2. Etappe – Immer nach oben!

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

In den heutigen Tag starten wir mit einer kräftigen Nudelsuppe. Dann geht es auch schon los in Richtung Ping‘an, einem Dorf inmitten der Longji-Reisterrassen. Auf dieser Etappe müssen wir 1300 Höhenmeter überwinden, aber wir haben uns ja gut eingedeckt mit Bananen, Birnen, Mandarinen und Süßkram, so dass wir eventuelle Energie-Defizite problemlos überwinden können. Die Fahrt führt uns durch die grünen Hügel einer reizvollen Landschaft. Ab und an passieren wir Gehöfte und Dörfer. Wir geniessen die Fahrt und es sieht fast so aus, als ob es heute trocken bleiben würde.
Doch ca. 10 km vor unserem angepeilten Mittagshalt in Heping setzt ein leichter Nieselregen ein, der sich nach und nach zu etwas entwickelt, was man getrost als starken Landregen bezeichnen kann. Irgendwann hallten wir es nicht mehr aus und stellen uns unter einen Baum am Wegesrand. Es dauert nicht lange und die Bewohner des gegenüberliegenden Hauses haben uns entdeckt und bitten uns herein, Nach und nach kommt der halbe Hof herbei, um einen Blick auf uns zu werfen. Die drei Frauen, die uns so herzlich hereingebeten haben, sind völlig fasziniert von Karl-Heinz. „Ist der aber groß“ sagen sie immer wieder. Dann schlendert der Herr des Hauses gemütlich rauchend herbei, unser Fahrer offeriert eine Zigarette, die erstmal hinter seinem Ohr landet.
Als der Regen ein wenig nachlässt, brechen wir auf, hinter uns verschwinden langsam die Fenster mit den winkenden Frauen.

In Heping angekommen stärken wir uns, haben wir doch noch einen ziemlich steilen Abschnitt vor uns, denn wir aber ganz gut bewältigen. Als wir die Tore Ping‘ans erreichen , empfängt uns der übliche Tumult. Trägerinnen reisen sich um unser Gepäck, und wie immer gibt es Diskussionen um den Preis. Irgendwann stapfen wir durch das nasse, tropfende Dorf und ich frage mich ersthaft, ob ich diesen Ort jemals regenfrei erleben werde.

Am frühen Abend machen wir einen kurzen Spaziergang im Dorf, da die Sonne aber bald untergeht und wir auch etwas geschafft von der Fahrt im Regen, landen wir ziemlich schnell in einem Restaurant.
Wir fragen uns zuerst, ob es ein schlechtes Zeichen sei, dass wir die einzigen Gäste sind, werden aber eines Besseren belehrt, als das Essen auf dem Tisch steht. Der Wirt hat sich sogar bereit erklärt, den Fisch für uns zu filetieren.
Nach dem Essen trennen sich diejenigen, die in der vergangenen Nacht zur Straße geschlafen haben von dem Rest der Gruppe. Letztere, nämlich Simone, Hans und Heinz gehen noch was trinken, während Silke, Andreas und ich, geschafft von den vielen LKWs, die letzte Nacht durch unsere Zimmer gefahren sind, ins Hotel zurückkehren.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/10/2011-10-131.gpx“]

Die große Fahrt beginnt! 1. Etappe: Wantian

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

„Du bist dicker als letztes Jahr“ so begrüßt mich der Chef des kleinen Hotels, in dem wir die heutige Nacht verbringen werden. Die sprichwörtliche chinesische Ehrlichkeit ist schon manchmal deprimierend. Weil ich so blöd war, den anderen davon zu erzählen, werde ich jetzt nur noch die dicke Reiseleiterin genannt.

Aber von Anfang an: Wir hatten heute morgen die Innenstadt Guilins noch nicht verlassen und schon suchte uns die erste Reifenpanne heim. Wieder war Siggi der Pechvogel mit einem Plattfuß. Doch sollte das die letzte Panne für den heutigen Tag bleiben. Das Wetter war schwül-diesig, verhangen und knapp vor unserm Mittags-Halt holte uns dann auch noch eine recht heftige Regen-Husche ein.
Die Fahrt führte uns durch Pomelo-Plantagen und Orangenhaine. Es ist gerade Erntezeit und die Straßen werden flaniert von Bauern, die ihre Ernte verkaufen. Riesige gelbe Pomelo-Berge neben kleinen provisorischen Zelten, ausgestattet mit Bett und Fernseher, in denen die Verkäufer ihre Tage und Nächte verbringen.

Nach dem Mittagessen hatte sich der Regen verzogen und da es nur noch knapp 20 km zu unserer heutigen Unterkunft waren, entschlossen wir uns, einige Abstecher zu machen.
Wir fuhren zum Xuelang Hu (Schneewolf See), einem See voller Karpfen, eingebettet in einem blühenden Osmanthus-Hain. Kleine malerische, dem Verfall preisgegebene Herbergen säumen das Ufer und eine Brücke, sanft geschwungen – wohl zur Abwehr böser Geister (die ja nur geradeaus können) – mit kleinen Pavillons führt über den See, hier und da ein Angler. Tropische Schmetterlinge und bunte Libellen tanzten über die ruhige Wasserfläche. Fraglich ist allerdings, wie lange diese Brücke noch halten wird, die hölzernen Pfeiler sind verrottet und brechen an verschiedenen Stellen weg. Der erfindungsreiche Chinese hat einfach eine Ladung Zement darüber geschüttet….

Ein Stück weiter des Weges ragt eine Halbinsel namens Hualiandao in den Fluß, darauf große Hallen in klassischer Holzbauweise errichtet, die gastronomischen Zwecken dienen, dahinter eröffnet sich eine friedliche Auenlandschaft in der hie und da Kühe weiden.

Nur kurze Zeit später erreichen wir Wantian und müssen erstmal an Ort und Stelle ein Bier trinken. Danach geht es an die Zimmerverteilung. Nachdem für Siggi nur ein Zimmer zur Straße übrig bleibt, entschließt sich Hans spontan, sein Zimmer mit ihm zu teilen.
Als alles erledigt ist, schwingen wir uns noch einmal auf die Räder, um ins Dorf zu fahren. Hier ist gerade die (alljährliche?) Luohan-Frucht Verladung im Gange (wir waren auf dieser Etappe bereits an einigen Luohan-Feldern vorbeigekommen). Kiste um Kiste wird gestapelt und auf kleine LKWs verladen, das halbe Dorf scheint hier beschäftigt.
Die andere Hälfte ist im hinteren Teil des Dorfes zu Gange, wo an Marktständen verschiedene Waren feilgeboten werden. Wir decken uns erstmal mit reichlich Obst für den kommenden Tag ein, die Bananen kaufen wir direkt vom Laster. Dabei werden wir neugierig von den Dorfbewohnern, besonders den Kindern, beäugt.

Das Abendessen gipfelt in einer Flasche „Brett-Schnaps“. Die Betten sind hier nämlich so hart, dass alle der Meinung sind, man müsse sie gehörig weichtrinken, und das am besten mit 53-Prozentigem. Unsere Wirtin findet es wohl ziemlich stark, dass wir die größte Flasche mit dem stärksten „Baijiu“ bestellen. Sie gibt mir den guten Rat, nicht soviel zu trinken, sonst sei mein Kopf bald so rot wie der von Siggi.
Ein wenig besorgt bin ich dann auch schon, als mir einige von Fröschen auf der Toilette erzählen. Das ändert sich allerdings, als ich nach der Rückkehr auf mein Zimmer (in nüchternem Zustand) eine tote Fledermaus auf meinem Bett finde, offensichtlich vom Ventilator hingerichtet.
Im übrigen scheint die Gegend etwas unsicher zu sein, zur Nacht haben wir unsere Fahrräder und das Begleitfahrzeug ins Esszimmer gefahren.
Morgen freuen wir uns alle auf die Reisterrassen, wir haben auch alle aufgegessen, damit das Wetter gut bleibt.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/10/2011-10-121.gpx“]

Ein Tag über den Wolken? Der Yaoshan

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Im Gegensatz zum gestrigen Tag verlief die heutige Fahrt pannenfrei und ohne „größere“ personelle Verluste. Beim kurzen Anstieg zum Parkplatz des Yaoshan konnten wir schon mal unsere Räder (Gangschaltung) und unsere Fitness testen.

Dieser Berg, der sich bis auf eine Höhe von 903 m über dem Meeresspiegel erstreckt, bietet einen wunderschönen Blick auf die umgebende Landschaft. Allerdings war am heutigen Tag, trotz hochsommerlicher Temperaturen, die Sicht stark eingeschränkt. Leider war es auch nicht mehr möglich, den touristischen Bereich zu verlassen und einen etwas ausgedehnteren Spaziergang auf dem Gipfel zu unternehmen.
Auf dem Rückweg besuchten wir noch eine der Ming-zeitlichen Grabanlagen der lokalen Oberschicht dieser Dynastie. Diese sind noch recht gut erhalten und gleichen Miniaturausgaben von denen bei Beijing, sind aber viel weniger besucht. Wir genossen die Ruhe in der von sanft bewaldeten Hügeln umgebenen Anlage.
Als wir uns dem Ausgang zuwandten, fiel doch noch eine größere chinesische Touristengruppe ein. Sofort erwachten die im vorderen Bereich vor sich hin dösenden Tempeltänzer und starteten mit viel Tamtam eine Tanzvorführung, in die die Neuankömmlinge auch gleich mit eingebunden wurden.
Auf dem Rückweg speisten wir in einem Gartenrestaurant ganz in der Nähe. Es war mir noch vom letzten Jahr in guter Erinnerung geblieben, als diese Lokalität uns auf einer heimeligen Dachterrasse Zuflucht vor Regen und leckeres Essen bot.

Frisch gestärkt besichtigten wir noch einen Markt, den wir auf der Heimfahrt entdeckt hatten. Hier gelangte Silke dann in das zweifelhafte Vergnügen, der Schlachtung eines Huhnes hautnah beizuwohnen.
Nach der Rückkehr traf ich mich mit unserem Fahrer, um die kommenden Tage zu besprechen. Derweil besichtigte die Gruppe ausführlich den Xiangbishan (Elefantenrüssel-Berg). Dieser Berg gleicht einem Elefanten der aus dem Li-Fluss trinkt. Die Legende besagt, dass der himmlische Herrscher das Tier hier zum Sterben zurückließ und es daraufhin zu Stein wurde.

Zum Abendessen treffen wir uns wieder. Mit einem Bier lassen wir den Abend an der Uferpromenade ausklingen, wo eine Gruppe älterer Chinesen gemeinsam musiziert – chinesischer klassischer Gesang begleitet von Schifferklavier und Gitarre. Auch eine meiner Kindheitserinnerungen war dabei (für alle Ossis:) „Bella Ciao“ auf Chinesisch!
Nach und nach gesellen sich immer mehr Menschen dazu, tanzen ein bisschen, wippen im Takt, unterhalten sich mit den Sängern. Von einem werden wir auf Englisch in Guilin willkommen geheißen.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/10/2011-10-112.gpx“]

Schilfrohrflötenhöhle

Berg und Wasser, 08. bis 29.10.2011

Der erste Tag in China ist eigentlich ein Reisetag. Nachdem ich meine Gruppe am gestrigen Tag in Beijing in Empfang genommen habe, ging es direkt weiter nach Guilin. Es war bereits halb zehn am abend als wir endlich unser Hotel erreichten. Noch Zeit für das erste leckere Essen mit verschieden gefüllten Jiaozi und Xiao Baozi. (Teigtaschen und Dampfnudeln) und einer ordentlichen Portion Bier, die uns die nötige Bettschwere besorgt.

Als wir am nächsten Morgen erwachen ist das Leben auf der (gegenüberliegenden) Uferpromenade schon in vollem Gange. Direkt gegenüber dem Hotel hat sich eine Gruppe angehender Ärzte versammelt, die kostenlose medizinische Untersuchungen anbieten (Vermessungen aller Art: Größe, Gewicht, Blutdruck). Dieser Service wird direkt von Andreas in Anspruch genommen. Alles in Ordnung – Schwierigkeiten bereitet nur die Vermessung der Körperhöhe, Andreas ist einfach zu groß für die hiesigen Verhältnisse – der Untersuchenden gelingt es kaum die Messlatte anzulegen.

Nach einem geruhsamen Frühstück machen wir uns auf den Weg um die Räder in Empfang zu nehmen, die uns in den nächsten zwei Wochen durch China tragen werden und haben eine erste Gelegenheit, die atemberaubende Landschaft mit ihren bizarren Kalkformationen, die sich vor Jahrmillionen aus dem Boden geschält haben, zu bestaunen.
Irgendwo habe ich gelesen, dass Guilin am reizvollsten bei Regen sei. Nun, diese Ansicht kann ich nicht teilen, nachdem ich im letzten Jahr diese Stadt fast ausschließlich bei Regen erlebt habe. Von der Landschaft sah man eigentlich so gut wie nichts und der Karstberge wurde man erst gewahr, wenn man fast schon mit der Nase daran anstieß.
Um so schöner ist es dieses Jahr, strahlender Sonnenschein, sommerliches Wetter und ein phantastischer Blick auf die wunderschöne Landschaft empfängt uns.

Auf dem Weg zum Radladen, passieren wir einen Häuserblock, der am gestrigen Abend noch völlig intakt war, heute aber hat man den Eindruck, über Nacht sei hier eine Bombe eingeschlagen. Ganze Hausteile sind eingestürzt, Balkone hängen in Fetzen von der Hauswand, die Vorderseite ist fast gänzlich abgerissen und gibt den Blick frei auf noch völlig intakte Wohnungseinrichtungen: hier steht eine noch befüllte Waschmaschine, in der benachbarten Küche sieht man den Wok noch auf dem Herd und auf dem Fernsehgerät stehen Gläser aus denen, scheint es, gerade noch getrunken worden ist. Menschen packen (auf dem Geröllhaufen) ihre letzten Habseligkeiten zusammen, andere haben sich vor und in den Häusern versammelt, rollen Plakate und Spruchbänder an der (zerstörten) Hausfront auf.

Wir wenden uns von der Szenerie ab und radeln zur Schilfrohrflötenhöhle, benannt nach der Pflanze, die hier einst massenhaft wuchs, den Eingang der Höhle verdeckte und aus der man, der Name deutet es an, Instrumente von wohltemperiertem Klang fertigen konnte.
Die Ludiyan (so der chinesische Name) ist eine beeindruckende Tropfsteinhöhle, von denen es in dieser Region nicht wenige gibt. Die bizarr geformtem Stalagmiten und Stalaktiten werden für chinesische Verhältnisse recht dezent von Neonlicht bestrahlt.
Auf dem Rückweg haben wir die ersten beiden Radpannen, der geplatzte Schlauch ist bald behoben, bei der zweiten Panne geht uns allerdings Hans auf mysteriöse Weise verloren. Unser strategisches Suchen, wir teilen uns in Zweiergruppen auf, nutzt alles nichts, glücklicherweise findet Hans allein den weg zurück ins Hotel.
Zwischenzeitlich können wir noch ein Auto beobachten, dass beim Versuch auf dem Radweg zu wenden mit der Stoßstange auf einem Poller hängen bleibt.
Viel Aufregung für den ersten Tag in Guilin, am Abend beruhigen wir uns mit einem guten Essen, Bier und dem ersten Schnaps.