Xuexi Lei Feng…

…hao bangyang („Lerne von Lei Feng, dem guten Vorbild“). Che und ich kommen gerade von einer kurzen Erkundung aus der Inneren Mongolei zurück, jetzt sind wir wieder in Datong/Shanxi. Das Lied von Lei Feng haben wir des Öfteren gesungen, wir waren schließlich mit Meister Gou von der Lei Feng-Autoflotte unterwegs. Der kleine Yuan, sein 11jähriger Sohn, war auch mit von der Partie.

Meister Gou war ein selbstloser Fahrer, für ihn und seinen Sohn waren es ein paar große Tage. Bis hoch an die mongolische Grenze! Gute Unterhaltung für alle Beteiligten. Wenn es dem Jungen mal langweilig wurde, dann reckten er und sein Vater die Faust und riefen: Jianchi jiu shi shengli („Nur Beharrlichkeit führt zum Erfolg“)! Lei Feng wäre stolz gewesen. In seinem jungen Leben soll er ein Muster an Patriotismus und Selbstlosigkeit gewesen sein, nachdem er mit 22 bei einem dummen Unfall ums Leben kam wurde er zum Poster-Boy des kommunistischen China gemacht.

Wir sind ein paar Strecken für die Gruppe abgefahren, die in Berlin gestartet ist und bald von der Mongolei aus in China einfällt. Ich hoffe sie haben noch nicht genug von der weiten Steppenlandschaft, für uns war das ziemlich besonders. Es wogt und windet. Die wenigen Häuser stemmen ihre fensterlosen Rückwände trotzig dem Norden entgegen. Viel los ist hier nicht, fast wie in Xinjiang, 20 Menschen kommen in der Inneren Mongolei auf den Quadratkilometer. Zu jedem Essen werden Knoblauchzehen gereicht, bei so wenigen Menschen stören die Konsequenzen ja auch niemanden.

Gestartet sind wir von der Gelben Löß-Ebene, hineingekommen sind wir in die Steppe. Das Grenzgebiet der Provinzen Shanxi und der Inneren Mongolei bezeichnet die Schnittstelle zwischen Ackerbau und Nomadentum (man beachte hierzu bitte die feine Symbolik auf dem Foto mit den Kamelen) – also seit jeher die Grenze zwischen gänzlich verschiedenen Lebensweisen. Vieles deutet nach wie vor darauf hin, die Han-Mauer aus Lehm, die Wachtürme, die administrative Bezeichnung der Bezirke als „Banner“. Zur Zeit der Qing-Dynastie wurden die Mongolen von den Mandschus – ebenfalls ein Nomadenvolk, aus dem Nordosten – in deren Banner-System integriert. Oben an der Grenze haben wir erstmal Bundesliga-Konferenz gehört, da geht einem doch immer wieder das Herz auf.

Peking

Südlich der Wolken, 06.08. bis 28.08.2011

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Hinweis: Die Blogeinträge für diese Tour schreiben die beiden Teilnehmer Erwin und Julie. Veröffentlicht werden sie zunächst in ihrem privaten Blog ritzmann-in-china. Wir danken sehr herzlich und mit Nachdruck für die Erlaubnis zum Abdruck!
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Nach 8 1/2 Std sind wir punkt 03:00 (09:00 Ortszeit) in Peking gelandet. Etwas verspätet, da der Abflug wegen heftiger Gewitter in Frankfurt verzögert wurde. Wir sassen das erste mal auf einem Flug in Sitzreihe 90, im hintersten Abteil des A380. Die Einreise in Peking verlief ohne Probleme und wir konnten nach knapp einer Stunde schon unser Taxi besteigen, welches uns in unser Hotel brachte. Da der Taxichauffeur nur wenige Brocken englisch verstand, drückten wir ihm eine chinesische Karte in die Hand, worauf die Stelle des Hotels markiert war – na ja, die letzten 250 m haben wir dann noch zu Fuss zurückgelegt.

Im Hotel mussten wir feststellen, dass die Internetverbindung unseren Blog nicht anzeigt (nicht downloaden kann). So versuchen wir nun, via I-Pad einige Zeilen zu schreiben und mit einigen ersten Fotos zu illustrieren – für uns im Moment ein absoluter Blindflug, da wir den Blog nicht betrachten können…

Well, here we are in Peking, having had two good flights (the catering on the flight to Frankfurt left a lot to be desired – juice and a biscuit!) The A380 was great though, an empty seat in between and plenty of space. It’s hot and humid here, the hotel is in the old town, but is quiet and clean and has got working a/c. The rest of the group arrived, all a bit younger and fitter looking, we’ll find out more later.

Well, I was right, Erwin’s the most senior, but as far as cycling goes, we’ll probably fit in the middle. We all walked up to the old drum and bell towers this afternoon and then, finally all sat down for an absolutely delicious meal in a rooftop restaurant. Now we can’t keep our eyes open any longer, so I’ll say wan an – or goodnight.

Die Mauer und das Vogelnest

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Hier kommt nochmal Monika zu Wort und es geht um unseren schönen Abschlusstag gestern. Heute ist Abreise und alles driftet schweren Herzens auseinander, Frank und Lutz habe ich bereits zum Flughafen gebracht, wir anderen sammeln uns gerade in den ruhigen Innenhöfen des Lüsongyuan-Hotels. Gleich ein letztes gemeinsames chinesisches Essen. Es war eine gelungene Tour, da muss man nicht viel drumherum reden. Dieter, danke für Deine Mühen und Technical Support, Monika, danke für Deine Kreativität, Hermine, Martin, Michael, Frank, Lutz: danke dass ihr dabei und so unkompliziert ward. Alle sind sie spätestens morgen früh daheim, hoffe ich mal, ich selber fahre noch für eine Woche in die Innere Mongolei und erkunde dort einige Routen, mit Che zusammen (vielleicht schreibe ich einen Eintrag darüber, mein Mitteilungsbedürfnis wird langsam pathologisch). Also, Monika:

Unser letzter gemeinsamer Tag. Und es wird ein besonders schöner. 70 km im Norden von Peking dürfen wir fast völlig alleine ein Stück auf der ‚wilden‘ Mauer entlanglaufen. Nur ein paar Libellen begleiten uns. Steil geht es bergauf und bergab. Die Landschaft um uns herum ist traumhaft grün, fruchtbar und hügelig. Wir können die Mauer weit, weit mit den Augen verfolgen. Von einem Horizont bis zum nächsten. Keine gerade Linie, sie windet sich am Grat entlang, schlängelt sich durchs Tal, wird durch einen See mit Flußlauf unterbrochen. Immer wieder von Wachtürmen begleitet. Mal ein Stück restauriert, dann wieder grün überwachsen und zerfallen. Eines der größten Bauwerke der Menschheitsgeschichte. Ich sehe sie das erste Mal: Gänsehaut bei 35° Grad.

Ein kleines Restaurant grillt uns einen Fisch und außerdem gibt es Esel. Mit Sojasoße. Frank schluckt und verzichtet. Ein Zimmer gäbe es auch zu mieten. Vom Bett aus hat man eine sensationelle Sicht auf die Mauer. Falls das zu langweilig ist – da wären auch noch zwei Fernseher. Jan veranstaltet ein kleines Feuerwerk. Böller, Rauch, Schwarzpulvergeruch. Die Reise ist zu Ende. Alle Heil. Kein Sturz. Gratulation!

Auf der Rückfahrt dann noch das Olympiagelände mit Vogelnest. Jetzt also wieder ein völlig anderer Baustil. Neueren Datums- aber auch spektakulär. Über die Tartanbahn flitzen Touristen mit Rollatoren. Von einem Extrem ins andere. Das hatten wir auf der Reise schon oft. Und noch ein Highlight. Was isst man in Peking? Genau! Ente! Der Koch zelebriert. Schneidet die Haut filigran vom Vogel. Zerlegt ihn scheibchenweise und setzt ihn ohne Knochen wieder zusammen. Es schmeckt so wie die ganze Reise war. Eigenständig. Nicht vergleichbar mit anderen Dingen. Großartig!
Mein persönliches Fazit der Reise. Ich habe ein ganz anderes China kennengelernt. Wilder, trockener und realer. Nicht lieblich. Manchmal und für manche von uns zu real. Aber auch schroffe Landschaften haben ihren Reiz. Wir haben über Hitze und Kohleminen geschimpft, standen fassungslos vor dem Anblick des Karakorum und ich kann mich auch noch gut an den glänzenden Mondsichelsee im Abendlicht erinnern. Die mythischen Märchen, die flammenden Berge. Und..und..und. Keine gemeinsame Jurtenübernachtungen mehr und was soll ich bloß zu Hause essen? Nur ein Gericht? Selber aussuchen? Nicht mehr Stäbchenstochern?

Und ich fand unsere Gruppe toll. Jan kannte ich – den Rest nicht. Ich habe alle ins Herz geschlossen. Ob ich wohl ohne GPS ins Büro finde?

Immer schöne Aussichten

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Kühl hier in Beijing, wenigstens wenn man das Thermometer begutachtet. Gerade mal 30 Grad, da müssen wir Wüstenfüchse uns doch ein Lachen verkneifen. Der Temperatursturz wird allerdings durch die Luftfeuchtigkeit wettgemacht, als wir aus dem Flugzeug stiegen lief der Schweiß, das muss man zugeben. Heute aber war es luftig, ein Luftkurort, dieses Peking. Der Smog wurde weggeblasen und wir hatten eine gute Sicht in alle Richtungen, und das obwohl der Himmel bedeckt war. Immer schön, über das Wetter zu reden, oder? Wie man hört war der Juli ja recht durchwachsen in Deutschland.

Eine gute Aussicht hat man z.B. vom Aussichtshügel (Jingshan) direkt nördlich der Verbotenen Stadt. Lang lang ist es her, da hieß man ihn den „Berg des langen Lebens“ (Wansuishan). Zumindest bis sich der letzte Ming-Kaiser dort einsam und verlassen erhängt hat, danach fand man den Namen unpassend. Unter Ausländern spricht man vom „Kohlhügel“ und dafür gibt es keinen Grund von dem ich wüsste, vielleicht wurde am Fuß des Hügels mal Kohle gestapelt und ein ausländischer Gesandter fand das besonders spannend. Im Park um den Hügel ist heutzutage immer was geboten, unter anderem Gesang und Geschrei (hört sich für die meisten von uns ja ähnlich an, klassische chinesische Musik eben). Von den Pavillons auf dem Hügel gibt es großartige Perspektiven, in erster Linie natürlich vom Palastgewirr der Verbotenen Stadt, von alten Bauten wie dem Trommelturm oder der Weiße Pagode im Beihai-Park. Aber heute hatten wir auch gute Sicht auch auf neue Wahrzeichen der Stadt. Beijing kann sich in dieser Hinsicht vielleicht nicht mit Shanghai messen, aber der Jet-Set internationaler Stararchitekten darf sich auch hier austoben, mit mal mehr und mal weniger glücklichen Ergebnissen: das Nationaltheater von Paul Andreu liegt wie ein UFO inmitten eckiger Formen und Harmonien, das CCTV-Gebäude von Rem Kohlhaas beherrscht in der Ferne das Geschäftszentrum der Stadt. Gestern sind wir wieder durch das monumentale, futuristische Terminal 3 des Hauptstadtflughafens gewandert, welches von Norman Foster entworfen und 2008 fertiggestellt wurde.

Vom Tor des Himmlischen Friedens schließlich hat man einen guten Überblick auf den größten innerstädtischen Platz der Welt – den Tian’anmen Guangchang – mitsamt den pompösen Bauten drumherum (Neugestaltung des Nationalmuseums: Gerkan und Partner). In der Verbotenen Stadt dagegen ist alles beim Alten, wenn auch mittlerweile das meiste schön und filigran restauriert. Viele Menschen verlieren sich irgendwann in den gewaltigen Weiten der Anlage. Aber das dauert eine Weile, der Rummel wird immer mächtiger und nach einem richtig ruhigen Plätzchen muss man schon suchen, weit drinnen in den Nebenpalästen. Wenn man z.B. ein Nickerchen machen will… Der Himmelstempel ist weniger dicht, viel Grün und mehr Luft zum Atmen.

Also volles Programm heute, und das bei wenig Schlaf und viel Lauferei. Konditionell ist die Truppe in einem Top-Zustand, zäh und erfahren auch im Umgang mit kulturellen Dingen. Akrobaten-Show abends, kein Problem, nur her damit. Aber schon das Zuschauen: unfassbar, diese Verbiegerei, diese Schwerelosigkeit und diese Kraft. Wenn man selber gerade mal einen Purzelbaum hinkriegt und drei von vier Rollen rückwärts scheitern.
Die Nacht umschmeichelt Beijing, ein spätes Abendessen auf einer Dachterrasse und von unten die Polyphonie der chinesischen Hauptstadt.

Die Duftende Konkubine

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Heute Morgen waren wir am Grab von Ikparhan, der Duftenden Konkubine. Sie liegt vereint mit vielen ihrer Vor-und Nachfahren im Abakh Hoja-Mausoleum, benannt nach ihrem gerühmten Großvater, der im späten 17. Jahrhundert Führer über die Oasenstädte des westlichen Tarim-Beckens war. Die Westgebiete hatte sich das chinesische Kaiserreich bereits zur westlichen Han-Dynastie, im 2. Jh. v. Chr., Untertan gemacht. In der Folge war das heutige Xinjiang mal mehr, mal weniger unter chinesischer Kontrolle. Mongolische, tibetische, osttürkische Herrscher wechselten sich ab in ihrer Herrschaft über Khanate und über Verbünden von Oasenstädten und waren zumeist vom chinesischen Kaiserhof geduldet (dessen Motto: „mit den Barbaren die Barbaren regieren“). Erst im 18. Jahrhundert, unter dem Qianlong-Kaiser, wurden die Zügel wieder gestrafft. Xinjiang wurde Provinz mit einer chinesischen Bürokratie, und das war die Zeit, in der dem Kaiser die Duftende Konkubine aus Kashgar zugeführt wurde. Was mit den beiden geschah, ist eine Frage der Interpretation: eine Version lässt sie den Annoncen des Kaisers standhaft verweigern, bis dessen Mutter sie schließlich zum Selbstmord trieb. Eine andere Version sagt ihr eine tiefer Zuneigung zu ihrem neuen Herrn nach, und ein hohes Alter. Die Bandbreite reicht also von uigurischer Joanne D’Arc bis zum Symbol freiwilliger Unterwerfung.

Bis heute ist sie für viele Uiguren ein Symbol ihres Unabhängigkeitskampfes. Es war wahrscheinlich nicht die Sehnsucht nach Unabhängigkeit, welche die jüngsten Unruhen verursacht hat: vor zwei Wochen gab es viele Tote in Hotan, am südlichen Rand der Taklamakan, in den letzten Tagen dann in Kashgar. Explosionen, Messerstechereien, die Gründe sind in beiden Fällen bisher ungeklärt bzw. wieder eine Sache der Interpretation. Die kulturellen Unterschiede zwischen Han-Chinesen und Uiguren sind groß und die Kontrolle in Politik und Wirtschaft wird zu einseitig gehandhabt. Die Spannung ist greifbar. Wir kamen mit beiden Gruppen gut zurecht, aber gemischt findet man sie eigentlich nie an. Von den Anschlägen haben wir erst heute Morgen mitbekommen, das Militär war plötzlich omnipräsent, ganze Stadtteile waren abgeriegelt und Straßensperren wurden errichtet. Äußerst martialisch. Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass die Vorfälle kurz vor dem Hilal passierten, dem gerade zunehmenden Mond, welcher in diesen Tagen den Ramadan einläutet. Die Atmosphäre wird dadurch zusätzlich aufgeladen.

Man könnte noch so viel schreiben über die Provinz, über die Widersprüche und ihrer Einzigartigkeit. Von den unwirklichen, lebensfeindlichen Landschaften und die grünen Oasen. Ich glaube wir alle waren fasziniert von ihr. In Kashgar sind wir zum Schluss auf das Dach eines hohes Wohngebäudes gestiegen und haben in der Ferne die Schneeriesen des Karakorum bewundert, den Kongur und den Mustagh Ata. Nördlich davon den Hohen Pamir. Hermine hatte glänzende Augen, und Martin hat voller Sehnsucht in Richtung des Khunjerab-Passes geschaut, auf pakistanischer Seite standen die beiden schon und haben sich überlegt, wie es wohl in Kashgar so ist. Jetzt wissen sie es, es ist inspirierend, trotz der halb-abgerissenen Altstadt, trotz den Unruhen der letzten Tage. Statt dem Karakorum-Highway aber jetzt schnöde ab ins Flugzeug, immer nach Osten.