Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019
104 km von Pingli nach Zhenping
Es ist Freitag, 7 Uhr morgens. Gut zwei Wochen unserer Reise liegen nun schon hinter uns. Wir sitzen im angenehmen Luftzug und blicken auf den Vorplatz unseres verwaisten Hotels. Die Feiertagswoche ist noch nicht angebrochen, noch ist alles ruhig hier, scheint im Dornröschen-Schlaf gefangen. Nur abends geht es etwas lauter zu, wenn der Platz ab sechs per Lautsprecher von irgendwelchen Parolen und patriotischer Musik beschallt wird. Nach und nach trudeln dann auch Kinder, Paare, ältere Frauen ein, treffen sich zu einem Schwätzchen und führen sich gegenseitig ihre Enkel vor. Junge Männer treiben Peitsche schwingen überdimensionierte Kreisel an.
Wir sitzen also im angenehmen Luftzug und schauen auf den Vorplatz. Gerade habe ich den halbverschlafenen Hotelangestellten aufgescheucht, jetzt klaubt er seine Socken aus der Blumenrabatte und schlurft in die Küche. Eine Frau bewegt sich schlafwandlerisch mit Kehrschaufel und Besen über den Hof. Hier ein Staubkörnchen, da eins. Rainer sinniert über das verzögerte Lebenstempo hier. Ein gewisses, paradoxerweise betriebsames Phlegma ist unverkennbar.
Peter stößt zu uns, beschwert sich über das Wetter. Mittlerweile dampfen Kartoffeln, gebratenes Gemüse, Mantou und unsere geliebte Reissuppe auf dem Tisch. Gänzlich unbemerkt, zumindest von mir, hat das lethargische Personal den Tisch gedeckt. Hans baut sich seine Reissuppe aus den einzelnen Komponenten zusammen, sprich irgendwann landet alles, was auf dem Tisch steht in seiner Schüssel.
Ich bin sehr gespannt auf die Strecke, denn vor vier Jahren, als ich das letzte Mal hier war, war der größte Teil der Strecke Baustelle und für jegliches Fahrzeug gesperrt. Außerdem regnete es damals Bindfäden. Es blieb uns nichts anderes übrig, als diese Etappe nass und frierend im Dämmerzustand per Auto zurückzulegen. Dafür werden wir heute mit einer wunderbar zu fahrenden Straße in wunderschöner Landschaft belohnt. Noch fließt hier ein unbegradigter Fluss flankiert von grünen Höhen und schroffen Felsen, Doch überall wird gebaut und stellenweise passieren wir das ein oder andere Stauwerk. Die Vegetation hat sich geändert. Palmen sind immer häufiger am Straßenrand zu finden und zeigen uns, dass wir nun wirklich im Süden angekommen sind.
Auf der Passspitze reist dann auch noch der Himmel auf und belohnt uns mit Sonnenschein. Dann geht es rasant bergab. Unten angekommen, zwei Drittel der Strecke liegen hinter uns, stärken wir uns mit einer reichhaltigen Mahlzeit. Ich bekomme ungefragt ein Bier hingestellt und zum Nachtisch kippen wir noch alle einen Schnaps hinterher.
Tralala geht´s lustig weiter. Immer gerade aus. Plötzlich eine Verzögerung. Unfall wegen Steinschlag. Xiao Yang muss mit den anderen Autos warten, wir kommen durch und genießen eine halbe Stunde autofreie Strecke.
In Zhenping, wo wir heute Station machen, hat es sich bald herumgesprochen, dass Ausländer mit dem Fahrrad da sind. Und die Polizei war auch schon da um unsere Pässe zu kontrollieren. Große Unsicherheit wegen der verschiedenen Nationalitäten, der langen Namen und der Tatsache, dass unsere Pässe mal wieder nicht auf Chinesisch sind. Im Restaurant werden wir gefragt ob wir die seien, die mit dem Fahrrad angereist sind. Alle Kinder der Nachbarschaft haben sich auch schon versammelt und werden von den Erwachsenen gedrängelt Englisch mit uns zu sprechen. Man rätselt, ob wir Russen, Franzosen oder doch Amerikaner seien. Wir halten uns bedeckt. Und stiefeln nach dem Abendessen, müde von dem langen Tag, ins Hotel zurück.
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