Serpentinen!

Die Oberen Schluchten des Mekongs, 15.09. bis 07.10.2015

Königsetappe von Benzilan nach Deqin. Zwei wunderbare Tage mit drei 4.000er-Pässen

Die Etappe von Benzilan nach Deqin ist einer der Gründe, warum ich die Tour „Die Oberen Schluchten des Yangzi“ noch einmal machen wollte.

2005 auf Erkundungstour zusammen mit Andreas sind wir den Pass ein Drittel hochgefahren, haben dann angesichts der fehlenden Asphaltdecke und 50 Kilometern bis zum Gipfel einen Transport organisiert und sind dann vom letzten Pass nach Deqin abgefahren.
Die Geschichte dazu gibt es hier: Ein Bus namens Wanda

2013 stand ich aus eigener Kraft auf der letzten Passhöhe, bin 5 Kilometer abgefahren und dann zum Rest der Gruppe ins Auto gestiegen, weil es zu spät wurde.
Nachzulesen unter: Auf den Spuren von Wanda

Nun würde ich schon gerne einmal die ganze Strecke mit dem Rad absolvieren. Habe aber wie jedes Mal einen Heidenrespekt vor der Tour. Diesen Teile ich mit meinen Mitradlern. Als wir in Benzilan unsere Räder aufsatteln, meine ich ein dreistimmiges mentales Seufzen zu hören, von Anton, Michael und Rüdiger. Doch die vorsichtige Skepsis weicht schnell einer freudigen Zuversicht! Das Wetter zeigt sich von der besten Seite, obwohl es einen Tick zu heiß ist. Aber das ist Krise auf höchstem Niveau!

Wie die Nähmaschinen schnurren wir über die Serpentinen, hinauf zum ersten Stopp, der „Großen Biegung des Yangzi“. Die „Erste Biegung des Yangzi“ war als Name schon vergeben und schwer ideologisch belastet (mehr dazu in einer Woche!), blieb wohl nur noch „Die Allererste Biegung des Yangzi“ als unzureichende Alternative. Die „Große Biegung des Yangzi“ also. Wie auch immer: Höchst spektakulär!

Ein paar Kilometer weiter erwartet uns dann im Dongzhulin-Kloster eine weitere Inkarnation eines Bundeswehr-Spießes in tibetischer Mönchsrobe (s. Balagezong, Balagezong). „Zusammenbleiben! Keine Fotos!“ ruft er ohne Pause, bis mir höflich der Kragen platzt und ich ihn entsprechend darauf hinweise, dass er als buddhistischer Mönch doch ein wenig Gelassenheit an den Tag legen sollte. Xiao Luo, die Frau unseres Begleitfahrers, eigentlich eine Seele von Mensch, legt dann noch nach und fragt den Mönch Löcher in den Bauch. „Was, ihr esst Fleisch? Dürft ihr das denn als Mönche?“

Wie auch immer, wir genießen den Klosterbesuch und treten frohen Mutes in die Pedalen. Rüdiger so froh, dass die Kette reißt. Warum meine Kettenschlösser tief im Koffer vergraben sind, weiß ich nicht, vielleicht ein Anfall von Optimismus. Als ich sie dann endlich im hintersten Eck meines Gepäcks gefunden habe, ist die Kette schnell repariert. Der Berg ruft!

Und der Ruf des Berges ist laut! Eigentlich hatten wir eine Übernachtung in Shusong geplant, da gibt es ein tibetisches Guesthouse, das sich auf Reiseradler auf dem Weg nach Lhasa spezialisiert hat. Sah im Internet schick aus, ist real aber eher hip als sauber. Xiao Ding und Xiao Luo, unsere Begleitmann- und frauschaft entdecken ein Werbeplakat für eine neue Unterkunft vier Kilometer entfernt. Rufen an, es gibt Zimmer! Ich schicke die beiden mit dem Auto vor und warte auf die Gruppe. Als die drei in Shusong ankommen, fängt es an zu regnen. Vielleicht doch eine Nacht bei Hip und Dirty?

Glücklicherweise ruft Xiao Luo an und gibt grünes Licht. „Tolle Unterkunft!“, sagt sie. „Schau mal nach oben, ich winke Euch zu!“

Ich sehe keine Xiao Luo winken, nur ein Gebäude, hoch oben am Berg, zwischen Nebel und Regenwolken. Ein Blick auf meine Mitradler.
Ein offenes Wort.
Wollen wir es wagen?

Wir wollen. Der Regen ist intensiv, aber immerhin warm. Erstaunlich auf fast 2.800 Metern Höhe. Als mein GPS annähernd 3.200 Meter anzeigt, hört der Regen fast auf. Sechs Kilometer sind wir im strömenden Regen geradelt und die Erwartungen sind hoch. Hat es sich gelohnt?

Auf jeden Fall! Vor allem für das reichliche Abendessen aus eigenem Garten und Stall, alles Bio, wie mir die Chefin versichert!

In der Nacht öffnet der Himmel seine Schleusen. Am Morgen hängen die Wolken noch tief, aber es ist trocken und angenehm frisch. Wir sind froh, die Etappe um 15 Kilometer und 400 Höhenmeter abgekürzt zu haben. Gegen 14:30 Uhr stehen wir dann auf dem letzten von drei 4.000er-Pässen. Die Wolken brechen auf, die Sonne taucht die Berge in ein unwirkliches Licht. Es gibt Gipfelbier und Gipfelschnaps. Auf der Passhöhe treffen wir ein Pärchen aus Jena. Mit Wohnlastwagen. Auf dem Weg nach Singapur. Das beeindruckt auch eine tibetische Reisegruppe, die uns zur ausgedehnten Fotosession lädt. Die zwei holländischen Motorradfahrer waren da schon abgefahren.

Auch wir lassen es nach einer Stunde auf der Passhöhe rollen, fahren durch eine Märchenlandschaft und bremsen alle paar Meter, um Fotos zu machen.

„Gegenanstieg kurz vor Deqin!“, hatte ich die Gruppe vorgewarnt. Nix da! Der Tunnel kurz vor Deqin, schon 2005 bei unserer Erkundungstour im Bau, ist nun endlich fertig! Kürzt die Strecke um 10 Kilometer und 200 Höhenmeter ab. Bei allem Puritanismus und Radenthusiasmus: Die Einladung nehmen wir an! Zumal der Tunnel gut beleuchtet ist.

Am Abend sitzen wir dann in dem Restaurant, das uns auch schon vor zwei Jahren begeistert hat. Der Sohn der Chefin hat den Laden inzwischen übernommen. Lecker ist es immer noch!

Strecke 22.09.2015. Benzilan – Shusong

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Strecke 23.09.2015 Shusong – Deqin

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