Der deutsche Patient

Südlich der Wolken, 16.07. bis 07.08.2011

Die heutige Besichtigung des Volkskrankenhauses von Lijiang stand nicht auf dem Programm, war also ein Zusatzangebot von China By Bike. Zugegeben, wir hätten auf den Besuch lieber verzichtet.

Es passierte nur wenige Kilometer hinter Shigu: Bei der Durchfahrt einer Mautstation touchiert Jürgen mit dem Pedal eine Bordsteinkante und macht einen schmerzhaften Kontakt mit dem Betonboden. Bei ca. 25 km/h. Äußerlich ist er mit einer Schürfwunde am Rücken davon gekommen, aber die linke Schulter ist geprellt. Es stand außer Frage, dass Jürgen heute nicht mehr weiter radeln konnte. Auch Vera und ich beschließen in das Begleitfahrzeug umzusteigen, um Jürgen eine qualvoll lange Fahrt auf dem Beifahrersitz zu ersparen. Statt Königsetappe also Krankenhaus.

Chinesische Krankenhäuser sind immer ein ganz besonderes Erlebnis. Bei einem einzigen Besuch lernt man fast den ganzen Komplex kennen. Das läuft dann etwa so ab: Zuerst in Gebäude 1, dort in der Schlange anstehen und für 4,5 RMB (etwa 45 Cent) ein Krankenbuch erstehen. Damit nach Gebäude 2, in der Schlange anstehen bis man vom Notarzt besichtigt und befragt wird. Keineswegs in geschlossener Abgeschiedenheit, die Schlange reicht bis in das Behandlungszimmer hinein und jeder bekommt das Wehwehchen von jedem mit. Ist ja auch interessant an was die Leidensgenossen so leiden.

Der Arzt ordnet eine Röntgenuntersuchung an. Also wieder zu Gebäude 1, an einer weiteren Schlange anstehen und die bevorstehende Röntgenbestrahlung bezahlen. Weiter zu Gebäude 3. Das Krankenhaus inklusive Möblierung strahlt den Charme der vierziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts aus, aber das Röntgengerät ist ultramodern und Swiss made. Hier Ausnahmsweise keine Schlange, wir kommen gleich dran. Von Jürgens Schulter werden drei Aufnahmen geschossen, die innerhalb weniger Minuten entwickelt sind.

Zurück zum Notarzt in Gebäude 2. Die Schlange ist zum Glück etwas kürzer geworden. Der Notarzt schaut sich die Röntgenbilder an, stellt zu unserer Erleichterung fest, dass nichts gebrochen ist, verordnet aber eine vierwöchige Ruhe für den linken Arm und eine Tetanusspritze. Und schickt uns zurück zu Gebäude 1. Der Weg und das Procedere sind uns inzwischen vertraut, Schlange stehen und zahlen. Weiter zu einem neuen Schalter, zum Glück nicht in Gebäude 4, sondern ebenfalls in Gebäude 1. Wir stehen, diesmal ohne Schlange, quasi an der Materialausgabe des Krankenhauses. Dort erhalten wir Ampullen für die Tetanusspritze. Schnell zurück damit zu Gebäude 2. Neben dem Behandlungszimmer von Notarzt Dr. He (inzwischen kenne ich seinen Namen und bin mir sicher im Verlauf der Behandlung auch den Rest seiner Familie kennen zu lernen) bekommt Jürgen von einer Krankenschwester zwei Spritzen verpasst. Die Schürfwunde wird zwischendrin auch noch desinfiziert, in einem anderen Zimmer und von einer anderen Krankenschwester. Dann dürfen wir gehen.

Was vom Tag noch übrig blieb haben wir mit Ausruhen und Abendessen verbracht. Und dem Kauf einer schicken Armschlinge in der Altstadt von Lijiang. Die ist bestimmt handgewebt, hergestellt im Gebäude 4 vom Volkskrankenhaus.

Die ersten drei Fotos habe ich übrigens noch in Shigu geschossen. Vor unserer Abfahrt und dem fatalen Sturz sind wir nämlich mit Fahrer Wang über den Wochenmarkt von Shigu geschlendert. Hoffentlich war das nicht ein böses Ohmen, denn mit anderen Schriftzeichen kann Shigu auch „Unfall“ bedeuten.


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