Die kälteste Hauptstadt der Welt: Ulaanbaatar – Der „Rote Held“

Bilderbuch vom 124. Reisetag am Ruhetag in der Hauptstadt der Mongolei. Von Peter Frenzel.

Wir sind seit gestern wieder zurück in der Hauptstadt. Ulaanbaatar (Улаанбаатар / russisch: Улан-Батор = Ulan-Bator) heißt auf mongolisch „Roter Held“, lerne ich beim Recherchieren im WWW. Als die Stadt 1639 gegründet wurde, erhielt sie den Namen Örgöö (in Europa auch Urga genannt.) Hier lebt und arbeitet fast die Hälfte der mongolischen Gesamtbevölkerung: Rund 1,5 Millionen. Ulaanbaatar ist das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Mongolei und hier ist auch der Sitz des Oberhaupts des Lamaismus in der Mongolei, des Jebtsundamba Khutukhtu (auch Bogd Gegen genannt).

Anfangs wechselte die Stadt mehr als 25 Mal ihren Standort und ein paar Mal auch den Namen. Ab 1706 wurde sie Ich-Chüree (Их-Хүрээ) genannt, von 1911 bis 1924 hieß sie Niislel-Chüree, ab 1924 schließlich Ulaanbaatar. Ich hab im Geografie-Unterricht noch die russische Schreibweise Ulan-Bator (Улан-Батор) gelernt. In ihren jungen Jahren wurde nämlich die kyrillische Schrift in der damaligen Mongolischen Volksrepublik eingeführt und die an der russischen Aussprache orientierte phonetische Schreibweise etablierte sich.

Ulaanbaatar ist eine eigenständige Verwaltungseinheit und gehört zu keinem Aimag (einer Provinz). Das Verwaltungsgebiet von Ulaanbaatar ist auch kein eng zusammenhängendes Stadtgebiet. Beim Hinaus- und wieder Zurückradeln sahen wir eine sehr großflächige ländliche Siedlungsstruktur. Verwaltungstechnisch zählen noch die Exklaven Bagakhangai und Baganuur zum Stadtgebiet. Das Verwaltungsgebiet von Ulaanbaatar umfaßt mehr als 4700 Quadratkilometer und ist damit etwa doppelt so groß wie das Saarland, hab ich gelesen.

Ulaanbaatar liegt in 1350 Meter Höhe am Tuul-Fluß (Simon hatte schon davon berichtet) und am Fuß des 2256 Meter hohen „Bogd Khan Uul“. Es ist laut Statistik die kälteste Hauptstadt der Welt mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von −2 °C. Das liegt vor allem an den extrem kalten Wintermonaten mit bis −25 °C. Im Sommer ist es bei bis 30 °C recht mollig, das können wir „wärmstens“ bestätigen. Das Klima ist eher trocken und es regnet zu wenig, sagt Byambaa. Das können wir angesichts unserer „Unterwasserankunft“ vor 5 Tagen noch nicht unterschreiben und auch heute tröpfelte und nieselte es gelegentlich. ?

Nach wie vor ziehen während der Sommermonate Familien als traditionelle Nomaden aufs Land und leben nur in der kalten Jahreszeit in der Stadt. Interessant: Die Älteren bevorzugen dann nach wie vor die Jurte.

Wir treffen uns zum Stadtrundgang und natürlich lässt es sich Byambaa nicht nehmen, uns durch ihre Heimatstadt zu begleiten. Nicht weit vom „Premium Hotel“, in dem wir wieder echt komfortabel logieren, liegt das Gandan-Kloster, das größte des Lamaismus im Lande und eines der wenigen noch fast original erhaltenen. Leider wurden auch hier früher Gebäude zerstört und unter anderem eine 26 Meter hohe goldene Statue der Göttin Janraisig (Sanskrit: Avalokiteshvara) demontiert und eingeschmolzen. Mit Spenden in Höhe von ca. 5 Millionen US-Dollar wurde nach 1990 im Haupttempel eine neue vergoldete Janraisig errichtet und für den Dalai Lama – er gilt als das eigentliche Oberhaupt des Klosters – wurde ein Thronsessel gebaut.

Wir bummeln danach ins eigentliche Stadtzentrum rüber, das keine 30 Minuten entfernt ist. Ulaanbaatar ist eine Stadt zwischen Tradition und Moderne. Das ist an der deutlich sichtbaren „Vielfalt“ der Gebäude-Architektur der zurückliegenden Jahrzehnte und der letzten Jahre leicht erkennbar. Zentrum der Stadt ist der Süchbaatar-Platz. Hier steht auch das Denkmal von Damdiny Süchbaatar (Дамдины Сүхбаатар). Er wurde wahrscheinlich 1893 im damaligen Örgöö / Urga geboren und gilt als Gründungsvater der Mongolischen Volksrepublik. Süch heißt „Axt“ und der Übername Baatar „Held“ auf mongolisch. Er stützte sich damals auf die tatkräftige Hilfe der jungen Sowjetunion, starb aber schon 1923 an einer Krankheit. Es gibt Vermutungen, dass er vergiftet worden ist. Ein Jahr später erklärte die Regierung der 1924 gegründeten Mongolischen Volksrepublik Süchbaatar postum zum Helden. Seine Witwe Süchbaataryn Jandschmaa wurde 1953 Staatspräsidentin und war die erste Frau, die dieses Amt innehatte.

Byambaa erzählt uns Interessantes über die markantesten Bauten auf diesem riesigen Platz. Da gibt es das Parlamentsgebäude, das Rathaus der Stadt, das Haus der Kultur, die Staatsoper, die Mongolische Börse sowie einige neuere und moderne Hochhäuser mit Hotels, Restaurants und Geschäften. In allen großen Straßen des Zentrums rufen Banken nach Kunden und auch wir folgen den zahlreichen ATM-Schildern, um uns mit Tugrik (Bildnisse von Süchbaatar und Dschingis Khan) zu versorgen. Anmerkung für die Insider unter den Blogleser*innen: Nach meiner Beobachtung dominieren eindeutig Wincor-Nixdorf und Diebold die „Geldautomaten“-Szene, sogar im Ticket-Häuschen des Gandan-Klosters. ?

Vor dem Eingang des Parlamentsgebäudes sind große Skulpturen aufgestellt: In der Mitte natürlich Dschingis Khan, rechts und links sein Sohn und Nachfolger Ögedei Khan und sein Enkel Kublai Khan, der sogar Kaiser von China war.

Eine Straßenecke und vielleicht 400 Meter vom großen Platz entfernt sitzt ein früherer Staats- und Parteichef auf seinem Stuhl mit einem Sockel darunter: Jumschaagiin Tsedenbal (mongolisch Юмжаагийн Цэдэнбал). Der war 1974-1984 Staatsoberhaupt und mit der Russin Anastasia Iwanowna Filatowa verheiratet. Aufgrund ihrer engen Beziehungen zum langjährigen sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew wurde diese damals als die einflussreichste politische Persönlichkeit in der Mongolischen Volksrepublik angesehen.

Einmal im Jahr, am 11. Juli, findet das größte Volksfest des Landes statt, das Naadam. Dazu kommen Männer, Frauen und Kinder aus allen Landesteilen, um sich miteinander im Wettkampf beim Ringen, Reiten und Bogenschießen zu messen. Wir sahen z.B. als wir zum Dshingis-Khan-Monument aus der Stadt radelten einen Teil der ca. 27 km langen „Rennstrecke“ in der Steppe am Straßenrand.

Ulaanbaatar wird aus nahegelegenen Revieren mit Kohle versorgt. Am Stadtrand gibt es u. a. Elektrizitätswerke, deren Schornsteine und Rauchwolken schon vom weitem unübersehbar sind.

Helden-Bilderbuch auf:

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Die Nationalparks in Ulanbaataars Nähe

121.-123. Reisetag, vom Terelj Nationalpark über Ulanbaataar zum Khustain Nuruu, 59 km. Von Simon Preker.

Als wir an unserem Ruhetag, dem 121. Reisetag (30.07.2018), im Gorkhi-Terelj Nationalpark auf den umliegenden Bergen herumspazierten, sahen wir durch das ganze Tal hindurch bereits operierende und sich im Bau befindliche Jurtencamps, Hotelanlagen und sogar einen Golfplatz. Das Gebiet ist nicht ohne Grund touristisch gut erschlossen: es ist von Ulanbaataar mit dem Auto gut zu erreichen und bietet spektakuläre Naturschönheiten. Die grünen Hänge sind bei genauerer Betrachtung nämlich von bunten Blumen, Steingartengewächsen und duftenden Kräutern und nicht etwa nur Gras bewachsen. Andere (unter Entzugserscheinungen leidende) Radweltreisende nutzten den freien Tag, um mit dem Fahrrad den Schildkrötenfelsen und den knapp 10 Kilometer weit entfernten Aryapala-Tempel zu besichtigen. Beim gemeinsamen Abendessen zeigte sich schließlich der Himmel in den schönsten Farben, als die Sonne hinter den Bergen verschwand.

Den 122. Reisetag (31.07.2018 bestritten wir zunächst mit dem Rad. Wir besuchten eine Nomadenfamilie, wo wir neben Milchtee und frittierten Teigwaren mit hausgemachter Butter auch selbst hergestellten Joghurt aus Yak- und Kuhmilch probieren konnten. Letzterer schmeckte uns so gut, dass wir einen 5 Liter-Kanister davon kauften. So gestärkt stellte die Tagesetappe von gerade einmal knapp 60 Kilometer kein Problem dar. Wir fuhren die zweite Hälfte der Strecke auf der uns inzwischen vertrauten und ruhigeren Straße am Tuul zurück und konnten so endlich wieder die stark befahrene Ost-West-Achse der Hauptstadt etwas umfahren.

Nachdem wir die Räder am Hotel abgestellt hatten, zogen wir mit dem Bus weiter nach Osten, um den Birken-Gebirge Nationalpark zu besichtigen. Der Kontrast zum Naherholungsgebiet Terelj war deutlich. Eine holprige Piste führte uns 13 Kilometer weg von der Hauptstraße in ein ruhiges Jurtencamp. Die Anlage ist Teil eines seit mehr als 25 Jahren erfolgreich betriebenen Auswilderungsprojekts, in dessen Rahmen das Mongolisches Wildpferd (das s.g. Przewalski-Pferd) wieder zurück in sein Habitat gebracht werden sollte. Nachdem die Art in den 1960ern in der Mongolei praktisch ausgestorben war, wurde der Bestand aus Populationen in Gefangenschaft wiederhergestellt. Auch andere Tiere im 50000 Hektar große Areal sowie die Menschen, die in der Pufferzone um den Park leben, profitieren von den Bemühungen, die Arten zu schützen. Das Projekt finanziert sich unter anderem aus dem Tourismus, der in einem angenehmen und offenbar nachhaltigen Rahmen betrieben wird, sowie internationaler Unterstützung.

Die wilden Pferde konnten wir schließlich am Morgen des 123. Reisetags (01.08.2018) sehen, als wir uns in aller Frühe aus den gemütlichen Jurten bewegten, um mit dem Begleitfahrzeug etwas über die Piste in die Wildnis vorzustoßen. Auf den von der Morgensonne bestrahlten Hügeln konnten wir zwei Gruppen dabei beobachten, wie sie grasten oder sich in den Wiesen wälzten, die nur aus Kräutern und Blumen zu bestehen schienen. Den Vormittag nutzten wir für weitere Spaziergänge oder Reitausflüge, nachdem wir zum Frühstück unter anderem große Mengen an lokal produziertem Käse mit frisch gebackenen Milchbrötchen verköstigt hatten. Bei strahlendem Wetter fuhren wir in die Hauptstadt zurück, wo wir den Abend mit einer Musik- und Tanzaufführung der Gruppe Tumen Ekh und einem gemeinsamen Abendessen ausklingen ließen.


Strecke 122. Reisetag (31.07.2018):
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