Nach Tjumen!

Tag 68, 155 km von Pyschma nach Tjumen, Rückenwind, Platzregen, viel Verkehr aber trotzdem schön.. Text: Karin Becker, Photos: Oliver Schmidt

Bei Oliver liegen die beiden verspielten Hofhunde vor der Tür. Kein Wunder, sie wollen wieder gestreichelt werden, so wie gestern Abend.
Frühstück gibt’s vorne an der Kaffeebude, und es ist ausgesprochen lecker. Überall sind Pfützen auf dem Hof, nachts hat es geregnet. Doch bei unserer Abfahrt scheint die Sonne und die Temperaturen steigen.

Wie gestern folgen wir auch heute wieder der E22. Die Gegend ist flach, die Felder bestellt, Kreuze gibt’s reichlich, keine Dörfer, keine Bushaltestellen, nichts als Gegend. Was denken? Warum ist eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen, mit einem Magneten die Standstreifen nach Altmetall abzusammeln. Man könnte bestimmt ein nettes Taschengeld damit zusammen kriegen.

Bei der heutigen langen Strecke wartet Viktor alle 30 Kilometer auf uns.

Der freundlich winkende Polizist meint dieses Mal tatsächlich mich! Als ich seine Frage auf deutsch beantworte, amüsieren sich alle umstehenden Kollegen. Er beäugt mein Rad, mich und ist zufrieden als ich „Tjumen“ sage, wo wir heute übernachten. Ein freundliches Doswidanja, also auf Wiedersehen, und winkt mich weiter.

Rechterhand liegt ein toter Wolf am Standstreifen, den die anderen aber nicht mitkriegen. Kein Wunder, bei dem Höllentempo, das sie fahren. Dabei hätten sie ihn wenigstens riechen müssen.

Picknick auf einer mückenverseuchten Wiese. Der Himmel ist rabenschwarz. Kurz darauf bricht ein Gewitter über uns herein. Ratzfatz ist alles im Auto. Als es heller wird bleibe ich bei Viktor, denn 155 Kilometer wollte ich mir nicht antun, zumal der Verkehr immer mehr wird.

Wir verabreden noch einen Boxenstopp vor Tjumen. Als die drei Radler ankommen schnarchen Viktor und ich lautstark im Auto.

Es ist unbefriedigend im Auto eine Radreise zu machen, aber als ich die anderen von ausgefräster Straße und kilometerlangen Baustellen reden höre, war’s o.k.

Unser Hotel ist chic und modern. Wir finden ein nettes Lokal gleich um die Ecke.


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Westsibirien

Tag 67, 90 km von Bogdanowitsch nach Pyschma , strammer Rückenwind und brennende Sonne. Von Oliver Schmidt.

Tamara, unsere Gastgeberin in Bogdanowitsch, zum Abschied: „Früher reisten die Menschen in die Nachbarorte und auch weiter um sich kennenzulernen und um miteinander zu kommunizieren. Das ist selten geworden und das bedaure ich sehr … Ich bewundere Euch, das ihr genau dies tut. Ihr zieht durch Russland und die Welt um andere Menschen und Nationen und ihre regionalen Besonderheiten kennenzulernen. Das ist der beste Weg um Vorurteile abzubauen. Bitte erzählt den Menschen in den nächsten Ländern und zu Hause in Deutschland was ihr hier erlebt habt … Wir wünschen uns nichts sehnlicher als zusammen in Frieden zu leben … bitte erzählt das Zuhause! Ihr seid Prachtkerle…“

Knapp einhundert Tageskilometer erschrecken niemand der Mitradler mehr, wenn strammer Rückenwind uns schon morgens vom Hof bläst, er anhält und uns durch weite Landschaften, ausgedehnte Mischwälder und entlang einer abermals dichtbefahrenen Magistrale schiebt.

Schon am frühen Nachmittag sind wir in Pyschma, einem beschaulichen großen Dorf an der Transsibirischen Eisenbahn, und unseren heutigen Tagesziel. Alsbald sitzen wir in der brennenden Sonne vor dem lokalen Getränkefachgeschäft. Das lokale schmackhafte Bier wird hier in anderthalb Literflaschen abgefüllt und ist zum sofortigen Verzehr bestimmt, behauptet die resolute Verkäuferin mit Nachdruck. Wir beugen uns den russischen Gepflogenheiten … Reisen ist schön.


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Sibirski Trakt

Tag 66, 90 km von Ekaterinburg nach Bogdanowitsch, mit Sonne und Rückenwind nach Sibirien. Von Oliver Schmidt.

Der erste Radeltag im Westsibirischen Tiefland. Mit dem Uralgebirge haben wir nicht nur die hügeligen Landschaften hinter uns gelassen, sondern scheinbar auch eine Wetterscheide überwunden. Endlich wieder annehmbare Temperaturen und weite, unendlich wirkende Ebenen, durchzogen von lockeren Mischwäldern. Alternativlos bewegen wir uns wieder auf einer großen, viel befahrenen Magistrale, der E 22 – dem sogenannten Sibirski Trakt.

Die Reparaturstatistik musste heute mehrfach aktualisiert werden. Drei neue Platten (einer für Gerhard, zwei für Oliver) lassen das Reiseleitergefährt unangefochten in Führung gehen … doch strammer Rückenwind entschädigte für alles … mit über dreißig Stundenkilometer flogen wir unseren heutigen Tagesziel Bogdanowitsch entgegen.


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Von der Eisenhütte zur prosperierenden Metropole mit Zarenschicksal

Bilderbuch vom Ruhetag am 65. Reisetag in Ekaterinburg. Von Peter Frenzel.

Jekaterinburg oder auch Ekaterinburg, früher auch Katharinenburg (Екатеринбу́рг, 1924–1991 Swerdlowsk / Свердло́вск) ist die erste große Stadt Russlands, die wir erreicht haben, die in Asien liegt.
Gerhard hatte gestern vom „Grenzübertritt“ Europa – Asien berichtet.

Ekaterinburg hat fast 1.4 Mio. Einwohner. Nur Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk sind noch größer.
Der Name der Stadt geht auf Kaiserin Katharina I. (1684–1727, die Ehefrau Peter I.) sowie auf die Heilige Katharina, die Schutzpatronin der Bergarbeiter, zurück. Durch die Stadt fließt die Isset (Исеть). Sie hat uns schon beim Reinradeln sehr beeindruckt. Hier könnte man(n) garantiert auch mehrere interessante Tage verbringen.
Wir haben leider nur einen, unseren heutigen Ruhetag, den unsere Radelbeine nach den 525 km in den 4 Tagen mit bis zu 1500 Höhenmetern pro Tag seit Tschaikowsky redlich verdient haben.
Ganz ohne Bewegung können wir aber auch nicht sein und wir machen 4 Stunden einen Stadtrundgang in Begleitung von Aljona.

Ekaterinburg wurde 1723 gegründet. Den Siedlungskern bildeten eine Eisenhütte und im Quadrat darum angeordnete Wohngebäude.
Die reichen Bodenschätze des Ural waren und sind ideal für den Standort.
Zar Peter I. lud damals u.a. Bergbaufachleute aus Sachsen ein und noch heute besteht enger Kontakt zur Stadt Freiberg.

Eine von zwei gesprengten orthodoxen Kirchen wurde nach 1991 wieder aufgebaut. Am Ort der anderen steht heute eine kleine Kapelle.
Wir besuchen die neu renovierte Kirche des Nonnenklosters gleich hinter dem Hotel. Ihr Glockenspiel hatte uns morgens schon geweckt.
Eine Besonderheit: Die Nonnen malen meisterhaft Ikonen, die man(n) sogar kaufen kann.

Aljona erzählt von der Sportbegeisterung der Einwohner, für die ca. 2000 Einrichtungen zur Verfügung stehen.
Alles fiebert natürlich dem Beginn der FIFA-Fußball-WM hier im „östlichsten“ Austragungsort entgegen.
Ekaterinburg ist eine sehr wichtige Universitätsstadt für Russland mit über 80 Bildungseinrichtungen.
Kultur und Kunst haben einen hohen Stellenwert. Es gibt mehrere Theater (Oper, Ballett, Komödien), sogar eine Philharmonie für Kinder und eine für die Erwachsenen, einen ständigen Zirkus, in dem u.a. jährlich internationale Wettbewerbe für Clowns organisiert werden, einen Zoo, eine Kunstgalerie und eine Vielzahl von Museen.

Interessant: Es gibt einige Häuser im Bauhaus-Stil! Nachdem die Nazis in Deutschland das verboten hatten, siedelten viele Künstler der Szene nach dem damaligen Swerdlowsk um und arbeiteten hier weiter. Der Stil wurde später hier als Konstruktivismus bezeichnet.

In den letzten Jahren wurde viel restauriert und neu gebaut, u.a. das neue Boris-Jelzin-Center mit Archiv u.v.a.m., denn er wurde in einem nahegelegenen Dorf geboren und arbeitete einige Jahre in der Stadt, bevor er mit der Familie nach Moskau zog. Wichtiger „Unterstützer“ vieler Bauvorhaben ist auch hier „Gazprom“, sogar bei neuen Null-Energie-Häusern!

Aljona zeigt uns das erste (11-geschossige) Wohnhaus mit einem eingebauten Fahrstuhl. Davor hatten Wohnungsbauprogramme mit „Chruschtschowkas“ (5 Stockwerke) und „Breshnewkas“ (9 Stockwerke) mit kostenlosen Wohnungen für Unterkünfte gesorgt.
Einige der traditionellen alten Holzhäuser gibt es auch noch und sie sollen nach und nach saniert werden.

Im Luxushotel Hyatt (dem teuersten außerhalb Moskaus) wurde 2009 die Vereinigung der BRICS-Staaten geründet.

Bei unserem Rundgang bummeln wir auch am Ufer der Isset entlang und sehen viel Grün in den Parks und Anlagen.
Der Flieder müht sich hier immer noch mit den ersten Knospen ab. So einen kalten Junianfang mit 2-5°C tagsüber wie dieses Jahr gibt es hier auch nicht oft.

1991 wurde hier die kürzeste Metro Russlands mit einer Linie von 12,7 km Länge und mit (seit 2012) neun Stationen in Betrieb genommen.

Zum Abschluß zeigt uns Aljona die Blutskirche, eine neu gebaute orthodoxe Kathedrale. Sie wurde 2002/2003 am Platz der Ermordung der Zarenfamilie errichtet. Hier wurde 1918 von den damaligen Bolschewiki im Umkreis von Jakow Michailowitsch Swerdlow (Яков Михайлович Свердлов, 1885-1919, damals ein führender Politiker der Partei der Bolschewiki sowie etwas mehr als ein Jahr lang Staatsoberhaupt Sowjetrusslands) im Verlauf des Russischen Bürgerkrieges die Zarenfamilie ermordet und in einem alten Bergwerksschacht verscharrt.
Insgesamt wurden 18 Angehörige der Dynastie und viele weitere Personen aus ihrem Umfeld von den Bolschewiki umgebracht.
1998 wurden die sterblichen Überreste der Zarenfamilie in St. Petersburg in der Peter-und-Paul-Kathedrale beigesetzt. Die Familie wurde von der orthodoxen Kirche in Russland 2000 als Märtyrer heiliggesprochen. Im Waldgebiet beim Bergwerksschacht ist ein Kloster in Holzblockbauweise errichtet worden.

Karin und Gerhard „besteigen“ noch den höchsten Büroturm der Stadt, so daß wir auch den Blick von hoch Oben auf die Stadt im Foto zeigen können.

Zurück im Hotel waren wir dann immerhin auch 8 km unterwegs.

Bilderbuch auf:

Von Kontinenten und Bloglesern

Sonntag, 03.06.2018, von Nischni Sergi nach Jekaterinburg – 102 km. Von Gerhard Leiser.

Der Sonntag begann im postsozialistischen Sanatorium – es gab ein üppiges Frühstücksbuffet – überraschend. Weniger überraschend war das Wetter. Die Temperaturen hatten sich zwar verdreifacht, von 2° auf 6°, aber es nieselte bei der Abfahrt doch ordentlich vor sich hin. Also wieder mal Regenkleidung, auch als Wärmeschutz, der bereits am Ortsende nicht mehr ganz so dringend erforderlich war: wir starteten dort gleich mit einem ordentlichen Anstieg. Effektiv waren es 1,5 km bergauf gleich nach dem Frühstück, unbestätigte Gerüchte sprechen von 5 km, die eine Rampe (norddeutsch) hochzutreten waren. Wir Bayern reden da eher von einem ordentlichen Hügel.

Bis Mittag wurde das Wetter besser, es kam auch die Sonne heraus und wir freuten uns auf den Wechsel in einen anderen Kontinent, von Europa nach Asien. Nur kam dieser neue Kontinent einfach nicht. Wir spulten Kilometer um Kilometer ab, erst 17 km vor unserem Ziel Jekaterinburg sahen wir die Stele, die den 60. Längengrad und somit die Grenze zwischen den beiden Kontinenten anzeigt. Auf der anderen Straßenseite stand sie, getrennt von insgesamt 4 Fahrspuren einer autobahnähnlichen Straße und 2 hohen Leitplanken im Mittelstreifen.

2 Radler trauten sich die erste Straßenseite zu überqueren, wuchteten die Räder und sich selbst über die Leitplanken, querten die zweite Straßenseite und standen vor der Stele, die enttäuschend klein und zudem wegen Bauarbeiten nicht zugänglich war und scheinbar nur für die Reisenden von Asien nach Europa gilt – die haben einen kleinen Parkplatz mit Kaffeeausschank bekommen. Die 2 anderen Radler befanden, dass sich der Wechsel auf die andere Seite nicht lohnt und knipsten aus der Ferne ihre Fotos. Karin wartete mit Viktor auf dem Parkplatz auf uns.

Auf den Kontinent Asien stießen wir dann beim Abendessen in einem russischen Restaurant an. Traditionell nach Landessitte mit Wodka. Hier probierten wir verschiedene Sorten: Wodka mit Birkensaft, oder einen Wodka, den man 2 x schmeckt: Wodka mit Honig und Meerrettich. Erst kommt der Meerrettich im Kopf an, dann der Alkohol in der Kehle.

Die Leser der Blogs bitten wir um Verständnis, dass es zwar für jeden Tag einen Blog geben wird, aber nicht tagesgenau. Manchmal steht uns kein Internet zur Verfügung, bisher eher selten, an anderen – vor allem langen Radtagen – sind wir einfach zu geschafft oder anderweitig zu beschäftigt (Abendessen = Energiezufuhr), um uns noch am selben Abend hinzusetzen und einen Blog zu schreiben und mit den Bildern und dem Track hochzuladen. Es ist immerhin ein Zeitaufwand von 1 – 2 h pro Blog.


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Nudelsuppe und Teekultur

Durch das wilde Osttibet, 12.05. bis 03.06.2018

Letzter Tag in Lanzhou mit Nudelsuppe, Teeprobe und einem Besuch im Provinzmuseum

Heute ist also Abreisetag. Bevor wir uns aber zur letzten Nudelsuppe treffen, gönnen wir uns etwas Kultur. Zuerst ist eine Teeverkostung im Geschäft von Frau Wang angesagt. Wir probieren einen Grüntee aus Gansu, einen Longjing Tee vom Westsee bei Hangzhou und einen Weißen Tee, der aus den Höhenlagen bei Anji ebenfalls an der Ostküstenprovinz Zhejiang stammt.

„Der Tee aus Gansu ist etwas bitterer, man kann ihn aber häufiger aufgießen,“ erklärt uns Frau Wang, „beim Longjing aus Hangzhou werden alle Aufgüsse nach dem vierten etwas fade im Geschmack“. Der allererste Aufguss dient nur zum Waschen der Teeblätter und zum Anwärmen der Tassen und zählt nicht mit. So trinken wir ein Tässchen nach dem anderen, der Zimmerbrunnen plätschert und ein Zierfisch dreht im Aquarium seine Runden. Zu guter Letzt lässt uns Frau Wang noch einen Jasmintee probieren. „Die meisten Leute hier trinken eigentlich am liebsten Blumentees, deswegen wollte ich Euch den nicht vorenthalten. Für die Grüntees nimmt man am besten Glastässchen, darin kommt die Farbe besser zur Geltung, bei Blumentees kann man eher welche aus Porzellan nehmen“. Es geht langsam und entspannt zu, man kann hier drinnen die Großstadt ganz gut vergessen und wir erfahren noch viel über den Tee, seine Lagerung und wie man die kleinen Tässchen richtig hält.

Zuviel Tee macht duselig, und wir wollen ja noch weiter. Also begeben wir uns wieder in die Stadt und in die Obhut der Taxifahrer, die es irgendwie schaffen, sich ohne Schrammen doch noch durch den dichten und chaotischen Lanzhouer Straßenverkehr zu schlängeln. Im Provinzmuseum von Gansu verbringen wir gute zwei Stunden, es gibt einiges zu sehen über die Seidenstraße, Keramikherstellung und buddhistische Kunst. Es ist Samstag Nachmittag, das Museum kostet keinen Eintritt, es strömen immer mehr Familien in die Ausstellungen. 

Dann müssen wir uns wirklich aufmachen zum Flughafen und zur langen Heimreise. Wie so oft ist es schießlich die Deutsche Bahn, die zumindest mir einen Strich durch die frühe Ankunft gemacht hat. Na ja, wenn man zum Ferienende genau dann morgens, wenn die ersten Flieger landen, in Frankfurt Flughafen nur einen winzigen ICE bereitstellt, kommt eben maximal die Hälfte der Reisenden mit. Ich nehm`s gelassen und hoffe, dass alle anderen gut und etwas schneller zu Hause angekommen sind.

Und hier ein wenig Statistik: Wir sind in Osttibet in Höhen zwischen etwa 1.500 und 3.900 Metern geradelt und haben dabei drei platte Reifen gehabt, 967 Kilometer zurückgelegt und 11.386 Höhenmeter überwunden. Die Temperaturen lagen zwischen kühlem 1 Grad und hübsch-heißen 33 Grad. Vom höchsten Punkt gibt es kein Foto, weil uns der Graupelschauer vorwärts getrieben hat. Ansonsten: Kaum Verkehr, nur eine längere Schotterpiste und immer wieder großartige Landschaften… eine tolle Tour.

 

Durch den westlichen Ural

Tag 63, 131 km von Krasnoufimsk nach Nischne Sergi, Regen und Berge

Text: Karin Becker, Photos: Oliver Schmidt

Sprungfedern massieren in der Nacht meinen Rücken. Morgens um 7 Uhr sitze ich bei Oliver auf der Bettkante und löffel Tüten-Kascha in mich rein. Im Hotel gibt’s kein Frühstück und im Ort hat noch kein Laden geöffnet. Also schnell die Vorräte reinholen, Wasser kochen und Vorräte muffeln. Peter, Gerhard und Viktor finden auf dem Bett auch noch Platz. Draußen schneit es. Sieht lustig aus, bei den blühenden Obstbäumen vor dem Fenster.

Schnee, Regen und Hagel begleiten uns den ganzen Tag. Die Straße ist gut und zum Glück ohne Killer-Rampen wie gestern. Dörfer machen wach. Mir ist schleierhaft wo hier in diesen Wäldern Leute wohnen, denn ab und an stehen Bushaltestellenhäuschen an der Strecke. Allerdings aus Wellblech und seitlich frei. Offensichtlich werden sie auch gerne abgebaut.

Glücklicherweise gibt’s nach 65 Kilometern eine Kaffeebude an einer Kreuzung! Tee trinken wir 30 Kilometer später bei Viktor im muggeligen Wagen. Einfach sitzen bleiben, das wär’s!!

Die Sonne blinzelt ab und zu mal durch die Wolken. Bei der nächsten Pause zieh ich eine Schicht aus, nehme ich mir vor. Bergauf sehe ich noch die letzten Himmelsschlüsselchen und Buschwindröschen, sie verblühen gerade. Es wird immer schwerer. Runter geht’s blitzschnell. Stunde um Stunde. Wie lange noch? Wir müssen bis spätestens 19 Uhr in unserem heutigen Sanatorium sein, denn dann wird die Schranke geschlossen. Noch mal drei Kilometer ins Zentrum des Ortes, der heute als Schwefel-Heilbad in ganz Russland bekannt ist. Die Heilwässer werden seit 1830 genutzt.

Endlich, um 18.30 Uhr bin ich Zimmer, pünktlich um 19 Uhr steht das Essen im tristen Speisesaal auf dem Tisch. Zum Glück gibt’s ausreichend Brot, denn eine Diät müssen wir nicht machen. Um 19.45 Uhr ist Schluss mit sitzen, wir werden etwas unfreundlich raus gebeten. Ein Bier aus dem Wagen trinken wir gemütlich auf der Etage.

Drei Tage ungefähr 1.500 Höhenmeter rauf und ca. 1.400 Meter runter bei diesen langen Strecken reichen eigentlich.

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Ausklang

Durch das wilde Osttibet, 12.05. bis 03.06.2018

Freizeit in Zhangye und Zugfahrt nach Lanzhou

Die Orte werden immer größer und unsere Reise neigt sich dem Ende zu. Heute sind wir wieder an unserem Startpunkt in Lanzhou angekommen.

In Zhangye sind die Temperaturen gestern auf 33 Grad gestiegen. Der Vormittag war noch kühl genug, um dem Liegenden Buddha von Zhangye einen Besuch abzustatten. Die Parks sind in chinesischen Städten oft die einzigen Ruhepole mit genügend Schatten zum Verweilen. Vorher haben wir uns noch von Xiao Ding verabschiedet, der seinen 2.500 Kilometer langen Heimweg antritt. Sieben Fahrräder packt er locker in den Kofferraum seines Siebensitzers, sogar für unsere Koffer, die wir nicht im Zug nach Lanzhou mitnehmen wollen, ist noch Platz. Gute und sichere Reise, und bis zum nächsten Mal, Xiao Ding!

In der Stadt ist es später heiß und laut. Nicht nur wegen der Baustellen, sondern auch, weil wir uns gerade zur Mittagspause am Schultor befinden. Hunderte Schüler strömen nach draußen, um die Mittagspause zu genießen und um uns Westler anzuschauen. Einge der Mädchen sind schließlich in der Gruppe mutig genug und sprechen Ruth und Thomas auf Englisch an. Eine Frage, gefolgt von Gekicher, Warten auf die Antwort, große Augen, wieder Gekicher. Das geht eine ganze Weile so.

Den Rest des Tages verbringt jeder nach Lust und Laune und wir treffen uns erst am Abend im Biergarten wieder. Die Temperaturen sind mittlerweile erträglich und allmählich erwacht hier das Leben. Wir staunen und lernen die hiesige Biergartenkultur kennen. Der „Beijing Bikini“, also lässig über den Bauch hochgerolltes T-Shirt, ist auch bei den Männnern in Zhangye verbreitet. Wir essen gegrillte Gemüse- und Lammfleischspieße, Chicken Wings und Fladenbrote. Das alles ist auch in der milden Variante noch so scharf, dass wir notgedrungen zum kühlen Fassbier greifen müssen. So lässt es sich eigentlich ganz gut leben. Ganbei.

Die Fahrt vom neuen Zhangye Westbahnhof nach Lanzhou dauert dank der Schnellzugstrecke am nächsten Tag nur knappe dreieinhalb Stunden. Beim Abendessen fragen wir uns unter anderem, warum es in Stuttgart, Münster, Dortmund und anderen deutschen Städten noch keine Nudelsuppenläden gibt. Die berühmten Lanzhou Lamian würden sicher auch bei uns gut ankommen. „Aber ob man einen deutschen Bauarbeiter dazu bekäme, statt Currywurst Pommes eine Nudelsuppe mit Stäbchen zu essen… ich weiß nicht“ wirft Manja ein. Ich zumindest würde mich über ein Frühstückslokal um die Ecke mit Nudeln und Jiaozi sehr freuen. Den letzten Abend lassen wir gemütlich ausklingen (ohne Fotos für den Blog), morgen geht es für uns alle auf den Heimweg.

Die Statistik folgt.

 

 

Sa was, sa nas, sa Neft i Gas ! (Auf Euch, auf uns, auf Öl und Gas!)

Tag 62, 145 km von Tschernuschka nach Krasnoufimsk, Regen, Regen …schöne Pisten. Von Oliver Schmidt.

Die winterlich anmutenden Wetterkapriolen setzen sich fort, und selbst der letzte Mitreisende hat nun die wärmeren Klamotten und die dicken Handschuhe aus der Versenkung herausgekramt.

Die lichten Wälder und Agrarflächen begleiten uns auch heute, nun aber bereichert durch zahlreiche Öl- und Gasfelder. Die unterirdischen Leitungen sind an den farblichen Schildern entlang der Autotrassen auszumachen und verlaufen für Laien völlig unkoordiniert. Auch neue Stränge werden verlegt und verursachen einen heftigen LKW- und Baumaschinenverkehr auf ‘unserer‘ Straße.

Alle größeren Rohstoffkonzerne wie Gazprom, Lukoil, Tatneft… erschließen hier Ressourcen, investieren allerdings auch in die lokale Infrastruktur einzelner Dörfer. Wie Pilze schießen moderne Wohnanlagen für die Mitarbeiter im Energiesektor, am Dorfrand bestehende marode Ortschaften, aus dem Boden.

Am Nachmittag werden die Wälder dichter, das Tal enger und Kiefern und Lärchen bestimmen das Landschaftsbild. Für über 25 Kilometer tauschen wir teilweise holprigen Asphalt gegen schöne Pisten mit wenig Verkehr, die relativ gut zu fahren sind. Ein Hochgenuss.

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Im Reisfeld

Durch das Land der Yi, 10.05. – 02.06.2018

Wanderung durch die Reisterrassen von Yuanyang, Regen, Sonne, nasse Füße

Unser letzter Aktivtag ist mehr oder weniger ein Ruhetag, wenn auch mit einer durchaus ambitionierten Wanderung durch die Reisfelder.

Die große Frage, die wir uns beim Frühstück stellen: Wie schaffen wir es, durch die Reisfelder zu laufen?

Die Antwort lautet wie immer: Einfach versuchen!

Ins Dorf führt noch ein ausgeschilderter Weg.

Zu den Terrassen ist der Weg noch gepflastert.

Dann balancieren wir auf den Bauernwegen durch die Reisfelder, sinken zuweilen ein wenig ein, haben aber eine Menge Spaß, die Gegend zu erkunden. Die Aussichten auf die Reisfelder entschädigen uns auf jeden Fall für die nassen, auch ein wenig schlammigen Schuhe.

Auf dem Rückweg passieren wir noch die lokale Schulspeisung, finden einen Aussichtspunkt, der nicht noch einmal Eintritt kostet und sind am frühen Nachmittag reisgesättigt wieder zurück im Hotel.