Land der Tausend Radfahrer

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Vom 14. bis zum 18. Jahrhundert gab es in Laos ein Königreich, das nannte sich Lan Xang (oder auch Lane Xang, Lan Chang, Lan Sang). Keine Sorge, ich werde Sie jetzt nicht mit der Geschichte Laos malträtieren. Vielleicht später. Jedenfalls bedeutet Lan Xang „Land der Millionen Elefanten“. Klingt romantisch, aber wie die folgende Legende, die uns unser Guide Yong aufgetischt hat, belegt, waren die Dickhäuter nicht immer wohl gelitten:

Es war einmal, vor vielen, vielen Jahren, ein Junge, der übernatürliche Kräfte besaß. Wie er zu diesen Kräften kam ist eine andere Geschichte. Hier geht es schließlich um Elefanten. Und zwar um genau 1.000.000 Elefanten. Die lebten in der Region um Vientiane und machten der dortigen Bevölkerung das Leben zur Hölle. Elefanten können nämlich besonders gut trampeln und futtern. Beides wirkte sich extrem ungünstig auf die Getreideproduktion in Vientiane aus. Die Einwohner und auch der damalige König waren dermaßen unglücklich über ihre missliche Lage, dass letzterer versprach demjenigen sowohl sein Königreich als auch seine Tochter zu schenken, dem es gelingt der Elefantenplage Herr zu werden. Kommt Ihnen das vielleicht aus deutschen Märchen bekannt vor? Mir schon, jedenfalls der Teil mit der Prinzessin als Tochter.

Unser junger Freund vom Anfang dieser Story hörte davon und da er nicht nur übernatürliche Kräfte besaß, sondern auch eine soziale Ader, machte er sich auf den Weg in die Hauptstadt. Er stammte aus dem Süden des Reiches. In Vientiane angekommen gelang es ihm innerhalb kurzer Zeit 999.999 Elefanten zu eliminieren. Wie er das angestellt hat ist leider nicht überliefert.

Wenn Sie in Mathe gut aufgepasst haben dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass noch ein Elefant von den ursprünglichen einen Million übrig geblieben ist. Das war der Chef der Horde, und den hat unser Held verschont. Er war ja nicht so.

Trotzdem gehörten Königreich und Prinzessin nach dem Massaker ihm. Dem entthronten König war das dann doch nicht so recht. Die Tochter war ihm egal, er wollte jedoch sein Reich wieder haben. Schwierige Angelegenheit, denn der Thronfolger war resistent gegen jegliche Art von Waffengewalt. Aber er musste eine verwundbare Stelle haben, und die erfuhr der hinterlistige Ex-König von seiner Tochter (Hallo Siegfried, hier ist dein laotischer Counterpart!). Töchterchen kannte inzwischen ihren Gatten bestens und wusste somit, dass alle seine Körperöffnungen letale Angriffsflächen boten.

Um eine traurige Geschichte kurz zu machen, der hinterlistige Monarch stellte dem Elefantentöter eine Falle, die ihn beim Verrichten eines großen Geschäftes rektal erdolchte. Traurig, traurig…

Soweit die Legende. Ich hoffe ich habe sie wahrheitsgemäß wiedergegeben. Wie bin ich nur darauf gekommen? Ach ja, ich wollte den Übergang vom Elefant zum Radfahrer schaffen. Elefanten gibt es nämlich nur noch wenige in Laos. Die Sage hat also einen wahren Kern. Deswegen heißt unser kleiner Radelausflug auch „Land der Tausend Elefanten“, und nicht „Land der Millionen Elefanten“. Selbst von den tausend Elefanten haben wir bisher noch keinen einzigen gesehen. Aber Radfahrer sind uns begegnet! Keine tausend, jedoch jeden Tag ein paar. Oft ein Paar, die meisten von ihnen Holländer, aber auch Amerikaner. Und einen Koreaner. Aber der konnte kein Englisch.

Laos lässt sich hervorragend individuell mit dem Zweirad bereisen. Da es nur zwei oder drei Straßen gibt kann man sich praktisch nicht verirren. Viele Restaurants haben Speisekarten auch auf Englisch und billige Unterkünfte hat es spätestens nach 120 Kilometer. Kein Wunder also, dass wir unterwegs ständig Radtouristen treffen. Sie machen dem Fernlastverkehr zahlenmäßig ernsthafte Konkurrenz. Meistens stoppen wir uns gegenseitig, tauschen Erfahrungen aus und geben Tipps für die nächsten Strecken.

Wer Zeit und Geld übrig hat sollte Laos eigenständig mit dem Rad bereisen. Fehlt es jedoch entweder an dem einen oder dem anderem oder gar an beidem ist bei uns (Laos By Bike AKA China By Bike) wesentlich besser aufgehoben. Da muss man sich nämlich keine Gedanken um die Unterkünfte oder die Verpflegung machen und erfährt in drei Wochen mehr über das Land als ein Individualtourist, der drei Monate durch Laos tingelt.

Was hat meine Gruppe heute gemacht? Sie hat wieder eine Runde auf dem Ou Fluss gedreht. Nicht so lang wie gestern, daher stand der Vormittag zur freien Verfügung. Einige haben das Dorf durchstreift, andere haben Blog geschrieben und ein Nickerchen gehalten. Um 12 Uhr saßen wir wieder im Boot auf unseren ausgebauten Bussitzen. Kurzer Zwischenstopp in einem Schnapsbrennerdorf. In einem ehemaligen Schnapsbrennerdorf, denn eine Untergruppe der AA scheint sich hier breit gemacht und die Hausdestillen stillgelegt zu haben. Schluss mit Feuerwasser.

Viertel vor vier gingen wir in Muang Khua an Land, noch genügend Zeit für einen Rundgang durch den Ort. Der lädierte Lastwagen auf dem letzten Foto steht übrigens vor der Grundschule und war wohl zu seinen besseren Zeiten der Schulbus. Vermutet Karl.


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Spice Girls

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Die laotische Küche ist extrem vielfältig. Es gibt vier Hauptgeschmacksrichtungen: Zitronengras, Kokosnuss, Ingwer und Koriander. Und es gibt vier Nebengeschmacksrichtungen: Zitronengras, Kokosnuss, Ingwer und Koriander. Geschickt untereinander kombiniert kommt man also auf eine schier unendliche Vielfalt an geschmacklich unterschiedlichen Gerichten.

Nun verhält es sich jedoch so, dass es das Wort „Kombinieren“ im Laotischen nicht gibt. Worte wie „Zitronennuss“, „Kokosgrass“, „Koriwer“ oder „Ingiander“ sind somit schon allein sprachlich nicht möglich, wie sollen sie dann Einzug in die Kochtöpfe halten? Eine laotische Hauptspeise enthält folglich entweder Zitronengras, Kokosnuss, Ingwer ODER Koriander. Und zwar in solchen Mengen, die ein Gericht entweder nach Zitronengras, Kokosnuss, Ingwer ODER Koriander schmecken lässt. „Huhn in Ingwer“ zum Beispiel degradiert die enthaltenen Anteile Hühnchenfleisch zu einer Wurzel. Rein geschmacklich, versteht sich. Die Rinderstreifen in zartem Koriander gewendet schmecken plötzlich nicht mehr nach Kuh, sondern nach Kaugummi aus dem 10-Cent-Automaten. Tomyum-Pork entspricht dem, was man sich am Morgen aus der Tube auf die Zahnbürste gedrückt hat.

Haben Sie also keine Angst vor der laotischen Küche! Sie ist zwar vierfältig, birgt aber kaum Überraschungen. Höchstens Kindheitserinnerungen werden geweckt (der rote Kaugummiautomat um die Ecke) bzw. Erinnerungen an die Morgentoilette.

Wie bin ich nur auf dieses Thema gekommen? Ach ja, das heutige Abendessen. Das war nämlich laotisch. Das Frühstück nicht, das haben wir heute wieder am Ufer des Mekongs zu uns genommen. Das Hotel stellte Baguette, Butter, Marmelade, Früchte, Joghurt, Ei („Omelette, fried or scrambled, Sir/Madam?“) und Müsli bereit. Müsli war mal eine Abwechslung, alles andere kennen wir bereits von fast allen Morgenmahlzeiten seit unserer Ankunft in Laos.

Ein weiterer freier Tag für die Fahrräder. Um acht Uhr steigen wir in ein Boot, welches uns nach Muang Ngoi bringen soll. Den ersten 30 Kilometer folgen wir dem Mekong in Richtung Quelle, dann biegen wir rechts ab in den Nam Ou. Zum Glück liegt die letzte Regenzeit noch nicht arg lang zurück und der Fluss führt gut Wasser. Wenn man die Fahrt im Februar macht kann es durchaus vorkommen, dass man an bestimmten Passagen aus dem Boot steigen muss, um den Tiefgang zu heben und den Kahn ein wenig zu schieben.

Flussimpressionen:

In Nong Khiao wechseln wir das Boot. Sehr zur Erleichterung aller, denn zuvor hatten wir harte Holzstühle, nun bequeme Sessel aus einem ausgeschlachteten Reisebus. Um 16:30 kommen wir in Muang Ngoi an. Noch ein Gang durch das Dorf und ein weiter oben beschriebenes Abendessen. Dann ruft das Bett.


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Im Namen Buddhas

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Eigentlich sollte ich an dieser Stelle einfach den Blogeintrag „Luang Prabang“, geschrieben von Kollege Frank vor zehn Tagen, eins zu eins übernehmen. Seine Gruppe hatte nämlich fast das gleiche Programm absolviert wie wir heute, selbst die Schnappschüsse stammen aus den selben Perspektiven.

Na gut, muss ich mir also etwas anderes aus den Fingern saugen.

Die Stadt Luang Prabang hatte viele Namen im Laufe ihrer Geschichte. Darunter zum Beispiel Chieng Dong, Chieng Thong und Mueang Sua. Steht so in Wikipedia.

„Luang“ bedeutet „groß“. Nicht auf Laotisch, aber in Pali. Pali ist eine (Schrift-)Sprache, die dem indischen Sanskrit entsprungen ist und in den buddhistisch beeinflussten Gebieten Südost-Asiens aus Ermangelung eigener Schriften verwendet wurde. Hoffentlich habe ich das so richtig interpretiert. Wer es besser weiß möge bitte einen qualifizierten Kommentar hinterlassen!

Jetzt zu „Prabang“. Das ist abgeleitet von Phra Bang, einer Buddha Statue, die ein nicht unbedeutender Herrscher vor ca. 700 Jahren in die Stadt gebracht hatte und sich damit legitimierte. Der Name des Herrschers ist mir gerade entfallen, aber selbst wen ich ihn hier nennen würde dürften sich 95% der Leser dieses Blogs zwei Zeilen weiter unten auch nicht mehr daran erinnern. Somit bin ich auf der sicheren Seite.

Jedenfalls gibt es heutzutage in Luang Prabang insgesamt 19 Statuen des Phra Bang. 18 davon können besichtigt werden. Einer zum Beispiel im Nationalmuseum (AKA Königspalast, aber so darf in einem sozialistischen Land keine Anlage genannt werden), die anderen in den diversen Tempeln der Stadt.

Nur den echten Phra Bang, den bekommt man nicht zu sehen. Der fristet sein Dasein irgendwo in einem Banktresor. Hoffentlich geht es ihm dort gut.


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Advent, Advent, die Sonne brennt

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Wellcome back on the bike, Traudl! Nachdem sie die letzten drei Radfahrtage den Begleitwagenfahrer Kampai eingelernt hatte und uns dabei mit den Köstlichkeiten aller lokalen Märkte der Umgebung verpflegte signalisierte ihr Magen-Darmtrakt heute grünes Licht für den Tag im Sattel.

Auch auf der heutigen Etappe gab es wieder viele Höhenmeter zu bewältigen. Aber zunächst ging es bergab mit uns. Nicht im übertragenen Sinne, nach einem kurzen Kilometer Aufwärmübung stürzten wir uns in eine 22 Kilometer lange Abfahrt, auf der wir innerhalb einer Stunde über 1.000 Höhenmeter nach unten sausten.

Das war zwar nett, aber darauf hin folgte die Rache des Gegenanstiegs: 16 Kilometer nach oben. Die Sonne war bereits in Richtung Zenit geklettert und wir hinterher. Heute ist erster Advent. Es soll ja Flecken auf dieser Erde geben, an denen man an jedem Adventssonntag eine Kerze anzündet. Angeblich eine christliche Tradition, aber meiner Meinung nach ein heidnischer Brauch*. Eine Kerze verbreitet nämlich nicht nur Licht, sondern auch Wärme. Wärme, die in nordischen Ländern um diese Jahreszeit bitter nötig ist. Nicht so im November in Laos und somit nicht bei uns: Um 12 Uhr, während wir wieder im kleinsten Gang schrauben, umgeben uns 28 Grad im Schatten. Eine grobe Schätzung meinerseits, denn ich habe kein Thermometer dabei und Schatten gibt es sowieso undankbar wenig.

Aber wir schaffen es, alle sechs. Viola (Hatte ich sie schon Bergziege genannt? Nein? Dann also jetzt!) wie erwartet als erste. Nacheinander trudeln auch Karl, Yong, Hardy, Traudl und ich ein. Luang Prabang, wir kommen!

Eine weitere rasante Abfahrt (auf der ich das Ventil meines Hinterschlauchs verliere), eine Nudelpause, eine flache Fahrt am Khan-Fluss entlang, ein kurzer, steiler Anstieg und die letzten 10 Kilometer hinab nach Luang Prabang. Der Mekong hat uns wieder.

* Das ist mal wieder Ironie. Und bevor es jemand bemäkelt: Aus einem Pixi-Buch meines Sohnes ist mir bekannt, dass der Brauch der Adventskerzen im frühen 19. Jahrhundert in einem Waisenheim in Hamburg entstand.


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Heute (k)ein König

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Zum x-ten male blase ich einen Tropfen von meiner Nasenspitze. Der Schweiß bleibt nicht nur an meinem Zinken hängen, sondern rinnt auf vielen Kanälen an meinem Körper herunter. Ätzend wird es im wahrsten Sinne des Wortes, wenn es ins Auge geht. Als wenn man beim Haare waschen vergessen hat rechtzeitig vor dem Schaum die Lider zu schließen. Aber der Schweiß ist nur ein kleines Übel.
Ich horche in meinen Körper hinein und bekomme unterschiedliche Signale. Am deutlichsten artikulieren sich meine Beine. Die brüllen lautstark „AUFHÖREN, wir wollen nicht mehr!„. Ganz anders die Hände. Die geben keinen Mucks von sich, sie sind fünf Kehren weiter unten eingeschlafen. „Hallo Schulter, bitte mal einen kurzen Lagebericht!“ Schulter: „Ächtz!

Der heutige Tag heißt Königsetappe. Das ist ein Euphemismus. „Königsetappe“ bezeichnet den Tag einer Radtour, welcher in der Relation aus Höhenmeter und Entfernungskilometer alle anderen Etappen übertrifft. Heute sind es über 2.000 Höhenmeter auf knapp 90 Kilometer. Jeder gesunde König wird sich dabei sicherlich an die Stirn tippen und geeignete Untertanen ins Rennen schicken. Nennen wir die Strecke heute also lieber Lakaienetappe.

Lakai Christof hat hier voll versagt! Schon kurz nach der Mittagspause (nach 43 Kilometer und rund 1.000 Höhenmeter) wird mir klar, dass ich heute aussetzen muss. Keine Ahnung woran es liegt. Ist es das fortgeschrittene Alter? Schlecht geträumt in der letzten Nacht? Schlecht gegessen am letzten Tag? Egal, bei ca. Kilometer 70 schmeiße ich mein Rad in das Begleitfahrzeug und betrachte die Reststrecken aus der Windschutzscheibe.

Viola, Karl, Hardy und Yong halten durch. Sie kurbeln sich unermüdlich die Berge hoch und treffen nacheinander in Kiu Kacham ein. Heute eine Königin! Viola bekommt das Gepunktete Trikot. Das wird sie ganz bestimmt nicht mehr hergeben.


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Kasi

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Ich habe lange darüber gegrübelt was ich über den heutigen Tag schreiben soll. Eingefallen ist mir nichts. Vang Vieng habe ich gestern schon verrissen und über Kasi, unserem heutigen Etappenziel, lässt sich nicht viel schreiben. Kasi ist für laotische Verhältnisse eine mittlere Großstadt, nach deutschen Verhältnissen ein Dorf. Ich weiß leider nicht wie viele Einwohner der Ort hat, bin mir aber ziemlich sicher, dass wir jeden einzelnen Bewohner bei unserer Durchfahrt gesehen haben.

Von Vang Vieng nach Kasi sind es rund 60 Kilometer auf der Nationalstraße 13. Die Nationalstraße 13 durchquert Laos von Nord nach Süd und ist die Hauptverbindung auf dieser geografischen Achse. Moment, Hauptverbindung ist nicht der richtige Ausdruck, denn sie ist die einzige Verbindungsstraße zwischen der chinesischen Grenze im Norden und der kambodschanischen Grenze im Süden. Und auch zwischen den vier größten Städten des Landes: Luang Prabang im Norden, Vientiane in der Mitte, Savannakhet und Pakse im Süden. Nebenstraßen gibt es nämlich nicht.

Haben Sie (vielleicht auch Dank dieses Blogs) schon begonnen in laotischen Dimensionen zu denken? Dann dürfte es Ihnen sicherlich nicht schwer fallen zu verstehen, dass die Nationalstraße 13 keine Autobahn ist, auf der im Sekundentakt der Fern- und Nahverkehr entlang donnert. Zwischen Vientiane und Luang Prabang ist Straße 13 einspurig, überwiegend asphaltiert, jedoch mit vielen Schotterabschnitten. Besonders in den Kurven. Kurven, Steigungen und Abfahrten gibt es viele. Die Straße wurde nicht von einem Planungsamt konzipiert, sondern es wurde das geteert, was vorher als Weg für Elefanten/Maultiere/Pferde genutzt wurde.

Radelnd unterwegs waren heute wieder Hardy, Karl, Viola, young Yong und ich. Traudl (laboriert noch immer an einer Darmverstimmung, die sie sich in Kambodscha eingefangen hat) saß neben Kampai, dem Fahrer unseres Begleitfahrzeugs, und dirigierte ihn zu den besten Wartepunkten.

Diesen Blogeintrag widme ich einem Freund aus Jugendtagen. Wir haben uns schon lange aus den Augen verloren und ich bin mir sicher, dass er diese Zeilen niemals lesen wird. Er heißt Carsten, aber als wir uns noch kannten nannte ihn jeder Kasi.


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Apocalypse Now

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Vang Vieng könnte ein idyllischer Ort sein. Umgeben von Karstbergen, nicht unähnlich denen von Guilin in China oder der Halong Bucht in Vietnam. Verschlafen könnte Vang Vieng sein, das Örtchen hat 25.000 Einwohner und da ist bestimmt die Bevölkerung der umliegenden Dörfer mit eingerechnet. Ein einstündiger Stadtspaziergang reicht vollkommen aus, um alle Straßen abgelatscht zu haben.

Noch verschlafener war das Nest bis 1964, bis dahin nur eine relativ unbedeutende Übernachtungsstation auf dem Weg von Luang Prabang und Vientiane. Während des Vietnam-Krieges betonierten die Amerikaner in Viang Veng eine Start- und Landebahn gleich neben die Häuser der Stadt und flogen von hier aus ihre Angriffe auf Vietnam. Lima 6 war der Codename der Rollbahn, die heute noch markanter Bestandteil des Ortes ist, jedoch nun fröhlich vor sich hin bröselt.

Nach dem Ende des Krieges wurde es erneut idyllisch ruhig in Vang Vieng. Bis Anfang der 1990er Jahre der Tourismus kam. Er kam, wie so oft, zunächst in Form von Rucksacktouristen, die auf der Suche nach den unentdeckten Orten auf Mutter Erde waren. Üblicherweise kommt nach dem Rucksacktourismus der Pauschaltourismus. Leider nicht so in Viang Veng, denn nach den Backpackern kamen die Partytouristen. Und sind bis heute geblieben. Die wenigen Straßen der Stadt sind gesäumt von Restaurants, in denen man die Weltküche zwischen Pizza und Hamburger serviert bekommt. Eingenommen werden die Köstlichkeiten auf Liegepodesten, zeitgleich werden amerikanische Soaps konsumiert, die über große Flachbildschirme flimmern. Am Abend ziehen die Partygänger leicht bekleidet und von Alkohol und Drogen umnebelt gröhlend durch die Straßen. Sie sind meist gerade zurück von der „Party Area„. Was es damit auf sich hat gleich mehr dazu.

Wir sind nicht nach Vang Vieng gekommen um Party zu machen. Wir wollen etwas sehen vom Ort, vor Allem aber von der einmaligen Umgebung! Daher nach dem Frühstück rauf aufs Rad und raus in die Landschaft. Zuerst zur Tham Chang. Tham ist das laotische Wort für Höhle. Also eine Tropfsteinhöhle. Ich habe schon ein paar davon gesehen und Tham Chang steht ehrlich gesagt nicht ganz oben auf meiner Liste der must see caves. Aber die ganze Anlage drumherum ist nett, ebenso die Aussicht, die man von dort oben hat. Das klingt etwas paradox für eine Höhle, um jedoch den Einstieg zu erreichen muss man zunächst 147 Treppenstufen ersteigen.

Daraufhin folgte eine abenteuerliche Fahrt zur Pou Kham Höhle rund sieben Kilometer westlich von Viang Vieng. Abenteuerlich, weil der Weg dorthin eine Schotterpiste ist, die auf einem Abschnitt dank des Regens in der vorgestrigen Nacht mit kniehohen Schlammpfützen gespickt war. Sehr zu meiner Freude, ich liebe Wasserdurchfahrten! Die anderen haben den mehr trockenen Weg gewählt. Tham Pou Kham ist auch wieder nur ein Höhle, aber wohl die einzige auf der Welt mit einer Blauen Lagune davor. Die „Blaue Lagune“ entpuppt sich dabei als Urwaldbach, der an dieser Stelle bläulich schimmert und zum Baden und Tarzan spielen einlädt. Wir haben uns darauf beschränkt den jungen Backpackern bei ihren „tollkühnen“ Sprüngen von einem Baum ins Wasser zuzusehen.

Letzte Station unseres Tagesausfluges: Die Biofarm (Organic Farm) vier Kilometer nördlich von Vang Vieng. Auch dort muss es vor einigen Jahren idyllisch gewesen sein. Aber schon bei unserer Ankunft hören wir die Beschallung der Techno-Beats. Unser Plan ist es, nach einem leckeren Essen im angeschlossenen Restaurant und einem kurzen Rundgang über die Farm, die eine laotischen Variante des Ökobauernhofs ist, mit Kajaks auf dem Song Fluss zurück nach Vang Vieng zu paddeln. Wir steigen also um in die Boote und fahren die ersten 500 Meter direkt durch die „Party Area„: Rechts und links des Ufers reiht sich Bar-Terrasse nach der anderen, alle gut gefüllt mit gut abgefüllten jungen Europäern und Nordamerikanern. Zum Wummern der Bässe wiegt man sich in Badehose oder Bikini. Die Szenen, die sich uns da bieten, sind mehr als skurril und passen so gar nicht zu dem, was wir bisher von Laos gesehen haben (und sehen werden). Ich war vorgewarnt, aber bei meiner ersten Reise nach Vang Vieng 2010 kam ich mir vor wie im Film „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola. Wer den Film kennt wird wissen, welche Szene ich meine.

Zum Glück haben wir die „Party Area“ bald hinter uns gelassen und können die letzte Stunde bis Vang Vieng in unseren Kajaks auf dem Fluss in Ruhe genießen. Den Abend geben wir Yong frei und verpflegen uns selbst in einem Restaurant.

Die Fotos des heutigen Tages stammen von Hardy, Karl, Traudl und Viola. Vielen Dank dafür! Die Bilder sind nicht richtig chronologisch sortiert, da fast alle Kameras nach einer anderen Zeit ticken. Meine Fotos liegen noch auf dem Grund des Song Flusses. Dorthin ist meine Knipse irgendwann während der Kajakfahrt entglitten. So ein Mist aber auch 🙁


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Wenn ich den See seh‘, brauche ich kein Meer mehr

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Laos gehört zu den Ländern dieser Welt, die keinen Zugang zum Meer haben. Muss auch nicht sein, Wasser gibt es in Laos zu genüge. Viele Flüsse durchziehen das Land und darüber hinaus gibt es noch eine Regenzeit (die zum Glück nicht jetzt, da wir mit den Rädern unterwegs sind, ist). Allerdings gibt es nicht viele Seen. Wenige sogar. Daher hat man Ende der 1960er Jahre beschlossen einen (Stau-)See nördlich von Vientiane anzulegen. Gut möglich, dass es noch andere Gründe für diesen Beschluss gab. Zum Beispiel Stromerzeugung. In den 1960er Jahren war Laos noch ziemlich düster, denn es gab so gut wie keine Kraftwerke im Land.

Der Ngum Fluss bot sich für das Projekt Binnengewässer und Strom für Laos ideal an, denn mit einem kleinem Damm von weniger als 200 Meter Länge konnte man dank der umliegenden Berge einen See von 370 Quadratkilometer anstauen, musste dafür nur eine Handvoll Leute umsiedeln und war nach der Fertigstellung 1971 mit einem Schlag um 150 Megawatt reicher. Was jedoch nicht hieß, dass Laos quasi über Nacht beleuchtet wurde! Strom erzeugen ist nämlich eine Sache, ihn zu transportieren eine andere. Für das Verlegen von Stromleitungen fehlte leider das Geld, große Teile von Laos blieben weiterhin eine Dunkelkammer und überschüssige Kilowatt aus dem Damm wurden nach Thailand exportiert. Welch Ironie!

Damit nicht genug der Kuriositäten: Als man das Gebiet seinerzeit geflutet hat war weder Zeit noch Geld vorhanden es zunächst zu roden. Der Urwald, der vorher dort vor sich hin wucherte, wurde ganz einfach überspült. 30 Jahre später werden Tropenhölzer rar und begehrt. Findige Leute erinnern sich an das laotische Atlantis, auf dem Grund des Stausees modert ungenutztes Hartholz! Techniken werden entwickelt, Taucher ausgebildet und nun folgt ein Kahlschlag der besonderen Art: Mit pneumatischen Sägen, bedient von Froschmännern, werden vornehmlich Teakhölzer unter Wasser geschlagen.

Vom Kreischen der Sägen (so sie denn überhaupt unter Wasser kreischen können) bekommen wir nichts mit. Wir beginnen den Tag mit einem lausigen Frühstück, denn eine andere Rad(Sport)gruppe ist über das Buffet hergefallen wie die Heuschrecken. Egal, heute müssen wir nicht viel leisten. Mit dem Boot schippern wir zunächst drei Stunden über den Stausee, stärken uns nach der Ankunft am anderen Ende mit einer Nudelsuppe und radeln dann gemütlich die letzten 25 km nach Vang Vieng. Sagte ich gemütlich? Leider nicht die richtige Wortwahl. Große Teile der Strecke sind schottrig, hier wird demnächst der Belag erneuert.
Vang Vieng erwartet uns mit einer stilvollen Unterkunft inklusive Haustieren, Fluss davor und vielen Backpackern, die man eigentlich back home schicken sollte. Aber dazu später mehr.


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In the Middle of the Road

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

„In Laos wird auf der rechten Straßenseite gefahren“ erklärte uns Yong, mein ebenso junger wie engagierter laotischer Co-Reiseleiter, gleich am ersten Abend in Vientiane. „Oh no,“ entgegnete ich nicht ganz ernsthaft „in Laos they all drive in the middle of the road!“

Yong hat sich das mehr zu Herzen genommen als es gemeint war, denn zu Beginn unserer heutigen Tour raus aus Vientiante und hoch in den Norden steuerte er sein Rad überwiegend in der Straßenmitte. Zwar zum Leidwesen der nachfolgenden Kraftfahrzeuge, aber gestört hat es keinen so richtig. Irgendwann bat ich ihn dann doch lieber am rechten Seitenrand zu fahren. Das tat er auch und innerhalb unserer Gruppe wurde fortan wesentlich entspannter gefahren.
Erwähnte ich bereits, dass Laos sowohl spannend als auch entspannt ist? Das trifft auch auf den Verkehr zu! Feste Verkehrsregeln scheint es nicht zu geben, das ist spannend. Niemand stört sich an der Fahrweise des anderen, das ist entspannend.

94 Kilometer standen heute im Programm. Die ersten 15 davon auf belebter Ausfallstraße. Bitte nicht vergessen: Wir sprechen hier von der Ausfallstraße einer Stadt, die 350.000 Einwohner hat und von einem Land, in dem nicht jeder dritte Einwohner mindestens zwei Autos hat! Zugegeben, auch unter diesen Bedingungen ist die Straße Nummer 10 ab Vientiane kein Radwanderweg. Jedoch überlebbar.
Sind es bis Kilometer 15 noch ca. 50 Fahrzeuge, die pro Minute an uns vorbeidonnern, waren es danach bis Kilometer 25 nur noch 10 und ab Kilometer 65 so gut wie keine mehr.

Fünf Minuten vor Dunkelheit und nach 94 Kilometer sind wir an unserem Ziel, dem Nam Ngum Stausee, angekommen. Da war es schon höchste Zeit für unser erstes Schmutziges Bier. Oder Schmutzbier, wie es auch genannt wird.

Da es schon mehrfach hier im Blog erwähnt, aber nie richtig erklärt wurde, hier ein paar aufklärende Worte dazu: Ein „Schmutziges Bier“ (oder auch „Schmutzbier“) ist ein alkoholhaltiges Erfrischungsgetränk, welches man sich gleich nach dem Erreichen eines Etappenziels zuführt, ohne zuvor den Staub des Tages vom Körper gewaschen zu haben. Daher die Bezeichnung „Schmutz“ oder „Schmutzig“.

Prost!


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Vientiane mon amur

Land der Tausend Elefanten, 19.11. bis 11.12.2011

Vientiane und Berlin sind Hauptstädte. Und damit findet die Liste der Gemeinsamkeiten dieser beiden Städte ein jähes Ende.

„Klar,“ höre ich jetzt jemanden sagen, „Vientiane hat ja auch nur 350.000 Einwohner und somit weniger als ein Zehntel der Bevölkerung von Berlin.“ Aber wir sprechen hier von Hauptstädten! Ich zumindest verstehe unter Hauptstadt immer auch etwas Weltstädtisches, etwas Kosmopolitisches. In Vientiane ist davon jedoch rein gar nichts zu spüren. Es gibt zweieinhalb Hauptstraßen, die eine davon ist eine Einbahnstraße. Dann gibt es noch ein paar Seitengassen. Die sind überwiegend so schmal, dass Autos nur mit Not einander passieren können. Und ich kann mir gut vorstellen dass jemand, der zuletzt vor 10 Jahren in Vientiane war, heute erstaunt ausruft „Ach, jetzt gibt es sogar Ampeln!“. Ja, einige gibt es jetzt. Manche werden beachtet, manche nicht. Und manche leuchten zwar in Rot-Gelb-Grün, aber wie der Verkehr letztendlich zu rollen hat entscheidet dann doch eher ein Polizist, der auf der (Ampel-)Kreuzung den Verkehr regelt.

Zugegeben, da gibt es auch noch diese Prachtstraße. Avenue Lane Xang heißt sie, ist durchgehend zweispurig und ist ganz offensichtlich der Champs-Élysées in Paris abgekupfert worden. Mitsamt einem Arc de Triomphe, der hier Patou Xai heißt. Den haben die Franzosen vor 50 Jahren hingestellt, nicht ganz fertig und selbst heute noch hat man bei einer Besichtigung das Gefühl eine Investitionsruine zu erklimmen.

Nun ja, vielleicht sollte ich mein Bild einer Hauptstadt noch mal überdenken. Trotzdem – oder gerade deshalb! – habe ich Vientiane in mein Herz geschlossen. Wie das Land, so seine Hauptstadt. Hier findet nicht die große Politik statt, hier werden keine weltbewegenden Entscheidungen getroffen, hier kann man noch ruhig vor sich hinleben.

Entsprechend ruhig haben wir den Tag verbracht. Mit Einblicken in die alte und neue Kultur von Laos: Auf dem entspannten Programm standen heute Ho Phra Keo, Wat Si Saket, That Luang und den bereits oben erwähnten Patou Xai. Bitte bemühen Sie Google, um Detailinformationen zu den einzelnen Bauwerken zu erhalten. Wenige bis gar keine Infos im Internet bekommen Sie jedoch über das kleine Restaurant, in dem wir unsere erste laotische Nudelsuppe zu uns genommen haben! War lecker, bleibt aber unser Geheimnis.


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