In den Tunnel. Über den Berg

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Von Haean nach Girin. 110 Kilometer, 55 davon mit dem Rad. Sonne!

Der erste Tunnel wurde Ende 1974 zufällig von einer südkoreanischen Militärpatrouille entdeckt. Dampf quoll aus der Erde und bei der Entdeckung wurde sofort scharf geschossen. Fünf Tage später glaubte man den Tunnel ausreichend gesichert und „gesäubert“ zu haben, aber bei einer ersten Begehung wurden zwei Soldaten, ein US-Amerikaner und ein Koreaner durch einen verborgenen Sprengsatz getötet.

Der zweite und vierte Tunnel wurde auf ähnliche Weise gefunden. Man war inzwischen wachsam geworden, hatte gelauscht und gegebenenfalls Gegenbohrungen vorgenommen. Die Bohrlöcher wurden während den Bohrungen ständig mit Wasser gefüllt. Entwich das Wasser plötzlich im Erdreich war klar, dass man auf einen Tunnel, zumindest auf einen Hohlraum, gestoßen war.

Nur der dritte Tunnel, der wurde von einem Nordkoreanischen Überläufer 1978 verpetzt. Das war auch der gefährlichste, denn er befindet sich nur 44 km von Seoul entfernt. Bei einer Breite und Höhe von 2 Meter hätten 30.000 Soldaten mit leichter Bewaffnung pro Stunde durch den Tunnel in südkoreanisches Territorium eindringen können.

Den vierten Tunnel hat man erst 1990 entdeckt. Im Punchbowl, nur knapp 5 Kilometer vom Örtchen Haean entfernt. Er ist zugänglich für Touristen und somit war es ganz logisch, dass er zu unserem Vormittagsprogramm gehören sollte.

Der Wetterbericht sollte auch für heute recht behalten, keine Niederschläge, lockere Bewölkung und bis zu 18 Grad waren angekündigt. So standen auch nur ein paar vereinzelte Wolken am Himmel, als wir uns um halb neun trafen. Unser minbak bietet kein Frühstück an, daher hatten wir uns am Vorabend mit Proviant versorgt und jeder hatte auf seinem Zimmer gefrühstückt.

Vor dem Tunnel stand eine Observationsstation auf dem Programm. Mit dem Bus. Meine ursprüngliche Überlegung den kleinen Ausflug dort hoch zukünftig mit den Rädern zurück zu legen habe ich mir ganz schnell wieder aus dem Kopf geschlagen. Ganz davon abgesehen, dass nur registrierte Kraftfahrzeuge die Strecke passieren dürfen: die Straße windet sich extrem steil nach oben, auf nur 6 Kilometer werden 600 Höhenmeter zurück gelegt. Also an vielen Abschnitten mit über 10% Steigung!

Nach 20 Minuten hatte uns der Bus von 400 Meter über NN auf über 1040 Meter katapultiert. Wir waren quasi am nördlichen Tellerrand der Punchbowl angekommen. Hier oben ist man direkt an der Grenze zur demilitarisierten Zone (ein vier Kilometer breiter Grenzstreifen) und hat einen schicken Ausblickt nach Nordkorea. Zumindest aus der Beobachtungsstation, die man hier oben für Besucher errichtet hat. Das Häuschen ist eingerichtet wie ein Theater, mit nach hinten ansteigenden Stuhlreihen. Vorne gibt es statt der Bühne eine große Fensterfront. Und dahinter einen grandiosen Ausblick auf … unbesiedelte Berge 🙁
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Das also ist Nordkorea!

Nun gut, die eine oder andere militärische Einrichtung des Feindes lässt sich schon erkennen. Nur nicht mit dem bloßen Auge, wie uns ein Soldat anhand eines Modells der Umgebung erläutert. Hier ein kleiner Stützpunkt, dort ein Horchpöstchen. Alles weit weg und gut getarnt. Anschließend bekommen wir noch ein Video vorgeführt, in dem das Teleobjektiv der Kamera die bereits erwähnten Objekte heran zoomt.
Es ist kalt hier oben zu dieser Jahreszeit, so kalt wie der Krieg zwischen den beiden Landesteilen.

Nummer zwei der Morgenvisite ist der Anfangs erwähnte Tunnel. Auch dort fahren wir mit dem Bus hin. Während Francoise auf den guten Rat ihres ständigen Begleiters Klausi hört und auf einen Einstieg verzichtet begibt sich der Rest der Gruppe in die Höhle des Löwen. Die ersten 150 Meter sind easy, da läuft man durch eine bequeme Röhre, die ein deutscher Diamantbohrer durch den Granit getrieben hat (der südkoreanische Stichtunnel), bevor man den nordkoreanischen Tunnel erreicht. Diesen muss man in einer kleinen Grubenbahn auf ebenfalls 150 Meter befahren. Und er ist nahezu winzig, jedenfalls in diesem Abschnitt. Keine 1,5 Meter hoch und breit. Nach besagten 150 Meter hält unsere Geisterbahn an einem Abschnitt, wo sich der Tunnel etwas verbreitert, uns werden Bohrlöcher für Sprengungen und die Schienen der nordkoreanischen Grubenbahn gezeigt. Dann geht es wieder zurück in die Freiheit….

Um 11 Uhr sitzen wir endlich auf den Rädern. Angedacht für die Raderkundung heute waren knapp 80 Kilometer bis zur nächsten Übernachtungsstation in Girin. Das wir die ganze Strecke heute nicht auf zwei Rädern zurück legen können wurde schnell klar, dafür hatten wir zu viel Zeit am Vormittag mit den Besichtigungen verbracht. Auf der regulären Radtour wird das anders sein, dann verbringen wir nämlich zwei Tage in Haean.

Aber egal, wir wollten endlich in die Pedalen treten! Karin, Stefan und ich. Kurz nach 11 Uhr legten wir ab. Zunächst ging es gut hügelig über die einzige Straße, die nicht über einen Pass aus dem Punchbowl heraus führt. War das schön! Der Verkehr beschränkte sich auf ein (hauptsächlich militärisches) Fahrzeug alle fünf Minuten, die Straße war astrein asphaltiert und die Landschaft ein Herbsttraum. Bäume und Blätter in allen Stadien der herbstlichen Verfärbung, die Vegetation ist hier nicht unähnlich jener von Deutschland.

Auf den Hügelpässen (maximal 50 Höhenmeter) immer wieder Panzersperren. Also Betonkonstruktionen, die rechts und links der Straße errichtet wurden (siehe Fotos unten). Im Falle einer Invasion aus dem Norden werden kleine Sprensätze gezündet mit der Folge, dass mächtige Betonquader auf die Straße rollen und diese für motorisierte Fahrzeuge versperren. Clever gemacht und gut zu tarnen obendrein.

Gegen Mittag hatten wir den Ort Wontong erreicht. Hier trafen wir wieder auf unseren Begleitbus und stärkten uns in einem Restaurant. Hinter Wontong zunächst Hauptstraße (muss auch mal sein) und dann Aufstieg zu unserem Pass für den Tag. Auch hier viel Verkehr. Die Erkläng dafür ist ein Sonntag im Herbst. Wir fuhren in den Seoraksan Nationalpark hinein und waren angesichts des Wochentages und der aktuell stattfinden Laubverfärbung nicht die einzigen. Im Gegenteil, prime time! Das ist wie Ku’damm am Tag vor Weihnachten. Mit den vielen Menschen, aber ohne die vielen Schaufenster.

Ok, das war etwas übertrieben. Wir kurbelten uns die Straße hinauf, wurden häufig von Bussen und Privatautos überholt, die aber alle einen respektvollen Abstand zu uns hielten. Viel mehr machten uns die Steigungen zu schaffen, die ca. drei Kilometer vor dem Pass 10% erreichten. Karin, die bis dahin noch keine nennenswerten Pässe fuhr, war beeindruckt. Sowohl von der Landschaft als auch von ihren eigenen, ungeahnten Fähigkeiten. Ich meinerseits war schwer beeindruckt von Karin und hätte mein Rad an ihrer Stelle schon längst in den Graben geschmissen!

Um 17 Uhr, nach vielen Kilometer und vielen Höhenmeter, kommen wir am Pass an. Kühl ist es hier oben zu dieser Jahreszeit. Spät ist es auch schon, daher verladen wir die Räder kurzerhand in den Bus und legen die letzten Kilometer nach Girin darin zurück. Keine schlechte Entscheidung, unsere Unterkunft, wieder ein minbak, erreichen wir erst nach Einbruch der Dunkelheit.


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