Mit dem Klapprad auf’s Meer

Erkundung in Shanghai und Beijing, 03. bis 20.06.2013

Den Suzhou River entlang und durch die ehemalige Französische Konzession. Heiter bis wolkig, für die Jahreszeit zu kalt!

Wir werden oft gefragt, wie wir unsere Touren planen. Oft sind unsere Teilnehmer dann erstaunt, dass wir wirklich alle Touren, die wir anbieten, vorher abgefahren haben oder eben im Rahmen einer Pilottour erkunden. „Lohnt sich der Aufwand?“, kommt oft die Frage. „Aber ja doch!“, antworten wir, denn nur so können wir sichergehen, dass die Touren auch tatsächlich interessant und gut mit dem Rad zu fahren sind. Und zugegeben: Es macht natürlich auch Spass, ein paar Tage und Wochen im Jahr mit dem Rad durch Asien zu fahren, Neues zu entdecken oder Altes neu zu erleben.

Christof hatte letztes Jahr ja schon aus Korea berichtet, nun radel ich seit zwei Tagen durch die Metropole Shanghai (und nächste Woche dann durch Beijing), um ein neue Tour auszuarbeiten, mit dem Arbeitstitel „Citybiking Beijing und Shanghai“. Bevor sich hier jemand über die Anglizismen aufregt: Namensvorschläge sind an dieser Stelle ausdrücklich erwünscht. „Chinas Yin und Yang“ haben die Kollegen von Gebeco schon genutzt. 😉

Aber Moment mal! Mit dem Fahrrad durch Shanghai? Bei dem Verkehr? Bei der Luftverschmutzung? Etwas skeptisch war ich anfangs auch, und dann fielen mir in der Vorbereitung schon die vielen Nebenstraßen und Alleen auf, die ich heute tatsächlich entlang geradelt bin. Und ganz ehrlich: Als leidgeplagter Berlinradler fühlte ich mich ganz entspannt. Zwar führen im Kilometerabstand sechs- bis achtspurige stark befahrene Transversalen durch die Stadt. Die sind für Radfahrer aber sowieso gesperrt. Alle anderen Straßen sind entweder kaum befahrene Einbahnstraßen, die in Gegenrichtung für Radler freigegeben sind, oder gleich ganz oder fast autofrei.

So wie auch große Teile der Uferstraße, die den Suzhou River (吴淞江) entlang führt. Gleich neben dem Hotel habe ich mein neu erworbenes Faltrad gen Westen gewendet und bin entspannt den Fluss entlang geradelt. Vorbei an alten Shikumen Häusern, im Zickzack um Schach spielende alte Männer, dann wieder durch riesige Neubauviertel, die bis in den wolkenverhangenen Himmel ragen. Nach gut 5 Kilometern erreiche ich die Fabriklofts des Künstlerviertels Mogaoshan 50 (Mo 50). Hier hat die künstlerische Avangarde Shanghais einen hippen Ausstellungsort gefunden. Ganz interessant, klar dem Vorbild Dashanzi in Beijing nachempfunden, mit einem Hauch Shanghai. Sprich: Noch kommerzieller. Die Ausstellungen und Galerien sind jedoch ganz interessant, wenn auch nichts Weltbewegendes. Aber auch im Westen hebt die Kunst schon lange nicht mehr die Welt aus den Angeln (bestenfalls mal ein Tannhäuser den Feuilleton!).

Von der Kunst geht es dann zur Religion, erst auf eine Stippvisite zum Jade-Buddha-Tempel, und dann auf weitgehend verkehrsfreien Nebenstraßen bis ins Zentrum der Stadt, der Nanjing Lu. An der wichtigesten Ost-Westverbindung und historischen sowie aktuellen Einkaufsmeile prunkt (und prunkt ist eigentlich noch untertrieben!) der Jing’an-Tempel, ein religiöses Montrum mit goldenen Dächern, eingerahmt von spiegelverglasten Hochhäusern. Dankbar für Fotografen, als Sakralbau einer Religion, die die Nichtigkeit alles Materiellen postuliert, aber ein makabrer Scherz.

Abschließend drehe ich noch eine Runde unter den Alleen der Französischen Konzession, schlürfe einen Espresso in einem Freiluft-Café und radle dann über den Seafood-Nachtmarkt in der Shouning Lu zurück zum Hotel. 20 km bin ich gefahren, das ist mein Berliner Pensum Wohnung-Büro-Wohnung, und ich bin in Shanghai wesentlich entspannter unterwegs gewesen. Keine rücksichtslosen Rechtsabbieger. Keine „Ich-hab-Recht-und-bremse-nicht-für-Radfahrer-Rambos“!

Shanghai ist – wenn auch auf den zweiten Blick, tatsächlich eine Fahrrad-Stadt!

P.S. In China hat Google Maps immer einen leichten, varierenden Versatz auf der Karte. Ich bin also nicht durch Häuser gefahren! Mit etwas Phantasie lässt sich die Strecke den Straßen zuordnen! Alternativ: Einfach von Google Maps auf OSM (Open Street Map) umstellen (rechts oben), dann ist der Versatz weg!

P.P.S. Shanghai heißt übersetzt „Auf’s Meer“, mein Rad ist ein Dahon-Faltrad (in meiner Kindheit „Klapprad“ genannt). Daher der heutige Blogtitel!


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