Die letzten Höhenmeter

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Shanghai

Unser letzter gemeinsamer Tag ist gekommen. Kaum zu glauben. Drei Wochen scheinen lang und kurz zugleich. Das Gefühl schon ewig miteinander unterwegs zu sein, – irgendwie könnte es ewig so weitergehen, irgendwie ist es auch gut und an der Zeit wieder zurückzukehren.

Wir frühstücken ausgiebig und entspannt. Dann spazieren wir zu Fähre, genießen ein weiteres Mal die spektakulären Ausblicke auf die ebenso spektakuläre Architektur dieser Stadt.
In alter Manier haben wir vor ein paar Höhenmeter zu überwinden, sprich: Wir wollen auf eines der drei höchsten Gebäude Shanghais. Da wir immer für Superlative zu haben sind entscheiden wir uns direkt für das höchste und genießen in luftigen Höhen , im zweithöchsten Haus der Welt, einen Kaffee. Dann geht es zurück auf die andere Seite des Flusses. Ein Spaziergang durch den Volkspark mit seinem Heiratsmarkt steht noch an, bevor wir uns voneinander verabschieden, um die letzten Stunden in China ganz nach Belieben zu genießen.

Good old Shanghai

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Nach Shanghai

Wir sitzen im Zug nach Shanghai. Ich zwischen Rainer und Peter, beide schlafen. Hinter uns Hans. Schläft. Auf der anderen Seite vom Gang Diana und Thilo. Schlafen auch. Vor meinen Füßen befindet sich eine halbe Staude Bananen, die noch von unserer Fahrt in Xiao Yangs Auto übrig geblieben ist. Während der Zufahrt werde ich Peter und Rainer solange nerven, bis sie mir bis auf zwei alle abgenommen haben. Mehr bleibt nicht zu sagen, der Rhythmus bleibt: Schlafen, gucken, Schlafen, Essen, Schlafen, in der Endlosschleife. Nach dem ausschweifenden Festmahl gestern Abend und dem Kräuterschnaps, den Xiao Yang noch spendiert hat, der nachfolgenden Massage und den gerade mal vier Stunden Schlaf kein Wunder.

Verwunderlich ist nur, dass unser Zug sich selbst im Stand mit 219 km/h bewegt. Laut Anzeige zumindest. Ein Highspeed-Zug eben.
Hans kann im Wach-Zustand noch das Entertainment-Programm seines Sitz-Nachbarn genießen, Peter ist ungewöhnlich entspannt, was wohl daran liegt, dass sein Rad nicht wie geplant mit der Post, sondern mit uns im Zug, quasi in Sichtweite, unterwegs ist. Also alles am Mann. Rainer wiederum bereitet sich schon seelisch und moralisch auf seine Heimreise vor, er wird uns heute als Erster verlassen und schon zwei Tage vor uns nach Deutschland zurückfliegen. Thilo und Diana planen sicher schon ihren Aufenthalt in der Mega-City.

Angekommen. Wir landen nach weiteren 45 Minuten Autofahrt staufrei im Hotel, wo wir uns endgültig von Rainer verabschieden. Dann geht es nach einem kleinen Päuschen für uns verbliebenen Fünf zu einem Bummel über den Bund, der berühmten Uferpromenade Shanghais mit Blick auf Pudong mit seinen buntschillernden Wolkenkratzern.

Wir kämpfen uns durch die wogende Masse, die Mai-Feiertage dauern noch an, das ist überdeutlich zu spüren, wir sind ein Organismus mit all den Menschen hier. Aber irgendwann reicht uns das. Wir brechen aus. Thilo und Diana ziehen auf eigene Faust los um das nächtliche Shanghai zu erkunden, Peter, Hans und ich begeben uns auf Nahrungssuche. Sicherheitskräfte organisieren in Marschordnung die Regelung des Verkehrs. Wir sind hungrig und betreten direkt das erste Restaurant, was uns über den Weg läuft, danach schlagen wir uns durch die Altstadt-Gassen zurück zum Hotel, machen in einer Kaschemme einen letzten Bierstop für den Abend. Im Hotel angekommen, entschließen wir uns den restlichen Schnaps von Peter zu verbrauchen. In alter Gewohnheit gießt Peter vier Becher voll. Den Rainer-Gedenk-Becher, in Gedanken ist er noch bei uns, also Prost Rainer!

Endstation Radladen

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

60 km von Zigui nach Yichang

Wir verlassen heute den ländlichen Teil unserer Reise. Unsere letzte Rad-Etappe führt uns durch die letzte der drei Schluchten des Yangtse, der Xiling-Schlucht, in die Millionenstadt Yichang. Hier verabschieden wir uns von unseren Rädern, das geht recht leidenschaftslos, und von unserem immer fröhlichen Fahrer und Begleiter Xiao Yang. Er erwartet uns um sieben und hat auch schon ein Restaurant im Visier. Vor Vorfreude auf das leckere Essen, das es da wohl gibt, strahlt er gleich noch mehr als sonst. Danach wird dann hoffentlich das Feuerwerk gezündet, das wir seit Tagen durchs Land transportieren.

Aber von Anfang an: Der letzte Radtag steht an und die Vorzeichen sind günstig. Heißt: das Wetter ist gut – trocken und es soll warm werden und die Strecke ist wider erwarten durchgängig befahrbar. Wir spekulieren also für den letzten Pass auf gut geteerte Straßen und fantastische Ausblicke, wie wir das eben gewohnt sind. Und wenn, es geht natürlich noch eine wilde Abfahrt.

Wir beginnen den Tag stilecht mit einer kräftigen Nudelsuppe und frischen Baozi, dann fahren wir zum Hafen und lassen uns mit der Fähre auf die andere Flussseite übersetzen. Haben wir das also auch abgehakt. Dort erwartet uns Xiao Yang und mit ihm ein chinesischer Radfahrer mit … einem Platten. Schnell packen wir an: Hans, Peter und ich – und in Nullkommanix kann der junge Mann sein fachmännisch repariertes Rad besteigen. Es wird das letzte Loch sein, was wir auf dieser Tour flicken werden. Dann geht es weiter. Alle sind noch ein bisschen verschlafen von den beiden müßigen Ruhetagen, aber der Anstieg naht und wir bringen uns schon mal in Form und stehen pünktlich nach den ersten Höhenmeter in einem handfesten Stau. Alles ist verstopft. Hier ist die Hölle los. Die chinesische Reise-Hölle.

Die Mai-Feiertage sind angebrochen und ganz China ist in Bewegung. Und reist natürlich auch zu den berühmten Drei-Schluchten-des-Yangtse. Die Landstraße ist plötzlich dreispurig und zwar in alle Richtungen. Reisebusse und Reisebusse und Reisebusse – eine endlose Kette. Wir schlängeln uns durch. Xiao Yang gibt auf und fährt Autobahn und mit ihm die leckeren Ananas. Sei es drum. Peter ist trotz des widrigen Verkehrs nicht klein zu kriegen. Es ist nämlich Peter-Wetter, heißt: Sonne satt. Wir kämpfen uns den Berg auch. Die Aussicht ist tatsächlich nicht zu verachten. Aber, wie gesagt, das wissen nicht nur wir, sondern auch Massen chinesischer Touristen, die von einem Aussichtspunkt zum nächsten gekarrt werden. Auf dem Pass angekommen genehmigen wir uns erstmal ein paar Erfrischungen. Schlaffen ab und beschließen, obwohl es noch früh am Tag ist, hier auch gleich Mittag zu essen. Die Sonne bretzelt. Peter freut sich.

Weiter geht’s. Xiao Yang ist bereits am Zielort. Wir sausen bergab. Leider kein Flüsterasphalt, dafür eine kostenlose Massage-Einlage, wie Hans bemerkt. Irgendwo in der Mitte treffen wir einen chinesischen Fahrrad-Club. Und Diana mittendrin. Schnell ein paar Fotos geschossen. Zack geht’s weiter. Unten erwartet uns erwartet uns ein Vergnügungspark. Wir entscheiden uns dann doch gegen einen Bungee-Jump und radeln durch den dichten Stadtverkehr Richtung Endstation Radladen.


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Abwarten und Bier trinken

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Der Drei-Schluchten-Staudamm

Schon der zweite Tag Müßiggang. Wir sind müde! Heute morgen gegen sieben trennen wir uns von unseren luxuriösen Hotelzimmern. Trinken noch schnell einen Kaffee und dann geht es mit dem Motorboot durch die letzten beiden Yangtse-Schluchten zum Drei-Schluchten-Damm.

Peter platziert sich alsbald auf dem Boden zwischen uns, denn die unmittelbare Nachbarschaft zu drei randvollen Benzinkanistern (das Bötchen muß zwei mal nachgetankt werden), ist ihm nicht sehr geheuer. Der Käpt’n empfiehlt uns deswegen auch, doch bitte nur im vorderen Teil des Bootes zu rauchen.

So rauschen wir die durch die Schluchten, halb Transfer, halb Bootsausflug; versuchen, die an uns vorbeirauschende Landschaft zu genießen. Der schwere Benzingeruch lullt uns langsam ein und die holprige Fahrt hat auf unser aller Blasen eine etwas ungute Wirkung, massiert aber unser durch die letzten Radtage strapaziertes Sitzfleisch ordentlich durch, wie Diana bemerkt. Vom Boot quetschen wir uns ins Auto und landen endlich im Besucher-Center des Damms. Nach einem schnellen Imbiss besichtigen wir das imposante Bauwerk. Das langsame Schlendern in der prallen Sonne sind wir nicht mehr gewohnt. Froh kommen wir in unserem Hotel im Städtchen am Fluss an. Genießen unser unschmutziges Schmutzbier und blicken mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den letzten morgen vor uns liegenden Radtag.

Abwarten und Teetrinken

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Bootsfahrt auf dem Daning Fluß

Der herausfordernde Teil der Reise liegt nun hinter uns, Zeit ein bisschen auszuspannen. Und wo macht man das am besten? Am, im oder auf dem Wasser natürlich. Und so werden wir die kommenden zwei Tage ein bisschen auf dem (gestauten) Yangtse herumgondeln und Sightseeing betreiben, wie das richtige Touristen so tun.

Stilecht steigen wir auch im besten Hotel am Platze ab: Luxuriöse Zimmer, KTV, Spa, tolle Aussicht. Alles was das Herz begehrt. Das Frühstücksbuffet ist ausladend, es gibt sogar eine Kaffeemaschine mit der Option Espresso, was mich extrem erfreut. Allerdings nur solange bis die wohlmeinende Servicekraft das Ruder über- und mir die Entscheidung abnimmt. Mit den Worten „schmeckt nicht!“ drückt sie auf „Kaffee“ und vereitelt meine Wahl.

Pünktlich um zehn startet unser Ausflugsschiff vom Anleger. Sechs Langnasen unter einer Menge gutgelaunter Chinesen in Ausflugsstimmung. Wir genießen die Aussicht vom Aussichtsdeck auf die drei kleinen und die drei ganz kleinen Schluchten des Daning-Flusses, der hier in Wushan in den Yangtse mündet. Hier wird geknipst was das Zeug hält: Vor der Flagge, vor dem Felsen, mit den Freunden oder alleine, aber immer in kunstvoller Pose. Bald werden auch wir als beliebtes Bildbeiwerk entdeckt und gefordert. So ziehen die ersten zwei Stunden der Fahrt recht kurzweilig an uns vorüber. Die nächste Station sind die sogenannten drei ganz kleinen Schluchten des Daning, die wir von langschmalen Gondeln aus besichtigen, ein bisschen wie im Spreewald, nur mittlerweile ohne Staken, die sind seit der Flutung des langen Flusses unnötig geworden.

Von dem ganzen Müßiggang sind wir ziemlich geschafft und auch hungrig und wie es der Zufall so will, landen wir nach unserer Rückkehr in einem Restaurant mit angeschlossener Bierbrauerei. Es gibt Weizenbier, das sogar ganz passabel schmeckt. Wir lassen es uns munden und trennen uns dann um ein kleines Mittagsschläfchen zu halten, bevor wir zum letzten Programmpunkt des heutigen Tages schreiten: Wir lassen uns schröpfen.

Nach der Anwendung, die Rainer und Hans stoisch ertragen, gibt es noch die Information, dass wir die kommenden acht Stunden uns weder waschen noch Alkohol zu uns nehmen dürfen. Als Peter das vernimmt, scheint er ganz froh darüber, sich gegen das Schröpfen entschieden zu haben. Für uns heißt es dagegen: Abwarten und Tee trinken.

Hanghuhn ohne Kopf und Po

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

70 km von Fengjie nach Wushan

Ein strahlender Morgen ergießt sich über der ersten Schlucht des Yangtse, und damit wir auch alle etwas davon haben, machen unsere chinesischen Nachbarn ab 5:15 Uhr soviel Rabatz, dass wir auch wirklich alle pünktlich zum Sonnenaufgang wach sind, den wir dann von unseren Balkonen aus genießen können.

Nach dem Frühstück gilt unser erster besorgte Blick Hans‘ Hinterrad, aber das hält glücklicherweise dicht. Bei bestem Wetter radeln wir los. Unseren ersten Stopp legen wir schon wenige Kilometer weiter an der Stadt des Weißen Kaisers ein, einer alten Tempelanlage, die früher in luftigen Höhen, seit der Flutung des Yangtse aber mehr oder weniger am Ufer desselben liegt. Peter, Hans, Rainer und ich wagen den Aufstieg zum Haupttempel zwischen all den plaudernden, posierenden und fotografierenden chinesischen Touristen. Das mystische Ambiente einer nebelumwölkten, entrückten Stadt bleibt uns für heute verborgen. Aber nach den vielen Tagen auf dem Rad ohne touristische Hotspots genießt vor allem Rainer unseren kleinen Abstecher.

Nach dieser kleinen Entspannung geht es munter weiter. Schließlich steht heute noch ein 25 km langer Anstieg an. Diana und Thilo müssen wir auch noch einholen, denn die haben den Besuch des Tempels ausgelassen, um ein paar Kilometer gut zu machen. Da Thilo mittlerweile fährt wie der Teufel und auch Diana ganz gut zugelegt hat, sputen wir uns mächtig.

Dann geht es gemeinsam den Berg hoch. Im strahlenden Sonnenschein. Bedeutet: Peter wird auch langsam warm. Fast Peter-Wetter sozusagen. In großen Schleifen geht es den Berg hinauf. Die Bananen sind reif, die Ananas ist süß und die Snickers-Vorräte aufgefüllt. Oben angekommen erwartet uns die phantastische Aussicht auf einen zubetonierten Felsen und einer Baustelle und ein Restaurant, welches sich auf Grillhühnchen spezialisiert hat. Also lassen wir uns auch so ein Hang-Huhn zubereiten. Typisch chinesisch mit Haut und Knochen, Fuß und Kopf, zerhackt. Kopf und Po verweigern wir, die Füße teile ich mir mit Rainer. Gut ausgeruht und gut gestärkt lassen wir uns nach Wushan rollen. Und die Strecke bestätigt mal wieder das, was Hans schon seit Tagen postuliert: China ist einfach das Land der Abfahrten.


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Durch die Berge

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

87 km von Wuxi nach Fengjie

Heute geht es endlich zum Yangtse. Aber bevor wir einen Blick auf den langen Fluss erhaschen können müssen wir erst Berge erklimmen und Täler durchfahren. Zudem sind die Wettervorhersagen eher mittelprächtig: Starkregen ist angesagt. So oder so, der Beschluss ist gefasst: Das ist eine Radreise und wir fahren Rad, komme da was wolle.

So schlürfen wir bedächtig unsere Reissuppe, an der Rainer und ich großen Gefallen gefunden haben und harren der Dinge. Das erste, was uns heute in die Quere kommt, ist allerdings Hans‘ Hinterrad. Das ist nämlich mal wieder platt. Also gibt es noch ein schnelle Reparatureinlage kurz vor Abfahrt und dann kann es endlich losgehen. Wir kämpfen uns durch den morgendlichen Berufsverkehr aus Wuxi heraus und sind schon mittendrin im ersten und heftigsten Anstieg des heutigen Tages.

Mit jedem Meter, den wir uns hinauf kämpfen, wird die Aussicht schöner. Ein Belohnung für die Plackerei. Gut in der Mitte werden wir tatsächlich vom angekündigten Starkregen überrascht, der sich erfreulicherweise lediglich als fünfminütige (Stark)Dusche entpuppt. Wir schmeißen uns dennoch in all unsere Regenklamotten, die der Koffer so hergibt und schwitzen uns die restlichen Höhenmeter nach oben. Zur Belohnung gibt es Kekse, Bananen, Ananas und spektakuläre Abfahrten mit spektakulären Aussichten. Ab und an unterbrochen durch den ein oder anderen leicht zu bewältigenden Anstieg. Alles in Allem ein gelungener Radeltag.


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Ab durch die Mitte

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

98 km von Zhenping nach Wuxi

Wir sind im Süden angekommen und wir frieren. In den Bergen um Zhenping hängt dichter Nebel. Ich umklammert meinen heißen Kaffee und versuche wenigstens meine Hände ein bisschen zu wärmen. Sehnsüchtig erwarte ich den Anstieg, um mich ein wenig aufzuwärmen.

Gerade losgefahren hält Xiao Yang schon wieder an. Er hat am Wegesrand einen Wasserfall entdeckt. Über eine (ehemals) idyllische Hängebrücke (jetzt steht direkt davor die Autobahntrasse) und moosbewachsene Stufen erreichen wir eine klein Höhle aus der das Wasser schießt. Xiao Yang sprintet los, mit einer Geschwindigkeit, die zumindest ich ihm nicht zugetraut hätte. Nach der ersten Hälfte gibt er allerdings keuchend auf. Seine „Multifunktions-Uhr“ hat einen Puls von 128 gemessen, da ist dann Schluss! Und er wartet auf halbem Wege auf uns. Wir schießen Fotos, versuchen nicht auszurutschen und nach einem kleinen Snack geht es ach schon weiter.

Nach und nach beginnt der Anstieg. Wir schieben uns den Berg hoch. Die Landschaft ist, wie seit Tagen schon, einfach spektakulär. Wir passieren den geographischen Mittelpunkt Chinas, verlassen die Provinz Shaanxi und erreichen schließlich den Gipfel. Wir liegen gut in der Zeit, also posieren wir ausgiebig vor dem großen Tor, das den Pass markiert. Bald werden wir von einer Motorrad-Gang aufgescheucht. Ein hochmotiviertes gegenseitiges fotografieren beginnt.

Irgendwann eisen wir uns los und dann geht es in freier Fahrt hinab ins tiefe Tal. Kilometerlang. Malerische Landschaften breiten sich vor unseren Augen aus. Fotografieren oder einfach nur die Abfahrt genießen? Unten angekommen sind wir ganz schön geschafft und gebeutelt von dem Wind. Und Xiao Yang hat noch einen Spezialität ausgemacht. Eine unterirdische Quelle mit Süßwasserfischen. Die Geschichte dazu ist folgende: Eines Nachts hatte ein Mann einen Traum. Nämlich, dass sich unter seinem Haus tief unten im Boden etwas versteckt. Also, was tut er? Er beginnt natürlich zu graben. Er gräbt und gräbt, stößt irgendwann auf eine Quelle voller Fische. Dann kommen starke Regenfälle. Das Wasser steigt und steigt und treibt unzählige Fische nach oben. Die Höhle wurde berühmt, das Haus wurde berühmt und der träumende Mann natürlich auch. Jetzt sitzt ebendieser Mann, alt und klein, mit dem Pfeifchen im Mundwinkel an dem kleinen Ticketschalter und verkauft Eintrittskarten zu „seinem Keller“. Das Haus ist sicher nicht mehr das alte. Alles ist groß, leicht überdimensioniert, auf die Besucherströme eingestellt, von denen zumindest auf den Wandbildern berichtet wird.

Im Hotel angekommen begrüßt uns die Rezeptionistin nonchalant mit Füßen auf dem Tresen. Da haben wir gar keine Probleme uns in die Ledersofas zu lümmeln. Leider gibt es ein kleines Problem. Ausländer sind hier so selten, dass die Chefin uns am liebsten gleich direkt zur Polizei schicken möchte. Das kommt gar nicht gut, wir sind verschwitzt, dreckig und müde. Wir wollen duschen und nicht bei der Polizei vorstellig werden. Schlussendlich kommt dann doch die Polizei direkt ins Hotel um unserer Pässe zu kontrollieren und wir können den Abend entspannt ausklingen lassen.


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Drink-Fest

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

104 km von Pingli nach Zhenping

Es ist Freitag, 7 Uhr morgens. Gut zwei Wochen unserer Reise liegen nun schon hinter uns. Wir sitzen im angenehmen Luftzug und blicken auf den Vorplatz unseres verwaisten Hotels. Die Feiertagswoche ist noch nicht angebrochen, noch ist alles ruhig hier, scheint im Dornröschen-Schlaf gefangen. Nur abends geht es etwas lauter zu, wenn der Platz ab sechs per Lautsprecher von irgendwelchen Parolen und patriotischer Musik beschallt wird. Nach und nach trudeln dann auch Kinder, Paare, ältere Frauen ein, treffen sich zu einem Schwätzchen und führen sich gegenseitig ihre Enkel vor. Junge Männer treiben Peitsche schwingen überdimensionierte Kreisel an.

Wir sitzen also im angenehmen Luftzug und schauen auf den Vorplatz. Gerade habe ich den halbverschlafenen Hotelangestellten aufgescheucht, jetzt klaubt er seine Socken aus der Blumenrabatte und schlurft in die Küche. Eine Frau bewegt sich schlafwandlerisch mit Kehrschaufel und Besen über den Hof. Hier ein Staubkörnchen, da eins. Rainer sinniert über das verzögerte Lebenstempo hier. Ein gewisses, paradoxerweise betriebsames Phlegma ist unverkennbar.

Peter stößt zu uns, beschwert sich über das Wetter. Mittlerweile dampfen Kartoffeln, gebratenes Gemüse, Mantou und unsere geliebte Reissuppe auf dem Tisch. Gänzlich unbemerkt, zumindest von mir, hat das lethargische Personal den Tisch gedeckt. Hans baut sich seine Reissuppe aus den einzelnen Komponenten zusammen, sprich irgendwann landet alles, was auf dem Tisch steht in seiner Schüssel.
Ich bin sehr gespannt auf die Strecke, denn vor vier Jahren, als ich das letzte Mal hier war, war der größte Teil der Strecke Baustelle und für jegliches Fahrzeug gesperrt. Außerdem regnete es damals Bindfäden. Es blieb uns nichts anderes übrig, als diese Etappe nass und frierend im Dämmerzustand per Auto zurückzulegen. Dafür werden wir heute mit einer wunderbar zu fahrenden Straße in wunderschöner Landschaft belohnt. Noch fließt hier ein unbegradigter Fluss flankiert von grünen Höhen und schroffen Felsen, Doch überall wird gebaut und stellenweise passieren wir das ein oder andere Stauwerk. Die Vegetation hat sich geändert. Palmen sind immer häufiger am Straßenrand zu finden und zeigen uns, dass wir nun wirklich im Süden angekommen sind.

Auf der Passspitze reist dann auch noch der Himmel auf und belohnt uns mit Sonnenschein. Dann geht es rasant bergab. Unten angekommen, zwei Drittel der Strecke liegen hinter uns, stärken wir uns mit einer reichhaltigen Mahlzeit. Ich bekomme ungefragt ein Bier hingestellt und zum Nachtisch kippen wir noch alle einen Schnaps hinterher.

Tralala geht´s lustig weiter. Immer gerade aus. Plötzlich eine Verzögerung. Unfall wegen Steinschlag. Xiao Yang muss mit den anderen Autos warten, wir kommen durch und genießen eine halbe Stunde autofreie Strecke.

In Zhenping, wo wir heute Station machen, hat es sich bald herumgesprochen, dass Ausländer mit dem Fahrrad da sind. Und die Polizei war auch schon da um unsere Pässe zu kontrollieren. Große Unsicherheit wegen der verschiedenen Nationalitäten, der langen Namen und der Tatsache, dass unsere Pässe mal wieder nicht auf Chinesisch sind. Im Restaurant werden wir gefragt ob wir die seien, die mit dem Fahrrad angereist sind. Alle Kinder der Nachbarschaft haben sich auch schon versammelt und werden von den Erwachsenen gedrängelt Englisch mit uns zu sprechen. Man rätselt, ob wir Russen, Franzosen oder doch Amerikaner seien. Wir halten uns bedeckt. Und stiefeln nach dem Abendessen, müde von dem langen Tag, ins Hotel zurück.


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Der Petertag

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

70 km von Ankang nach Pingli

Wir haben Redebedarf. Das heißt zum einen, Peter will sich irgendwohin setzen am besten mit einem Kaltgetränk, am besten in der Sonne, eine Kleinigkeit zu essen darf auch dabei sein, und Blech reden.

Redebedarf gibt es auch bei Diana, die sich schon seit mehreren Tagen mit ihrem Rad durch China klappert und meint, man könne sie (vielleicht nicht) ganz bis nach Paris hören, aber zumindest in halb China und wenn schon nicht da, dann doch in den Ortschaften, die wir durchqueren, wo sich jeder nach der „Tante“ auf dem klappernden Rad umdreht.

Redebedarf gäbe es auch mit Thilo, wenn er denn da wäre, denn der entwickelt sich gerade zur „Rennsau“, radelt täglich gefühlt 20 km vorm „Hauptfeld“ rum und ist selbst von Xiao Yang kaum zu erreichen.

Hans ist irgendwie im Schwarzwald gelandet: der „abgehangene – Bauchspeck – Fisch“, eine Pinglier Spezialität, schmeckt nach Schwarzwälder Schinken, der Whisky sowieso. Aber Redebedarf besteht darüber hinaus auch hier, nämlich über chinesische Bierbraumethoden, wie „horizontal brewing“ zum Beispiel.

Und ich? Naja, ich verwirre die Gruppe nach wie vor mit meinem Links–Rechts–Problem. Was Hans im übrigen zu folgender extrem hilfreichen Aussage verleitete: „Rechts ist da wo rechts ist“. Danke, Hans.

Zu guter Letzt wäre noch die Frage zu klären, warum dieser Tag ein Peter–Tag war. Ganz einfach: strahlender Sonnenschein mit Temperaturen zwischen 30 und 35°C. Da taut Peter auf! Leider sind diese klimatischen Verhältnisse nur von kurzer Dauer: Morgen bedeckt bei nur 28°C. „Scheißwetter“ verurteilt Peter die drüben Aussichten.


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