Punchbowl

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Über 250 km nach Osten, alle mit dem Bus. Viele Höhenmeter und noch mehr Niederschlag.

Der Wetterbericht hat Regen versprochen und sein Versprechen voll und ganz gehalten. Als ich am Morgen aufwache regnet es und während ich ein paar Stunden später am Abend in den Schlaf entgleite regnet es auch. Genauer: immer noch.

Eigentlich war für heute schon die erste Ausfahrt mit den Rädern geplant, wir wollten uns einen relativ neu angelegten Radrundweg um einen See bei Chuncheon ansehen sowie die vierte Etappe der geplanten Radreise in Korea abfahren. Schnell war klar, dass daraus nichts werden würde. Bei dem Regen wären wir in spätestens 10 Minuten komplett durchnässt, so macht das wenig Sinn.

Daher haben wir kurzfristig umdisponiert: Die Besichtigung des Radrundweges erfolgt nun mit dem Bus. Ranfahren, kurz aussteigen und Fotos machen. Weiter! Weiter nach Chuncheon, einer größeren Stadt, die eigentlich keine Station der Radtour werden soll. Aber wenn wir sowieso schon nicht Rad fahren können wollten wir wenigstens ein wenig sehen. In diesem Fall die Fußgängerzone von Chuncheon. Wir mussten feststellen, dass sich die Fußgängerzone von Chuncheon nicht all zu sehr von Fußgängerzonen deutscher Kleinstädte unterscheidet. Hier ein Modegeschäft, dort ein Schuhladen, daneben Mc Donalds und noch zwei Türen weiter ein Café. Letzteres suchten wir auf bevor es Zeit zum Mittagessen war.

Die Spezialität der Gasse um die Ecke ist Hähnchengrillplatte (siehe Foto unten). Hühnerfleisch, Kohl, Süßkartoffeln und ein paar andere Zutaten werden auf einer runden Platte in der Mitte des Tisches gegart. Dazu gibt es noch ein paar Nebengerichte wie zum Beispiel Kimchi (gibt es zu jedem Essen in Korea) und natürlich Reis. Angesichts des immer noch herab prasselnden Regens wurde der Tag umgehend zum Wet Chicken Day ernannt.

Weiter mit dem Bus, nach einer längeren Fahrt über die Autobahn waren wir auch wieder auf dem Bike-Track. Im Dorf Bangsan wollte ich mich nach einer möglichen Unterkunft für die Radtour umsehen. Gefunden haben wir sie ein paar Kilometer außerhalb des Ortes, in einer sehr idyllischen Umgebung. Und das sogar bei Regen und einer Sichtweite von ca. 500 Meter. Drei Pensionen gibt es dort, jede hat ein paar Bungalows, die komplett für einen längeren Aufenthalt ausgestattet sind. Z.B. eine eigene Küche. Das Klientel dieser Pensionen sind Großstädter, die mal für ein paar Tage Urlaub auf dem Land und in den Bergen machen wollen.

Nun folgten wir der Strecke, die ich eigentlich mit dem Rad fahren wollte. Und waren gar nicht so traurig, dass wir heute nicht auf die Räder steigen konnten. Denn 30 Kilometer hinter Bangsan windet sich die Straße in Serpentinen hinauf von 370 Meter auf 990 Meter. Also ein Passanstieg von 620 Höhenmeter auf knapp 9 Kilometer. Nicht schlecht! Und davor hat es schon zwei kurze, aber knackige Steigungen gegeben. Wie das so ist bei Pässen, wenn es auf der einen Seite hoch geht, geht es auf der anderen Seite auch wieder hinunter. Und auch hier wie meist genau so steil und in Serpentinen.

Was wir nach der Überquerung des Passes erreicht hatten war die sogenannte Punchbowl. Dabei handelt es sich um eine geologische Vertiefung, die sogar aus großer Höhe mit dem bloßen Auge zu erkennen ist. Den Namen Punchbowl hat die Vertiefung im Korea-Krieg erhalten. Hier wurden im Herbst und Winter 1951 einige der verlustreichsten Schlachten geschlagen, fast wie im Grabenkampf des ersten Weltkriegs wurde um jeden Meter gefochten und die Verluste waren auf beiden Seiten extrem hoch. Gleich jenseits des nördlichen Randes der Vertiefung beginnt das andere Korea, das verschlossene Korea. Aber davon morgen mehr.

Unsere Unterkunft ist ein Minbak. Minbaks sind sehr einfache, familiengeführte Unterkünfte. Zwar findet man oft als Übersetzung von Minbak Homestay, aber man übernachtet dabei nicht im Wohnzimmer einer Familie. Es gibt separate Zimmer, meist mit eigenem Bad. Die Zimmer sind recht einfach, teilweise gar spartanisch eingerichtet. Und meist sehr traditionell koreanisch. Was bedeutet, dass man auf dünnen Matratzen auf dem Boden schläft. Auf einem warmen Boden, denn dieser ist beheizbar! Die Fußbodenheizung ist in Deutschland vielleicht eine relativ neue Errungenschaft, in Korea (sowie in Japan) jedoch gibt es sie schon seit einigen hundert Jahren. Gleiches gilt für die Matratzen auf dem Boden. Diese werden in Deutschland unter dem japanischen Namen Futon verhökert, aber eine koreanische/japanische Bettstatt hat mit einem deutschen Futon so viel gemein wie eine Nudelbox vom Chinaimbiss um die Ecke mit der echten chinesischen Cuisine.

Essen ist ein gutes Stichwort! Unser Abendessen haben wir nämlich im wahrscheinlich einzigen Restaurant des Ortes (er heißt übrigens Haean, hatte ich das schon erwähnt?) zu uns genommen. Auch sehr traditionell! Man sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und versucht das Einschlafen der unteren Extremitäten zu ignorieren, während die volle Konzentration auf die vielen eingelegten Speisen in den kleinen Schüsselchen auf dem Tisch vor einem gerichtet ist. Das gelingt erstaunlich gut! Zumindest für die ersten zehn Minuten. Danach wandert die Konzentration wieder weg von den Speisen und hin zu den unteren Extremitäten.

Eine halbe Stunde später sind wir zurück in unseren Zimmern. Gut satt und mit einer neuen Beziehung zu unseren Muskeln und Knochen unterhalb der Beckenregion. Schön, dass es euch (noch) gibt!


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