Chillen mit Chilly

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

96 Kilometer von Chengde nach Pingquan. Dunstig.

Von Beijing nach Chengde bin ich bereits fünf Mal geradelt, kannte die Strecke (bis auf wenige Neuerungen) recht gut. Ab Chengde bis zu unserem Endpunkt Shanhaiguan bin ich erst zwei Mal gefahren, und das ist auch schon länger her (2004 und 2006). Gerade von der heutigen Etappe hatte ich nur noch schemenhafte Erinnerungen.

Knapp 100 Kilometer, also wieder Frühstück um sieben Uhr, Abfahrt um acht Uhr. Zunächst ging es in die falsche Richtung, nämlich zum Postamt. A und P brauchten noch Briefmarken für ihre Postkarten. Kleinstädte erkennt man in China daran, dass die Postämter keine Briefmarken mit hohen Notierungen haben. A, P und H hatten mir einfach nicht glauben wollen, dass Chengde eine Kleinstadt sei, aber hier hatten wir den Beweis: Das Hauptpostamt hatte als größten Markenwert 1,20 RMB im Angebot. Für eine Postkarte nach Europa werden jedoch 4,50 RMB benötigt. Also muss sie mit vier Marken á 1,20 zugeklebt werden. Damit ist die Postkarte fast voll, viel Platz für die eigentlichen Grüße bleibt da nimmer 🙁

Die ersten 15 Kilometer kämpften wir uns auf einer staubigen und recht stark befahren Ausfallstraße ab, dann macht diese eine Knick nach links und wir wurden auf eine Nebenstraße in die Berge entlassen. Die war so wenig befahren, dass sie sich hervorragend für Fahrschüler eignet. Zwei Fahrschulfahrzeuge fuhren ständig an uns vorbei oder kamen uns entgegen, wenn sie weiter vorne gewendet hatten. Wir konnten beobachten, wie das Anfahren am Berg trainiert wurde. In China wird das allerdings bergab gemacht.

Die Landschaft war lieblich, riss uns jedoch nicht direkt vom Sattel. Wir fuhren Kilometerweit an Maisfeldern vorbei. Hier in der Region wird hauptsächlich Mais angebaut, die prallen Kolben hängen zu dieser Jahreszeit erntereif an den Halmen und hier und da wird auch schon geerntet. Vornehmlich per Hand.

Nach rund der Hälfte der Strecke tat ich etwas, was ich zuvor noch nie gemacht hatte: Ich verkabelte mich mit dem MP3 Player meines Handys. Und wählte die Pianoalben von Chilly Gonzales, welcher auch den ersten Part des Imagefilmchens von China By Bike musikalisch unterlegt hat.
Dermaßen beschallt rollte ich nun fast schon meditativ durch die Gegend, akustisch nicht komplett abgeschnitten von der Außenwelt, aber immer mit ruhigen und harmonischen Tönen wie aus dem Off. Nett, eine ganz neue Erfahrung. 20 Kilometer vor unserem Etappenziel legte ich dann noch Travels von Pat Metheny auf.

13 Kilometer vor unserem Etappenort Pingquan, auf einer Bergkuppe, trafen wir auf zwei chinesische Radsportler, die uns überschwänglich begrüßten. Es waren Herr Lu und Frau Luo, beide aus Pingquan und unterwegs zu einem kleinen Ausritt in die nähere Umgebung. Nach dem üblichen Woher und Wohin lud uns Herr Lu zum Abendessen ein. Kurze Rücksprache mit meiner Gruppe: Na klar, warum nicht? Also verabredeten wir uns um sieben Uhr im Hotel.

Pünktlich um sieben stand Herr Lu auf der Matte und es ging fünf Blocks weiter in ein gehobenes Restaurant, und dort direkt in ein Séparée. Und natürlich waren wir nicht alleine, am Tisch saß schon Frau Luo sowie zwei Herren, Herr Lu (noch ein Lu) und Herr Tao. Aha, jetzt wird es chinesisch, dachte ich. Und genau so kam es auch. Dicke Speisen wurden aufgefahren, eine Flasche Schnaps machte die Runde (wir hielten uns tapfer zurück), Reden wurden gehalten, auf die deutsch-chinesische Freundschaft und die Vereinigung der Radfahrer aller Länder angestoßen. Unsere vier Gastgeber waren Teil der Radgemeinde des Ortes.

Jetzt schreibe ich nicht weiter dazu, morgen mehr. Denn nachdem der Tisch zu 25% leergegessen und alle pappsatt waren verabredeten wir uns zu einer gemeinsamen Abschiedsausfahrt am nächsten Morgen und verließen das Lokal bereits um 21 Uhr. Herr Lu, Herr Tao, der andere Herr Lu und Frau Luo hatten bestimmt auf ein längeres Gelage gehofft. Vielleicht das nächste Mal, wenn die deutschen Freunde nicht 96 Kilometer hinter und 62 Kilometer vor sich haben.

PS: Ich habe das Bett nicht geraucht, großes Ehrenwort!


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Erste Schritte

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Vom Naxi Guesthouse nach Walnut Garden, 19 km, 5h 30min reine Gehzeit, 700 m Aufstieg

Heute stand unsere erste und weiteste Wanderung an. Neun Stunden lang waren wir unterwegs, sind über Wasserfälle gelaufen, haben ziemlich geschwitzt und literweise Wasser getrunken, unzählige Fotos und eine längere Pause im einem der Guesthäuser unterwegs gemacht.
Die Tigersprungschlucht ist eine der tiefsten Schluchten der Welt. Bei 1800 m rauscht der Yangzi der weit entfernten chinesischen Ebene entgegen, der Wanderweg schlängelt sich auf 2.400 m durch die Schlucht und auf der anderen Uferseite fällt die Wand des Jadedrachenschneebergs fast senkrecht ab – einige tausend Meter tief, das Auge kann es nicht wirklich erfassen – der drachengezackte Gipfel (5.596m) ist aber heute weitgehend wolkenverhangen. Ich finde das Panorama immer wieder atemberaubend und bin mit meinen Bildern nur mäßig zufrieden.

Außer uns waren nur eine Handvoll Menschen oben in der Schlucht unterwegs. Auch im Walnut Garden Guesthouse ist es bis auf die Bauarbeiten für den Anbau ruhig. „Auf der Straße hat es wieder einen Erdrutsch gegeben“ ist Lucys Erklärung dafür. „Seit drei Monaten kann kein Auto die Schlucht passieren, wir haben gerade mal ein Auto hier, klettern über die Steine und steigen auf der anderen Seite um.“ Wer die Kosten für die Aufräumarbeiten trägt, sei nicht klar, und solange bewege sich nichts. Hier zeigt die Natur wieder einmal, dass durch den Berg gesprengte Straßen eben seinen Preis haben.

Lucy ist die Tochter des Hüttenwirts und wird uns in den nächsten Tagen begleiten. Sie heißt uns in ganz passablem Englisch willkommen und wir besprechen die Details der Wanderung, trinken ein sauberes Bier und verabreden uns für acht Uhr zum Frühstück. Früher aufstehen lohnt nicht, weil es keine frühere Fähre gibt.


Die weißen Berge

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wanderung/Treppensteigen auf den Huangshan. 12 km

Endlich ist es so weit. Wir durften auf den Huangshan… genaugenommen die Huangshan. Denn es handelt sich ja eher um ein Gebirge als ein Berg. Die Wetterwarnungen vom Vortag hatten sich leider bewahrheitet: Es regnete! Anke verlor aber nicht ihren Optimismus und glaubte, dass die Regenkleidung, mit der wir uns vor der Abfahrt noch eingedeckt hatten unnötig gewesen wäre.

Die ersten paar Höhenmeter behielt Anke auch recht. Nach unser kleinen Mittagspause jedoch drangen wir in die weiße Nebel- und Regenschicht, die die ganze Zeit über uns lauerte und wir wurden nass… klitsch nass! Der Weg führte jedoch beständig weiter Richtung oben. Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis wir die erste Spitze erreichten. Doch statt mit einer glorreichen Ausblick belohnt zu werden sahen wir nichts… Rein gar nichts! Auch die weiteren Spitzen waren nicht hochgenug um aus dem weißen Dickicht empor zusteigen. Für Katharina hatte der lange Marsch gen Himmel fast all ihre Kraft gekostet und der Weg entlang des Bergkammes war nur noch mit allerletzten Reserven zu meistern.

Wir stellten uns vor, wie schön die Aussicht doch sein müsse, immerhin waren wir auf knapp 1800 Metern und umringt von steilen Steinspitzen, die mit dürren Kiefern ein wundervolles Panorama gebildet hätten. Es heißt der Huangshan ist die einflussreichste Inspirationsquelle für die chinesische klassische Malerei. Wenn die Künstler aber alle unsere Sicht gehabt hätten, würden jetzt überall in den Touri-Läden statt Tusche-Landschafts-Rollen nur noch blanke, weiße Tücher hängen… Vielleicht noch bespickt mit gelben Tupfern, die die Einheitszipfelmützen der chinesischen Bergsteiger-Regenuniform-Capes darstellen sollen.

Es war ein surrealer Anblick: Die dicken Nebelwolken zischten zwischen den blassen Kiefern umher. Mittendrin stapften wir einem einzigen Ziel entgegen: Ins trockene Hotel! Immer wieder kamen uns Horden von Kreaturen in gelben Umhängen entgegen. Mir kam die Assoziation mit einem Weg ins Jenseits. Ein Weg, der ohne Ende zu sein schien… Es war nicht auszumachen wohin man ging oder woher man kam. Und es gab nur eine Richtung: Weiter!

Die chinesischen Bergsteiger ließen sich jedoch meist nicht die Stimmung vermiesen und schossen ein Selbstporträt nach dem anderen mit dem weißen nichts im Hintergrund. Wir aber ließen jede Sehens- bzw. Kaum-bis nicht-erkennbar-würdigkeit links liegen und stapften voran: „Hier ist die Begrüßungskiefer, das Wahrzeichen Huangshans.“ – „Aha, egal, weiter.“… „Hier ist der Schildkrötenfelsen.“ – „Aha, egal, weiter.“… „Hier ist…“ – „Egal, WEITER!“. Gern hätten wir auch mal Pausen eingelegt. Doch stehenbleiben war keine Option, denn der Wind tobte einem um die Ohren und ohne Bewegung waren die kühlen Brisen mit den nassen Klamotten kaum auszuhalten.

Nach 5 Stunden und 1180 Höhenmetern kamen wir endlich in unserem Hotel an. Wir plumpsten in die Sessel und bestellten erst einmal wieder chinesische Ingwer-Suppe. (Liebe Schwiegermutter: 谢谢你告诉我受凉后要喝姜汤!) So durchgefroren wie wir waren, hätte ich den warmen Ingwer-Sud mit keinem anderen Getränk der Welt getauscht.

Katharina aber hatte das Treppensteigen ziemlich mitgenommen und hatte nicht mal mehr Kraft für das überteuerte Abendbuffet. So fürsorglich, wie sie ist, überließ sie „den Jungs“ aber noch ihre letzten Zigaretten. Danke nochmal. Das war wirklich süß! Drogen verbinden eben doch!


Imperial Chill-out-Zone

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Sightseeing in Chengde, per Pedes und per Velo rund 20 Kilometer.

Es ist noch gar nicht so lange her, ca. 300 Jahre, da ritt der zweite Kaiser der Qing Dynastie (1644 bis 1911) auf der Suche nach neuen Gegenden für sein Hobby durch die Gebirgslandschaft nördlich von Beijing.
Sein Hobby war die Jagd und gefunden hatte er dabei Chengde, welches damals noch Jehol, Rèhé bzw. 热河 hieß. Der Kaiser hieß Àixin Juéluó Xuányè, aber besser bekannt ist er unter seinem Regierungsnamen, nämlich Kangxi (1654 bis 1722).

Kangxi war klug und potent. Er ließ in Chengde eine Parkanlage erbauen, die ihm (und den nachfolgenden Potentaten der Qing) als Sommerresidenz diente, denn Beijing ist im Sommer fast unerträglich heiß. Die Parkanlage sollte China en miniature darstellen. Daher lassen sich auch heute noch Elemente in der Anlage finden, die aus Südchina geklaut sind. Wie zum Beispiel eine Seeenlandschaft, die an den Westsee in Hangzhou bei Shanghai erinnern soll. Insgesamt 36 Hotspots hat Kangxi in dem fast sechs Quadratkilometer großen Areal anlegen lassen.

Drum herum ließ Kangxi buddhistische Tempel in verschiedenen Architekturstilen errichten. Damit wollte er sich das Wohlwollen der nationalen Minderheiten in seinem riesigen Reich (China war damals größer als die heutige Volksrepublik) sichern, vornehmlich jenes der Tibeter und Mongolen. So ist der Xumi-Fushou-Tempel (Tempel der Glückseligkeit und des Langen Lebens des Sumeru-Berges) ein Nachbau des Potala Palastes in Lhasa. Die politischen und religiösen Führer der einzelnen Volksstämme kamen nach Chengde um den Kaisern Tribut zu zollen. Dabei wurden sie zudem mit allen erdenklichen Vergnügungen bewirtet: Wein, Weib und Gesang. Und natürlich dem Hobby Kangxis, die Jagd.

Apropos Weib, Kangxi war auch in dieser Beziehung (oder sollte ich besser schreiben in diesen Beziehungen?) sehr potent, er hatte 35 Söhne und 11 Töchter.
Wenn man durch die Sommerresidenz schlendert kann man den Eindruck gewinnen, Kangxi habe ein wahres Lotterleben geführt. Überall bei den oben erwähnten Hotspots wird auf Infotafeln darauf hingewiesen, welche Sinnesfreuden jeweils angesprochen werden. Dabei war Kangxi neben Qianlong (1711 bis 1799) der geschickteste Kaiser der letzten Dynastie in China. Er regierte 61 Jahre lang.

Jetzt aber Schluss mit dem Geschichtsunterricht und hinaus zu den Sights. Zuerst natürlich zur Sommerresidenz selbst. Der Eingang liegt direkt gegenüber von unserem Hotel, wir mussten nur die Straße überqueren und nach einer happigen Tributzahlung von 120 RMB (knapp 15 Euro) gewährt man uns Einlass. Rund drei Stunden haben wir in der Anlage verbracht, haben anfangs die Zeremonial- und Wohngebäude besichtigt und sind dann durch den hinten angrenzenden Park flaniert. Von den sechs Quadratkilometern haben wir vielleicht einen gesehen.

Zeit für eine Stärkung. Heute standen zum Mittag Teigtaschen (Jiaozi) auf der Speisekarte. Chinaessen, lecker lecker!

Den Rädern gönnten wir nur einen halben Ruhetag. Zu den Acht Äußeren Tempeln läuft man nämlich besser nicht zu Fuß. Wir haben uns zwei vorgenommen, den bereits erwähnten Xumi-Fushou-Tempel und den Puning Tempel (Tempel des universellen Friedens). Letzten mussten wir etwas im Schnelldurchgang machen, denn wir waren bereits spät dran und wollten noch ein paar Besorgungen in der Stadt erledigen.

Dann war es Zeit für die abendliche Stärkung. Auf der Speisekarte stand Feuertopf. Das ist wie Fondue. In die Mitte des Tisches kommt ein Topf mit Brühe, der von unten mittels eines Gasbrenners kräftig angefeuert wird. Ich wählte eine Yin-Yang-Topf (erinnern Sie sich noch an meinen Blogeintrag von vor ein paar Tagen?), bei dem die Mitte geteilt ist. Auf der einen Seite eine scharfe Brühe, die andere Seite neutral. Nun schmeißt man Fleisch und Gemüse in den Sud, wartet einen Augenblick und fischt dann mit den Stäbchen im Trüben nach den Köstlichkeiten.
Chinaessen, lecker lecker!


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Tage in Beijing II

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Spaziergang durch die Stadt, von der Liulichang über den Platz des Himmlischen Friedens durch die verbotene Stadt und durch die Hutongs.

Auch eine Fahrt mit der U-Bahn gehört in Beijing dazu. Für gerade einmal 2 Yuan liegt dem Fahrradmuffel die Stadt zu Füßen. Die Preise waren schon einmal höher, sind aber vor den Olympischen Spielen gesenkt worden, nicht wegen der ausländischen Besucher, sondern für die chinesischen Besucher und um den Autoverkehr zu vermindern.
Gedrängel gehört dazu, vor allem beim Aussteigen muss man die Ellenbogen spitzen, um die Hereindrängenden wegzuschubsen. Rückicht ist hier nicht angesagt.

Recht schnell ist man dann am Ziel, die Ausschilderung ist vorbildlich, auch in Englisch.
Zuerst sehen wir uns die Kunststraße Liulichang an. Hier gibt es Künstlerbedarf, Kunstläden und Antikläden nebeneinander. Ich liebäugele schon wieder mit tollen Buddhafiguren, die aber deutlich mein Budget überschreiten. Für eine Grüne Tara in Bronze, ca. 50 cm hoch, mit Bemalung fordert der Verkäufer schon mal 2000 €. Aber der Besitz einer Figur bringt uns (mich) ja keinen Schritt weiter in Richtung Erleuchtung und Nirvana und wie uns schon der Große Buddha lehrte ist es wichtig sich von Begierde zu befreien.

In den Hutongs südlich vom Tian An Men Platz herrscht reges Leben, auch die neuen Einkaufsmeilen im Neu-Alt-Stil, die am Anfang noch recht seelenlos schienen, haben sich in den letzten Jahren mit brodelndem Leben gefüllt. Wer Beijing nicht kennt, hält den Straßenzug südlich des Qianmen wirklich für alt. Aber das ist er nicht, eigentlich sollte er zu den Olympischen Spielen fertig gestellt sein, das war er dann auch, lediglich einige Nebenstraßen waren noch unter Konstruktion. Heute flanieren die Touristen zu Tausenden durch die Straßen mit den dreistöckigen Häusern im alten Stil. In der Hauptstraße gibt es hauptsächlich teure Boutiquen und Markenläden, doch in den Nebenstraßen herrscht der Kleinhandel vor, sogar einige ganz passable Restaurants lassen sich finden.
Über das vordere Tor, Qian Men, gelangt man dann auf den Platz des Himmlischen Friedens. Dort gibt es an jedem Eingang Sicherheitskontrollen, wie auch an vielen anderen Stellen, in vielen Museen und auch in der U-Bahn. Inzwischen mache ich mit einen Spaß daraus, meinen deutlich an der Seite herunterhängedes Messer überall mit hinzunehmen. Nicht einer einzigen Sicherheitskontrole ist das aufgefallen und das waren inzwischen mehr als ein Dutzend.

In diesem Jahr tue ich es wieder einmal, ich quäle mich durch den Kaiserpalast, in den letzten Jahren konnte ich mich immer erfolgreich drücken, da es noch etwas zu organisieren gab, doch in diesem Jahr fällt mir keine Ausrede ein.
Natürlich ist der Kaiserpalast mit seinen gigantischen Hallen, weiten Plätzen und verschachtelten Höfen und Gängen für den Chinatouristen eine Ereignis, aber ich bin hier schon morgens in diesen Gemäuern gewesen, da war man fast ungestört. Heute sind hier zu jedem Zeitpunkt hunderttausend menschen in der Anlage. Es ist so gut wie unmöglich einen Blick in die Tempel zu werfen und einen Blick auf den gelben Kaiserthron zu erhaschen, da sich die menschen in riesigen Knäueln hier zusammenballen. Vor allem in der Gruppe ist es ein Horror und selbst, wenn ich hier nur mit Martina und Wolfgang unterwegs bin, man passt nur eine Sekunde nicht auf , wirft einen Blick zur Seite oder macht ein Foto, schon sind die anderen in der Menge untergetaucht und nur mit Mühe wieder zu finden. Nach zwei Stunden haben wir es geschafft und sind am Nordausgang und wurschteln uns durch die Hutongs zurück zum Hotel und zum Abendessen, diesmal etwas einfacher in meinem Pekinger Lieblingsrestaurant.

Wollt ihr nicht doch reiten?

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Von Qiaotou in die Tigersprungschlucht zum Naxi Guesthouse, 6 km, etwa 2 Stunden reine Gehzeit

Wir hatten uns am Morgen um sieben Uhr zum Frühstück verabredet (zu dem Zeitpunkt wird es in Yunnan gerade hell), um das Hotel pünktlich um acht Uhr zu verlassen. Mit einigen Zwischenstopps –natürlich müssen wir unseren ersten Yangziblick festhalten und die berühmte erste Biegung bei Shigu betrachten, die verhindert, dass der Fluss wie der benachbarte Mekong und der Salween nach Süden abfließt und stattdessen die Biege Richtung Osten macht– gelangen wir per Auto an den Anfang der Tigersprungschlucht. Ich kenne die Tour sonst nur vom Rad aus und muss mich beherrschen, nicht ständig laut Vergleiche anzustellen, was mir aber schlecht gelingt. Nach einer guten Portion gebratener Nudel, die Sabine und Lutz nicht ganz vertilgen wollen, geht es endlich in die Berge.

Es ist immer wieder schön, hier zu sein. Nicht nur wegen der fantastischen Landschaft, der tollen Schmetterlinge und artenreichen Flora oder vielleicht der einfach stimmigen Architektur der Hütten, sondern vor allem der Menschen wegen ist diese Schlucht etwas Besonderes. Unterwegs hat man die Gewissheit, auf einige Nationalitäten zu stoßen, mit denen man (soweit man eine gemeinsame Sprache findet), ohne störende Hintergrundkulisse Geschichten auszutauschen kann. Heute war es eine Gruppe Australier mitsamt dem Inhaber einer kleinen Reiseagentur, ein Thema war natürlich das nachhaltige Reisen mit kleinen Gruppen in reizvollen Gebieten. Selbst der lokale Pferdebesitzer („Wollt ihr nicht doch reiten?“), der geschlagene zwei Stunden bergauf mit uns keinen Umsatz machen konnte, schien nicht weiter genervt, dass wir auch morgen seine Dienste nicht in Anspruch nehmen wollen.

Wir sind bei idealem Wetter und einer kurzen Tour in einer komfortablen Berghütte untergekommen. Nette Besitzer, kunstvoll geschnitzte Holzfenster, TV und eigene Dusche, Blick auf den Jadedrachenschneeberg, es gibt Kaffee und gekühltes Bier (heute kein schmutziges, die Dusche war einfach zu verlockend). Kurz, uns geht es gar nicht mal so übel. Morgen wandern wir weiter durch die Schlucht, danach ist Schluss mit sämtlichem Hüttenluxus und wir betreten die Laowai- und pancakefreie Zone.


Endspurt

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Xiaoqi nach Tunxi. 77 km

Man ist zugleich ein wenig froh und aber auch wehleidig, wenn der Tag der letzten Fahrradetappe kommt. Die zurückgelegten etwa 1000 km sind eindeutig zu spüren und man ist froh keine Anstiege mehr vor sich zu haben. Gleichzeitig aber kommen auch keine wundervollen Abfahrten mehr und malerische Landschaften, die gemächlich an einem vorbeiziehen.

Dennoch… die Abschlussetappe war eine perfekte Zusammenfassung der bisherigen Strecken: schöne Landschaften, kleine Dörfer, mittelgroße Handwerker Städte, selbst der Pass der Königsetappe war als Miniaturform mit von der Partie. Nur die Industrie vom Anfang der Reise hat gefehlt. Aber vermisst hat sie keiner von uns.

Vor allem das letzte Stück durch Tunxi bis zum Hotel war sehr eindrucksvoll. Wie extra für unsere Schlussetappe vorbereitet war die Altstadtstraße gesäumt von chinesischen Flaggen. Man hatte richtig das Gefühl, das Ziel der Tour de Chine damit erreicht zu haben. Auf der Terrasse unseres stilvollen Hostels stießen wir dann an auf die abgeschlossene Fahrradtour. Die Bilanz ist, sagen wir mal mittelprächtig: 4,5 Platten, 4 gebrochene Speichen. Immerhin ist niemandem von uns was passiert und wir sind alle heile und gesund da angekommen, wo wir hinwollten.

Noch am selben Abend mussten wir uns von unseren treuen Drahteseln, bzw. Aluminium-Rossen verabschieden. Das tat schon weh zu sehen, wie die 4 Gefährten auseinandergeschraubt, und in dunkle, enge Kisten verpackt wurden. Wir wollten aber uns nicht in Melancholie verlieren und feierten den Tag gebührend in einem etwas gehobeneren Lokal schräg gegenüber dem Hostel mit Fisch, Fleisch und Kürbisblüten.

Zurück in der Lobby entdeckte dann aber Anke die schlechte Botschaft, die wie eine Warnung hinter dem Tresen prangte: Morgen, Gewitter, den ganzen Tag. Und das bei unserer Wanderung auf den/die Haungshan/Gelben Berge. Solange sind wir jetzt durch klares Spätsommer-Sonnenschein-Wetter geradelt und jetzt das… Auf die Sonne ist auch kein Verlass, wenn man sie mal braucht.


Auf nach Yunnan

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Heute stand der Transittag in den Südwesten an. Nach zwei Flügen, einiger Verspätung und einem Zwischenstopp im brandneuen Kunming Airport kommen wir am späten Nachmittag in Lijiang an. Auf der Fahrt in die Stadt fahren wir vorbei an Reis- und Maisfeldern, Tabakanbau und vielen kleinen Dörfern. Die Autobahn ist in diesem Jahr auch fertig geworden, aber anscheinend benutzen die Einheimischen doch lieber die hier parallel verlaufende Landstraße. „Die Maut ist ganz schön teuer, und auf dem alten Weg sind wir fast genauso schnell da“ meint unser Fahrer. Den restlichen Tag verbringen wir damit, durch die Altstadtgässchen zu schlendern und zu staunen. Dazu mehr, wenn wir nach der Wanderung hier einen Ruhetag einlegen.

Auf der siebentägigen Wanderung, die morgen startet, bewegen wir uns hauptsächlich fernab jeglicher Zivilisation. Keine Hupen, keine Shops und rivalisierende Diskotheken, aber auch kein Internet. Der nächte Blogeintrag wird also etwas auf sich warten lassen. Was wir uns jetzt wünschen würden, ist wenig oder lieber gar kein Regenwetter, drückt uns mal die Daumen.

Dra Chanasan und eine unbekannte Stadt

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

96 Kilometer von Jinshanling nach Chengde, schicker Schnitt von 17,1 km/h.

So sieht ein perfekter Arbeitstag aus: Am Vormittag schuften, um dann ab 11:30 Uhr von den Früchten der vormittäglichen Arbeit zu leben. Genau so haben wir es heute gemacht. Angesichts der fast 100 Kilometer langen Strecke legen wir die bisherige Morgenroutine kurzerhand um eine Stunde nach vorne. Also Frühstück schon um sieben, Abfahrt bereits um acht. Eine kurze Abfahrt bis zur Hauptstraße, dann geht es hoch zur höchsten Erhebung auf der heutigen Etappe. Den Pass, ich sagte es schon, erreichen wir um halb zwölf. Was dann folgte waren 40 Kilometer Abfahrt. Nicht steil, gerade so, dass wir die Landschaft noch genießen können und durch leichtes Mittreten locker immer um die 25 km/h erreichen. Den kleinen Zipfel bei Kilometer 80, den Sie da unten im Höhenprofil sehen, haben wir recht locker quasi durch ausrollen genommen. So fix wie heute waren wir auf der Tour noch nicht unterwegs. Und werden es auch nicht mehr sein.

Vor zwei Tagen ist uns eine Meute chinesischer Radtouristen entgegen gekommen. Das waren so an die 10 Radler. Heute treffen wir auf drei Herren gesetzten Alters, mit makellosem Outfit und schmucken Tourenräder, die ebenfalls auf ihrem Weg nach Chengde sind. Und noch weiter wollen, nämlich in den Nordosten, in die Mandschurei. Mal überholen wir sie, wenn sie ein Päuschen einlegen, mal überholen sie uns, wenn wir am Straßenrand verschnaufen. Immer wenn die drei mal (wieder) auf sich warten lassen fragt P ganz besorgt „Wo bleiben denn die dra Chanasen?

Um halb vier rollen wir in Chengde ein. Wäre da nicht der Fluss gewesen, an dem Chengde liegt, und hätte mein GPS-Empfänger nicht bestätigt, dass wir auf dem richtigen Kurs sind, ich hätte schwören können, dass wir uns verfahren haben.
In Chengde war ich das letzte Mal vor drei Jahren. Damals war die Einfahrt in die Stadt noch beschaulich und übersichtlich. Jetzt aber ragen fertige und halbfertige Wohntürme mit Baukränen bereits mehrere Kilometer vor dem Stadtzentrum in den Himmel und wollen scheinbar den umliegenden Bergen Konkurrenz in Sachen Höhe machen. In der Innenstadt wurden die Uferstraßen verschönert und begrünt. Der Boom ist enorm. Aber eigentlich hätte mich das nicht verwundern dürfen, schließlich verändert sich China überall rasend schnell.


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Tage in Beijing I

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

Besichtigungsprogramm in Beijing mit Himmelstempel, Kaufhaus des Großen Glücks, Platz des Himmlischen Friedens, Trommelturm und Hutongs.

Nun also der Ausklang in Beijing. Ich bin immer wieder gern hier, schließlich habe ich mehr als ein Jahr hier gelebt und kenne die Stadt recht gut. Allerdings gehe ich trotzdem immer mit dem Stadtplan los, denn wie das ganze Land, ist auch die Hauptstadt ständiger Veränderung unterworfen.
Wir haben uns heute noch einmal aufs Rad geschwungen und erobern die Stadt auf zwei Rädern. Im Vergleich zu anderen Metropolen lässt es sich hier sehr gut radeln, überall gibt es mehr oder weniger gut ausgebaute Radspuren und der Verkehr läuft zwar manchmal etwas disziplinlos, aber wesentlich langsamer als in Berlin.

Gewöhnen muss man sich vor allem daran, dass Autofahrer gnadenlos rechts abbiegen (dürfen), egal ob die Ampel rot oder grün ist. Dabei herrscht das Prinzip des Stärkeren. Als Wolfgang einem solchen Abbieger einen Klaps aufs Autodach versetzt, ist dieser ziemlich ungehalten und beendet sogar sein Telefonat, um wild zu gestikulieren. Womit der aber nicht gerechnet hat ist, ich kann auf richtig niedrigem Niveau zurück schimpfen, zur Freude einiger umstehender Chinesen, die grinsend beipflichten, während der Fahrer erbleicht und nach Worten ringt. Ich glaube zwar nicht, dass dies wesentlich zur Verkehrserziehung beiträgt, aber der eigene Frust lässt sich dabei hervorragend abbauen und das ist doch schon einmal was.

So erreichen wir den Tian Tan Tempel, dieser ist mit seinem runden blauen Dach das Wahrzeichen der Stadt und meine Lieblingssehenswürdigkeit. Vor allem wegen des Drumherums. In dem Park vor dem Tempel treffen sich nämlich die Rentner der Stadt zum Stricken, Häkeln, Tanzen, Sport treiben, Karten spielen, Dating und was weiß ich nicht alles. Und das ist wie immer sehr interessant anzusehen. Vor allem erstaunt, wie fit die Leute sind, an Kraftsportgeräten sieht man gestählte Körper, 65 Jahre alt, perfekt ausgebaute Muskulatur und kein Gramm Fett, die machen olympiareife Darbietungen am Reck und dazwischen Yoga. Spagat ist dabei nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt der Übungen!
Interessant ist schon die Struktur der Tempelanlage, ein Kreis über einem Quadrat, der Himmel über der Erde, die Symbolik für das alte chinesische Weltbild.

Der schönste Tempel ist die Halle des Erntedanks, eben jener große runde dreistufige Tempel mit dem blauen Dach. Auf gewaltigen Säulen ruhend wurde der Tempel um 1420 vom Yongle Kaiser errichtet und natürlich später noch ein paar Male umgestaltet. Mit vielen Chinesen lassen wir uns natürlich auch hier wieder ablichten.
Vom akkustischen Effekt des zweiten Tempels, der von einem Echowall umgeben ist, lässt sich natürlich bei den Touristen nichts wahrnehmen. Wenn man auf der einen Seite gegen die Wand flüstert, soll man es auf der anderen Seite hören können. Das probieren die Chinesen natürlich zu Dutzenden gleichzeitig aus und der Effekt ist ähnlich. Wenn man auf der einen Seite gegen die Wand schreit, kann man es natürlich 50 Meter weiter auf der anderen Seite auch hören, es hat aber mit dem Echo-Effekt nix mehr zu tun.
Letzter Höhepunkt im Himmelstempel ist der Mittelpunkt der Erde. Der Mittelstein des Opferaltars ist deshalb bei den Chinesen besonders beliebt für ein Foto. Auch wir stellen uns an und machen uns einen Spaß daraus, einmal der Mittelpunkt der Welt zu sein. Wer sich fragt, wo denn der gegenüberliegende Mittelpunkt der Erde liegt, der bekommt hier die Antwort: In einer kleinen Stadt in Sachsen namens Pausa! Da guckt nämlich auf dem Bahnhofsvorplatz ein Teil der Erdachse aus dem Boden.

Nach einem Gourmetkaffee vor dem Großen Kaufhaus des Glücks, so habe ich den Hong Qiao Markt getauft, toben wir durch die vier Etagen. Hier gibt es alles zu kaufen, was man nur kopieren kann. Von der Unterhose bis zum i-Pad, vom Turnschuh bis zum Laserpointer, lediglich die Perlen in der Schmuckabteilung sollen echt sein, aber das kann ich nicht einschätzen. Aber das Kaufhaus ist ein Erlebnis, auch wenn ich nur mit einem Ersatz meiner zerbrochenen Sonnenbrille wieder herauskomme. Handeln ist natürlich ein MUSS und der Preis lässt sich mitunter um 70 Prozent herunterhandeln.

Auf dem Rückweg drehen wir dann unsere Runde mit dem Rad über den Platz des Himmlischen Friedens. Zum ersten Male will man uns nicht mit den Rädern unters Mao Porträt lassen, aber die Polizei lässt sich beschwatzen und ein Polizist höchstselbst macht unsere glorreichen Bilder! Gemütlich radeln wir dann um die Verbotene Stadt herum, am Kohlehügel und dem Beihai vorbei und dann durch die Hotongs, die alten Stadtviertel von Beijing, bis wir schließlich am Trommelturm ankommen. Viertel vor Fünf gibt es hier eine Vorführung auf den 18 großen Trommeln, die dauert zwar nur fünf Minuten, aber das kleine Konzert ist beeindruckend und immer wieder zu empfehlen.

Abends genießen wir dann eine scharfe Spezialität aus Sichuan, den Feuertopf. Wir sitzen schwitzend in dem engen Lokal über der scharfen Brühe und werfen viel Gemüse und Fleisch in den Topf, das Prinzip ist ähnlich wie beim Fondue. Die Einlagen garen in der superscharfen Brühe und werden mit einem Sesamdip gegessen. Weil es so schön scharf und heiß ist, braucht man dazu Unmengen kalten Biers.