Schon wieder Buddhismus

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Aber was will man machen, wenn man wieder ein großes Kloster besucht, wie heute: Tashilhunpo, den „Berg des Glücks“. Es ist das größte aktive Kloster Tibets und seine Geschichte ist hochdramatisch: die Gründung veranlasste der erste Dalai Lama (1447) und setzte seinen Lehrer als Abt ein, dieser gilt als der Erste der Panchen Lamas. Im Folgenden hatten die Inkarnationen des Dalai und des Panchen Lama eine konfliktreiche Geschichte, beide standen in Konkurrenz und waren doch aufeinander angewiesen. Der Panchen muss z.B. den nächsten Dalai Lama bestätigen: der heutige elfte Panchen Lama residiert in Beijing, von der VR-Regierung handverlesen. Die eigentliche Inkarnation verschwand 1995 und lebt seitdem unbekannt irgendwo im Hausarrest. Ein Grund mehr für die Prophezeiung, dass der 14. Dalai Lama auch der letzte sein wird.

Große Teile Asiens sind vom Buddhismus durchdrungen, Hoch-und Alltagskultur, alles Leben. Das könnte irgendwann langweilig werden, aber das Gegenteil ist der Fall. Weil man einerseits immer mehr davon kennenlernt und der Buddhismus andererseits sehr vielfältig ist. Tibet übt sich in Synkretismus: Elemente des südostasiatischen Hinayana („kleines Fahrzeug“) verschmelzen mit dem ostasiatischen Mahayana („großes Fahrzeug“) und werden ergänzt durch ganz eigene, tantrische Herangehensweisen, denen des Vajrayana („diamantenes Fahrzeug“).

Es ist bei allen Theorien viel beeindruckender, die Gläubigen selbst zu erleben: wie sie ihre Sanskrit-Mantras murmeln, wie sie mit ihren Gebetsketten und Gebetsmühlen um Stupas und Tempel laufen. Auf unseren Strecken flattern die Gebetsfahnen, aus den Autos regnen Papiere mit den Windpferden des Buddhismus auf uns nieder. Die weißen Kathag (Schals) wurden uns zur Begrüßung umgehängt, man sieht sie an Tempeltüren hängen und an religiös aufgeladene Stellen gewickelt. Kurz hinter Lhasa haben wir ein paar Frauen auf ihrem Pilgergang gesehen, in ständigen Niederwerfungen. Wahrscheinlich kommen sie aus Osttibet und haben schon Monate wenn nicht Jahre hinter sich, bis nach Indien oder vielleicht zum Kailash werden es weitere Jahre sein. Sie falten ihre Hände und lassen sich auf die Knie sinken, dann strecken sie sich zu voller Länge aus. Aufstehen, drei Schritte und die gleiche Prozedur. Aber angelacht haben sie uns dabei.

Hier ist alles durchdrungen vom Buddhismus, ganz egal ob die geistige Führung nun emigriert ist, ob es zunehmend Folklore wird oder ob der Staat in den meisten Entscheidungen seine Hände im Spiel hat. Meine Gruppe ist auch durchdrungen, natürlich ohne ihr Dasein im roten Staub der derzeitigen Wiedergeburt dadurch geringer zu schätzen. Helmut wollte heute mit der Rikscha ins Hotel zurück und landete in einer Seitengasse, der Fahrer hatte die Flucht ergriffen (dass wir uns hier recht verstehen: Helmut ist der netteste Mensch!). Da saß er dann wohl in der Rikscha und ist irgendwann zu Fuß los. Aber beim Abendessen war er anwesend. Jens hat ein weiteres Hausschild erobert, das wird Gudula freuen und wahrscheinlich weiß jetzt nur sie, was damit gemeint ist.

P.S. Blog hoffentlich wieder in Lhatse, in zwei Tagen. Wenn dann nicht, dann lange nicht.

Die Zwei Säulen von Tibet

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Der gemeine Tibeter will Tsampa und Buttertee, immerzu. Dazu braucht er Gerste und Yak, das sind die Zwei Säulen von Tibet!

Die Gerste wird zu Mehl gemahlen und geröstet, man kann sie dann mit allerhand Flüssigkeiten zu breiiger oder fester Konsistenz formen, man kann sie essen oder Statuen aus ihr basteln. Das wäre dann das Tsampa, gestern Abend hatten wir z.B. Pa, das ist eine Art vorgeformtes Tsampa-Brot. Besser als erwartet, aber wir mussten nicht mal selber kneten also ist das beileibe keine authentische Tsampa-Erfahrung. Man kann die Gerste natürlich auch gären lassen und bekommt dann Chang, was oft als tibetisches Bier bezeichnet wird, tatsächlich aber eher wie Federweißer schmeckt. Damit haben wir selbstverständlich schon mehr Erfahrung gemacht, u.a. als uns Laba in ein beliebiges Bauernhaus geschleppt hat und die überraschte Hausherrin sich nur mit Chang zu helfen wusste. Das also ist die Gerste.

Das Yak liefert die Butter zum Buttertee, eigentlich das Dri (die Mischung aus Rind und Yak), aber mal sollte nicht Haarspalten. Um den Buttertee sind wir bis auf eine Ausnahme herumgekommen, er schmeckt salzig und leicht ranzig, je nach Qualität der Butter eben. Aus Yakbutter formt man ebenfalls Statuen, das scheint ein tibetischer Fetisch zu sein; außerdem hält man mit ihr die Lampen in den Tempeln am Flackern. Jaja das Yak. Es liefert ja zusätzlich seine Arbeitskraft und dann das Fleisch und sein Fell, sogar sein Dung wird verwertet: an Hauswände geklatscht, getrocknet und dann im Winter verfeuert. Und über vielen Hauseingängen hängen Yakschädel.

Wir sind heute durch alle Abstufungen von Braun und Gelb gefahren, zwischen braunen Bergen und dem Gelb der abgeernteten Gerstenfeldern hindurch. Es ist Heuernte, eine pastorale Idylle, zusätzlich begünstigt durch Sonnenschein und leichten Rückenwind. Nur Klaus konnte nicht dabei sein, er kam gestern mit dicker Backe zum Abendessen und genoss sichtlich die Meinungen und Ratschläge, die um ihn herum aufbrandeten. Unserer Fahrer, der andere Laba, kennt den besten Zahnarzt von Shigatse, das hat er wenigstens behauptet und dabei seine schiefen Zähne gezeigt (unten auf dem ersten Bild, das ist er, leider sieht man sein Prachtgebiss hier nicht so). Um diesen Zahnarzt hat Klaus heute einen weiten Bogen gemacht, aber er ist trotzdem nach Shigatse vorgefahren und hat sich untersuchen lassen, nichts Ernstes sagt man.


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Schwindelgefühle

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Herrlich ist es, sich auszuruhen! Sonnenschein flutet in das auf tibetisch gemachte Hotelzimmer. Vor dem Fenster ein Himmel in reinstem Blau, die Farben scheinen hier oben intensiver zu sein, ohne die üblichen Schichten von Dunst und Smog. Gyantse ist ein überschaubares Städtchen, dominiert vom Dzong, der Trutzburg des einstigen Lokaladels, und bekannt durch sein Kloster Pälkhor Chöde mit dem 35m hohen Stupa. Der Ort ist ziemlich geschäftig, es ist Erntezeit und vor allem die Gerste wird von den Feldern auf die Märkte geschafft. Schön, hier müßig herumzuschlendern und sich dabei von der Sonne bescheinen zu lassen. Die Müdigkeit und der Muskelkater stecken noch im Körper, aber die Symptome dieser hohen fremden Welt sind am abklingen. Siggi kuriert sein Bronchialsystem, Helmut arbeitet an seinen Schwindelgefühlen und Franks Pupillen flackern nicht mehr im Einklang mit seinem Puls (das taten sie gestern, wir waren natürlich besonders nett zu ihm und haben versucht, ihn nicht aufzuregen).

Unser erster Tag auf dem Rad war noch harmlos, ideal zum Einfahren: gut 60km hinaus aus der Stadt und immer den Lhasa-Fluss entlang, bis in das Dorf Qushui (Chusul). Viele Radfahrer sieht diese Gegend nicht und wenn, dann sind diese mit Zelten ausgerüstet. Die Touristen-Jeeps donnern durch den Ort hindurch, auf dem Weg nach Gyantse oder Shigatse. Wir waren also exotisch, unsere Beherbergung war jedenfalls auf die tibetische Landbevölkerung ausgerichtet. Hüttenidylle, könnte das im Katalogsprech heißen, Mehrbettzimmer ohne Bad über einem Teehaus. Erstaunlicherweise ist es ja dann meistens wirklich idyllisch, Kartenspielen, beim Wein zusammensitzen.

Der nächste Tag ging an die Grenzen. Von Qushui aus biegt man auf den südlichen Seitenarm des China-Nepal Friendship-Highway ab und klettert dann in endlosen Serpentinen dem Kampa La auf knapp 4800m entgegen. Die Steigung ist angenehm zu fahren und das Wetter war ideal (kurzes Loblied auf das Wetter: perfekte Verhältnisse bis jetzt). Aber in der Höhe muss mindestens das Doppelte an Energie investiert werden, vor allem am Anfang einer solchen Tour. Die 1200 Höhenmeter sind Anschlag. Aber trotz den Strapazen: Anflüge bislang selten erlebter Euphorie. In dieser gewaltigen Landschaft fahren zu dürfen, über den ersten hohen Pass zu kommen und dann den leuchtend blauen Yamdrok-See vor Augen zu haben!

Und gestern eine der schönsten Strecken, die ich jemals gefahren bin. Erst durch Gletscher hindurch über den 5000m-hohen Karo La, dann hinunter in das herrliche Gyantse-Tal. Es geht wie gesagt schon alles viel besser jetzt, Angehörige dürfen sich beruhigen. Einige von uns steigen für Teile der Strecke in den Bus und fahren dann später wieder, ein angenehmer Rhythmus hat sich ergeben, die Gruppe funktioniert wunderbar.


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Ein Tag in China

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Die Bilanz heute morgen war nicht so verheerend wie gestern, aber einige von uns haben noch sehr mit der Höhe zu kämpfen. Und einige Mägen kränkeln noch dazu. Also besser kein straffes Programm heute, sondern viel Zeit für eigene Erledigungen und Vorbereitungen und Atemübungen, bevor es morgen endgültig losgeht. Den Vormittag zumindest haben wir zusammen verbracht, wir sind zum heiligsten Tempel Tibets geschlendert, dem Jokhang. Und hatten ihn nicht für uns alleine. Heute vor 62 Jahren wurde die VR China gegründet, zum Nationalfeiertag strömen die Massen und lassen kaum Raum übrig.

Um den Jokhang ranken sich viele Legenden, die eine und wichtigste davon (sowohl für die Tibeter als auch für die Chinesen, allerdings aus unterschiedlichen Gründen): nachdem der große König Songtsen Gampo im 7. Jahrhundert ein geschlossenes, starkes Tibet geschaffen hatte, wurden ihm sowohl die nepalesische Prinzessin Bhrikuti als auch die chinesische Prinzessin Wencheng zum Weibe gegeben. Beide brachten eine Statue des historischen Buddha Shakyamuni mit nach Lhasa und schafften es, den König zum Buddhismus zu bekehren. Für die Statuen wurden die Tempel Ramoche und Jokhang gebaut, bis heute sind es die ältesten und verehrtesten Heiligtümer Tibets. Für die Tibeter fängt nämlich hier ihre buddhistische Geschichte an und es gibt wohl kaum eine Kultur, die so in ihrer Religion verhaftet ist. Die Chinesen verweisen auf die große kulturelle Einflussnahme ihrer Prinzessin und bezeichnen sie als die eigentliche Herrscherin Tibets in dieser Gründerzeit.

Letztendlich haben die Chinesen gewonnen. Der tibetische Buddhismus musste ins Exil und keiner weiß, was nach dem 14. Dalai Lama passieren wird (die Prophezeiungen, dass er der letzte sein soll, gab es schon lange vor der Machtübernahme der Chinesen). Lhasa ist von chinesischen Touristen, Geschäftsleuten, vom Militär beschlagnahmt. Das Aufgebot an Soldaten ist unglaublich, an jeder Ecke und auf den strategisch gelegenen Dächern stehen Uniformierte. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie es ist, hier zu leben, aber man scheint sich damit abgefunden zu haben. Die Atmosphäre ist einigermaßen gelassen, zwei Parallelwelten, die aneinander vorbeitreiben. Eine gewisse Weltenthobenheit ist in diesem Fall von Vorteil (das war auch das Ergebnis unseres kleinen Rollenspiels, der Mönch war von seinen Peinigern nur schwer zu beeindrucken, siehe Bildmaterial).

Morgen also die erste Radetappe, zunächst nicht so schwierig, in den Folgetagen aber respekteinflößend. Wir haben uns heute mit dem letzten Nötigsten eingedeckt und sind gewappnet. Internet wird es erst wieder in Gyantse geben, das ist in drei Tagen. Ab ins Nichts, Arrivederci!

Shambala-lalalalala

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Nur zerschlagene Gesichter beim heutigen Frühstück. Der reduzierte Sauerstoff in dieser Höhe lässt das Herz schlagen und manchmal den Kopf dumpf vor sich hin pochen. Die Atmung beschleunigt sich, die Kehle ist trocken. Das waren meine Phänomene heute Nacht: interessant, aber für einen wohligen Schlaf ungeeignet. Und den Anderen ging es ähnlich. Das wird nicht anhalten, es ist schon jetzt viel besser geworden. Die meisten von uns haben das gängige Kräuterzeug gegen Höhenkrankheit eingeschmissen (Rosenwurz/Hongjingtian), welches mir von Volker empfohlen wurde. Und wir haben ja auch drei Apotheker dabei, geballte Expertise für alle Lebenslagen. Die schlaflose Nacht ließ die Treppen des Potala trotzdem bis in den Himmel wachsen, was hysterisch war, wie sich heute herausgestellt hat.

Denn es war ein vielleicht etwas träger, aber auch ein sehr schöner Tag. Zum Potala soll man eigentlich nicht gleich am Tag nach der Ankunft, aber wir hatten keine andere Wahl. Für einen Besuch muss man sich vorher anmelden und bekommt dann ein Zeitfenster zugewiesen. Die Besucherquoten sind beschränkt und zu allem Überfluss nehmen die Goldenen Wochen gerade Fahrt auf (rund um den Chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober scheint das ganze Land in Bewegung zu sein). Also schön, dass wir überhaupt die Ehre hatten…die Treppen gingen wider erwarten gut, Laba war in Topform und hat mit rollenden Augen und ausholenden Gesten seine Geschichten erzählt.

Der Sitz der Dalai Lamas (der ehemalige Sitz, muss man ja inzwischen sagen, daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern) ist gewaltig, düster, prunkvoll. Ich spare mir mal geschichtliche Ausführungen, im Potala ist so viel passiert, das kann man nicht kurz abhandeln. Aber man kann die Bedeutung, die der Palast für die Tibeter hat, an deren Verhalten erkennen: von den alten Frauen, die mit der Gebetsmühle in der Hand die Kora (heilige Runde) um ihn drehen und sich dann davor niederwerfen. Oder von den Pilgern, die in den wenigen begehbaren Räumen die Butterlampen am Leuchten halten. Diese Pilger inmitten des Touristenflusses scheinen völlig aus der Welt gefallen zu sein.

Mit den Rädern hat es dann wieder länger gedauert als erwartet, aber das ist ja immer so. Wir bezahlen Leute vor Ort, die uns die Räder in Bestzustand vor das Hotel stellen sollen. In Lhasa hatten die Räder den langen Transport aus Beijing hinter sich, dann ist eine gute Wartung natürlich besonders wichtig. Tatsächlich sah es so aus: die Lenker waren verkehrt an den Vorbau montiert, die Reifen waren nicht aufgepumpt (weil es in ganz Lhasa keine ordentliche Pumpe für französische Ventile gibt), die Räder insgesamt waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt etc. Es war noch viel zu tun. Irgendwann sind wir dann doch noch eine kleine Schleife zum Lhasa-Fluss und durch die Altstadt gefahren.

Das Abendessen im House of Shambala war gut. Shambala: das Reine Land des tibetischen Buddishmus, wir wurden dabei passenderweise bestens unterhalten von einer Gruppe Tschechen, die im Nebenraum zur Gitarre Kirchenlieder sangen. Und leider hatte ich meinen Fotoapparat dann nicht mehr dabei, denn eine schöne Szene waren die Panikkäufe auf dem Rückweg: Kartonweise Wein, der jetzt bis Kathmandu reichen muss.

Ennui in der Business-Class

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Flugzeit heute nur 1:15h, trotzdem sind wir von einer Welt in eine andere geflogen. Vom provisorischen Chaos Nepals hinein in das kontrollierte Tibet, vom grünen Monsun in die braune Bergwelt. Über 2000m Höhenunterschied (Lhasa liegt auf etwa 3600m), das wirkt sich gerade etwas auf das Bewusstsein aus. Wie in Watte ist das hier, eigentlich nicht unangenehm. Also, der Flug war zwar kurz und trotzdem waren wir den ganzen Tag dafür unterwegs, das Chaos braucht schließlich seine Zeit und die Kontrolle auch. 4km bis zum Flughafen von Kathmandu bedeuten 45min, 65km vom tibetischen Flughafen Gongkar nach Lhasa brauchen auch nicht viel länger. Außerdem wurde auf die lustige Nepal Zeit (+3:45) noch einmal 2:15 draufgeschlagen, in Lhasa herrscht selbstverständlich Beijing Zeit.

Mit dem Flug haben wir nettes Geld in die Gruppenkasse gespült. Im Vorfeld waren nur noch Business Class-Tickets zu haben, von Kathmandu aus geht der einzige internationale Flug nach Lhasa und der scheint beliebt zu sein. Gestern Nacht wurden wir von ernsten und entschlossenen Nepalesen kontaktiert, die uns unter allen Umständen einige der Tickets abkaufen wollten, kanadische Reisende konnten und wollten nicht auf das Business-Class Privileg verzichten, das ist verständlich. Wir haben sie die Hälfte unserer Tickets in die Economy-Class umtauschen lassen, für ordentliches Geld und Fensterplätze mit Everest-Blick. Auf dem Flug lasen die Kanadier die meiste Zeit Zeitung. Ich will nicht wissen, was der Veranstalter für diese Bequemlichkeit leisten und ausgeben musste: wie sie uns überhaupt ausfindig gemacht haben, und dann haben sie uns aufgelauert, verhandelt, Mittelsmänner eingesetzt, die Airline für die Namensänderungen bestochen.

Der Flughafen von Kathmandu macht seinem Land alle Ehre, verplant und höchst sympathisch. Gate 5 wurde uns angesagt, der Sicherheitsmann konnte den Schlüssel zum Gate nicht finden, also mussten alle von Gate 4 aus über das Rollfeld laufen. Vier von uns dann in der Holzklasse mit Blick auf Everest und Kollegen, die anderen vier in Business auf rechts, sich gelangweilt die Fingernägel feilend. Dabei hätte man von rechts herrlich den Kangchenjunga sehen können, den dritthöchsten Berg der Welt, im Grenzgebiet zu Sikkim.

In Gongkar war es dann viel unkomlizierter und längst nicht so martialisch wie erwartet. Unser tibetischer Guide heißt Laba und war nett und gesprächsbereit. In der Stadt haben wir dann unseren Olympiaradler Eckhard aufgelesen, der ist über andere Wege nach Tibet gereist und nun sind wir vollzählig, eine fast reine Männerrunde, verwegene Gesellen! Nur Silke vertritt die Damenwelt: eine Alexandra David-Neel unserer Zeit.

Durga Puja

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Heute im Telegrammstil, denn es ist spät und will geruht werden:

Alle gut geflogen und gelandet. Alle aufrecht dem Ansturm, den Kathmandu den Sinnen bietet, standgehalten. Durga Puija oder Dasain, das größte hinduistische Fest des Landes, das Blut von Wasserbüffeln und maximaler Tumult. Außerdem kommt es plötzlich und sturzartig vom Himmel. Wie sich Straßen doch schlagartig leeren können, wo sich der Mensch doch überall hinquetschen kann. Kumari, die lebende Göttin, schaut kurz und huldvoll zu ihrem Volk hinunter (5 Jahre alt). Am Abend bekommen wir endlich unsere Tika, unser drittes Auge, gute Reise! Lang lebe Subeechya und ihr lang lebe ihr Vater Bharat!

Es sind stürmische Zeiten

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Sensationelle Neuigkeiten: meine Anreise nach Kathmandu verlief recht reibungslos. Zur Feier des Tages also ein kurzer Prolog, meine Gruppe kommt erst morgen früh hier an. Und ich scharre bereits respektvoll mit den Hufen: die Tibet-Tour wartet, erbarmungslose Winde, eisige Höhen, große Weiten, vollendete Ruhe.

Die Nacht in den Osten ist natürlich traditionell kurz, deshalb noch immer Schlafdefizit. In Bangkok hat eine nasse Wand gewartet. In Bangkok war ich eine Nacht, ich wohne dort am Rand der Chinatown, und siehe da, das vegetarische Fest der Auslandschinesen war mal wieder voll im Gang. Das sind enorme Feierlichkeiten die jährlich stattfinden, die schmalen Gassen sind mit noch mehr Essens-und Einkaufsständen als sonst verstopft, die meisten Leute bewegen sich in unbeflecktem Weiß durch die Gegend. Das Zentrum des Festes bilden ausgerechnet Tempel und Parkplatz direkt vor meinem Gästehaus, was einerseits spannend ist, anderseits höchste Ausgeglichenheit erfordert. Spätestens wenn die chinesische Operntruppe loslegt, das hat sie gestern etwa zeitgleich mit meiner Ankunft getan. Dann ist an Ruhe nicht mehr zu denken, und zwar Tag-und Nacht, eine knappe Woche lang. Vor ein paar Jahren war ich zufällig während der gesamten Dauer des Festes in meinem Gästehaus und kam mir ausgesprochen ruhebedürftig vor, eine Woche auf dem Balkon, den Blick träge über den Fluss schweifen lassen etc. Aber sie ließen sich natürlich nicht lumpen, die Opernstars. Bei diesen Opern gibt es nachts Stunden, da spielen sie praktisch für sich selber, was zutiefst rührend ist finde ich (wenn entsprechend ausgeglichen).

Also nicht viel Schlaf. Das Kantipur Temple House in Kathmandu wiederum ist ein Hort des Friedens, aber um es herum: Tumult, Tumult! Der Regen prasselt unberechenbar vom Himmel, der Sommermonsun hat das Tal noch immer im Griff, die Altstadtgassen dampfen und das Leben tobt wild und anarchisch vor sich hin.

Xuexi Lei Feng…

…hao bangyang („Lerne von Lei Feng, dem guten Vorbild“). Che und ich kommen gerade von einer kurzen Erkundung aus der Inneren Mongolei zurück, jetzt sind wir wieder in Datong/Shanxi. Das Lied von Lei Feng haben wir des Öfteren gesungen, wir waren schließlich mit Meister Gou von der Lei Feng-Autoflotte unterwegs. Der kleine Yuan, sein 11jähriger Sohn, war auch mit von der Partie.

Meister Gou war ein selbstloser Fahrer, für ihn und seinen Sohn waren es ein paar große Tage. Bis hoch an die mongolische Grenze! Gute Unterhaltung für alle Beteiligten. Wenn es dem Jungen mal langweilig wurde, dann reckten er und sein Vater die Faust und riefen: Jianchi jiu shi shengli („Nur Beharrlichkeit führt zum Erfolg“)! Lei Feng wäre stolz gewesen. In seinem jungen Leben soll er ein Muster an Patriotismus und Selbstlosigkeit gewesen sein, nachdem er mit 22 bei einem dummen Unfall ums Leben kam wurde er zum Poster-Boy des kommunistischen China gemacht.

Wir sind ein paar Strecken für die Gruppe abgefahren, die in Berlin gestartet ist und bald von der Mongolei aus in China einfällt. Ich hoffe sie haben noch nicht genug von der weiten Steppenlandschaft, für uns war das ziemlich besonders. Es wogt und windet. Die wenigen Häuser stemmen ihre fensterlosen Rückwände trotzig dem Norden entgegen. Viel los ist hier nicht, fast wie in Xinjiang, 20 Menschen kommen in der Inneren Mongolei auf den Quadratkilometer. Zu jedem Essen werden Knoblauchzehen gereicht, bei so wenigen Menschen stören die Konsequenzen ja auch niemanden.

Gestartet sind wir von der Gelben Löß-Ebene, hineingekommen sind wir in die Steppe. Das Grenzgebiet der Provinzen Shanxi und der Inneren Mongolei bezeichnet die Schnittstelle zwischen Ackerbau und Nomadentum (man beachte hierzu bitte die feine Symbolik auf dem Foto mit den Kamelen) – also seit jeher die Grenze zwischen gänzlich verschiedenen Lebensweisen. Vieles deutet nach wie vor darauf hin, die Han-Mauer aus Lehm, die Wachtürme, die administrative Bezeichnung der Bezirke als „Banner“. Zur Zeit der Qing-Dynastie wurden die Mongolen von den Mandschus – ebenfalls ein Nomadenvolk, aus dem Nordosten – in deren Banner-System integriert. Oben an der Grenze haben wir erstmal Bundesliga-Konferenz gehört, da geht einem doch immer wieder das Herz auf.

Die Mauer und das Vogelnest

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Hier kommt nochmal Monika zu Wort und es geht um unseren schönen Abschlusstag gestern. Heute ist Abreise und alles driftet schweren Herzens auseinander, Frank und Lutz habe ich bereits zum Flughafen gebracht, wir anderen sammeln uns gerade in den ruhigen Innenhöfen des Lüsongyuan-Hotels. Gleich ein letztes gemeinsames chinesisches Essen. Es war eine gelungene Tour, da muss man nicht viel drumherum reden. Dieter, danke für Deine Mühen und Technical Support, Monika, danke für Deine Kreativität, Hermine, Martin, Michael, Frank, Lutz: danke dass ihr dabei und so unkompliziert ward. Alle sind sie spätestens morgen früh daheim, hoffe ich mal, ich selber fahre noch für eine Woche in die Innere Mongolei und erkunde dort einige Routen, mit Che zusammen (vielleicht schreibe ich einen Eintrag darüber, mein Mitteilungsbedürfnis wird langsam pathologisch). Also, Monika:

Unser letzter gemeinsamer Tag. Und es wird ein besonders schöner. 70 km im Norden von Peking dürfen wir fast völlig alleine ein Stück auf der ‚wilden‘ Mauer entlanglaufen. Nur ein paar Libellen begleiten uns. Steil geht es bergauf und bergab. Die Landschaft um uns herum ist traumhaft grün, fruchtbar und hügelig. Wir können die Mauer weit, weit mit den Augen verfolgen. Von einem Horizont bis zum nächsten. Keine gerade Linie, sie windet sich am Grat entlang, schlängelt sich durchs Tal, wird durch einen See mit Flußlauf unterbrochen. Immer wieder von Wachtürmen begleitet. Mal ein Stück restauriert, dann wieder grün überwachsen und zerfallen. Eines der größten Bauwerke der Menschheitsgeschichte. Ich sehe sie das erste Mal: Gänsehaut bei 35° Grad.

Ein kleines Restaurant grillt uns einen Fisch und außerdem gibt es Esel. Mit Sojasoße. Frank schluckt und verzichtet. Ein Zimmer gäbe es auch zu mieten. Vom Bett aus hat man eine sensationelle Sicht auf die Mauer. Falls das zu langweilig ist – da wären auch noch zwei Fernseher. Jan veranstaltet ein kleines Feuerwerk. Böller, Rauch, Schwarzpulvergeruch. Die Reise ist zu Ende. Alle Heil. Kein Sturz. Gratulation!

Auf der Rückfahrt dann noch das Olympiagelände mit Vogelnest. Jetzt also wieder ein völlig anderer Baustil. Neueren Datums- aber auch spektakulär. Über die Tartanbahn flitzen Touristen mit Rollatoren. Von einem Extrem ins andere. Das hatten wir auf der Reise schon oft. Und noch ein Highlight. Was isst man in Peking? Genau! Ente! Der Koch zelebriert. Schneidet die Haut filigran vom Vogel. Zerlegt ihn scheibchenweise und setzt ihn ohne Knochen wieder zusammen. Es schmeckt so wie die ganze Reise war. Eigenständig. Nicht vergleichbar mit anderen Dingen. Großartig!
Mein persönliches Fazit der Reise. Ich habe ein ganz anderes China kennengelernt. Wilder, trockener und realer. Nicht lieblich. Manchmal und für manche von uns zu real. Aber auch schroffe Landschaften haben ihren Reiz. Wir haben über Hitze und Kohleminen geschimpft, standen fassungslos vor dem Anblick des Karakorum und ich kann mich auch noch gut an den glänzenden Mondsichelsee im Abendlicht erinnern. Die mythischen Märchen, die flammenden Berge. Und..und..und. Keine gemeinsame Jurtenübernachtungen mehr und was soll ich bloß zu Hause essen? Nur ein Gericht? Selber aussuchen? Nicht mehr Stäbchenstochern?

Und ich fand unsere Gruppe toll. Jan kannte ich – den Rest nicht. Ich habe alle ins Herz geschlossen. Ob ich wohl ohne GPS ins Büro finde?