Fahrt nach Jianshui

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Beim gestrigen Radtag hatte ich vergessen meinen Nacken mit Sonnencreme einzuschmieren. Jetzt kann ich es mit jedem „Redneck“ aufnehmen. Eine Rückleuchte brauche ich auch nicht mehr am Rad. Ich leuchte auf Kilometer. Um meine Pein nicht noch ins unerträgliche zu steigern, habe ich mir ein T-Shirt an den Helm gehängt und radele jetzt als „Lawrence von Yunan“ durchs Land. Die Begeisterungsstürme der Einheimischen kann ich jetzt nicht mehr so richtig deuten. Gilt sie unserer Langnasen-Truppe insgesamt, die mit dem Fahrrad durch China radelt, obwohl sie sich doch ein Taxi leisten könnte? Oder gilt sie meiner albernen Kopfbedeckung? Egal, Hauptsache wir werden bejubelt.

Die Strecke ist faszinierend. Wir fahren durch wilde Täler, vorbei an kleinen Seen und vielen Dörfern. Immer wieder machen wir Obst- und Keks-Pausen und genießen die Landschaft. Auch heute haben wir wieder einige Höhenmeter zu überwinden. Zu allem Überfluss weht uns ein stetiger Wind entgegen. Da macht Bergauffahren doch erst richtig Spaß.

Aber auch heute kommen wir wieder zufrieden, wenn auch recht abgekämpft am Hotel in Jianshui an. Und was für ein Hotel das ist. Wir übernachten nicht, wir residieren. Unser Hotel ist eine historische Gartenanlage einer wohlhabenden Familie und ist dementsprechend prachtvoll. Auch die Zimmer sind schön im klassisch-chinesischen Stil eingerichtet. Super, dass wir hier zwei Nächte bleiben! Auf diese angenehme Überraschung trinken wir erst einmal ein von Kollege Jan eingeführtes „Schmutzbier“. Nicht das Bier ist schmutzig, sondern wir. Verschwitzt, verstaubt und ölige Streifen von der Kette am Bein. Anschließend wird erstmal geduscht und das Ambiente der Anlage genossen, bevor es zum Abendessen geht.


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Moslemdorf und Chinakohl

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Nach einem deftigen chinesischen Frühstück fuhren wir los. Zuerst immer entlang des Sees durch kleine Fischerdörfer, später auch durch neu entstehende Ferienanlagen und später wieder entlang an malerischen Kanälen durch kleine Dörfer. Anfangs war es noch frisch aber die Sonne setzte sich durch und ab der Mittagszeit war es schön sonnig und warm. Ein schöner Radeltag. Am späten Nachmittag dann mussten wir einige Kilometer bergan. So kurz vor Ende der Etappe ist die Motivation zu solchen Gipfelstürmen nicht mehr allzu hoch. Aber was blieb uns anderes übrig. Zu unserer Überraschung tat sich auf der Passhöhe dann ein wunderbarer Blick auf den Ort Nagu auf. Das überragende Gebäude des Ortes war eine recht große Moschee. Spontan entschlossen wir uns den Ort näher unter die Lupe zu nehmen. Also fuhren wir ins Tal hinunter. Kaum hatten wir uns die Hälfte des Weges hinunter rollen lassen, bereute ich es schon ein wenig, denn das alles wieder hoch zu radeln war nicht sehr verlockend. Aber im Ort machten wir die Entdeckung, dass alle Frauen mit Kopftüchern bekleidet waren. Ich fragte während unserer Obstpause im Ort nach und erfuhr, dass der Ort mehrheitlich von der muslimischen Hui-Minorität bewohnt war. Neben der Moschee befand sich auch eine große Koranschule. Außerdem verriet uns die Obstverkäuferin, dass wir nicht unbedingt hoch auf die Schnellstraße zurück mussten, sondern über die Dörfer im Tal bis nach Tonghai fahren konnten. Zur Zeit ist Chinakohl-Ernte hier. Überall wurde der Kohl geerntet und für den Versand fertig gemacht. Solche Mengen Chinakohl hatten wir bis heute alle noch nicht gesehen.


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Steinwald

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Meine Nacht war kurz. Erst mühte ich mich ab, den Blog zu schreiben. Als ich gegen 02:00 Uhr feststellen musste, dass ich gar keine Verbindung ins Internet herstellen konnte (warum auch immer, gestern ging es noch) ging ich ein wenig frustriert ins Bett. Nur um eine Dreiviertelstunde später wieder wach geklingelt zu werden. Es waren die Fahrradtransporteure, die uns unsere neuen Räder brachten. Sie waren die ganze Nacht gefahren und eben schon da. Als dann die richtigen Räder abgeladen und die falschen Räder aufgeladen waren legte ich mich wieder hin. Der Wecker klingelte dann schon wieder um 07:00 Uhr. Welch Freude. Ich aktivierte sofort die Snooze-Taste an meinem Handy und dankte dem himmlischen Jadekaiser dafür, dass mein Handy eine solch angenehme Funktion hat. 10 Minuten später stand ich dann aber doch auf.

Ein Bus brachte uns zum berühmten Steinwald, etwa 100 km entfernt von Kunming. Wenn man dort ankommt ist man erst mal etwas geschockt von den Menschenmassen, die sich dort am Eingang auf einer Stelle tummeln, um jeder von jedem ein Foto mit der Inschrift „Shilin“ (Steinwald) im Hintergrund zu schießen. Ist man aber erst mal am Japanese Corner vorüber und dringt in die Eingeweide des Steinwaldes vor, kann man himmlische Ruhe und phantastische Steinlandschaften entdecken. Wir begannen sogar, wie die Chinesen es auch gerne machen, den ausgefallenen Felsgebilden Namen zu geben. Besonders kreativ war Matthias, so dass ich insgeheim vermute, dass er chinesische Vorfahren hat ohne es zu wissen.

Nach unserem relativ späten Mittagessen fuhren wir wieder mit dem Bus weiter nach Chengjiang am Fuxian-See, wo wir für die heutige Nacht wohnen. Wir sind die einzigen Gäste in einem Hotel mit bestimmt 100 Zimmern. Den restlichen Spätnachmittag stellten wir die neuen Räder ein, damit es morgen früh gleich losgehen kann.

Das Abendessen nahmen wir in einem kleinen traditionellen Fischrestaurant ein. Der Fisch wurde extra für uns gefangen und sofort zubereitet. Der war so frisch, dass er fast wieder aus der Schüssel hüpfte.

Tagesausflug in Kunming

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Frisch ausgeruht ging es heute mit dem Rad zum Yuantong Tempel. Dieser aus der Tang-Dynastie stammende Tempel ist recht außergewöhnlich, denn er gleicht mehr einem Palast als einem Tempel. Aber das Leben im Yuantongsi ist sehr rege und wir konnten einen kleinen Einblick in den buddhistischen Alltag gewinnen. Anschließend ging es in den in Fußnähe gelegenen Cuihu Park. Eigentlich erwarteten wir dort Tanz und Musik ähnlich wie am gestrigen Abend. Doch was wir vorfanden, erinnerte eher an eine Szene aus Hitchcocks „Die Vögel“. Hunderte oder gar Tausende von Möven trieben sich auf den Seen. Und an der nächsten Ecke probte ein kleines Rentnerorchester chinesische klassische Melodien. Nach einer kleinen Stärkung in einem Baozi-Restaurant statteten wir der Westpagode einen Besuch ab. Die Ostpagode war leider schon geschlossen. Also kehrten wir erst einmal ins Hotel zurück um uns fürs Abendessen ein wenig frisch zu machen.

In der Zwischenzeit erhielt ich die Nachricht, dass wir neue Räder aus Jinghong geliefert bekommen würden. Das war natürlich eine freudige Nachricht, nicht die ganze Tour mit den Damenrädern fahren zu müssen. Gegen 19:30 Uhr machten wir uns auf, um im buddhistisch-vegetarischen Restaurant zu essen. Leider mussten wir feststellen, dass das Restaurant bereits um 20:30 Uhr schließt, deshalb ließ man uns nicht mehr ein. Also doch Fleisch. Auf dem Rückweg in Richtung Hotel fanden wir dann ein nettes kleines Restaurant, in dem der Chef nicht nur alle deutschen National-Fußballer aufzählen konnte und zu berichten wusste, dass Frau Merkel ein ganz schöner Drachen sei, sondern auch noch eine gute Küche bot. Da fühlten wir uns doch gleich zuhause. Auch die Biergläser hatten nicht wie am Vorabend nur Fingerhutgröße mit deren Inhalt man sich eben mal die Lippen benetzen konnte. Zur guten Laune trug dann zusätzlich bei, dass die Schnapsgläser mit „Medizinschnaps“ (nur der besseren Verdauung halber) nicht unwesentlich kleiner waren als die Biergläser. Zum Glück müssen wir morgen noch nicht ernsthaft Radfahren.


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