Museumsdorf und die neue Frisur

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Endlich mal ein Tag mit einem entspannterem Programm. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Tag mit 30 km Fahrradfahren inklusive Museumsdorf- und Tempelbesuch so bezeichne. Nach einer Fahrt durch ein Steinmetzdorf, was sich auf die Herstellung von Grabsteinen spezialisiert, die natürlich nur für Urnen gedacht sind, da lediglich das Kremieren von Verstorbenen erlaubt ist. Das ist eigentlich völlig gegenläufig mit der chinesischen Tradition der Ahnenverehrung. Aber für diesen ganzen Kulte und Rituale hat die KP China ja sowieso nicht viel über.

Eingepudert vom Stein- und Straßenstaub kamen wir nach ca. 19 km an dem „Museumsdorf“ Tuanshan an. Was der Aufmachung und äußeren Erscheinung nach zu urteilen eher wie ein Antik-China-Disneyland wirkte entpuppte sich aber als ein interessanter und persönlicher Einblick in die Lebensweise und Geschichte der Yi-Völker in diesem Dorf. Eine nette Bewohnerin (natürlich Han-Chinesischer Abstammung) führte uns durch das Dorf. Es war alles andere als leer und inszeniert. Die Häuser sind zum Großteil noch bewohnt und die wichtigsten Gebäude sind für die Öffentlichkeit zugänglich. So kann man die Häuser der ehemaligen Reichen und Schönen des Dorfes begutachten und sehen was aus ihnen nach der Umverteilung durch den Kommunismus geworden ist. Das Gemach des Sohnes in einem der größeren Häuser ist zum Beispiel in einen Hühnerstall umfunktioniert worden. Das Dorf galt früher als sehr kultiviert und hat seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts eine Schule. Der finanzielle und kulturelle Standard der damaligen Zeit drückt sich auch heute noch in den 4 Frauen im Dorf aus, die immer noch mit gebundenen Füßen durch die Dorfgassen humpeln haben. Eine Klasse aus der Wuhan Kunst Universität war auch anwesend und versuchten den Zauber der vergangenen Zeit festzuhalten. Um dem Cliché zu bedienen spielten beim Mittagessen an unserem Nachbartisch die Mädchen fleißig Mah-Jongg. Auf dem Rückweg machten wir noch einen kurzen Abstecher beim Huanglong Tempel und der „Doppel Drachen Brücke“, an der zu viele Touristen waren und wir unser Pflichtfoto machten und lieber schnell geflüchtet sind.

Den Nachmittag hatten alle nochmal für sich um das nette Städtchen zu erkunden. Zum Abendessen präsentierten uns Sabine, Ruth und Claudia stolz ihren neuen Haarschnitt, den sie für insgesamt ca. 3€ bekommen haben. Sehr schick die Damen!


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Ewige Freude!

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

1000 Jahre Geschichte abgearbeitet. Vom Himmelstempel auf das Tor des Himmlischen Friedens, zur Verbotenen Stadt und dann noch die Vogelperspektive vom Jingshan, und das meistens in Ewiger Freude. Das war nämlich die Devise des dritten Ming-Kaisers, der die Hauptstadt nach dem kurzen Intermezzo von Nanjing („Südliche Hauptstadt“) wieder nach Beijing („Nördliche Hauptstadt“) verlagerte und letztendlich für Struktur und wichtigste Bauten des alten Peking verantwortlich ist. Die Spuren dieses Kaisers aus dem beginnenden 15. Jahrhundert – Yongle – dominieren noch heute das Stadtbild, auch wenn die Moderne immer aufdringlicher in die traditionelle Achse von Beijing hineinwuchert.

Das Kulturprogramm dieses Tages kann einen erschlagen, aber wir hatten wieder fantastisches Wetter und waren lustvoll aber nicht überambitioniert. Also was man sich wünscht als Reiseleiter. Die Ersten haben sich bereits China-Devotionalien an die Kleidung geheftet. Uns allen ist bewusst, dass wir den Chinesen beim Fotoshooting Lichtjahre hinterher sind, hier ist der Mensch der Mittelpunkt des Geschehens und kann das Lächeln in endlose Längen ziehen, bei uns gefriert das natürlich in Sekunden, aber wir geben alles. Ab und zu wird man nett eingebunden in diese Posen (z.B. von einer Tupperware-Gesandtschaft aus Malaysia, im Himmelstempel, was es nicht gibt…).

„Abgearbeitet“ war also schon mal das falsche Wort. Die meiste Zeit sind wir geschlendert, viel auch wieder durch Hutong-Gebiete, wo man am liebsten an jeder Ecke stehen bleiben möchte. Tauben ziehen ihre Kreise über den Altstadtvierteln, leise und ohne das früher charakteristische Surren der kleinen Röhrchen am Hals, das muss abgeschafft worden sein. Alte Männer tragen ihre Vogelkäfige spazieren. Und abends haben wir opulent diniert, im CBB-Stammlokal in der Naluoguxiang. Jetzt sind fast alle bei der Massage. Die Blinden, die in dem Laden früher massiert haben, sind einer Handvoll Mädchen gewichen, die werden das auch können.

Links vom Mt.Everest

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Ich bin spät dran, ich weiss…

Doch Warteschleifen haben auch etwas Gutes. Wenn man zum Beispiel, wie beim Anflug auf Kathmandu, dreimal an Lotse und Mt. Everest vorbeischwebt. Mit zwei Stunden Verspätung sind wir dann alle gut in Kathmandu gelandet und werden begrüßt von strahlender Sonne, viel Bürokratie und großen Schildern „Visit Nepal Year 2011!“. Zuvor muss der willige Besucher aber durch ein Nadelöhr bei der Visabeantragung (eine Stunde) und beim Zoll (nur 10 Minuten). Immerhin, das Gepäck ist dann schon da, und auch die Räder scheinen unversehrt angekommen zu sein. Ein geräumiger Bus bringt uns durch holprige Straßen und immer haarscharf am nächsten Motorradfahr vorbei ins Kantipur Tempel House, einem stilvollen Boutiquehotel im Stadtzentrum. Wir sind in Kathmandu, erst einmal nur auf Durchreise. Nach einer Nacht geht es weiter nach Lhasa und dann nehmen wir den Friendship Highway von Lhasa nach Kathamandu unter die gut aufgepumpten Räder. In guten drei Wochen werden wir wieder in Kathmandu sein.

Das Wetter meint es auf jeden Fall erst einmal gut mit uns, die Sonne schickt intensive Strahlen auf den immerhin 1.300 Meter hohen Boden, und wir nutzen nach einer kurzen Ruhepause den lauschigen Nachmittag, um uns durch das nepalesisches Feiertagsgedränge zu schieben – Es ist Neujahr, genauer gesagt begann gestern das Jahr 2068. Eingeführt wurde der Kalender und die damit verbundene Zeitrechnung vom Herrscher Vikramaditya im Jahre 56 vor unserer Zeitrechnung. Der gute Mann war Inder und so haben viele Nepali den Grund ihrer offziellen Zeitrechnung verdrängt. Mit den Indern sind die Nepali nicht so richtig grün. Wie sagte Subechhya, die polyglotte Tochter von Borat Basnet, dem Besitzer des Kantipur Tempel Houses und Umweltaktivisten so schön: Für die Nepali ist die Anwesenheit Chinas in Tibet gar nicht so tragisch, das hält wenigstens die Inder davon ab, Ansprüche auf Nepal zu stellen.

Aber Politik ist vorerst nicht das Thema des heutigen Tages. Wir schlendern durch die Altstadtgassen Kathmandus zum Dhurban Square, dem Platz der Könige. Seit drei Jahren ist Nepal jedoch kein Königreich mehr und der König privatisiert. Äußerst unwahrscheinlich, dass er also in seinem Palast ist. Dafür sind, so scheint es, alle ehemaligen Untertanen auf dem Platz und genießen die freien Tage bei einem Bummel. Aus luftiger Höhe sieht das, auf der Dachterrasse eines Cafés bei einem Yoga Cocktail (Limette, Ingwer, Wodka und Soda), recht bunt aus. Wir lüften den Jet Lag durch und genießen die Sonne.

Abend sind wir dann Gäste von Subechhya und Borat Basnet im Bhojan Griha. Ich bin kein Fan von Tanzveranstaltungen während des Essens, aber die kurzen jeweils fünfminütigen Tänze, die im Bhojan Griha im Turnus zwischen den verschiedenen Speisezimmern aufgeführt werden, sind genau die richtige Dosis Kultur zum Essen und vor allem authentisch, kein touri-weichgespültes Gehampel. Das Bhojan Griha, von der Basnet-Familie vor mehr als zehn Jahren gegründet, ist ein Restaurant in einem mit viel Liebe restaurierten historischen Gebäude, und bietet traditionelle nepalesische Küche, unverfälscht, lecker und überwiegend in Ökoqualität. Diese garantiert Subechhya Basnet, die im Kontakt mit den wenigen ökologisch ausgerichteten Farmern in Nepal ist, sie berät und versucht konventionelle Bauern von einer Umstellung auf Ökolandbau zu überzeugen. Subechhya bewirtschaftet selbst ein kleines Stück Land in der Nähe Kathmandus– nach streng ökologischen Gesichtspunkten. Mit der Ernte versorgt sie nicht nur das Restaurant, sondern betreibt einen Bioladen im Eingangsbereich. Studiert hat sie in Deutschland und den USA, und hat ihren MBA zurück nach Nepal mitgebracht. „Sicher könnte ich in der freien Wirtschaft viel mehr Geld als jetzt verdienen“, erzählt sie. „Nachhaltiges Wirtschaften in Nepal zu propagandieren ist zwar mühsam, macht aber viel mehr Spaß!“ Ihre Kundschaft wächst auf jeden Fall stetig und auch das Restaurant ist außerordentlich gut besucht. Kein Wunder: Jede Mahlzeit besteht aus zehn kleinen Probiergängen, von der herzhaften Hühnersuppe bis hin zum leichten Kartoffelcurry. Alles schmeckt frisch und ausgewogen. Dazu probieren wir auf Empfehlung von Borat einen nepalesischen Wein, der verspricht (auf dem Etikett) gesund zu sein und den Organismus zu kräftigen. Ob er uns nun über den nächsten 5.000er Pass hilft, ist fraglich. Aber er schmeckt, wie ein kalter Glühwein, nur nicht ganz so süß. So vergehen drei kurzweilige Stunden bei Speis, Gesang, Tanz und einer angeregten Diskussion mit Borat und Subechhya über die Aussichten, nachhaltigen Tourismus in Nepal zu etablieren und die Innenstadt von Kathmandu zu einer Fußgängerzone umzugestalten. Doch davon mehr, wenn wir in drei Wochen wieder zurück in Nepal sind. Jetzt ruft uns mit aller Macht das Schneeland und morgen um 10:30 Uhr bringt uns hoffentlich der Flieger ein viertes Mal sicher am Mt. Everest vorbei – nach Lhasa.