Einmal Tibet und zurück (Extremerfahrungen 1)

An den Hängen des Himalaya, 14.03. bis 07.04.2013

120 km mit dem Bus und 15 km mit dem Rad von Kathmandu zur chinesischen Grenze und dann zum Last Resort

Es ist ein Tag, an dem man weiss, warum man Radreisen macht. Gerade einmal 120 Kilometer sind es auf dem Arnico Highway von Kathmandu bis an die tibetische Grenze. Mit dem Bus brauchen wir dazu fast sechs Stunden und sind so durchgeschüttelt, dass wir trotz stömendem Regen und fortgeschrittener Zeit (16:30 Uhr) alle darauf bestehen, die 15 Kilometer von Kodari, dem Grenzort, bis zum Last Resort, unserer heutiger Übernachtungsstation mit den Rädern zu fahren. Und siehe da, aus der rückradzersetzenden Schlaglochstrecke wird eine spannende und gut zu fahrende Radetappe, vorbei an hohen Wasserfällen, kleinen Dörfern mit windschiefen Gebäuden und entlang des Bhote Kosi, der sich reißend über Stromschnellen ins Tal stürzt. Spass macht es, soviel Spass, dass Günther und Jochen gleich noch 10 Kilometer bergab dranhängen. Bergauf haben wir sie dann mit dem Begleitfahrzeug geholt, die Bergfahrt wäre dann doch zuviel für den ersten Tag gewesen.

Nach dem Trubel von Kathmandu genießen wir die Stille im Last Resort und sind gegen 22:00 Uhr alle im Bett, das heute in Hotelzelten steht. Wer einen Blick riskieren möchte:
Last Resort


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Bei den Newari

An den Hängen des Himalaya, 14.03. bis 07.04.2013

Sightseeing in Kathmandu – und etwas für den Magen

Wir sind alle in Kathmandu angekommen – trotz Schneechaos in Frankfurt und technischen Problemen in München.
Es ist ein deutliches Durchatmen zu hören, bei 25 Grad und strahlendem Sonnenschein. Und einem blauen Himmel, wie ihn das smoggeplagte Kathmandu selten sieht.

Wir sind von unserer Hoteloase Richtung Durbar Square, dem historischen Zentrum von Kathmandu geschlendert, durch die Gewürz-, die Altmetall-, die Schlachter- und die Gemüsegasse. Durch buddhistische, hinduistische Tempel und dann wieder beides zusammen. Fragt man einen Nepali, ob er Buddhist oder Hinduist, antwortet er mit: „Ja!“

Der Tag war lang, das Abendessen ausufernd und das Everest Bier schmeckt bei immerhin noch 18 Grad im Hotelgarten ausgezeichnet.
Deshalb müssen heute mal die Bilder sprechen!

Ein Bus namens Wanda: Vortrag am 11.04.2013 in Hamburg

Cover Wanda

Die Reise „Auf den Spuren von Wanda“ nimmt Gestalt an und wird sicher stattfinden:
Auf den Spuren von Wanda

Inspiriert wurde diese Radtour durch das Buch „Ein Bus namens Wanda“, in dem unser Geschäftsführer Volker Häring von seiner ersten Radtour entlang des Mekongs erzählt, die heute auch Grundlage unserer Touren „Entlang der Teestraße“, „Goldenes Dreieck“ und „Auf den Spuren der Khmer“ ist.

Am 11.04.2013 können Sie in Hamburg zusammen mit Volker auf Reise gehen: In der Reisebuchhandlung „Dr. Götze Land&Karte“ stellt er sein Buch und die Reise „Auf den Spuren von Wanda“ vor. In Wort, Bild und Ton.

Beginn ist um 19:00 Uhr, der Eintritt beträgt 10,00 Euro (inkl. Buffet und Getränke)

ORT:
Dr. Götze Land & Karte GmbH
Alstertor 14-18
20095 Hamburg

Die Kollegen von Dr. Götze Land&Karte bitten um Anmeldung unter:
Dr. Götze Land und Karte
oder telefonisch unter:
040/35 74 63-0

China By Bike

Für alle, die beim Lesen des Blogs Lust auf mehr bekommen haben: Wir sind auch dieses Jahr wieder auf der CMT in Stuttgart!
Vom 12. – 13.01.2013 findet Ihr uns in der Halle 9, Stand D18 auf dem Messegelände in Stutgart.

Infos zur Messe findet Ihr hier:
CMT 2013

Wir freuen uns auf Euren Besuch!
Das China-By-Bike-Team

Literatur-Nobelpreis für Mo Yan

Aus aktuellem Anlass ein Artikel, den ich vor einem halben Jahr geschrieben habe. So kann man sich täuschen, nun ist es tatsächlich Mo Yan geworden. Herzlichen Glückwunsch, es hätte zumindest in China keine bessere Wahl gegeben!

Literatur süß-sauer-scharf
Chinesische Literatur der Gegenwart

Zwischen Zensur und Markt, Politik und Eros, Moderne und Tradition sucht die chinesische Literatur ihren Platz auf der Weltbühne. Zwar werden heute mehr chinesische Autoren übersetzt und im Westen gelesen als je zuvor. Doch Begeisterungsstürme löst das, was an chinesischer Literatur den westlichen Buchmarkt erreicht, nicht wirklich aus. Ist die chinesische Gegenwartsliteratur uninteressant und oberflächlich, wie der Sinologe Wolfgang Kubin behauptet? Eine Bestandsaufnahme.

Zu Kaisers Zeiten war der chinesische Literat in der Regel auch immer Beamter – oder besser gesagt umgekehrt. Nicht nur die philosophischen Klassiker von Laozi bis Konfuzius waren Bestandteil der kaiserlichen Beamtenprüfung, auch die wichtigsten Analen und Essays vergangener Zeiten wurden abgefragt. Der Beamte musste sich nicht nur auf das Verwalten und die Bürokratie verstehen, von ihm wurde zudem eine geübte Kalligraphie und ein gewisses literarisches Können erwartet. Die bedeuteten Dichter der chinesischen Literaturgeschichte wie Su Dongpo und Li Bai hatten so auch immer eine mehr oder weniger erfolgreiche Beamtenkariere hinter sich. Ihr Einkommen bezogen sie vor allem aus ihrer Beamtenposition und nicht aus ihrem literarischen Schaffen. Literatur war eine schöne Kunst und unabhängig von monetären Zwängen, die Poesie der klassischen chinesischen Dichtung liegt in ihrer Traszendenz und der Weltabgewandheit. Die wenigen überlieferten Romane waren zumeist Adaptionen von Volksmythen oder historischen Gegebenheiten. Die historische Pilgereise des Mönches Xuan Zang, der wichtige buddhistische Schriften im 7. Jahrhundert von Indien nach China brachte, wurde in der „Reise in den Westen“ ebenso in Romanform gebracht wie die epischen Schlachten der „Drei Reiche“ Wei, Wu und Shu im 3. Jahrhundert. Und auch das Epos „Die Räuber vom Liang-Shan-Moor“ fußt auf historischen Ereignissen. Eine seltene Ausnahme ist der Roman „Traum der Roten Kammer“ von Cao Xueqin, der die eigene frühe Jugend in einem breit angelegeten Sittengemälde verarbeitet und so dem westlichen Verständnis eines Romanes am nächsten kommt. Zwar gibt es unzählige Mythen und Geschichten im chinesischen Kulturraum, der Roman als Kunstform war im alten China jedoch eher eine Randerscheinung. Als Medium der Gesellschaftskritik war er im alten China eher unbekannt. Das sollte sich mit dem Sturz des Kaiserreiches 1911 ändern. Vor allem die Abkehr von der nur der Oberschicht verstandenen klassischen zu einer auf der Umgangssprache basierenden Schriftsprache in Folge der „Vierten Mai Bewegung“ 1919 führte zu einer Blüte der Literatur, die sich nun zum ersten Mal auch an das einfache Volk wandte. Viele der Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts verstanden sich als Aufklärer und Revolutionäre, ein Umstand, der sich auch in ihren Werken niederschlug. Autoren wie Lu Xun, Lao She, Mao Dun und Guo Morou schrieben Romane, die nicht nur die gesellschaftlichen Probleme Chinas abbildeten und deutliche politische Position bezogen. Sie waren vor allem auch höchst lesbar und qualitativ hochstehend. Monetären Zwecken waren diese Autoren selten unterworfen – sie kamen entweder aus wohlhabenden Familien, verdienten ihren Lebensunterhalt als Lehrer oder waren in den revolutionären Kontext eingebunden und bezogen so eine bescheidene aber ausreichende Alimentation. Mit Gründung der Volkrepublik machten nicht wenige Karriere in der Nomenklatura und wurden Literaten von Staates Gnaden. Der Qualität ihrer Werke tat dies nicht unbedingt gut. Einzig Lao She gelang es in den 1950er und 1960er Jahren, noch einige von der Kritik und Publikum gleichermaßen gefeierte Werke wie „Das Teehaus“ zu veröffentlichen. Er galt lange Zeit als aussichtsreicher Kandidat für den Literaturnobelpreis bis er 1966 Opfer der Kulturrevolution wurde. In den folgenden zehn Jahren lag die Literatur brach im Reich der Mitte. Die Erfahrungen der Kulturrevolution und deren Aufarbeitung beherrschten so auch die ersten Jahre der Reform- und Öffnung unter Deng Xiaoping nach 1978 und fanden ihren Ausdruck in der sogenannten „Narbenliteratur“. Handwerklich solide und dem Realismus verhaftet wurde hier ein Trauma verarbeitet, ohne allzu sehr nach den Ursachen zu suchen. Erst Mitte der 1980er Jahre kam wieder Bewegung in die chinesische Literaturszene.

Vom Rumtreiben, Wurzelsuchen und Geldverdienen

„Wer sind wird, woher kommen wir, was machen wir Chinesen daraus?“ So kann man die „Suche nach den Wurzeln“ zusammenfassen, die das intellektuelle Leben der Chinesen in den 1980er Jahren bestimmte. Nach der „Katastrophe“ der Kulturrevolution und der halbherzigen Aufarbeitung derselben in Gesellschaft, Theater und Literatur fragten viele Schriftsteller nach dem historisch kulturellen Fundament, das Fehlentwicklungen wie die Kulturrevolution ermöglicht hatte. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition ließ sich verstärkt von der westlichen Literatur und der Psychoanalyse inspirieren. Westliche Erzähltechniken, wie jene des Magischen Realismus, prägten die Werke von Feng Jicai, Wang Anyi und auch Mo Yan, von dem später noch die Rede sein soll.
„Wo ist das nächste Bier, die nächste Frau und wie verdiene ich mir das nächste Essen?“, das widerum ist das Motto der sogenannten „Herumtreiberliteratur“, als deren Hauptvertreter Wang Shuo gilt. Romane wie „Oberchaoten“ und „Herzklopfen heißt das Spiel“ trafen den Nerv der Zeit und wurden Bestseller. Die Romanfiguren sind arbeitslos, arm, unmoralisch und damit der genaue Gegenentwurf zu den strahlenden Helden des sozialistischen Realismus. Inspiration holte sich Wang Shuo sowohl aus der eigenen Biographie als auch auf den Straßen seiner Heimat Peking. Obwohl seine Romane zwischenzeitig verboten waren, wurden sie auch Dank unzähliger Raubkopien zu landesweiten Bestsellern.
Die Ereignisse von 1989 stellen hier eine Zäsur dar, die jedoch nicht so heftig ausfiel, wie man es hätte vermuten können. Die etablierten Autoren wie Wang Meng, Mo Yan und Jiaping Wa veröffentlichten weiterhin in regelmäßigen Abständen neue Romane, die vor allen in China ihre Leser fanden. Wang Shuo nutzte sein Talent für Fernsehdrehbücher und ist heute im Mainstream etabliert. Dennoch schien das neu erwachte Nachtleben, die ökonomischen Möglichkeiten, die größeren Freiheiten der Chinesen in den 1990ern der Literatur eher abträglich gewesen zu sein. Auf den großen Roman, der die Absurditäten der Turboentwicklung in China dokumentiert und literarisch aufbereitet, wartete man vergebens. Der Bestseller der späten 1990er wurde so auch ein politisches Buch, das nicht wenige sogar als ein satirisches ansehen: „China kann nein sagen!“, ein krudes pseudo-politisches anti-westliches Manifest mit einem Augenzwinkern.

Sex, Crime &Müll

Ende der 1990er meldeten sich dann die chinesischen Frauen zu Wort. Mian Mian und Wei Hui heißen die berühmtesten Vertreter dieser hedonistisch-exibitionistischen Strömung, wobei Mian Mian als auch Wei Hui der jeweils anderen sämtliches literarisches Talent absprechen würden. Recht muss man hier beiden geben, da sowohl Mian Mian als auch Wei Hui deutlich mehr vom Inhalt ihrer Werke leben als vom ihrem literarischen Talent. Und auch der Inhalt ist höchst profan. Ein bißchen Sex, etwas mehr Drogen und eine gepflegte Großstadtlakonie vor der durchaus grandiosen Kulisse des Shanghaier Nachlebens. Das liest sich dann wie eine Mischung zwischen Anäis Nin und Gabi Hauptmann – nur ohne Nins Talent und Hauptmanns Humor. „Sieh an, chinesische Frauen haben auch wilden Sex“ ist so auch ziemlich die einzige Erkenntnis, die der geneigte westliche Leser aus Büchern wie „Lalala“ und „Shanghai Baby“ zieht. Wolgang Kubin nennt die Bücher von Mian Mian und Wei Hui schlichtweg „literarischen Müll“, und man ist geneigt, ihm Recht zu geben. Wären sie in China nicht kurz nach dem Erscheinen verboten worden, hätte sich im Westen wohl kaum jemand für sie interessiert.
Der chinesische Autor wünsche sich nichts sehnlicher, als dass der Zensor ihn verbiete, schreibt der deutsche Sinologe Wolfgang Kubin und fügt hinzu: „Dann macht er Kasse im Westen. (…) Der Westen interessiert sich ja gar nicht für die Wahrheit. Wenn jemand sagt, ich bin Dissident, dann wird ihm das abgenommen, es wird nicht überprüft, das war der Fall bei dem Skandal auf der Buchmesse mit Bei Ling, der ist überhaupt kein Dissident, der ist 1988 bereitwillig ausgewandert nach Amerika, und er hat genau gewusst, was er sagen muss, um die Presse hier zu bedienen und entsprechend finanziell abzukassieren.“ Tatsächlich ist es selten von finanziellem Schaden, für den westlichen Markt ein unbequemer Geist in China zu sein. Ähnlich wie Mian Mian und Wei Hui mit der Beschreibung ihre vorgeblichen sexuellen Eskapaden den westlichen Markt bedienen, spielen Autoren wie Bei Ling mit den Erwartungen des Westens. Dissidenz ist gut für das Geschäft.
Lediglich Liao Yiwu ist hier eine rühmliche Ausnahme. Er ist aber eher im Genre der Sozialreportage als in der Literatur zuhause. Er interviewt vor allem Außenseiter der chinesischen Gesellschaft: Straßenhändler, Prostituierte, Häftlinge und handelt sich hiermit den Ärger der chinesischen Obrikeit ein. Nach mehreren vergeblichen Ausreiseversuchen ist er vor kurzem nach Deutschland gereist und wird hier seine Erfahrungen nach seiner Verhaftung 1989 auf Deutsch veröffentlichen. Aber auch Liao steht vor dem Problem, das viele Autoren im Exil gemeinsam haben: Abgeschnitten sein vom eigentlichen Publikum und von der eigenen Sprache. Ein Schicksal, das er auch mit Gao Xingjian teilt.

…und ein Nobelpreis

„Gao Xingjian? Wer ist Gao Xingjian?“ Zur Beruhigung der westlichen Presse sei gesagt, dass es nicht nur den westlichen Medien so ging, als der Name des Literaturnobelpreisträgers von 2000 verkündet wurde. Auch so mancher Chinese hat sich die Augen gerieben und sich gefragt, wer dieser Gao denn nun sei. Bereits seit 1987 lebt Gao Xingjian im Exil und hat seit 1998 die französische Staatsbürgerschaft. In seiner Heimat wurde er in den 1980er Jahren durch seine Theaterstücke bekannt, die, vor allem von Beckett inspiriert, die Absurditäten der chinesischen Gesellschaft auf die Bühne brachten. In „Bushaltestelle“ wartet eine Gruppe Menschen eine Ewigkeit auf einen Bus, von dem klar ist, dass er nie kommen wird. Nachdem er bereits bei den Studentdemonstrationen 1987 deutlich Position bezogen hatte, brach er nach den Ereignissen von 1989 endgültig mit der KPCh und blieb in Frankreich. Gao versteht sich nich als politischer Autor, und weigerte sich, aus seinem Dissidentensein Kapital zu schlagen. In Europa weitgehend unbekannt, lebte er in den 1990er Jahren vor allem von seiner Kalligraphie und Malerei und schrieb Romane, die Festlandchina nur auf Umwegen über Hongkong oder Singapur erreichten. In diese Zeit fällt auch der Roman „Der Berg der Seele“, eine teils autobiographische, teils mystische Sinnsuche in Form einer Reise durch China – auf der Suche nach dem „Berg der Seele“. Es war dieses Werk, dass den Ausschlag für Gao Xingjians Auszeichnung mit dem Nobelpreis gab. Inzwischen ist der Roman auch auf Deutsch erhältlich, ebenso wie „Das Buch eines einsamen Menschen”, das Gaos Erfahrungen während der Kulturrevolution verarbeitet. Ungeachtet der literarischen Qualität Gao Xingjians hielten viele westliche Beobachter der chinesischen Literaturszene ihn für die falsche, auch politische motivierte Wahl. Mindestens ebenso verdient hätte die Auszeichnung Mo Yan, der nach mehr als 30 Jahren künstlerischen Schaffens nun als einer der anerkanntesten und originellsten Autoren chinesischer Sprache gilt. Obwohl zuweilen schneidend satirisch und den chinesischen Verhältnissen alles andere als unkritisch gegenüber, versteht er sich vor allem als Schriftsteller, als Geschichtenerzähler. Von ihm stammt unter anderem die Romanvorlage des Zhang Yimou Films „Das rote Kornfeld“, und die ebenso skurilen wie eigenwilligen „Schnapsstadt“ und „Der Überdruß“. Letzter Roman erzählt die Geschichte eines in den 1950er Jahren hingerichteten Großgrundbesitzers, der in wechselnden Reinkarnationen als Schwein, Esel, Affe und Stier die letzten 50 Jahre der chinesischen Geschichte erlebt und beschreibt. Auch wenn die meisten der Romane Mo Yans in der Vergangenheit spielen, lernt der Leser mindestens genausoviel über das moderne China – aber eben durch den literarischen Spiegel, eine Qualität, die vielen der im Westen so gelobten „politischen“ Werke abgeht. Für das Nobelpreiskommitee war er wohl nicht politisch genug.
Sollte in der nahen Zukunft wieder ein Chinese den Literaturnobelpreis bekommen, so wäre Ma Jian ein heißer Kandidat. Mit „Peking Koma“ legt er eine literarisch ambitionierte Chronik der Studentenbewegung von 1989 vor, aus der Perspektive eines seit 20 Jahren im Koma dahinvegetierenden Studentens. Und sein Reisebericht „Red Dust“, die Geschichte einer mehrmonatigen Wanderung durch das Reich der Mitte, ist so ziemlich das Beste, was in den letzten 20 Jahren in China geschrieben wurde. Für Chinainteressierte ist es zudem das ideale Einstiegsbuch, das sich auch ausgezeichnet auf einer langen Zugfahrt durch das Reich der Mitte lesen lässt. Wer den Sichuan und den Yangzi bereist, sollte sich „Der Berg der Seele“ ins Gepäck legen. Und Mo Yans Bücher passen eigentlich immer.

Literaturtipp:
• Ma Jian „Red Dust“, Schirmergraf (März 2009) ISBN: 978-3865550637
• Gao Xingjian „Berg der Seele“, Fischer (November 2006) ISBN: 978-3596152506
• Mo Yan „Der Überdruss“. Horlemann (Mai 2009) ISBN: 978-3895022722
• Wang Shuo: „Oberchaoten“ Diogenes Verlag (2001) ISBN: 978-3257232622

Es bloggt der Sommer!

Ab nächster Woche gibt es wieder viel Lesefutter auf unseren Blogseiten!

Andreas radelt ab dem 25.06. Südlich der Wolken, Christof folgt ihm auf der gleichen Tour drei Wochen später.


Durch Chinas wilden Nordwesten von Dunhuang nach Kashgar radelt Jan ab dem 09.07. Entlang der Seidenstraße

Und natürlich lohnt sich immer ein Blick auf die Transeurasientour. Tom hat mit seinen Mitradlern inzwischen den Ural überquert und steuert langsam aber sicher auf den Baikalsee zu.

Weitere Infos gibt es hier:

Transeurasien

Genuß

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die letzte gemeinsame Etappe, und wir genießen es. Das Wetter spielt mit und der letzte 800 Meter Anstieg erscheint harmlos, nach dem, was wir in Tibet gefahren sind.

Und im Dulikhel Mountain Resort feiern wir bei einer Flasche Moet & Chardon Abschied und meinen 30.000sten Rad-Kilometer in der VR China, den ich irgendwo vorgestern unter meine Reifen gebracht habe.

Das Leben ist schön!


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Schußfahrt ins Glück!

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Ein kleiner Anstieg noch. 80 Höhenmeter. Dann haben wir die Bergspitze erreicht. Es geht bergab! Heute erst einmal 2.600 Höhenmeter. Ohne Gegensteigung! (na ja, fast).

Da, ein Baum! Ein Busch! Blumen! Rhododendron, rot und weiss! Und was prickelt da in unseren Lungen? Ist das der Geschmack von Sauerstoff?

Kurzum, wir genießen es, im freien Fall in Richtung Nepal zu rollen. Kurz vor der Grenze dann Zhangmu, und siehe da, der Grenzort, ehemals verrufen, hat sich gemausert! Ein gutes Dutzend herzeigbare Hotels, sogar eine schicke Jugendherberge, und unzählige Restaurants, die nach leckerem Essen ausschauen. Beim nächsten Mal werden wir wohl in Zhangmu, nicht in Nylam übernachten.

Die Ausreise aus Tibet gestaltet sich leider nicht so problemlos. Der chinesische Zoll macht sich ein Vergnügen daraus, das Gepäck zu untersuchen. Der Tibet Lonely Planet wird konfisziert (nicht schade darum) und eine Seite des Trescher Tibet Führers muss daran glauben (ich hatte das Manuskript vor der Veröffentlichung gegengelesen und hätte die Seite gerne auch draußen gehabt, es ging um die unendliche Weisheit des Dalai Lamas). Trotzdem, das ist Schikane, und so bestätigt man unnötigerweise das Klischee der oppressiven Besatzungsmacht.

In Nepal begrüßt uns dann mit Baskar ein ausgezeichneter lokaler Reiseleiter und wir machen auf den letzten 15 Kilometern die Erfahrung, was es heißt, von einem autokratischen reichen Land in ein pseudo-demokratisches armes Land zu fahren: Die Straßen werden schlechter und die Leute ärmer. So rumpeln wir in Richtung Last Resort, unserer Übernachtungsstation, warten eine Stunde bei gutem Bier, bis sich eine Gruppe von Israelis eine Brücke heruntergestürzt hat (das Last Resort hat ein spektakuläres 160 m Bungee Jumping, sehr empfehlenswert, habe ich vor drei Jahren einmal ausprobiert) und sitzen dann bei einer Flasche Wein und wärmen uns. Wir haben es geschafft!


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Das Loch am Ende der Welt

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Wir haben den Tiefpunft erreicht! Erst einmal buchstäblich, denn seit einer Woche sind wir zum ersten Mal wieder unter 4.000 Metern Höhe. Aber auch, was das Hotel angeht. Ach, was sage ich, die Absteige. In meinen mehr als 20 Jahren in Asien bin ich schon in vielen Löchern abgestiegen, aber das sogenannte Guesthouse in Nyalam toppt alles. Überhaupt Nylam: Hier muss jeder durch und Zhangmu, die Grenzstadt, hat einen noch schlechteren Ruf (zu unrecht, wie sich herausstellen wird). Also wird hier abgezockt, was das Zeug hält: Hotel oder Restaurant hingestellt und dann langsam aber profitabel verrotten lassen. Bevor jetzt der Einwand kommt, das liegt an den Chinesen, die in Tibet nur den Profit sehen: Nylam ist fest in tibetischer Hand, die Abzockerei ist höchst lokal.

Das bringt mich zu unserem tibetischen lokalen Reiseführer. Aufmerksame Leser werden sich gewundert haben, warum er im Blog nicht auftaucht. Er ist auch real höchst abwesend. Alle Versuche, ihn dazu bewegen, sich mal beim Essen zu uns zu setzen, schlagen fehl, alle tiefer gehenden Fragen haben ein beredtes Schweigen zur Folge. Meist ist er schlicht und ergreifend nicht da.

Immerhin, er ist stolz, ein Tibeter zu sein. Und bringt es noch nicht einmal fertig, einfache tibetische Sitten und Bräuche zu erklären.

Den Vogel schießt er dann heute ab. Während Sabine, Heinz und ich in ziemlichen Verschlägen nächtigen, pickt er sich zielsicher das einzig akzeptable Zimmer raus.

Morgen wird er sich mit den Worten verabschieden: Now my duty is over. Eine Pflicht. Als Tibeter wäre ich ja so erpicht wie möglich, meine Kultur den Besuchern nahezubringen. Schade! Der Mann arbeitet auf jeden Fall zum letzten Mal für uns.

Aber es gab auch noch das eine oder andere Highlight heute. Die Fahrt auf den letzten, immerhin 5.120 Meter hohen Pass. Die erste atemberaubende Abfahrt (36 km/h Durchschnitt), die dann jäh vom Gegenwind gestoppt wird. (12,5 km/h bei durchschnittlich 5 Prozent Gefälle).  Und von außen sieht unser Guesthouse gar nicht so schlecht aus.


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Vernunft und Heiße Quellen

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Unser Hotel hat einen unschlagbaren Vorteil: Es hat den Blick auf den Mt. Everest. Das weiss man auch im Management und verlangt ein Heidengeld für die Übernachtung und überlässt den Schuppen dann sich selbst.

Derweil hustet Heinz ganze Wände durch und Sabine, die studierte Pharmazeutin zieht die chemische Notbremse. Ein Breitbandantibiotikum soll den Boden bereiten, aber es braucht noch mehr: Wärme.

Also halten wir Kriegsrat und ich ziehe die unschlagbare Trumphkarte: 80 km entfernt gibt es ein Hotel mit heißen Quellen. Der Schlachtplan ist folgender: Wir gönnen Beinen und Lungen eine Pause, sparen uns eine Übernachtung am Basecamp und nehmen das Begleitfahrzeug bis nach Tsamda, wo besagtes Hotel mit den heißen Quellen liegt. Dann wärmen wir uns auf, überbrücken noch eine Etappe mit dem Fahrzeug, um dann den letzten Pass gemeinsam anzugehen, die Abfahrt mitzunehmen und dann zwei Tage früher in Nepal zu sein, um subtropische Luft zu schnuppern. In Tibet braucht es manchmal Vernunftentscheidungen, und wir sind uns glücklicherweise einig. Kein Mensch braucht eine Lungenentzündung auf 5.000 Meter Höhe!

Zuvor fahren wir aber noch zum Mt. Everest Basecamp, verschießen ein gutes Dutzend virtuelle Filmrollen, erfreuen uns an dem Anblick des wolkenfreien Berges und beachten auch das Schild: „Beware of resting mountaineers“. Ruhig liegen die verschiedenen Basecamps in der Sonne, die besagten Bergsteiger sind wohl auf dem Berg oder in der Koje. Immerhin sechs Wochen dauert eine durchschnittliche Gipfelbesteigung. Sechs Wochen, in denen es hoch und runter geht, mit verschiedenen Camps auf stetig steigender Höhe, wie ich seit der Lektüre von Jon Krakauers Bericht „In luftigen Höhen“ weiss. Was sind wird doch für Weicheier!

Das wäre dann zumindest für Heinz und mich auch das Stichwort, denn die folgende Autofahrt stellt höchste Anforderungen an Hinterbacken und vorgelagerte Teile. Wir sind uns einig: Mit dem Fahrrad ist diese Strecke nicht zu schaffen. Mit dem Auto schafft sie einen. Aber was für eine Kulisse! Immer wieder tauchen die schneebedeckten Berge hinter der für tibetische Verhältnisse fast schon lieblichen Landschaft auf. Yakherden grasen auf den spärlichen Wiesen. In den wenigen Dörfern ist ein Auto eine kleine Sensation.

Und dann haben wir plötzlich wieder Asphalt unter den Reifen. Ein paar wenige Kilometer noch, dann liegen wir in einer Thermalquelle und lassen es uns gut gehen. Nebenan vergnügen sich die Schönen und die Reichen des nahe gelegenen Ortes im warmen Wasser. Der Sonnenuntergang bietet dann den Blick auf vier Achttausender: Everest, Makalu, Cho Oyo und Lotse. Den fünften, den Shishapangma, werden wir morgen sehen!


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