin die Bewohner am Abend zur Erholung kommen. Dann hatten wir noch das Abendbrot zusammen und der Tag ist zu Ende gegangen.


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Übernachtung in der Tajga

94. Reisetag, 110 km von Krasnojarsk nach Olgino, +32 Hitze. Von Inna Popowa.

Mein Kennenlernen mit den Teilnehmern der Radweltreise fand gestern in Kransnojarsk statt und heute ist meine erste Fahrt mit der Gruppe. Es ist eine neue Erfahrung für mich.
Nach dem Frühstück verlassen wir die große Stadt im Berufsverkehr. Hinter der Stadtgrenze wird es auf der Straße ruhiger, aber für mich anstrengender, da die ersten Steigungen kommen. Meine tapfere Gruppe bewältigt die Steigungen mit weniger Mühe, da sie im Gegensatz zu mir schon viele Kilometer in den Beinen haben.

Unterwegs sehen wir viele Felder mit „Ivan Tschai“ (eine lilafarbene Pflanze zum Teekochen). Wieder ist es ein heißer Tag auf dem Fahrrad. Viktor spritzt die erhitzten Radfahrer mit der Wasserflasche zur Kühlung ab. Das Mittagessen gibt es im Kafe, dort genießen wir die typischen Speisen wie Lagman, Soljanka, Borschtsch, Schaschlik.

Nach 110 km erreichen wir am späten Nachmittag unsere rustikale und einsame Unterkunft, einige Kilometer abseits der Hauptstraße. Begrüßt werden wir dort von den Eigentümern und ihren Hunden und Schafen.

Wir erhielten dort Blockhäuser zum Schlafen und Kochen. Das Waschen ist nur in der Banja möglich, die aus diesem Grund extra für uns angeheizt wurde, da es sonst kein warmes Wasser gibt. Manche nutzen die Gelegenheit zu einem Banjabesuch zur Entspannung der müden Muskeln, andere „duschten“ sich mit der Schöpfkelle aus dem Wasserbehälter.

Das Abendessen haben wir mangels Alternativen selbst zubereitet. Es gibt Tzaziki, den griechischen Kräuterquark mit gekochten Kartoffeln, eine neue Erfahrung für mich. Zum Nachtisch gibt es sibirische Erdbeeren aus den Gärten der Einheimischen, gekauft am Straßenrand.
In der Ruhe schlafen bald alle tief und fest.


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Ruhetag am Schönen oder Roten steilen Abhang am Jenissej mit Sieg im Elfmeterschießen

Bilderbuch am 93. Reisetag in Krasnojarsk an einem heißen sibirischen Sommersonnentag. Von Peter Frenzel.

Schon wieder eine sibirische Stadt mit Superlativen – Krasnojarsk (Красноярск).
Mit inzwischen über 1 Million Einwohnern ist die Stadt nach Nowosibirsk und Omsk die drittgrößte Stadt Sibiriens. Sie ist die Hauptstadt der Region Krasnojarsk und manche – darunter auch unser Viktor 😉 – sagen auch, die zweite Hauptstadt Sibiriens. Von Moskau bis hierher sind es, wenn man(n) sich beim Radeln kontinuierlich östlich hält, etwa 4100 km. Das können wir bezeugen!

Krasnojarsk liegt natürlich auch an der Transsibirischen Eisenbahn (Транссибирская магистраль / Transsibirskaja magistral) und sogar noch viel länger am mächtigen Fluss Jenissej (Енисей). Dieser ist etwa 3487 km lang. Rechnet man(n) seinen rechten Quellfluss „Großer Jenissej“ auch noch dazu, dann sogar rund 4092 km. Das ist aber immer noch nicht mal die Hälfte der „eisernen“ Transsib (9288 km).
Ja, wer Beispiele für Größenordnungen sucht, der wird in Sibirien immer fündig, eher als z.B. im Vergleich zum Weltweit-Musterland Bayern. 😉

Krasnojarsk erstreckt sich über eine Fläche von 348 km², also vereinfacht quadratisch betrachtet rund 19 x 19 Kilometer. Wir waren logischerweise gestern beim Reinradeln vom Ortseingangsschild bis zum Hotel auch nochmal mehr als 10 km auf „Stadtrundfahrt“. Hey, das macht echt Spaß, weil wir dabei ganz viel zu Sehen und zum Fotografieren bekommen.
Btw – die 1.5 Millionen Münchener müssen mit schlappen 311 km² auskommen, die 6 Millionen Berliner mit ca. 892 km² (minus 60 km² Wasserfläche minus 164 km² Waldfläche), also wenig mehr als der doppelten bewohnbaren Fläche im Vergleich zu Krasnojarsk.
Die 1.9 Millionen Hamburger sind da mit 755 km² deutlich besser dran.

Seinen Namen verdankt Krasnojarsk einem Kosakenverband unter Andrej Dubenski (kannte ich bisher auch nicht), der hier 1628 (nur noch 10 Jahre bis zum 400. Geburtstag!) eine hölzerne Palisadenfestung (острог / Ostrog) gründete und diese als „Krasny Jar“ (Красный Яр = Schöner oder Roter steiler Abhang bezeichnete, abgeleitet von einer früheren turksprachigen Bezeichnung des Ortes). Die Festung sollte damals übrigens das 300 km entfernte und heute unbedeutende Jenissejsk vor den Angriffen der Kirgisen zu schützen. Die Geschichte weiß, ob’s was genützt hat.

Das 4-Sterne-Hotel „Oktober“ (гостиница Октябрьская), in dem wir „residieren“, steht am Prospekt Mira. Das ist hier die Haupteinkaufsstraße. Sie wurde schon fünfmal umbenannt, weiß Wikipedia: „Zuerst hieß sie Große Straße, dann Woskressenskaja-Straße – nach dem Namen der ersten steinernen dreistöckigen Woskressenskaja-Kirche, die auf der Strelka in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg war sie die Sowjetische Straße, später hatte sie den Namen Stalin-Prospekt und heute heißt sie Prospekt Mira („Allee des Friedens“)“.
Hoffentlich noch ganz lange.
Gestern Abend lärmten bis weit weit nach Mitternacht auf dem Prospekt unzählige Autocorsos und feierten den Sieg der сбо́рная (= Sbornaja, Fußballnationalmannschaft) über Spanien bei der FIFA-WM 2018. Viktor hat das Elfmeterschießen, stark wie er ist, ohne bleibende Gesundheitsschäden überstanden. Gut für ihn und uns.

Bei unserem inzwischen obligatorischen Stadtrundgang begleitete uns heute Anna bei prall-heißer Sonne durch ihre Stadt. Sie ist Lehrerin für Englisch und Deutsch. Start ist natürlich an der Kapelle Paraskewa-Pjatniza (Часовня Параскевы Пятницы) auf dem Hügel Karaulnaja (= „Wachhügel“). Gut, daß Viktor uns mit dem Bus dort hinauffährt. Das wäre sonst ein heftig langer „Spaziergang“ geworden. Wieder unten in der Stadt, laufen wir von einem schattigen Plätzchen zum nächsten, Anna vermittelt uns viel interessantes und macht uns auf Sehenswürdigkeiten aufmerksam, die wir alleine niemals entdeckt hätten oder die einfach zu weit entfernt, aber dennoch sichtbar sind. So z.B. das berühmte Naturschutzgebiet „Stolby“ (Столбы / „Säulen“. Der Name kommt von den dort bis zu 100 Meter hohen Felssäulen aus Granit, ähnlich denen im Elbsandstein-„Gebirge“.) am gegenüberliegenden Flußufer und die auch auf der anderen Seite des Jenissej stehende kleine Kapelle, die an die hierhin Verbannten der letzten Jahrhunderte erinnern soll. Das kleine Pferdchen am Ufer, das an die Landung der Kosaken unter Andrej Dubenski erinnert. Das Haus des hier sehr verehrten russischen Malers Wassili Iwanowitsch Surikow (Василий Иванович Суриков, * 24. Januar 1848 in Krasnojarsk; † 19. März 1916 in Moskau), in dem heute ein Museum über sein Schaffen informiert. Oder die Figur des nie angepaßten Künstlers A. Posdejew, an dem immer mal wieder jemand versucht, den Regenschirm abzusägen (wegen des Buntmetalls) und nicht zuletzt die historische Apotheke No.1.
Drei Wahrzeichen der Stadt sind übrigens auch auf dem 10-Rubel-Schein – der schon seit 2009 durch Münzen ersetzt wird, aber immer noch im Umlauf ist – abgebildet: die Kapelle Paraskewa-Pjatniza, die Kommunale Brücke über den Jenissej und – auf der Rückseite – das Kraftwerk am Krasnojarsker Stausee (konnten wir leider nicht besuchen).

Inzwischen scheint noch ein viertes hinzuzukommen, der „zweifelnde Bär“ aus Papierseiten im Glaskasten des in Russland sehr bekannten Künstlers Wassili Slonow, der außerhalb Sibiriens mit seinen karikaturhaft-ironisch-kritischen Arbeiten insbesondere von deutschen Medien als „Kreml-Kritiker“ wahrgenommen wird. Fragt mal eure Lieblingssuchmaschine.
Von Anna erfahren wir auch viel über das Wirken und den Einfluß früherer Kaufmannsfamilien, deren schöne Häuser noch heute das Bild der Straßen prägen. Vielen herzlichen Dank, Anna.

Krasnojarsk pflegt Städtepartnerschaften mit 15 internationalen Städten und hat hat seit 2009 auch eine mit Unterschleißheim in Bayern.

Unter den berühmten Töchtern und Söhnen der Stadt, vom Komponisten Wladimir Rebikow (1866–1920) bis Eiskunstläuferin Xenia Krassilnikowa ist auch die seit nun seit vielen Jahren schon deutsche Schlagersängerin Helene Fischer (falls ihr von ihr gehört haben solltet).
Ich hatte spontan einen „Radlergruß am 1. Juli aus Krasnojarsk nach Nürnberg an Helene Fischer“ geschickt (am 1.7. war Konzert im Stadion Nürnberg) und nach einem elektronischen Autogramm gefragt. Antwort des Künstlermanagements: „… diese Möglichkeit gibt es leider nicht. HELENE FISCHER ist zusätzlich auf Tour und kommt erst danach zur Beantwortung der kistenweise Post und Autogrammwünsche. Daher langt es, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr einen kurzen Textwunsch und einen frankierten und adressierten Rückumschlag an folgende Adresse senden: …“ Na gut, dann eben nicht. In einem halben Jahr sind – für mich jedenfalls – bestimmt andere Dinge wichtiger.

Bilderbuch auf:


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Vergnügungsfahrt zum Abschied

92. Reisetag, 47 km von Dorf Sukhaja nach Krasnojarsk. Von Igor Potapow.

Ganz unerwartet kam mein letzter Reisetag mit der Gruppe und Hermes oder Hl. Nikolaus (oder wer auch immer für alle Reisende zuständig ist) hat mir nur eine kurze Strecke geschenkt. War mir auch recht. ))

Anstatt die heißbegehrte P 255 zu nehmen wählten wir diesmal etwas längere Route auf einer Landstrasse durch den Flughafen Emeljanovo und kleinere Dörfer.

Es ging durch eine hübsche Hügellandschaft nicht ohne ein Paar verdammte Aufstiege, wo du völlig verschwitzt oben ankommst. Aber dann ging’s endlich runter ins Jenisejtal!

Kurzer Stopp war an einem Teich, wo unser Viktor zu fischen versuchte. Und weiter durch den sonnigen Vormittag an die Stadtgrenze. Gut, dass es Sonntag war! So eine leichte Einfahrt in eine Großstadt war anscheinend auch von unserem Schutzpatronen spendiert… Selbst die Friedensallee war fast leer!

Um den besonderen Gunst uns gegenüber noch deutlicher zu machen, waren wir in einem Viersternehotel untergebracht.

Nach dem wir freien Nachmittag genossen hatten, ging unsere Mannschaft in ein usbekisch eingerichtetes Lokal, wo ich die Reiseleitung an Inna offiziell übergab und somit meine erste knapp 1600kilometerlange Fahrradreise beendete.

Gute Fahrt und viel Rückenwind tapfere Radler! Toi toi toi!


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Taiga

91. Reisetag, 133 km von Atschinsk nach Dorf Sukhaja. Von Igor Potapow.

Nach dem guten Frühstück in Aurora Hotel waren wir bereit für die Abfahrt Richtung Krasnojarsk. Die Stadt Atschinsk lag durch das nächtliche Gewitter frischgewaschen in Sonnenlicht immer noch verschlafen. Es war ja Samstag.

Die Strecke, die wir vor uns hatten schien einfach zu sein: nur die Schnellstraße P 255 entlang, das Ziel liegt nur 130 km entfernt.

Es stellte sich bald heraus, dass die Hügel langsam höher wurden, die Schwüle blieb auch und der Rückenwind von gestern sich anders überlegte. Tja! Man musste trotzdem weiter. Verglichen mit dem Surfen von gestern war das heute etwas mühsam.

Man muss aber sagen, dass die Landschaft doch interessant und abwechslungsreich war. Da tauchten immer mehr Nadelbäume, Birkenzweigeverkäufer (die man für russische Sauna benutzt) und auch manche Wildtiere leider nur ausgestopft (eine Art sibirischen Gartenzwerge, die einfach auf dem Straßenrand verkauft werden). Es waren ein Paar kleinere Flüsse, die mit ihrer Frische lockten und es nicht schufen uns vom Weg abzubringen.

Das Hotel an der P 255, wo wir abends doch ankamen hieß BerlogaHome, was Bärenlager-Home bedeuten sollte. Auf Waldhütte gemacht war es aber sehr komfortabel. In manchen Zimmern gab es sogar eigene Saunas, was natürlich auch später ausgenutzt wurde. Es gab gleich eine Runde Ankunftsbier, Dusche und gutes Essen und die Vorfreude auf die morgige Kurzfahrt bis Krasnojarsk.


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