Die neuen Leiden eines jungen Mannes in China (frei nach Jules Verne)

Erkundung in Shanghai und Beijing, 03. bis 20.06.2013

Neuland

Es gibt Momente bei jeder Erkundung, da weiss man, dass es keinen Sinn hat. Das gilt sicher nicht für Radfahren in Shanghai, hier war ich positiv überrascht, was alles möglich ist und habe einige spannende Touren im Gepäck, die es nächstes Jahr dann als kombinierte Städtetour Peking/Shanghai geben wird.

Aber es gab ja noch andere Pläne! Ca. 60 km von Shanghai in Richtung Osten liegt im Yangzi-Delta die drittgrößte Insel Chinas (nach Taiwan und Hainan), Chongming. Nie gehört? Das ist der geschätzte Leser nicht allein. Nach Chongming fährt kaum jemand. Dabei soll es wunderschön und naturbelassen sein. Perfekt, dachte ich mir, und wollte einen Zwei-Tages-Ausflug dorthin machen, um zu sehen, ob Chongming für eine unserer Touren geeignet ist. Nach 10 Kilometern ist mir jedoch klar, warum nach Chongming keiner fährt, zumindest nicht mit dem Rad: Man kommt dort als Radler schlicht und ergreifend nicht hin, jedenfalls nicht ohne Auto! Durchfahrt für Radler verboten, sagt das Schild auf der direkten Verbindung. Durchfahrt für Radler verboten auch bei den nächsten beiden Parallelstraßen. Durchfahrt erlaubt dann auf der anderen Flussseite in Pudong, dort führt der Weg dann aber durch hässliche Werft- Hafen- und Industrieanlagen. Egal, was auf der weiteren Strecke noch kommen würde, Spass würde der Weg nach Chongming mit einer Gruppe nicht machen. Und mit dem Bus nach Chongming und zurück, nur um dann auf der Insel ein wenig zu radeln, das passt nicht so richtig in unser Konzept.

Also Planänderung, auf durch Pudong in Richtung Hangzhou. Das war die weitere Erkundung auf dem Zettel: Eine Route von Shanghai nach Hangzhou suchen, um sie eventuell in den Folgejahren in eine Tour einzubauen. Leider auch hier das Fazit: Auch wenn Zwischenabschnitte schön sind und interessant, geht die Route (und alle möglichen Alternativen) immer wieder durch Industriegebiete oder durch Dutzende Quadratkilometer ewiggleicher Wohnblocks. Zumindest zwischendrin schnuppere ich ein wenig Meeresluft und lande am zweiten Tag unverhofft in einer hundertfach vergrößerter Version des Hotel California (bzw. dem Haus auf dem Cover der LP), einer abstrusen, aus den Fugen geratenen pseudo-mediterianen Multifunktionsanlage, die so surreal ist, dass sie fast schon wieder Charme hat.

Am letzten Tag schickt der Himmel dann wieder Wasser vom Himmel und ich schenke mir ein Stück des Weges und lasse mich von einem Pick-up an die Stadtgrenze von Hangzhou bringen. Hier schaffe ich es auch beim siebten Anlauf nicht, brauchbare Fotos von Hangzhou zu schießen, da auch Hangzhou Schleier trägt. Heute, am 15.06. dann ein Anflug von Sonnenschein, gerade rechtzeitig zum Abschied. Immerhin, das Essen war gut! (siehe Fotos!)

Nun bringt mich der chinesische ICE (der hier CRH heißt) mit stabilen 300 km/h nach Peking. Dort soll schönes Wetter sein. Glaube ich erst, wenn ich es sehe!


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Schnapsideen (Nachgereichtes)

Die Drei Schluchten des Yangzi, 10.04. bis 05.05.2013

Die Reise liegt bereits mehr als fünf Wochen zurück, hat jedoch ein Nachspiel. Zwei sogar!

Meine Schnapsidee:
Am letzten Abend in Shanghai saßen wir noch in der Bar des Hotels zusammen. Manöverkritik. Was hat an der Reise gefallen, was weniger und was könnte man besser machen. Viel Lobhudelei seitens der Teilnehmer über die Reise, viel Lobhudelei seitens der der Reiseleitung über die Teilnehmer. Aber auch Anregungen. Zum Beispiel wurde angeregt einen weiteren Ruhetag irgendwo einzubauen. Das werden wir (also China By Bike) im nächsten Jahr auch machen. Die Reise wird deswegen nicht länger, aber der halbe Tag in Wuhan wird dafür gestrichen.

Irgendwann im Laufe des Abends (war es noch bei der ersten Flasche Schnaps oder schon bei der zweiten?) kam ich auf die Idee die Teilnehmer um ein kleines Statement mit der Überschrift „Was bei mir zurück geblieben ist“ zu bitten mit dem Hintergedanken, diese hier im Blog zu veröffentlichen. Selbstredend auf freiwilliger Basis!

Nun, hier sind sie (in ungeordneter Reihenfolge).

Von Brigitte und Wolfgang:

Zimmerservice
Nach dem wohlschmeckenden Schmutzbier, nach den doch teilweise sehr anstrengenden Touren, sorgte Christof immer wieder fürsorglich für uns. Kaum eingecheckt, klopfte es an der Zimmertür: „Zimmerservice“ Christof versorgte uns mit einem Tütchen Nescafe .

Hägen Dazs
Ja wirklich ein sehr genussvolles, leckeres Eis. Gierig nach etwas Süßem musste es einfach mal etwas Besonderes sein. Doch der Preis haute uns schier vom Hocker. Bezahlten wir doch umgerechnet 7,50 € für den Genuss, das war viel mehr als die Kosten für ein komplettes Abendessen. „Na ja man gönnt sich ja sonst nichts“.

Windschatten fahren
Die letzten Kilometer von jeder Tagesetappe sollten einfach gestrichen werden. „Bine, da bin ich ganz deiner Meinung.“ Gut, dass uns Wolfgang meistens im Pulk zum Hotel peitschte. Das Fahren im Windschatten in der Gruppe machte großen Spaß. Und so waren auch die letzten Kilometer gut zu schaffen.

Von Sabine:

„Unglaublich“ das ist das Wort, was ich am meisten benutzt habe und was in Beschreibungen am häufigsten vorkommt: unglaublich sind die Baustellen, die Skyline von Shanghai und dem „letzten Nest“, die Geschwindigkeit, das permanente Hupen, die Müll“entsorgung“, die Freundlichkeit und die Neugier der Leute, die uns begegnet sind.

Von Franz:

Ich, der sehr viel Wert auf die richtige Radkleidung legt, wurde zum Glück auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Einige Mitradler konnten mir beweisen (sicher unbewußt), dass eine relativ anspruchsvolle Radtour auch mit „normaler“ Bekleidung zu bewältigen ist. Schön, dass man sich nicht nur von der Werbung beeinflussen lässt. Deshalb kam ich mir manchmal overdressed vor.

Von Silvia:

Da ich nicht zu der Kategorie mutiger Mensch gehöre, war manches auf der Reise eine besondere Herrausforderung. Wie das radeln in den nicht so großen Städten (vielleicht nur 2 oder 3 Mio), die Abfahrten oder das fahren, wenn ein LKW nach dem anderen uns überholte. Eine besondere Anforderung war die einzige Wanderung der Reise. Gut im Blog beschrieben (auf den Hua Shan). Beim Begehen der 1000 Stufen (eine Leiter senkrecht nach oben) hätte ich mir Saugnäpfe an den Händen gewünscht, Schwerkraft, damit man sich immer wieder weiter nach vorne beugt oder einfach nur, dass die Hände nicht so schwitzen. Damit man sich am Geländer festheben kann. Ich habe es aber geschafft. War dann mächtig stolz auf mich. Ich war aber auch froh, dass ich nicht die einzige mit dieser Höhenangst war und dass ich von nicht allein gelassen worden bin.
Fazit: die Reise hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass ich etwas mutiger gewordern bin.

Von Renate und Werner:

Besonders amüsant war unser erster Eindruck nach Ankunft in Beijing:
Wir haben uns ja – wie bereits berichtet aufgrund der Fotos auf der Homepage – sehr auf das wirklich „chinesische“ Hotel gefreut; wir mußten aber einige Runden in Beijing mit dem Taxi drehen, da wie angekündigt, der Taxifahrer das Hotel lange nicht gefunden und schließlich nach DREI Telefonaten zumindest die richtige Straße entdeckt hat;
Dann führte laut Taxifahrer nur diese Einbahnstraße zum Hotel, also haben wir das erste Mal auf dieser Reise unser Gepäck so richtig lange Zeit die Straße hinein gezogen und geschoben. Aber die Mühe hat sich gelohnt: unser Hotel war wie`s wir uns vorgestellt hatten!

(Anmerkung von Old Cover: Renate und Werner sind eigenständig von Österreich nach Beijing angereist und dort schon vor der Gruppe eingetroffen. Daher die selbstorganisierte Fahrt vom Flughafen ins Hotel)

Eine bleibende Erinnerung wird für uns auch unser Wandertag (- oder Bergtag?) auf den Hua Shan sein:
Nach den Angaben unseres Christof waren an jenem besagten Tag 1.600 Höhenmeter zurückzulegen, was die „Älpler“ jedenfalls wörtlich nahmen und auf alle Fälle umzusetzen gedachten; laut Christof wären diese 1.600 hm bereits am Nordgipfel erledigt und dann mit der Seilbahn auf der östlichen Seite wieder ins Tal;
Nachdem unser Höhenmesser am erreichten Nordgipfel jedoch „nur“ 1.300 Höhenmeter anzeigte und der dritte vorauseilende „Älpler“ aus der Schweiz auch nicht mehr zu sehen war, entdeckten wir mit Hilfe einiger chinesischer und glücklicherweise etwas englischsprechender Studenten und deren Karte, dass die 1.600 Höhenmeter erst am Westgipfel zu erreichen sind. Also haben die pflichtbewussten Tiroler ihren Aufstieg bis zum Westgipfel fortgesetzt und tatsächlich die 1.600 hm geschafft.
Im Nachhinein „Gottseidank“, denn der weitere Aufstieg war landschaftlich noch einmal eine Steigerung und zudem war die Seilbahn vom Westgipfel ins Tal eine der spektakulärsten, mit der wir je gefahren sind. Ein von der Talstation halbstündlich abfahrender Shuttlebus hat uns nach 1-stündiger Fahrt zurück nach Hua Shan gebracht und direkt vor unserem Hotel abgesetzt.
Außerdem war für uns die gesamte Bergtour etwas besonderes, da wir in unserem Leben noch nie 1.600 Höhenmeter über Stufen (!!) zurückgelegt haben.

Ihre Schnapsidee:
Ich war mental noch gar nicht wieder in Deutschland angekommen, da trudelten plötzlich CARE-Pakete für mich im Büro ein. Von der Gruppe, sieben an der Zahl (wir waren mit vier Paaren und drei Einzelreisenden unterwegs). Jedes Paket war gefüllt mit überwiegend nahrhaften Spezialitäten der jeweiligen Heimatregionen. Da war Lesefutter aus Bremen dabei, Süßwaren und Käse aus der Schweiz, Skatblätter aus dem Altenburger Land, Wurst und Schinken öko-biologischer Herkunft aus Tirol sowie viel Festes und Flüssiges aus Baden Baden Baden und Münster.

Überhaupt mehr Flüssiges als Festes, siehe Bild unten. Das zeigt nur die Spitze des Schnapsberges, die ganzen Bierflaschen, die sich ebenso reichlich in den Paketen lümmelten, musste ich inzwischen entsorgen. Aus Haltbarkeitsgründen. Der Inhalt wurde oral entsorgt, die Verpackung am Automaten.

Mir war die ganze Sache mit den Paketen etwas peinlich, denn da sie bis auf eine Ausnahme alle an das Büro geschickt wurden bekamen meine Mitarbeiter die Aktion natürlich direkt mit. Sie munkelten, dass ich mich während der Tour als armer Schlucker ausgegeben habe. Einer, der weder etwas zu beißen, noch zu schlucken noch zu lesen hat. Wenn die nur wüssten 😉
An die Gruppe: Danke, danke, danke!

Soweit die Schnapsideen. Und jetzt doch noch schnell Statistisches:

  • Geradelte Kilometer: 1.088,8
  • Nach oben: 11.793 m
  • Nach unten: 11.980 m

Vor dieser Tour muss sich also wahrlich niemand fürchten, es geht schließlich mehr runter als hoch! 🙂


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Shanghai-Paris und retour

Erkundung in Shanghai und Beijing, 03. bis 20.06.2013

20 km durch das koloniale und traditionelle Shanghai

Heute dann endlich die Französische Konzession! Nicht, dass das Wetter wesentlich besser wäre, aber immerhin, es regnet nicht/kaum und die Temperaturen sind endlich wieder oberhalb von 20 Grad. Nur Sicht auf die Skyline habe ich auch heute nicht, Pudong kann ich mir folglich schenken. Dort steht die Route seit unserer Yangzi-Radtour 2010 schon, viel erkunden muss ich dort also nicht. Aber ein paar Fotos „Rad vor Skyline“ wären schön gewesen. Fast geht es mir mit Shanghai so wie Obelix bei den Schweizern. So wie er, immer wenn er Berge sehen könnte, schläft oder besoffen ist und auf die Frage von Miraculix, wie das Land der Schweizer denn so wäre, „flach!“ antwortet. „Keine Hochhäuser!“ könnte ich also postulieren. Was weder am Alkohol noch an der Müdigkeit liegt, sondern schlicht und einfach an der dicken Nebeldecke, die die eigentlich recht spektakuläre Skyline von Shanghai regelrecht verschluckt. Aber ich weiss ja, dass die Häuser da sind und habe sie immerhin am ersten Abend gesehen (siehe Blogfotos).
Heute also von China nach Frankreich und zurück. Obwohl: Soviel Frankreich ist da nicht. Vielmehr eine angenehme Mischung aus kolonialer Architektur, chinesischer Lebenskunst und glitzernder Realität. Dort wo die chinesische Modernität auf die historische Substanz trifft (sei es nun chinesische oder westliche), hat das Charme. Meine Route führt heute vom Hotel über den Suzhou Creek zur chinesischen Altstadt mit den Resten der alten Shikumen-Bebauung. Von dort durch wunderschöne und fast verkehrsfreie Alleen in Richtung Hengshan Lu. Die ehemalige Avenue Petain (!) ist die Hauptstraße der ehemaligen Konzession und deutlich zu befahren und im südlichen Teil für Radfahrer ohnehin gesperrt. Daher drehe ich in Richtung Osten ab und radle zum Tianzifang, ein gut erhaltener Block von traditionellen Shikumen-Häusern aus dem 1930er. Eigentlich 2006 zum Abriss vorgesehen, schaffte es eine Künstlerinitiative, Tianzifang vor Zerstörung zu bewahren. Nachdem in den ersten zwei Jahren vor allen Künstlerateliers und Galerien hier ihren Platz hatten, erlangte Tianzifang erst lokale, dann internationale Berühmtheit als ein (in Shanghai extrem seltenes) Beispiel für die Erhaltung historischer Bausubstanz, ohne dies charmelos kaputtzusanieren (sprich Abriss und Neubau im im „alten“ Stil). In den letzten Jahren ist Tianzifang ein wenig zu berühmt geworden und heute eine beliebte Touristenattraktion. Dennoch: Mit seinen stilvollen Cafés und Restaurants in engen, schattigen Gassen eine angenehme Oase in der Stadt.

Nach der Mittagspause führt mich der Weg dann nach Xintiandi, das schicke, etwas zu geleckte Pendant zu Tianzifang. Dort gibt es dann einen Espresso zur Stärkung und dann ist die Runde durch die koloniale Herrlichkeit schon wieder vorbei.

Am Abend regnet es sich dann wieder ein und ich gebe meinen Plan auf, noch einmal bei Nacht in das Viertel zu radeln, auf. A Wen, ein befreundeter Musiker lädt in ein koreanisches Grillrestaurant, also nehme ich die Metro, die direkt vom Hotel dort hin führt und habe einen kulinarischen Abend, bei dem die Feuchtigkeit ausnahmsweise mal nicht von außen kommt. Koreanischer Bambusschnaps ist tatsächlich eine Entdeckung!


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Stadt der Kontraste

Erkundung in Shanghai und Beijing, 03. bis 20.06.2013

20 km durch Hongkou, ehemaliges jüdisches Viertel. Viele Kontraste und immer noch „für die Jahreszeit zu kalt“!

„Leben feucht und haarig – Regen in Shanghai“: fast summe ich das Lied von Heinz-Rudolf Kunze vor mich her, als ich mich gegen 10 Uhr früh aus dem Bett quäle und immer noch in die neblig-feuchte Suppe blicke. Eigentlich habe ich von meinem Hotelzimmer den Blick auf die Skyline Pudongs, jene berühmte Sonderwirtschaftszone jenseits des Huangpu-Flusses, deren Hochhäuser an schönen Tagen vielfarbig in der Sonne glitzern.

Die Farbe heute: Grau, grau und dann ein strahlendes Mausgrau. Also wieder Nebelsuppe mit Regengraupen. Daher heute nur der Stadtteil Hongkou und keine französische Konzession. Grau und dunkel unter Alleebäumen kommt nicht gut, da ist der ehemalige (und aktuelle) Arme-Leute-Stadtteil Hongkou schon die bessere Kulisse. Während des Dritten Reiches fanden hier viele deutsche Juden eine letzte Zuflucht, nachdem sich die meisten Länder weigerten, sie aufzunehmen. Als ich das erste Mal 1990 in Shanghai war, zeugten noch gelegentliche, verblasste Ladenschilder auf Deutsch von dem ehemaligen jüdischen Getto in Shanghai, heute ist auch diese Gegend vornehmlich der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Einzig einige Häuser entlang der Zhoushan Lu und die ehemalige Synagoge, heute Sitz einer Museums, erinnern noch an die jüdische Vergangenheit des Viertels. Insgeheim hatte ich gehofft, dass es hier inzwischen ein schickes jüdisches Café mit Bagels gibt. Schade!

So muss ein kleines Fladenbrot mit Frühlingszwiebeln als Wegzehrung dienen, die mich dann immerhin, trotz einsetzenden Regens, 20 km durch Hongkou bringt. Von der Synagoge über den protzigen Sitz der Vereinigung der Tabakinsdustrie, durch versiffte Abrissviertel, in denen der Müll in hohen Haufen auf die Trennung und Aufbereitung wartet, vorbei an riesigen Bettenburgen, die an Berlin Marzahn erinnern, in Schlangenlinien durch Straßenmärkte.

Shanghai wie ich es liebe, eine Stadt der Kontraste!

Am Abend sind dann auch die Bus-Weltreisenden in Shanghai angekommen und wir gönnen uns ein Abendessen dort, wo auch schon Marlene Dietrich speiste: Im Restaurant des Astor Hotels, alten China-Reisenden noch als Pujiang Hotel bekannt. Noch älteren (jenseits der 80!) dann wieder als Astor Hotel. 😉

Ein Schmutzbier vor dem Hotel schließt den Tag ab. Morgen geht es dann nach Pudong und schlussendlich in die Französische Konzession.


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Pflaumenregen

Erkundung in Shanghai und Beijing, 03. bis 20.06.2013

Es regnet Katzen und Hunde. Poetisch heisst das „Plaumenregen“. Kalt und unangenehm

Wenn es denn Plaumen regnen würde! Stattdessen pladdert es seit gestern abend eiskalte Hunde und Katzen, als stünde die Sintflut auf der Agenda. Die gibt es in der ostasiatischen Mythologie aber nicht, deshalb ist es wohl nur ein Wolkenbruch über 24 Stunden, der mir heute die Erkundung versaut.

Schade, heute wäre noch einmal die Französische Konzession auf dem Plan gewesen. Für morgen ist immerhin nur noch leichter Regen angesagt, dann werde ich die Französische Konzession mit dem ehemaligen jüdischen Viertel in Hongkou verbinden und das heute Versäumte nachholen.

Immerhin: Das Abendessen in der China-By-Bike-Stammkneipe (Fengbo Zhuang 风波庄) um die Ecke war mal wieder ausgezeichnet. Ein paar Bilder zum Appetitanregen (es gab mit viel Chilli frittierte Garnelen und Tintenfisch auf heißer Platte!). Und damit meine Kinder mich nicht so vermissen, ein Bild von mir im passenden Outfit für das Kongfu-Restaurant, das uns immer den Shanghai-Aufenthalt kulinarisch verschönert!

Mit dem Klapprad auf’s Meer

Erkundung in Shanghai und Beijing, 03. bis 20.06.2013

Den Suzhou River entlang und durch die ehemalige Französische Konzession. Heiter bis wolkig, für die Jahreszeit zu kalt!

Wir werden oft gefragt, wie wir unsere Touren planen. Oft sind unsere Teilnehmer dann erstaunt, dass wir wirklich alle Touren, die wir anbieten, vorher abgefahren haben oder eben im Rahmen einer Pilottour erkunden. „Lohnt sich der Aufwand?“, kommt oft die Frage. „Aber ja doch!“, antworten wir, denn nur so können wir sichergehen, dass die Touren auch tatsächlich interessant und gut mit dem Rad zu fahren sind. Und zugegeben: Es macht natürlich auch Spass, ein paar Tage und Wochen im Jahr mit dem Rad durch Asien zu fahren, Neues zu entdecken oder Altes neu zu erleben.

Christof hatte letztes Jahr ja schon aus Korea berichtet, nun radel ich seit zwei Tagen durch die Metropole Shanghai (und nächste Woche dann durch Beijing), um ein neue Tour auszuarbeiten, mit dem Arbeitstitel „Citybiking Beijing und Shanghai“. Bevor sich hier jemand über die Anglizismen aufregt: Namensvorschläge sind an dieser Stelle ausdrücklich erwünscht. „Chinas Yin und Yang“ haben die Kollegen von Gebeco schon genutzt. 😉

Aber Moment mal! Mit dem Fahrrad durch Shanghai? Bei dem Verkehr? Bei der Luftverschmutzung? Etwas skeptisch war ich anfangs auch, und dann fielen mir in der Vorbereitung schon die vielen Nebenstraßen und Alleen auf, die ich heute tatsächlich entlang geradelt bin. Und ganz ehrlich: Als leidgeplagter Berlinradler fühlte ich mich ganz entspannt. Zwar führen im Kilometerabstand sechs- bis achtspurige stark befahrene Transversalen durch die Stadt. Die sind für Radfahrer aber sowieso gesperrt. Alle anderen Straßen sind entweder kaum befahrene Einbahnstraßen, die in Gegenrichtung für Radler freigegeben sind, oder gleich ganz oder fast autofrei.

So wie auch große Teile der Uferstraße, die den Suzhou River (吴淞江) entlang führt. Gleich neben dem Hotel habe ich mein neu erworbenes Faltrad gen Westen gewendet und bin entspannt den Fluss entlang geradelt. Vorbei an alten Shikumen Häusern, im Zickzack um Schach spielende alte Männer, dann wieder durch riesige Neubauviertel, die bis in den wolkenverhangenen Himmel ragen. Nach gut 5 Kilometern erreiche ich die Fabriklofts des Künstlerviertels Mogaoshan 50 (Mo 50). Hier hat die künstlerische Avangarde Shanghais einen hippen Ausstellungsort gefunden. Ganz interessant, klar dem Vorbild Dashanzi in Beijing nachempfunden, mit einem Hauch Shanghai. Sprich: Noch kommerzieller. Die Ausstellungen und Galerien sind jedoch ganz interessant, wenn auch nichts Weltbewegendes. Aber auch im Westen hebt die Kunst schon lange nicht mehr die Welt aus den Angeln (bestenfalls mal ein Tannhäuser den Feuilleton!).

Von der Kunst geht es dann zur Religion, erst auf eine Stippvisite zum Jade-Buddha-Tempel, und dann auf weitgehend verkehrsfreien Nebenstraßen bis ins Zentrum der Stadt, der Nanjing Lu. An der wichtigesten Ost-Westverbindung und historischen sowie aktuellen Einkaufsmeile prunkt (und prunkt ist eigentlich noch untertrieben!) der Jing’an-Tempel, ein religiöses Montrum mit goldenen Dächern, eingerahmt von spiegelverglasten Hochhäusern. Dankbar für Fotografen, als Sakralbau einer Religion, die die Nichtigkeit alles Materiellen postuliert, aber ein makabrer Scherz.

Abschließend drehe ich noch eine Runde unter den Alleen der Französischen Konzession, schlürfe einen Espresso in einem Freiluft-Café und radle dann über den Seafood-Nachtmarkt in der Shouning Lu zurück zum Hotel. 20 km bin ich gefahren, das ist mein Berliner Pensum Wohnung-Büro-Wohnung, und ich bin in Shanghai wesentlich entspannter unterwegs gewesen. Keine rücksichtslosen Rechtsabbieger. Keine „Ich-hab-Recht-und-bremse-nicht-für-Radfahrer-Rambos“!

Shanghai ist – wenn auch auf den zweiten Blick, tatsächlich eine Fahrrad-Stadt!

P.S. In China hat Google Maps immer einen leichten, varierenden Versatz auf der Karte. Ich bin also nicht durch Häuser gefahren! Mit etwas Phantasie lässt sich die Strecke den Straßen zuordnen! Alternativ: Einfach von Google Maps auf OSM (Open Street Map) umstellen (rechts oben), dann ist der Versatz weg!

P.P.S. Shanghai heißt übersetzt „Auf’s Meer“, mein Rad ist ein Dahon-Faltrad (in meiner Kindheit „Klapprad“ genannt). Daher der heutige Blogtitel!


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