Männer, die auf Berge starren

Die Oberen Schluchten des Mekongs, 15.09. bis 07.10.2015

Tagesausflug zum Feilai Si

Der Kawa Karpo. 6.740 Meter hoch. Ein Turm über dem Mekong-Tal, das er fast 5.000 Meter überragt. Ein scheuer Geselle, der heilige Berg. Eine Gruppe tibetischer Pilger verbeugen sich gen Nebelwand. Da muss er sein, der Berg, der heilige, den die Pilger so verehren und selbst hinter einer Wolkenwand sicher verorten.

Ich habe ein Deja-Vu! Vor zehn Jahren, zusammen mit Andreas, warteten wir schon einmal auf die Berggottheit, auf das sie sich entkleidet:

Über dem Tal thront das Kawa-Karpo-Massiv, dessen höchster Gipfel, der Kagebo, 6.740 Meter hoch ist. Direkt gegenüber, auf der diesseitigen Seite des Mekong markieren eine Gruppe von acht Stupas und eine Ansammlung von Teehäusern einen luftigen Aussichtspunkt, der einen unverstellten Blick auf den Kawa Karpo verspricht. (…) Eine dichte Wolkendecke verhüllt das Kawa-Karpo-Massiv, auch der Mekong ist zwar als entferntes Rauschen zu hören, aber leider nicht zu sehen.

Das scheint wohl öfter der Fall zu sein, da entlang der Straße ein gutes Dutzend hölzerner Teestuben mit Aussichtsterrasse für auf klares Wetter wartende Reisende einfache Speisen und heißen Tee anbieten. Wir machen es uns am Fenster einer der Teestuben gemütlich und bestellen eine Kanne halbfermentierten Oulong-Tee und ein paar Snacks. Alle paar Minuten beugt sich einer von uns aus dem Fenster und spät nach einem Wolkenloch. In der Zwischenzeit füllt die Bedienung immer wieder unsere Teekanne. Der zweite Aufguss – dichte Wolkendecke. Der dritte – aus einer Wolkenlücke lugt eine Bergspitze hervor. Der vierte – die Sonne bricht durch die Wolkenwand und der Mingyong-Gletscher ist in gleißendes Licht getaucht. Das schneebedeckte Kawa-Karpo-Massiv ist nun gut sichtbar. Nur vor dem Kagebo hängt noch eine Wolkenwand. Der fünfte Aufguss. Ein kleines Wölkchen noch! Zieht das nicht gerade nach oben? Wir starren gebannt aus dem Fenster. Der Tee drückt auf die Blase. Nicht jetzt! Ein kleiner Windstoß noch! Nach weiteren fünf Minuten Warten entspannen wir uns wieder, bestellen nun jeder ein Bier, eine Portion frittierten Yakschinken und ein paar Erdnüsse und geben auf. Tatsächlich ziehen weitere Wolken vor den Kagebo, und dann kündigt sich die einbrechende Dämmerung an. Wir zahlen, wuchten unsere Knoblauch-Teewasser-Yakschinken-Bierbäuche auf die Fahrräder und werfen auf der Rückfahrt noch einmal einen Blick ins Mekong-Tal. Nebel! Oder Wolken? Der Fluss muss jedenfalls noch bis morgen warten!

Nun, so ähnlich war es auch heute!

Gebannt starrten wir auf das Bergmassiv, riefen uns zu, wenn wieder ein Stück blauer Himmel zu sehen war.

Aber der Berg blieb schüchtern.

Man kann nicht alles haben!

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