Nothing but blue skies

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Beijing auf eigene Faust.

Die chinesische Regierung hat -fast- alles fest im Griff. Neben der eigenen Bevölkerung auch noch das Wetter in Beijing. Jedenfalls in diesen Tagen. Noch immer ist strahlend blauer Himmel und glasklare Luft. Weil etwas in der Luft liegt. Nämlich das Mondfest (Mittherbstfest bzw. 中秋节) am Sonntag und, wichtiger noch, der Nationalfeiertag am Montag. Wahrscheinlich wurden mal wieder alle dreckschleudernden Fabriken rechtzeitig lahm gelegt und was weiß ich für Zaubertricks angewendet, um so eine Wetterlage zu erzeugen.
Jetzt muss die chinesische Regierung nur noch die ganzen Umweltprobleme des Landes in den Griff bekommen. Aber sie arbeitet hart daran!

Heute ist Freitag. Laut Kalender ist zwar Samstag, aber heute haben alle aus der Gruppe frei. A, P und H, damit sie sich mal vom Reiseleiter erholen können. Und C, damit er seine Erkältung ausleben kann. Die hatte sich gestern schon angekündigt und ist heute so richtig ausgebrochen.

Die Verbotene Stadt, die eigentlich für heute Vormittag auf dem Programm stehen sollte, hatten wir uns ja schon gleich am zweiten Tag in China reingezogen. Daher heute also zur freien Verfügung. Am Vormittag übergaben wir die Räder wieder in die Obhut unseres Fahrradladens hier in Beijing, dann war erst mal fahren lassen angesagt. Nämlich mit der U-Bahn bis zur Wangfujing, Beijings Hauptshoppingmeile. Dort trennten sich unsere Wege, ich fuhr zurück ins Hotel und legte mich ins Bett, die anderen verprassten ihre letzten Kuai.

Am Abend trafen wir uns wieder für den kulinarischen Abschluss der Tour: Ente bis zum Abwinken. An so einem Vogel ist zwar viel dran, aber nur ein Bruchteil davon wird bei einer Peking Ente abgeschnippelt und serviert. Wir nahmen also gleich zwei Enten. Es wird nicht gespart!

Morgen ist Frühstück, Abschied nehmen und Abflug. Das lohnt keinen eigenen Eintrag. Fotos von herzerweichenden Abschiedsszenen mit reichlich Abschiedstränen wollen Sie bestimmt auch nicht sehen. Daher hier bereits meine gefürchtete Statistik und ein Fazit:

  • Geradelte Kilometer: 853 (Gemessen)
  • Gelatschte Kilometer: 25 (Geschätzt)
  • Treppenstufen: 20.368 (Gefühlt)
  • Wassertemperatur des Meeres bei Shanhaiguan: 18°C (Geraten)
  • Unbeleuchtete Tunnel: 20
  • Beleuchtete Tunnel: 2

Die Tour war richtig rund. Was nicht heißen soll, dass wir für drei Wochen 24/7 auf Wolke 7 schwebten! Das wäre auch furchtbar gewesen, denn wovon sollten wir dann daheim erzählen?

Es gab fast in jeder Beziehung Höhen und Tiefen (Yin und Yang, Sie erinnern sich?): Wir fuhren über hohe Pässe und über das platte Land. Mal auf Flüsterasphalt und mal auf Schlaglochstraßen, scheinbar ohne Ende. Mal stundenlang fast ohne weiteren Verkehr, mal mit 30 LKW pro Minute. Mal mit topsauberen Hotels, mal mit reichlich Schimmel an den Wänden und ohne Warmwasser aus den Duschköpfen.

In einer Beziehung gab es keine Höhen und Tiefen: die Gruppenstimmung! Die war nämlich gleichbleibend gut und dafür möchte ich mich ganz herzlich bei Holger, Astrid und Peter (um ihnen mal wieder einen Namen ohne Abkürzung zu geben) bedanken! Wir sind sehr homogen unterwegs gewesen. Egal ob es das Fahrtempo, die Unterkünfte oder die von mir gewählten Restaurants und Speisen betraf. Ich wäre mir manchmal schon selbst an die Gurgel gegangen. Aber ihr seid einfach nur Spitze!

Harmonie

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

315 Kilometer in 2 Stunden und 34 Minuten von Shanhaiguan nach Beijing. Dann noch ein paar Kilometer in der Stadt weniger schnell.

Am Vortag waren wir bereits am Bahnhof gewesen weil wir dort unsere Fahrräder aufgeben wollten. So hatten wir das auf dieser Tour bisher immer gemacht, am Vortag die Räder mit dem Frachtzug nach Beijing schicken und am nächsten Tag dann hinterher reisen. Aber dieser Versandservice wurde eingestellt, wie wir gestern erfahren mussten. Wir sollen doch die Räder einfach mit in unseren Zug nehmen sagte man uns. Na ob das gut geht?

Musste es ja, wir brauchten doch noch unsere Räder in Beijing. Also sind wir heute Morgen mit den Rädern und Gepäck zum Bahnhof gefahren. Dort hieß es zwar zunächst, dass wir die Räder auseinander nehmen sollten, aber ich fand es reichte aus, wenn wir nur die Lenker quer stellen. Das fanden die Sicherheitsleute vom Bahnhof dann auch und gewährten uns Einlass.

In China kann man nicht einfach so auf den Bahnsteig gehen, sondern muss in einem Warteraum oder der Vorhalle warten, bis der gebuchte Zug aufgerufen wird. Also warteten wir. Dann ging es aber plötzlich ganz fix, wir mussten unseren Krempel durch eine Unterführung wuchten (eine Treppe runter, eine rauf), dann war der Zug auch schon da und wir wurden zur Eile getrieben. Die Räder stellten wir einfach in den Eingangsbereich. Einsteigen bitte, Türen schließen automatisch, Vorsicht an Gleis 2, Abfahrt.

Aus unerfindlichen Gründen hatte das lokale Reisebüro zwei Fahrkarten gebucht, einmal von Shanhaiguan nach Beidaihe und von Beidaihe nach Beijing. Gleicher Zug, aber andere Sitzplätze in einem anderen Wagen. Den Wagen zu wechseln kam aber wegen der Räder nicht in Frage, also blieben wir einfach dort und überließen unsere Plätze anderen. H und ich saßen ohnehin auf dem Boden bei den Rädern, A und P studierten stehend das chinesische Zugleben und die Geschwindigkeitsanzeige.

Unser Zug gehörte zwar zur Hochgeschwindigkeitsserie, kam aber nie an die 200 km/h Marke heran. Die Strecke ist wohl noch nicht dementsprechend ausgebaut. Die Züge tragen den Namen Harmonie (和谐). Damit war es aber kurzfristig mal vorbei. Irgendwann während der Fahrt kam nämlich der Zugchef an und meinte die Räder könnten dort nicht stehen bleiben. Nach meinem Hinweis, dass es doch nur noch zwei Stunden bis Beijing wäre und der Frage, wo wir die Räder sonst hinstellen sollen, kam er sichtlich in Gewissensnöte. Dann hatte er den gesichtswahrenden Einfall: Wir sollten unbedingt bei den Rädern bleiben (was wir ohnehin gemacht haben) und andere Mitreisende auf die Gefahr hinweisen. Besonders kleine Kinder. Kein Thema, versicherte ich ihm, wir werden dafür sorgen, dass sich niemand ernsthaft verletzen wird. Wir achten auf die Sicherheit (注意安全)! Das war dann der Deal.

Ankunft in Beijing kurz vor 2 Uhr am Nachmittag. Der Tag ist noch jung! Also radelten wir kurz bei unserem Hotel in Beijing vorbei, schmissen die Klamotten in die neuen Zimmer und düsten gleich weiter zum Lamatempel (Yonghegong 雍和宫). Dieser gehört ganz zweifellos zu einer der schönsten Tempelanlagen in China. Nicht so groß und erschlagend, einfach wohlproportioniert, alles ist in sich stimmig und schlüssig. Mit andren Worten: Ein rundum harmonischer Tempel. Beijing hatte uns mit einem phantastisch blauen Himmel empfangen und wir genossen den Tempel in der spätnachmittaglichen Sonne bei immer weniger Besuchern, denn ab 16:00 Uhr ist kein Einlass mehr, um 17:00 Uhr ist dort Feierabend.

我们是好汉

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Eine Überdosis Mauer in Shanhaiguan.

Der Spruch „Wer nicht auf der Großen Mauer war ist kein ganzer Kerl“ (不到长城非好汉) fiel ja hier im Blog schon mal. Er steht übrigens auch auf dem Stein im Bild in der 2. Reihe da unten, von Mao eigenhändig kalligrafiert. Hätten Sie es entziffert? Der Titel dieses Blogeintrags lautet simpel „Wir sind ganze Kerle“. Eigentlich ja schon längst, denn die Große Mauer hatten wir bereits vor zwei Wochen das erste Mal erklommen. Aber heute nochmal eine volle Dröhnung. Und eine Krönung dazu, denn wir hatten das (offizielle) östliche Ende der Großen Mauer erreicht.

Aber zuerst schauten wir uns die Befestigungsanlage rund um den „Ersten Pass unter dem Himmel“ (天下第一关) an und stiegen dort auch gleich hoch auf die Mauer. Einmal links rum soweit man konnte, einmal rechts rum. Weitere zwei Kilometer in unserer Sammlung. Am Interessantesten waren jedoch die Aktivitäten auf dem Sportplatz der Mittelschule Nr. 1 von Shanhaiguan. Dort übten die Klassen für die große Parade am 1. Oktober (Nationalfeiertag). Erst wimmelte und wuselte es wie bei den Bundesjugendspielen, aber irgendwann hatten sich alle Klassen gefunden und konnten marschieren. Wir marschierten weiter.

Nämlich zur Residenz der Familie Wang. Die Wohnanlage ist noch original aus den letzten Jahren der Qing Dynastie (1644 bis 1911) und man hat die vielen Räume mit Haushaltsgegenständen aus dieser Zeit eingerichtet. Ein netter Einblick in das Leben einer wohlhabenden Familie des alten Chinas. Nicht so nett fanden wir die winzigen Schuhe, in die gebunden Frauenfüße gesteckt wurden. Die waren kleiner als die Schuhe eines vierjährigen Kindes 🙁

Jetzt aber endlich wieder Mauer! Und Meer. Das Meer mit Mauer ist 6 Kilometer von Shanhaiguan entfernt. Also eine Aufgabe für unsere Räder. Die holten wir im Hotel ab und 20 Minuten später waren wir beim Alten Drachenkopf (老龙头). So wird die Festungsanlage genannt, die direkt am Meer erbaut wurde und schwer bewacht war. Man hat hier das meiste wieder aufgebaut, inklusive der Schlafsäle der Soldaten. Aber für uns am Interessantesten war natürlich der Teil, bei dem die Mauer ca. 10 Meter in das Meer hinaus ragt. Halt, das stimmt nicht so ganz. Am Interessantesten war es eigentlich am Strand durch das Wasser zu waten. Wir hatten endlich das Meer erreicht!

Der Tag war trübe und nicht übermäßig warm, daher hatten wir das Badezeug im Hotel gelassen. Aber die Wassertemperatur hätte es erlaubt ein paar Runden darin zu drehen. Schade, nächstes Mal wieder.

Unser Glück mit Flüssigkeiten von oben hielt auch heute weiter an. Wir waren kaum wieder zurück in Shanhaiguan, da ging ein heftiges Gewitter nieder. Aus den Scheiben eines Restaurants sahen wir zu, wie sich die Straße davor in einen reißenden Strom verwandelte. Dafür hatten wir für eine halbe Stunde keinen Strom mehr, der fiel nämlich aus, nachdem wir die Bestellung aufgegeben hatte. Aber in China wird ja mit Gas und Kohle gekocht und so gab es ein Candle Light Dinner. A, P und H sind noch immer fest davon überzeugt, dass der romantische Abend von China By Bike vorgebucht war.


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Pass zwischen den Bergen und dem Meer

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

68 Kilometer vom Zushan nach Shanhaiguan. Plus 2,5 Kilometer Stadtrundgang. Fast nur bergab. Wäre da am Ende nicht der 1,8 Kilometer lange Anstieg gewesen.

Unsere letzte Tagesetappe. Da hatten wir wieder fast alles. Eine Abfahrt, einen fiesen Tunnel, recht viel Verkehr zwischen Kilometer 6 und 38, eine zerbröselnde Nebenstraße, einen kurzen, aber knackigen Pass. Und ganz viel Große Mauer.

Das Frühstück in unserer idyllischen Berghütte bekam ein Upgrade, denn wir hatten uns am Vortag im Walmart um die Ecke mit essbaren Lebensmitteln eingedeckt. Was das Hotel dazu noch servierte war dann hübsche Dekoration auf unserem Frühstückstisch.

Wieder hatte es in der Nacht zuvor geregnet (hier regnet es immer nur, wenn wir ein Dach über dem Kopf haben) und den Himmel zumindest für den Vormittag blau gewaschen. Unter diesen Voraussetzungen stürzten wir uns in die sechs Kilometer lange Abfahrt vom Zushan zur Hauptstraße. Mit einem Schnitt von 15 km/h. Denn was wir nicht wollten war Stürzen. Das hätte bei einer höheren Geschwindigkeit durchaus passieren können, die Straße windet sich in engen Haarnadelkurven und der Belag ist nicht mehr der Jüngste. Also immer schön die Hände an den Bremshebeln halten!

Dann die nächste Herausforderung: ein 1,2 Kilometer langer Tunnel. Der war zwar spärlich beleuchtet, dafür aber eine einzige Schotterstrecke mit vielen Schlaglöchern und Spurrillen. Und nass war er auch noch. Das war jedoch eher unser Glück, denn sonst hätte es gestaubt wie Hölle und uns gar keine Sicht mehr gegönnt.

Damit war die Abfahrt noch nicht zu Ende, weitere 24 Kilometer ging es fast nur nach unten. Leider kamen mit jedem Kilometer aber auch ca. 500 LKW hinzu. Diesmal auf trockenem Untergrund und daher mit zunehmender Staubkonzentration in der Luft.

Bei Kilometer 38 hatten wir die Nase voll. Fast wörtlich. Also erst mal eine kleine Stärkung (gebratene Nudeln und Maultaschen) und dann links ab in die Nebenstraße. Die hatte ich 2006 auf Google Earth entdeckt. Der Abzweig dazu ist extrem unauffällig und nicht ausgeschildert. Auch dieses Mal wäre ich wieder daran vorbei gefahren, hätte mein GPS-Empfänger nicht den richtigen Knick angezeigt.

Von nun an ging es ohne LKW und fast ohne andere Kraftfahrzeuge weiter. Und da war sie wieder, die Große Mauer! Bei Kilometer 51 schlüpften wir hindurch (siehe Bilder unten). Ein unscheinbares Tor, durch das der Dorfverkehr fließt. Keine Wachen, keine Festung, kein Eintritt, kein Hello-cola-water-beer-postcard-tshirt. Die Festung und den ganzen Rummel dazu gibt es 500 Meter später. Da kann der moderne Tourist den九门口 (Jiumenkou, Neun Tore Pass) besichtigen. Ein paar Fotos und spärliche Infos gibt es dazu hier und dort. Wir haben uns eine Besichtigung erspart, wir hatten ja noch ein paar Kilometer vor uns. Und den letzten Pass auf unserer gesamten Tour. Nur kurz und nur 100 Höhenmeter, aber immerhin.

Ankunft in Shanhaiguan pünktlich um 16:00 Uhr. Shanhaiguan bedeutet übersetzt Pass zwischen den Bergen und dem Meer. Der Name ist Programm, südöstlich von Shanhaiguan liegt das Meer, nordwestlich fangen die Berge an. Also ein strategisch wichtiger Ort im alten China, als hier noch die Grenze zum Reich der Mandschu verlief. Shanhaiguan wurde im Laufe der Geschichte mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Das letzte Mal um das Jahr 2006 herum. Da hat man große Teile der ummauerten Altstadt platt gemacht, um eine neue Altstadt zu bauen. Bei meinem ersten Besuch hier konnten wir noch durch die alte Altstadt bummeln. Bei meinem zweiten Besuch 2006 ist meine Gruppe über die Trümmer gestolpert, die vormals Wohnhäuser und Geschäfte waren. 2012 ist da wieder eine Stadt, eine neue Altstadt. Mit Häusern, die aussehen sollen wie aus der Ming-Dynastie. Die Häuser beherbergen jedoch keine Menschen mehr. Fast alle sind auf Geschäft und Laden ausgerichtet, aber nur ein Bruchteil davon ist vermietet.

Nach einer kurzen Verschaufpause spazieren wir durch diese neue tote Altstadt. Wir finden zwar noch ein paar Gassen, die nicht der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind, ansonsten ist die Stadt innerhalb der Mauern so gut wie ausgestorben. So ausgestorben, dass wir Mühe haben ein Restaurant zu finden. Wir nehmen dann das letztbeste und das Essen ist zwar genießbar, aber nichts, von dem man zu Hause berichten würde.

Ich will mein altes China zurück, nicht das neue alte!


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Stairway to Heaven

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Viel rumgerenne auf dem Zushan. Dazu zwei oder drei Kilometer mit Bus und Seilbahn. Rund 1.000 Höhenmeter.

Heilige und touristisch erschlossene Berge in China haben alle eine essentielle Gemeinsamkeit: Treppen. Seien es in den blanken Fels gehauene Stufen, seien es Stufen gelegt aus bearbeiteten Steinen. Das Ergebnis der Besteigung eines solchen Berges ist immer das gleiche: Heftige Schweißausbrüche beim Aufstieg und übelster Muskelkater am Morgen nach dem Abstieg.

Der Zushan (zu Deutsch etwa Berg der Vorfahren), den wir am Vortag erreicht hatten, bildet bezüglich Treppen keine Ausnahme. Aber hier gibt es eine besondere Treppe. Sie ist 550 Meter lang, führt schnurgerade nach oben und überwindet auf 1.111 Stufen (wir haben sie wirklich gezählt!) fast 190 Höhenmeter. Endpunkt ist der höchste Gipfel der umliegenden Gebirgskette, der Gipfel der Himmelsfee (etwas salopp von mir übersetzt, auf Chinesisch 天女峰).

Ich kannte diese Treppe bereits von meinem ersten (und bis dato letzten) Besuch 2006. Damals traf sie uns unvorbereitet, denn Infos über den Zushan, der nur sehr selten von Ausländern besucht wird, gab es keine, nicht mal auf chinesischen Webseiten. Heute war ich und damit die ganze Gruppe also vorgewarnt. Nach dem Frühstück (wenn man das, was uns serviert wurde, Frühstück bezeichnen möchte) latschten wir zunächst auf dem betonierten Weg, der zum Parkplatz unterhalb besagter Treppe führte. Wir hätten auch eine Treppe nehmen können, logisch, aber Treppenstufen wollten wir uns für später aufheben.

Nach einer Stunde und einigen Serpentinen standen wir also davor. Vor der 550 Meter langen Treppe. Sie erschien nicht mehr so imposant wie 2006, denn inzwischen hatte man zwei Pavillons zwischendrin eingebaut, welche die Sicht auf das ganze Monster bis ganz nach oben teilweise versperrten. Vielleicht kam uns der Aufstieg nach oben auch deshalb viel leichter vor als ich es von 2006 in Erinnerung hatte. Schon nach einer halben Stunde waren wir oben. Schnaufend, aber nicht ausgelaugt. Vielleicht sind meine Teilnehmer dieses Jahr auch einfach nur in besserer Kondition und ich selbst werde mit jedem Jahr fitter.

Was hatte ich weiter oben bezüglich Abstieg und Muskelkater geschrieben? Ebenfalls neu im Vergleich zu 2006 ist ein Wanderweg, der auch zum Gipfel führt. Oder vom Gipfel weg, je nachdem wo man ihn beginnt. Den haben wir natürlich für den Abstieg gewählt, denn darauf gibt es bedeutend weniger Stufen. Und lauschig ist er obendrein. Hoch kämpfen, runter kutschieren, das war jetzt unsere Devise. Also nahmen wir einen Shuttlebus in Richtung Hotel.

Auf dem Weg nach oben hatten wir eine Seilbahn entdeckt, die nach unten führte! Mensch, hier gibt es scheinbar noch mehr zu sehen. Das Abenteuer wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Jedenfalls A, P und C. H hatte eine Fahrradtour gebucht, sein Pensum an Wanderungen war für diesen Tag bereits gedeckt. Damit trennten sich unsere Wege für die nächsten Stunden. Während H zum Hotel zurück lief bestiegen APC die Seilbahn nach unten.

Irgendwo in diesem Blog hatte ich mal erwähnt, dass ich an Höhenangst leide. Das ist ein ziemlich nerviges Gebrechen. Sollten Sie ein ähnliches Leiden haben kann ich nur diesen Tipp geben: Fahren Sie niemals mit der Seilbahn am Zushan! Sie werden sieben Tode sterben. Vielleicht sogar acht. Es geht steil nach unten/oben (abhängig aus welcher Richtung Sie kommen) und teilweise ist zwischen Ihnen und dem Boden darunter ein Kluft von mehreren Kilometern. Gefühlte Kilometer, in Wirklichkeit sind es nur maximal 150 Meter. Die können aber auch schmerzhaft sein, wenn man sie im freien Fall zurück legt und dann aufschlägt.

Ich lag also wimmernd auf dem Boden der Gondel, A und P genossen die gute Aussicht und gaben mir Ratschläge, wann ich mit der rechten Hand meine Kamera an die Scheibe drücken sollte um ein Foto zu knipsen. Die linke Hand war besetzt, sie deckte meine Augen ab.

Jetzt aber genug geflennt, weiter mit unserem Tagestrip. Die Seilbahn hatte uns auf 500 Höhenmeter unterhalb unseres Hotels befördert, die mussten wir jetzt wieder zurück nach oben. Aber bitte zu Fuß. Und, wie sollte es anders sein bei Bergen in China, über Treppen! Hoch ging es durch eine enge Schlucht, immer vorbei an einem Bergbach. Der plätscherte vor sich hin, ab und an trafen wir Leidensgenossen die weniger litten als wir, da sie von oben kamen. Dann war Smaltalk und Fotoshooting angesagt.

Unser kurzer Tagesausflug am Zushan endete gegen 16 Uhr am Hotel. Nach rund 1.000 Höhenmeter. Hoch, denn runter haben wir uns überwiegend transportieren lassen. Um keinen Muskelkater am nächsten Tag zu haben.


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Ohne Titel

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Von Qinglong zum Zushan. ¾ der Gruppe ist 71 Kilometer geradelt und hat sich 12 Kilometer chauffieren lassen. ¼ der Gruppe ist 83 Kilometer geradelt. Die Frisur sitzt.

Heute fasse ich mich mal kürzer…

Wenig inspirierendes Frühstück im Hotel. Abfahrt um neun Uhr.
Die ersten 30 bis 40 Kilometer folgen wir dem dichten Verkehrsfluss. Dann dünnt sich dieser merklich aus und wir folgen einem richtigen Fluss. Der mäandert fröhlich vor sich hin und wir mäanderten fröhlich mit ihm. Sehen sie sich mal unsere Strecke auf der Karte da unten an!

Ab und an werden die Flussschleifen durch einen Tunnel abgekürzt. Da sind wir dann nicht mehr ganz so fröhlich, denn die meisten Tunnel sind ohne Beleuchtung. Was für uns bedeutet: Anhalten, Beleuchtungsanlagen (Stirnlampen, Taschenlampen, Rücklichter) installieren. Augen auf und durch.

Nach den laut Programm versprochenen Kilometern auf den Rädern sind A, P und C ziemlich groggy und froh, dass nun ein Transfer hoch zum Berg Zu erfolgte. Nur H hat noch nicht genug. Der muss unbedingt die letzten 12 Kilometer und 650 Höhenmeter mit dem Rad zurück legen. So ist halt die Jugend von heute. H ist in Rekordzeit hochgestrampelt. Fetter Respekt dafür!

Das gab es heute auf meine Ohren: Giorgia Fumati (From My Heart) und Jazz Up The Beatles.


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Verkehr(t)

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

76 Kilometer von Kuancheng nach Qinglong. Auf und ab wie in der Achterbahn. Staubtrocken.

Auf Chinas Straßen herrscht das blanke Chaos. Zwar gibt es eine Straßenverkehrsordnung, aber die kennt nur derjenige, der sie mal erstellt hat. Und selbst bei diesem könnte ich mir vorstellen, dass er die Gesetze schon längst wieder vergessen hat. Verkehrsschilder dienen einzig der Auflockerung des Straßenbildes und die meisten Ampeln haben eher vorschlagenden Charakter. Manchmal entscheiden Verkehrsteilnehmer erst in letzter Sekunde, ob sie links oder rechts aneinander vorbei fahren. Nicht selten hat man das Gefühl der Kraftfahrer/Radfahrer/Fußgänger, der gerade von vorne, hinten, rechts oder links daher kommt hätte just an diesem Tag vergessen seine gelbe Armbinde mit den drei schwarzen Punkten anzulegen.

O Gott, O Gott, O Gott könnte man nun denken, wie kann jemand unter diesen Umständen auch nur für eine Minute im chinesischen Straßenverkehr überleben? Es geht! Und zwar recht gut. Denn das Chaos auf den Straßen ist selbstverwaltet und selbstverwaltend und gehorcht Gesetzen, die nirgends aufgeschrieben sind.

Die meisten chinesischen Autofahrer fahren so, als hätten sie sieben Leben. Sie fahren aber auch so, als hätten sie sechs davon bereits verbraucht und dabei eine Menge Erfahrung gesammelt. Zum Beispiel dass es viel besser ist nach Gehör denn auf Sicht zu fahren. Böse Zungen behaupten ja, dass die chinesische Führerscheinprüfung nur eine einzige Frage stellt: Wo ist der Schalter für die Hupe?

Jetzt aber ernsthaft, der chinesische Verkehr ist gar nicht so schlimm. Die Zauberworte dazu lauten Aufpassen und Anpassen. Es gilt nicht das Recht des Stärkeren, wie oft behauptet wird, und es gilt schon gar nicht die deutsche StVO. Es wird viel Rücksicht genommen, man versucht sich einfach zu arrangieren. Keiner hat prinzipiell Recht und keiner pocht auf §135 (oder irgend einen anderen Paragraphen).

Auf dieses Thema bin ich durch Kommentare der letzten Tage im Blog gekommen. Und weil mich meine Gruppe darum gebeten hat. Ich könnte noch viel mehr dazu schreiben, aber ich bin eh schon zu langatmig. Daher eine kurze Auflockerung, hier mal ein paar Straßenbilder der letzten zwei Tage (alle von H, vielen Dank dafür!):

Also zurück zu unserer Tour. Heute hatten wir viel Verkehr. Da ist so einiges an uns vorbeigerauscht und gedonnert. Besonders die LKW mit ihren vier bis sechs Achsen und geschätzten 120 Tonnen Zuladung haben uns sehr zu schaffen gemacht.

Die sind unangenehm, wenn sie von hinten kommen und ihre Fanfaren ertönen lassen (wozu sie gesetzlich verpflichtet sind, wenn sich langsame Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer, Zweitackt-Traktoren und Eselkarren vor ihnen befinden).
Sie sind unangenehm, wenn sie dröhnend an einem vorbei rauschen.
Sie sind unangenehm, wenn sie vorbei gerauscht sind und eine Feinstaubwolke hinter sich gelassen haben.

Grund für den massiven LKW Verkehr bis ca. Kilometer 45 war wohl der Autobahnbau. So ist das gerade in China: Vormals ruhige Straßen werden zunehmend stärker befahren. Übel. Dann werden sie ausgebaut und man muss sich durch die Baustelle quälen. Noch übler. Oder es wird eine Autobahn parallel gebaut und der Baustellenverkehr wird über die alte Straße abgewickelt. Auch übel. Oder beides zusammen. Übelst!
Zwei Jahre später ist der Spuk wieder vorbei. Dann fährt man plötzlich über eine Straße mit Flüsterasphalt und kaum Autoverkehr. Habe ich alles schon erlebt.

Wir kommen keine Minute zu früh in Qinglong an, perfektes Timing. Noch während wir die Fahrradständer ausklappen fängt es an zu regnen. Zunächst fallen ein paar Tropfen, als wir unsere Zimmer beziehen geht ein heftiges Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen nieder. Das Abendessen findet heute mal im Hotelrestaurant statt.


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告别早会

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Gemütliche 62 Kilometer von Pingquan nach Kuancheng. Wenig hoch und viel runter. Weiterhin trocken.

Wo war ich gestern stehen geblieben? Ach ja, unsere Radelfreunde aus Pingquan. Die trafen wir nach einem lausigen Frühstück (in unserem Hotel) vor unserem Hotel. Irgendwie hatte sich zu der Radsportgruppe noch jemand dazu gesellt, aber ich habe leider seinen Namen nicht erfahren. Werde es wohl auch nie.

Egal, man hatte uns eine halbstündige Sightseeingtour durch Pingquan angekündigt. Allerdings scheint die einzige touristische Attraktion von Pingquan (Pingquan bedeutet Quelle in der Ebene) ein Brunnen zu sein, der kein Wasser führt. Die Anlage umfasst 25 Quadratmeter, wurde 2008 erbaut, stammt aus der Zeit des Kaisers Qianlong (1711 bis 1799) und liegt 450 Meter von unserem Hotel entfernt. Pingquan ist also der ideale Ort für Touristen in Zeitnot.

Wobei das mit der halben Stunde schon stimmte. Denn an einem so bedeutenden Bauwerk müssen natürlich Fotos geschossen werden. Die Leute vor dem Bauwerk müssen Aufstellung nehmen, zurecht gerückt werden, lächeln. Dann ist die nächste Kamera dran. Die Leute davor müssen Aufstellung nehmen, zurecht gerückt werden, lächeln. Got the picture? In der Galerie weiter unten sehen Sie, werter Leser, zum Glück nur eines der gefühlten 2.000 Bilder, die dort verschossen wurden.

Die Sightseeingtour erfolgreich beendet durften wir in Richtung unseres heutigen Tageszieles entschwinden. Die ersten 15 Kilometer weiterhin begleitet von unseren Radelfreunden aus Pingquan. Das war viel interessanter. Zum Beispiel unterhielt ich mich von Sattel zu Sattel mit Herrn Lu. Er erzählte mir von den Problemen, die China aktuell hat (nein, nicht der Konflikt mit Japan, sondern Umwelt und Korruption), und dass er 1989 als Soldat nach Beijing kommandiert wurde.
Klingelt es bei Ihnen, wenn die Stichwörter 1989, Soldaten und Beijing quasi in einem Atemzug genannt werden?

Den Rest der Strecke legten wir ohne unsere neu gewonnen Freunde zurück. Fast schon ereignislos. Wäre da nicht der silberne Kleinbus gewesen, der zunächst bei einer Rast an uns vorüber fuhr. Nach ca. 300 Meter stoppte er. Der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein und fuhr – nun ja, was macht man im Rückwärtsgang? – zurück zu uns. Fahrer und Beifahrerin sprangen aus dem Minibus, öffneten die Heckklappe und wühlten in den Kartons, die im Wägelchen gestapelt waren. Hervor kamen vier Packungen mit je vier Mondkuchen. Eine Packung für jeden von uns, umsonst und draußen. Eine Wegzehrung für uns. Das Pärchen stieg nach erfolgreicher Verschenkung wieder in den Wagen und setzte seinen Weg fort. Diesmal wieder im Vorwärtsgang.

Zurück ließen sie uns fast sprachlos. Denn die ganze Aktion ging so schnell von statten, dass wir nicht mal Gelegenheit hatten anständig Danke zu sagen.

Unsere Dosis an Gastfreundschaft wurde heute mehr als gedeckt.


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Chillen mit Chilly

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

96 Kilometer von Chengde nach Pingquan. Dunstig.

Von Beijing nach Chengde bin ich bereits fünf Mal geradelt, kannte die Strecke (bis auf wenige Neuerungen) recht gut. Ab Chengde bis zu unserem Endpunkt Shanhaiguan bin ich erst zwei Mal gefahren, und das ist auch schon länger her (2004 und 2006). Gerade von der heutigen Etappe hatte ich nur noch schemenhafte Erinnerungen.

Knapp 100 Kilometer, also wieder Frühstück um sieben Uhr, Abfahrt um acht Uhr. Zunächst ging es in die falsche Richtung, nämlich zum Postamt. A und P brauchten noch Briefmarken für ihre Postkarten. Kleinstädte erkennt man in China daran, dass die Postämter keine Briefmarken mit hohen Notierungen haben. A, P und H hatten mir einfach nicht glauben wollen, dass Chengde eine Kleinstadt sei, aber hier hatten wir den Beweis: Das Hauptpostamt hatte als größten Markenwert 1,20 RMB im Angebot. Für eine Postkarte nach Europa werden jedoch 4,50 RMB benötigt. Also muss sie mit vier Marken á 1,20 zugeklebt werden. Damit ist die Postkarte fast voll, viel Platz für die eigentlichen Grüße bleibt da nimmer 🙁

Die ersten 15 Kilometer kämpften wir uns auf einer staubigen und recht stark befahren Ausfallstraße ab, dann macht diese eine Knick nach links und wir wurden auf eine Nebenstraße in die Berge entlassen. Die war so wenig befahren, dass sie sich hervorragend für Fahrschüler eignet. Zwei Fahrschulfahrzeuge fuhren ständig an uns vorbei oder kamen uns entgegen, wenn sie weiter vorne gewendet hatten. Wir konnten beobachten, wie das Anfahren am Berg trainiert wurde. In China wird das allerdings bergab gemacht.

Die Landschaft war lieblich, riss uns jedoch nicht direkt vom Sattel. Wir fuhren Kilometerweit an Maisfeldern vorbei. Hier in der Region wird hauptsächlich Mais angebaut, die prallen Kolben hängen zu dieser Jahreszeit erntereif an den Halmen und hier und da wird auch schon geerntet. Vornehmlich per Hand.

Nach rund der Hälfte der Strecke tat ich etwas, was ich zuvor noch nie gemacht hatte: Ich verkabelte mich mit dem MP3 Player meines Handys. Und wählte die Pianoalben von Chilly Gonzales, welcher auch den ersten Part des Imagefilmchens von China By Bike musikalisch unterlegt hat.
Dermaßen beschallt rollte ich nun fast schon meditativ durch die Gegend, akustisch nicht komplett abgeschnitten von der Außenwelt, aber immer mit ruhigen und harmonischen Tönen wie aus dem Off. Nett, eine ganz neue Erfahrung. 20 Kilometer vor unserem Etappenziel legte ich dann noch Travels von Pat Metheny auf.

13 Kilometer vor unserem Etappenort Pingquan, auf einer Bergkuppe, trafen wir auf zwei chinesische Radsportler, die uns überschwänglich begrüßten. Es waren Herr Lu und Frau Luo, beide aus Pingquan und unterwegs zu einem kleinen Ausritt in die nähere Umgebung. Nach dem üblichen Woher und Wohin lud uns Herr Lu zum Abendessen ein. Kurze Rücksprache mit meiner Gruppe: Na klar, warum nicht? Also verabredeten wir uns um sieben Uhr im Hotel.

Pünktlich um sieben stand Herr Lu auf der Matte und es ging fünf Blocks weiter in ein gehobenes Restaurant, und dort direkt in ein Séparée. Und natürlich waren wir nicht alleine, am Tisch saß schon Frau Luo sowie zwei Herren, Herr Lu (noch ein Lu) und Herr Tao. Aha, jetzt wird es chinesisch, dachte ich. Und genau so kam es auch. Dicke Speisen wurden aufgefahren, eine Flasche Schnaps machte die Runde (wir hielten uns tapfer zurück), Reden wurden gehalten, auf die deutsch-chinesische Freundschaft und die Vereinigung der Radfahrer aller Länder angestoßen. Unsere vier Gastgeber waren Teil der Radgemeinde des Ortes.

Jetzt schreibe ich nicht weiter dazu, morgen mehr. Denn nachdem der Tisch zu 25% leergegessen und alle pappsatt waren verabredeten wir uns zu einer gemeinsamen Abschiedsausfahrt am nächsten Morgen und verließen das Lokal bereits um 21 Uhr. Herr Lu, Herr Tao, der andere Herr Lu und Frau Luo hatten bestimmt auf ein längeres Gelage gehofft. Vielleicht das nächste Mal, wenn die deutschen Freunde nicht 96 Kilometer hinter und 62 Kilometer vor sich haben.

PS: Ich habe das Bett nicht geraucht, großes Ehrenwort!


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Imperial Chill-out-Zone

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Sightseeing in Chengde, per Pedes und per Velo rund 20 Kilometer.

Es ist noch gar nicht so lange her, ca. 300 Jahre, da ritt der zweite Kaiser der Qing Dynastie (1644 bis 1911) auf der Suche nach neuen Gegenden für sein Hobby durch die Gebirgslandschaft nördlich von Beijing.
Sein Hobby war die Jagd und gefunden hatte er dabei Chengde, welches damals noch Jehol, Rèhé bzw. 热河 hieß. Der Kaiser hieß Àixin Juéluó Xuányè, aber besser bekannt ist er unter seinem Regierungsnamen, nämlich Kangxi (1654 bis 1722).

Kangxi war klug und potent. Er ließ in Chengde eine Parkanlage erbauen, die ihm (und den nachfolgenden Potentaten der Qing) als Sommerresidenz diente, denn Beijing ist im Sommer fast unerträglich heiß. Die Parkanlage sollte China en miniature darstellen. Daher lassen sich auch heute noch Elemente in der Anlage finden, die aus Südchina geklaut sind. Wie zum Beispiel eine Seeenlandschaft, die an den Westsee in Hangzhou bei Shanghai erinnern soll. Insgesamt 36 Hotspots hat Kangxi in dem fast sechs Quadratkilometer großen Areal anlegen lassen.

Drum herum ließ Kangxi buddhistische Tempel in verschiedenen Architekturstilen errichten. Damit wollte er sich das Wohlwollen der nationalen Minderheiten in seinem riesigen Reich (China war damals größer als die heutige Volksrepublik) sichern, vornehmlich jenes der Tibeter und Mongolen. So ist der Xumi-Fushou-Tempel (Tempel der Glückseligkeit und des Langen Lebens des Sumeru-Berges) ein Nachbau des Potala Palastes in Lhasa. Die politischen und religiösen Führer der einzelnen Volksstämme kamen nach Chengde um den Kaisern Tribut zu zollen. Dabei wurden sie zudem mit allen erdenklichen Vergnügungen bewirtet: Wein, Weib und Gesang. Und natürlich dem Hobby Kangxis, die Jagd.

Apropos Weib, Kangxi war auch in dieser Beziehung (oder sollte ich besser schreiben in diesen Beziehungen?) sehr potent, er hatte 35 Söhne und 11 Töchter.
Wenn man durch die Sommerresidenz schlendert kann man den Eindruck gewinnen, Kangxi habe ein wahres Lotterleben geführt. Überall bei den oben erwähnten Hotspots wird auf Infotafeln darauf hingewiesen, welche Sinnesfreuden jeweils angesprochen werden. Dabei war Kangxi neben Qianlong (1711 bis 1799) der geschickteste Kaiser der letzten Dynastie in China. Er regierte 61 Jahre lang.

Jetzt aber Schluss mit dem Geschichtsunterricht und hinaus zu den Sights. Zuerst natürlich zur Sommerresidenz selbst. Der Eingang liegt direkt gegenüber von unserem Hotel, wir mussten nur die Straße überqueren und nach einer happigen Tributzahlung von 120 RMB (knapp 15 Euro) gewährt man uns Einlass. Rund drei Stunden haben wir in der Anlage verbracht, haben anfangs die Zeremonial- und Wohngebäude besichtigt und sind dann durch den hinten angrenzenden Park flaniert. Von den sechs Quadratkilometern haben wir vielleicht einen gesehen.

Zeit für eine Stärkung. Heute standen zum Mittag Teigtaschen (Jiaozi) auf der Speisekarte. Chinaessen, lecker lecker!

Den Rädern gönnten wir nur einen halben Ruhetag. Zu den Acht Äußeren Tempeln läuft man nämlich besser nicht zu Fuß. Wir haben uns zwei vorgenommen, den bereits erwähnten Xumi-Fushou-Tempel und den Puning Tempel (Tempel des universellen Friedens). Letzten mussten wir etwas im Schnelldurchgang machen, denn wir waren bereits spät dran und wollten noch ein paar Besorgungen in der Stadt erledigen.

Dann war es Zeit für die abendliche Stärkung. Auf der Speisekarte stand Feuertopf. Das ist wie Fondue. In die Mitte des Tisches kommt ein Topf mit Brühe, der von unten mittels eines Gasbrenners kräftig angefeuert wird. Ich wählte eine Yin-Yang-Topf (erinnern Sie sich noch an meinen Blogeintrag von vor ein paar Tagen?), bei dem die Mitte geteilt ist. Auf der einen Seite eine scharfe Brühe, die andere Seite neutral. Nun schmeißt man Fleisch und Gemüse in den Sud, wartet einen Augenblick und fischt dann mit den Stäbchen im Trüben nach den Köstlichkeiten.
Chinaessen, lecker lecker!


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