Abschied von Bus Lee

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Xiao Li, der unseren Begleitbus gefahren hat, ist gestern nach Xi’an zurückgefahren, wo er sehnsüchtig von Frau und Kind erwartet wird. Er ist ein netter, ruhiger Mensch. Wir haben ihn in Anlehnung an einen großen Kämpfer „Bus Lee“ getauft, diesen Scherz würde er selber aber nicht verstehen. Bruce Lee heißt ja eigentlich Li Xiaolong (kleiner Drache Li), auf Mandarin, das Kantonesische lasse ich mal weg. Mit englischen Namen, noch dazu die ihrer eigenen Helden, tun sich Festlandchinesen schwer, das Namedropping unter Cineasten läuft hier nicht so geschmeidig wie anderswo. Jacky Chan heißt Chen Long (Drache Chen), Maggie Cheung heißt Zhang Manyu (Grazile Jade Zhang), Stephen Chow heißt Zhou Xingchi (Schnell wie der Blitz Zhou) usw.usf. Gespräche über den Zustand des neuen deutschen Films sucht man in China vergebens, man unterhält sich aber gerne über deutschen Fußball, vor allem mit Taxifahrern. Auch hier sollte man vorbereitet sein und die chinesischen Namen unserer Helden kennen: Lamu, Mule, Shiweiyinsitaige.

Gestern haben wir die offizielle Mitte des Reichs der Mitte durchquert (man schießt sich damit in der Volksrepublik selber ins Bein, die Westgebiete können rein geographisch nicht mit eingerechnet sein). Ein schönes Gefühl, an diesem Punkt zu stehen, drei Provinzen laufen hier zusammen, Shaanxi, Hubei und Chongqing. Ein schönes Gefühl aber vor allem, weil es die Passhöhe war und es danach nur noch bergab ging, und wie! Top 5 meiner persönlichen Abfahrten, da hat mein hochgeschätzter Kollege Oli G. nicht übertrieben (vielen Dank Oli für Deine Materialen, das macht alles viel einfacher für mich!). Es ging 30km bergab, auf neuem Asphalt, weit ausholend eine Höhenstraße entlang, man konnte es laufen lassen. Dazu fantastische Natur und kaum Verkehr. Die Temperaturen steigen allmählich und stauen sich in den Tälern, die werden immer enger, die Berge schwitzen und dampfen je tiefer wir kommen.

Jetzt sind wir in Wushan, einer steilen Stadt am Zusammenfluss des Yangzi und des Daning, pro Schritt macht man hier einen halben Höhenmeter. Die Lobby unseres Hotels ist im siebten Stock. Wushan liegt im Gebiet der regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing, welche im Zuge des Dammbau-Projekts aus der Provinz Sichuan ausgegliedert wurde. Seitdem ist sie von der Einwohnerzahl her die größte Stadt der Welt, mit weit über 30 Millionen Einwohnern – auf rein administrativer Ebene, es gibt bei diesen Rankings ja viele verschiedene Richtwerte. Das Zentrum Chongqing ist von hier noch hunderte Kilometer entfernt und diese Ecke ist noch ruhig und beschaulich, die Landschaft wirklich berauschend. Schon mit dem Rad sind wir den Daning entlanggefahren, heute mit dem Boot weiter, durch die „drei kleinen Schluchten“, die viel schöner sind als die großen. Und außerdem den Madu-Fluss, einen Seitenarm des Daning hinein, in die „kleinen kleinen Schluchten.“ Ein fauler, fotogener Tag.


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Das Loch am Ende der Welt

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Wir haben den Tiefpunft erreicht! Erst einmal buchstäblich, denn seit einer Woche sind wir zum ersten Mal wieder unter 4.000 Metern Höhe. Aber auch, was das Hotel angeht. Ach, was sage ich, die Absteige. In meinen mehr als 20 Jahren in Asien bin ich schon in vielen Löchern abgestiegen, aber das sogenannte Guesthouse in Nyalam toppt alles. Überhaupt Nylam: Hier muss jeder durch und Zhangmu, die Grenzstadt, hat einen noch schlechteren Ruf (zu unrecht, wie sich herausstellen wird). Also wird hier abgezockt, was das Zeug hält: Hotel oder Restaurant hingestellt und dann langsam aber profitabel verrotten lassen. Bevor jetzt der Einwand kommt, das liegt an den Chinesen, die in Tibet nur den Profit sehen: Nylam ist fest in tibetischer Hand, die Abzockerei ist höchst lokal.

Das bringt mich zu unserem tibetischen lokalen Reiseführer. Aufmerksame Leser werden sich gewundert haben, warum er im Blog nicht auftaucht. Er ist auch real höchst abwesend. Alle Versuche, ihn dazu bewegen, sich mal beim Essen zu uns zu setzen, schlagen fehl, alle tiefer gehenden Fragen haben ein beredtes Schweigen zur Folge. Meist ist er schlicht und ergreifend nicht da.

Immerhin, er ist stolz, ein Tibeter zu sein. Und bringt es noch nicht einmal fertig, einfache tibetische Sitten und Bräuche zu erklären.

Den Vogel schießt er dann heute ab. Während Sabine, Heinz und ich in ziemlichen Verschlägen nächtigen, pickt er sich zielsicher das einzig akzeptable Zimmer raus.

Morgen wird er sich mit den Worten verabschieden: Now my duty is over. Eine Pflicht. Als Tibeter wäre ich ja so erpicht wie möglich, meine Kultur den Besuchern nahezubringen. Schade! Der Mann arbeitet auf jeden Fall zum letzten Mal für uns.

Aber es gab auch noch das eine oder andere Highlight heute. Die Fahrt auf den letzten, immerhin 5.120 Meter hohen Pass. Die erste atemberaubende Abfahrt (36 km/h Durchschnitt), die dann jäh vom Gegenwind gestoppt wird. (12,5 km/h bei durchschnittlich 5 Prozent Gefälle).  Und von außen sieht unser Guesthouse gar nicht so schlecht aus.


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