Da waren wir mal in Ankang…

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Ruhetag in Ankang

Ich sitze im Hotelzimmer, trinke von meinem grünen Tee und lasse die Tage Revue passieren. Auf dem Hotelflur schreit ein ungeduldiger Gast mit rauer Stimme nach dem Personal. Wir haben die erste Hälfte unsere Tour gut hinter uns gebracht und genießen nun unseren wohlverdienten Ruhetag hier in Ankang. Einer Stadt mit langer Geschichte, von der man aber nicht mehr viel sehen kann. Denn die Stadt am Hanfluss ist eine, die immer wieder von Hochwasser stark geschädigt wurde. Das Letzte, im Jahre 1983, zerstörte die Altstadt und die Stadtmauer. Auf alten schwarz-weiß-Lichtbildern kann man sehen, wie es vor 50 Jahren hier noch aussah. Viel ist von diesem alten Ankang nicht mehr übrig. Hochhäuser und eine neu gebaute Stadtmauer anstelle der alten prägen das Bild.

Es gibt eine Art Gedenkstehle und Gedenkgalerie auf der neuen Mauer, wo man diese Geschichte gut nachvollziehen kann. Eine hilfsbereite junge Angestellte führt uns herum und versorgt uns mit ausführlichen Informationen. Danach schlendern wir noch ein bisschen gemeinsam an der Uferpromenade entlang, dann trennen wir uns und jeder macht so seins.

Zur gewohnten Stunde treffe wir uns wieder. Das heißt Peter, Hans, Rainer und ich. Diana und Thilo machen sicher wieder wo anders dieses muntere Städtchen unsicher. Ein kleiner Spaziergang, Abendmahl mit Fotoeinlage – gaaanz unauffällig natürlich und dann auf zur Fußmassage, zu der natürlich auch eine Nacken- und Rückenmassage gehört. Wie auf Wolken schweben wir dann auf ein letztes Bier zu Peter. Zu später Stunde trennen wir uns und gönnen uns ein wenig Schlaf vor der nächsten Radetappe.

Haben wir Gesprächsbedarf?

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

105 km von Shuhenach Ankang

Wir sitzen an der Hauptstraße von Shuhe. Vor uns auf dem niedrigen Tisch dampfen Reissuppen und frittierte Gemüseteigfladen. Xiao Yang rennt zum Auto um unseren Kaffee zu holen. Ein bisschen Heimat und Gewohnheit muss schon sein. Passanten taxieren uns wie fremdartige Tiere, zücken die Handys, fotografieren uns möglichst unauffällig. So machen wir es ja auch andersherum.

Nach der teils staubigen teils feuchten Geländefahrt gestern, lechzen unsere Räder nach einer Ölung, nicht der letzten, aber vielleicht der vorletzten. Wir begeben uns also erstmal zum nächsten Hochdruckschlauch, um unsere Räder zu säubern. Leider hat eben dieser Schlauch die Reinigung Xiao Yangs Autos nicht überlebt und es gibt eine kleine Verzögerung, denn der Chef muss erstmal einen neuen Schlauch besorgen und montieren. Xiao Yang macht ihm „Beine“: „Kuai, kuai, kuai (schnell, schnell, schnell), ruft er, denn wir wollen los. 105 km liegen vor uns. Immer schön am Fluss lang. Und es geht gut voran. Gutes Wetter, gute Straße – das macht Hoffnung darauf, dass die gestrige Baustellenetappe eine Ausnahme bleiben wird.

Die Sonne brezelt auch ordentlich vom Himmel runter, so dass auch Peter seinen Anorak ausziehen kann. Unser Auto ist gefüllt mit süßen Ananas, den üblichen Äpfeln und Bananen, Pfirsichen, Mangos und Weintrauen. Zudem wachsen wilde Kirschen hier überall und Xiao Yang besorgt noch ein Kilo zum Kosten. Nach zwei Drittel der Strecke, wir liegen gut in der Zeit, eröffnen wir unseren täglichen Gesprächskreis mit einer Runde Bier. Peter und Hans teilen sich einträchtig eine Portion kalter Nudeln und dann geht’s auch schon weiter, und…

Wir landen auf einer prächtigen Baustelle. Bis fast nach Ankang hinein feinster Straßenstaub und Dreck unter der prallen brütendheißen Sonne. Wir und unsere Räder werden ordentlich durchgeschüttelt und durchgerüttelt. Da wird keine Sehne und kein Muskel ausgelassen. Wir schlucken Staub, die Augen brennen. Irgendwann wird es Peter zu viel, er nutzt einen Schleife und fährt für eine kleine Verschnaufpause raus. Wir übrigen müssen an der nächsten Kurve eh warten. Da wird gerade der Felsen weggebohrt und der Durchgang ist gesperrt. Als Peter zu uns aufstößt, lässt der Bauleiter uns im Pulk durch und fotografiert uns natürlich dabei: Die Langnasen passieren das Nadelöhr.

In Ankang angekommen muss ich mich erstmal unter die Dusche stellen um den ganzen Dreck abzubekommen. Das macht richtig Arbeit! Zum Abendmahl schlagen wir uns durch enge Gassen und landen in einem Freiluftrestaurant. Wenig später stoßen zufälligerweise auch Thilo und Diana zu uns. Im wuseligen Treiben unter freien Himmel genießen wir unser verzögertes Schmutzbier. Nach dem Essen geht es für Rainer, Hans und mich noch zur „Blindenmassage“. Wir werden ordentlich durchgeknetet, mir wird der Hals mal wieder eingerenkt und wir schlafen danach wie Engel.


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Der dreckige Track

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

97 km von Manchuan nach Shuhe

Es ist nicht kalt, aber die Sonne scheint nicht. Der Nebel hat sich verzogen und wir fahren weiter zwischen steilen, grünen Felsen, die sich im Fluss spiegeln. Dörfer und Felder, arbeitende Menschen, Vögel, die tief über der Straße flattern. Angenehme Anstiege, bestes Fahrradwetter. Irgendwie unspektakulär? Xiao Yang hat wieder frisches Obst eingekauft. Es gibt Melone, Pfirsiche, süße Ananas und die leckeren Mangos. Die Fresserei beginnt eigentlich schon kurz nach der Abfahrt.

Eine Zwischenstopp legen wir in Shangjin ein. Die alte Stadtmauer, die bei meinem letzten Besuch einen verschlafenen, weltvergessenen Eindruck machte, hat sich auf wundersame Weise vergrößert und führt jetzt komplett um die Siedlung. Alles restauriert, erneuert und für den Tourismus fertig gemacht. Innerhalb der Mauer aber scheint die Zeit stehen geblieben. Windschiefe Ziegeldächer auf Lehmziegelhäusern, liebevoll angelegte Blumen und Gemüsegärtchen. Die Beine vertreten, ein kurzer Spaziergang und weiter geht’s. Die heutige Strecke ist weit und lang. Wie lang können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Zuerst bewältigen wir das erste kleine Gipfelchen. Wobei es Hans gelingt seinen Vorsprung in der Pannenstatistik auszubauen. Ein Plattfuß. Weiter geht’s. Eine Genußfahrt fast. Bester Asphalt, schöne Anstiege, Abfahrten, die einfach Spaß machen. Das ist auch Thema während der Bratnudelpause in Guanfang.

Ach hätten wir uns doch nicht so wohlwollend geäußert! Hätten wir uns doch mehr in stiller Demut geübt! Erst geht es noch auf kleinen Wegen durch chinesisches Hinterland. Liebevoll gepflegte Dörfer mit Rosenrabatten und Blumenbeeten. Reis und Raps wird angebaut. Die Menschen schauen uns weiter staunend hinterher. Dann löst sich nach und nach die Straße auf, wird staubig, irgendwann fahren wir nur noch auf einem Geröllhaufen, dann ist die Straße ganz weg und wir müssen auf den Fluss ausweichen, der uns von oben zwar wie ein klägliches Rinnsal vorkam, uns jetzt aber doch nasse Füße beschert. Immer wieder Staub, immer wieder Wasser. Offroad schlagen wir uns durch die Landschaft. Eine Herausforderung für unser Begleitfahrzeug. Fast sieht es so aus, als würden wir scheitern als wir versuchen Xiao Yang plus Fahrzeug eine sandige Auffahrt hinauf zuschieben, nach drei oder vier unglücklichen Versuchen gelingt es schließlich einem Baustellenmitarbeiter das Fahrzeug gekonnt nach oben zu manövrieren.

Aber am Ende ist alles gut. Wir sind schmutzig, die Räder sind schmutzig (wie gut, dass wir sie heute Vormittag gewaschen haben) und wir kommen noch vor der Dunkelheit an. Schließlich haben wir für eine Strecke, für die 5,5 Stunden eingeplant waren 10,5 Stunden gebraucht. Wir machen uns schnell frisch und rennen raus um noch etwas von der historischen Altstadt Shuhes mitzubekommen. Wir stolpern im Dunkeln durch schmale und unbeleuchtete Gassen, bis wir uns entschließen den Abend bei Bier und gutem Essen ausklingen zu lassen.


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Auf nach Dingenskirchen

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

92 km von Shanyang nach Manchuan

Die feuchten Schuhe sind getrocknet, Geist und Körper ausgeruht und im Speisesaal erwartet uns ein sehr reichhaltiges und köstliches Frühstück chinesischer Art. Der Nebel hängt noch tief in den bewaldeten Hängen und Höhen als wir unsere heutige Etappe angehen. Ein bisschen schmutzig machen wir uns gleich zu Beginn, als wir uns auf schlammiger Fahrbahn der ersten Baustelle nähern. Aber wir sind ja keine Sonntagsradler und ein bisschen Straßendreck hat auch noch niemanden geschadet.

Ansonsten lassen wir es einfach laufen, denn die ersten 60 km windet sich unsere Straße tendenziell bergab durch das idyllische Flusstal. Kaum ein Auto kreuzt unseren Weg, uns begleitet nur das Surren unserer Reifen auf dem Asphalt. Bachstelzen hüpfen über die Straße, auch sonst vernimmt man von allen Seiten Vogelgezwitscher. Bis die Zikaden ihren Motor anwerfen und jedes andere Geräusch übertönen.

Xiao Yang hat alle Hände voll zu tun, um uns mit unserem Lieblings-Snack zu versorgen, einer Art Törtchen-Keks mit Marshmallow-Füllung und Schokoladenüberzug. Zwei Mal muss er heute nachkaufen. Zu Mittag stärken wir uns mit frisch gemachten heißen und kalten Nudeln. Und das Beste: Zum Nachtisch gibt es Kaffee und Kekse. Neugierig werden wir dabei beäugt von einer kleinen Schar Kinder, die Xiao Yang über die Sitten und Gebräuche der Langnasen und ihrer epischen Reise von Beijing nach Shanghai einmal mitten durch China unterrichtet. Überhaupt werden wir viel gefilmt, fotografiert, beobachtet. Mal lächelnd, mal staunend, mal starr. Gern wird man auch gefragt ob man chinesisch verstünde, denn man ist interessiert an uns und unserem Vorhaben. Es gibt also keine Berührungsängste.

Die kleine Spitze, die als kleine Herausforderung die heutige Route abschließt, meistern wir ohne Probleme. Die Idee, die Teeplantage auf dem Wipfel zu besichtigen, verwerfen wir, denn wie Rainer es so schön ausdrückt: Wir wollen alle möglichst schnell nach „Dingenskirchen“, in dem Fall Manchuan, einem kleinen Örtchen mit langer Geschichte und restaurierte Altstadt.

Fürs Abendessen wählen wir ein eher unscheinbares Restaurant in ebendieser Altstadt. Unserem kleinen, illustren Kreis werden die Spezialitäten des Ortes aufgetischt: Nudeln aus Süßkartoffelmehl, abgehängtes Rauchfleisch (über einem speziellen Holz geräuchert), Tofu nach Art des Hauses. Der Wirt versucht sich mit Rainer anzufreunden, der die angebotenen Zigarette nicht ausschlagen kann. Gefühlt die halbe Ortschaft schaut kurz rein um Fotos zu machen. Mit dem Nachbartisch müssen wir Schnaps trinken und nachdem Peter umsonst versucht die Toilette zu finden (denn es gibt keine), wird ihm kurzerhand angeboten mit dem Moped zur nächstgelegenen öffentlichen Toilette gefahren zu werden.


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Unterwegs mit einem hochevolutinierten Wesen

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

62 km von Shangluo nach Shanyang

Diesiges Wetter, grauer Himmel, opulentes Frühstücksbuffet. So beginnt unser Tag. Man würde gerne losfahren. Man würde aber auch gern bleiben, um das Frühstück häufiger genießen zu können. Als wir losfahren ist die Straße nass, aber immerhin, es regnet nicht. Wir schlängeln uns um den Fluss herum bis wir zu einer Ausfallstraße gelangen, wo wir uns von unserem Fahrer trennen müssen. Wir treffen auf eine frisch asphaltierte nahezu unbefahrene Straße entlang eines geheimnisvollen, moosgrünen Flusses, umgeben von bewaldeten Hügeln. Wenig später wissen wir, warum Xiao Yang nicht mitkonnte. Ein Mäuerchen mit einem nur schmalen Durchlass trennt die Straße und nun erinnere ich mich, dass vor genau vier Jahren hier eine riesige unüberwindbare Mauer stand, so dass wir damals keine andere Möglichkeit hatten, als bei bestem Radelwetter ins Auto zu steigen und die Autobahn zu nehmen.

Ich genieße jetzt also erstmalig diese Strecke. Ein sanfter, gut zu fahrender Anstieg in weiten Serpentinen wird von dieser recht homogenen Gruppe problemlos bewältigt. Das etwas kühlere Wetter macht den Aufstieg für 5/6 der Gruppe durchaus angenehmer. Nur Peter hadert wohl still mit den klimatischen Gegebenheiten. Kleine Weiler, parzellierte Felder, Imkereien und Pilzzuchten säumen unseren Weg. Alte Frauen verkaufen Gemüse und Kräuter am Wegesrand und amüsieren sich über die ambitioniert den Berg hinaufstrampelnden Europäer.

Auf der Hälfte der Strecke ist der Pass erreicht und der allmählich beginnende Regen begleitet und nun bis zum Hotel. Unterwegs versucht mir Hans seinen fehlenden Orientierungssinn gepaart mit einer gewissen Vergesslichkeit als evolutionäre Weiterentwicklung zu verkaufen, da derartiges durch technischen Entwicklungen (GPS, Karten etc.) obsolet geworden sei. Und eröffnet außerdem unsere Pannenstatistik. Der erste Plattfuß. Und es ist mal wieder ein klitzekleines Drähtchen, dass uns kurzzeitig die Abfahrt versaut. Peter, Diana, Hans und ich machen uns an die Reparatur und in Nullkommanichts ist ein neuer Schlauch aufgezogen und der alte repariert. Das nennt man wohl Arbeitsteilung. Kurz nach der Stadteinfahrt treffen wir den Rest der Gruppe wieder und fahren gemeinsam zum Hotel.


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Verbal-slapping in der Petergode

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

45 km von Luonan nach Shangluo

Starkregen ist angekündigt in Luonan und tatsächlich, von den sommerlichen Temperaturen, wie wir sie gestern genossen, ist nichts mehr zu spüren. Es ist kühl, grau und regnerisch. Fröstelnd fahren wir in eine Nudelbude, schlürfen Suppe, kauen Baozi und lassen uns unseren mitgebrachten Kaffee aufbrühen. Nach dem Aufbruch schauen wir uns noch die riesige Treppe an, die Diana und Thilo gestern entdeckt haben, fotografieren tanzende und schwertschwingende Frauen – verbummeln uns ein wenig, so dass mich Xiao Yang, unser Fahrer schon anruft, wo wir denn bleiben.

Die Straße ist prächtig – ich erinnere mich noch an die furchtbare Baustelle vor vier Jahren – das Wetter zum Radeln perfekt. Nur Peter, der am liebsten bei 35° im Schatten fahren würde, knabbert an den Witterungsbedingungen.

Zwei eher kurze Anstiege bewältigen wir heute, eine gute Übung für die Bergetappen, die noch vor uns liegen. Hans ist wie immer der erste und besetzt seinen Stammplatz, ein kleines Klapp – Höckerchen aus den Untiefen Xiao Yang Busses und fährt den zweiten, etwas steileren Pass gleich doppelt. Freiwillig. Pannenfrei erreichen wir unser Ziel, eine quirlige Stadt am Ufer des Han-Flusses, umgeben von dichten Wäldern, die bekannt für ihre Heilkräuter sind. Wir fühlen uns mitten in China angekommen. Touristisches Niemandsland – wann und wo haben wir eigentlich die letzte Langnase gesehen?

Ein ganzer Nachmittag liegt noch vor uns. Diana und Thilo ziehen auf eigene Faust los, ich gehe erstmal mit Peter, Hans und Rainer zu einem ausgedehnten Mittagessen. Wir bestellen zu Peters großer Freude rein vegetarische Gerichte, die uns allen ausgezeichnet schmecken, so dass Peter schon unverhohlen mutmaßt, er habe uns bekehrt. Bei kurzweiligen Gesprächen über die Verträglichkeit einzelner Blutgruppen miteinander und den besten Sitzplätzen im Falle eines Flugzeugabsturzes vergeht die Zeit recht schnell. Wir haben uns festgesessen und entscheiden uns nach dem „Festmahl im Peterschen Sinne“ gegen die geplante Teeprobe. Spazieren zum Fluss, versinken in der kontemplativen Betrachtung der Pagoden und Pavillons, die sich wie Glieder einer Kette auf der gegenüberliegenden Hügelkette reihen. Langsam reift in uns die Idee den Hügel zu besteigen. Nur Peter, der lieber fährt als läuft, ist nicht wirklich überzeugt, fügt sich aber dem mehrheitlich Entschluss.

Und mal wieder geht es treppauf, Stufe um Stufe, aber unsere Beine sind ja seit der Besteigung des Hua Shan an Treppensteigen gewöhnt. Oben offenbart sich ein weiter Blick über die gesamte Umgebung und ein Weg, der auf dem Hügelkamm von Pagode zu Pagode führt. Ein netter Spaziergang hoch oben über der Stadt. Auf dem Rückweg schlagen wir uns durch die Hinterhöfe. Neugierig beäugt werden wir und sobald wir drohen falsch abzubiegen, lautstark wieder auf den rechten Weg gebracht. „Plaudernd“ mit der einen oder anderen gutgemeinte verbalen Ohrfeige zwischendrin erreichen wir das Hotel.


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Das Auge isst mit

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

98 km vom Hua Shan nach Luonan

Es ist zwar erst halb acht als wir losfahren, dennoch ist schon jetzt zu spüren, dass es ein heißer Tag werden wird. Der Verkehr donnert und wir fahren mit. Nach etwa zehn Kilometern und der ersten Abbiegung geht es recht gemächlich los mit der Steigung. Die hohen Felswände aus Schiefer und Sandstein schützen uns noch vor der morgendlichen Sonne. Wir begleiten einen noch ungezähmten Fluss, dessen grüne Wasser grosse Gesteinsbrocken umspielen bis zum Gipfel. Uns begleitet der morgendliche LKW-Verkehr. Fast wird das für Peter zum Verhängnis, der an einer besonders engen Stelle von einem Laster touchiert wird. Gott sei Dank ist nichts schwerwiegendes passiert, weder Peter noch dem Rad.

Auch der Trend des „Slowfood“ ist mittlerweile in China angekommen, wie wir aus eigener leidvoller Erfahrung berichten können. Während Diana und Thilo sich in den kleinen Gasse von Jindui verköstigen, setzen Peter, Rainer, Hans und ich uns zu einer deftigen Nudelsuppe ins Restaurant. Der Pass ist geschafft und man gönnt sich ein Bier. Dabei beobachten wir, wie hinter unserem Tisch die köstlichsten Leckereien in die Separees im zweiten Stock gebracht werden. Unser Tisch bleibt dagegen leer. Auf mehrmaliges Nachfragen erfahren wir, dass die Nudeln für unsere Suppen gerade frisch zubereitet werden und bald kommen. Nach einer Stunde entschließen wir uns dann endlich aufzubrechen. Da geht plötzlich alles ganz schnell, innerhalb von drei Minuten steht unser Essen auf dem Tisch. Vor Aufregung spritze ich mir die Brühe in die Augen, was Peter Trocken folgendermaßen kommentiert: „Das Auge isst mit“.

Nach der Pause erwartet uns ein ziemlich beständiger Gegenwind, der die Wirkung der Abfahrt leider etwas minimiert. Umso schöner ist die Gegend. Ordentlich bestellte Felder mit Weizen, Raps und Gemüse bepflanzt ziehen sich bis zum Fuße des Berges. Lehmziegelhäuser schmiegen sich seit längst vergangenen Zeiten in die Landschaft.

Golden ist das Abendlicht als wir in die Stadt einfahren.


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Wandertag

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Wanderung auf dem Hua Shan

Wenn der lila Flieder wieder blüht, dann ist es Frühling, auch in China und damit auch die beste Zeit die beeindruckenden Gipfel es Hua Shan zu besteigen. In der morgendlichen Frische unter strahlend blauem Himmel geht es los. Der Eingang liegt hinter dem daoistischen Tempel am Fuße des Berges. Hier werden wir erstmal ordentlich mit Räucherstäbchen eingeräuchert und mit Feuerwerkskörpern beknallt. Eine ordentliche Portion blitzwaches China morgens gegen acht, wie sich das gehört.

Hinter dem Tempel geht es dann erst richtig los. Tickets kaufen, großes Sparpotential mal wieder durch Rainer, denn über 65jährige kommen fast überall verbilligt oder umsonst rein. Weitere 15 Biere kann der gute Mann nun auf sein Freibier-Konto schreiben. Dann Fingerabdrücke abgeben, China hat mittlerweile mehr Informationen von mir als Google, Karten entwertet und los. Zwischen steilen Felsklüften schlängelt sich der Weg gnadenlos bergan. Aber wir haben Schatten, Vögel zwitschern und duftende Fliederbüsche verströmen dezent ihr Aroma. Alles gut also. Wir quatschen uns den Berg hoch. Bis die ersten Stufen kommen. Ab da wird es dann doch etwas herausfordernder. Meine Gesprächsbereitschaft sinkt so ziemlich und bald beginnen auch meine Waden leise zu zwicken – ich bereue den faulen Winter, der hinter mir liegt…

Kleine Pausen mit Gebäck und Bananen geben uns Kraft und wir bewältigen unseren heutigen Tagesplan ziemlich bravurös, so dass gegen zwei auch ein Bier für alle drin ist. Danach eine letzte Anstrengung und der phänomenale Blick vom Gipfel als Lohn. Kurz dringt da der Ruf nach „Latoya“ an mein Ohr … Hm, ich muss mich wohl getäuscht haben…

Für den Rückweg entscheiden wir uns dann doch schweren Herzens für die Seilbahn, zu gerne wären wir die ganzen Stufen wieder hinab gelaufen, so als kleinen Test der Belastbarkeit unserer Knie. Die Vernunft siegt aber und wir genießen die hohen Berge nun noch von ganz oben aus der Luft.


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Pannenfrei und mit Bier

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

102 km zum Hua Shan

Zählen 37 und 13 km als vollwertiger Radtag? Oder sollte man das eher als Testlauf betrachten? So oder so, heute standen insgesamt 102 km auf dem Plan, mit dem ein oder anderen kleinen Anstieg als Vorgeschmack – es geht also langsam los mit der Fahrt. Dementsprechend früh sitzen wir im Sattel, lassen den ersten Kaiser bzw. seine Tonsoldaten links liegen und fahren in östliche Richtung zum heiligen Berg des Westens, dem Huashan.

Es geht zügig voran, nach 20 km beim ersten Zwischenstopp versorgt uns Xiao Yang mit Äpfeln und Bananen. Dann geht es weiter. Die Gegend wird ländlicher Obstplantagen und Weizenfelder wechseln sich ab, kleine Ortschaften passieren wir. Alte Männer sitzen zum kurzen Plausch am Straßenrand, an schattigen Plätzen wird schon mal die eine oder Runde Majiang gespielt.
hier ist der Frühling in vollem Gange: Alles blüht. Kilometerweit fahren wir durch lilafarbene Blütenhaine. Es duftet überall, nur in der Mittagszeit mischt sich ein leckerer Essensgeruch nach Sichuanpfeffer und gebratenem Fleisch darunter. Bevor wir aber für das Mittagessen bereit sind, ereilt uns der erste Schock: Hans hat sein Handy verloren! Obwohl er einen Teil der Strecke nocheinmal abfährt, das Gerät ist und bleibt verloren.

Frisch gemachte Nudeln gibt es. Es ist zwar erst halb 12, aber wir haben mehr als die Hälfte der Strecke schon geschafft und haben außerdem schlicht und ergreifend einfach Hunger. Gebratene Nudeln und lange, breite Bandnudeln gibt es, eine Spezialität hier, für die Rainer und ich uns entscheiden. Vier Nudeln pro Person werden uns zugetraut und im Nachhinein bleibt zu sagen, die Schätzung war ziemlich realistisch. Und Bier darf natürlich nicht fehlen. Seitdem ich meiner Gruppe in Xi’an ein natürlich bierloses muslimisches Restaurant zumutete, ist sie, was derartige Experimente angeht, etwas sensibel. Es gibt also Bier. Und frischen Knoblauch (für alle). Und danach? Ein altes neues Handy in Hans‘ Satteltasche.

So gesättigt und erleichtert kommen wir recht früh am Fuße des Huashan an und genießen unser kühles Schmutzbier.


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Es wird Regen geben oder wo ist Latoya?

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Terrakotta-Armee, 58 km

Über das ideale Radreisewetter hat ja jeder so seine eigenen Ansichten: Die einen mögen es lieber kühl, die anderen hätten am liebsten 30 Grad im Schatten und wieder andere wünschen sich zumindest einen Regentag, um die neuen wasserdichten Socken zu testen. Nun: Harald S. (Anm. der Red.: Name geändert) kann sich freuen, heute war dieser Tag gekommen. Der Regentag. Unheilvoll verdichtet sich eine blaugraue Wolkenwand am Himmel über der Grabgarde des ersten chinesischen Kaisers. Nichts Gutes ahnend richtet Peter seinen Blick gen Himmel. Wir essen auf dem bunkeresken Vorplatz der Ausstellungshallen unser Eis.

Gerade eben haben wir es geschafft uns aus der „Exhibition Hall“ zu retten. Im dichten Gedränge waberten wir einmal an den beiden bronzenen Kultwagen aus Qinshihuangdi“s meganomaner Grabanlage vorbei. Nicht ohne Zeugen der Aufregung um eine gewisse Latoya zu werden. Aus verschiedenen Richtungen der, in der dunklen Röhre fast undefinierbaren homogenen Masse, ertönten raue Rufe. Laut. So laut, dass selbst ein chinesisch/ internationaler Pulk mit Leichtigkeit übertönt wird. Latoya, Latoya immer wieder. Doch von der ominösen, geheimnisvollen Latoya keine Spur. Welche Latoya denn nun nur? Latoya Jackson vielleicht? Dieses Rätsel wird für immer ungelöst bleiben. In der Zwischenzeit haben wir es zum Ausgang geschafft und verzehren bei beginnendem Regen unser Eis.

Und letztendlich ist es an der Zeit am vereinbarten Treffpunkt die anderen wieder zu treffen. Mittlerweile ist der Regen stärker geworden und wir lassen uns mit der strömenden Masse mittreiben. Richtung Ausgang. Dumm nur, dass der Treffpunkt am Eingang liegt und blöd auch das wir, Susanne L. , Christoph P. und Martin H. (Anm. der Red.: Namen geändert), offenbar keinen Orientierungssinn haben und verloren im Regen und in Pfützen rumtapsen. Aber wir haben zwei(!) GPS und so finden wir dennoch zu den Rädern, wo die anderen schon einträchtig warten, nur Harald S. ist traurig: Er hatte keine Socken an.

Für vier von uns endet der Abend beim leckeren Feuertopf. Keinen Finger müssen (oder besser dürfen) wir rühren. Sobald wir Anstalten machen, werden uns Stäbchen, Teller und Kelle aus der Hand gerissen. Der Koch hat auch seinen Spaß, die Kleinkinder hingegen halten neugierigen Abstand.


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