Auf dem Platz des Volkes steppt der Bär

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

78 km von Tai‘an nach Ningyang, Sonne satt und 26 Grad

Psychologisch ist das gar nicht so schlecht: Wir haben heute, auf unserer ersten Radetappe, auch gleich schon die längste und vermeintlich härteste Strecke hinter uns gebracht.

Aber der Reihe nach: Am Morgen treffen wir zunächst einmal den chinesischen Fahrer, der uns die nächsten zwei Wochen begleiten wird. Yang Shifu, Meister Yang, soll er von uns genannt werden. Eigentlich ist sofort klar, dass das passt zwischen uns. Herr Yang strahlt uns an, freut sich ganz offensichtlich auf die Tour, und muss erst einmal mit Helm und Fahrrad für ein Selfie posieren, damit seine Freunde auch glauben, dass er mit ein paar Ausländern unterwegs ist, die Shandong mit dem Fahrrad unsicher machen. Unterwegs versorgt er uns dann mit Melone und Kirschen und spätestens jetzt ist wissen wir, dass wir bei ihm in guten Händen sind.

Auf dem Fahrrad machen wir heute die erste Bekanntschaft mit der nordchinesischen Landschaft. Nach einer anfänglichen Steigung von 120 Höhenmetern geht es den Rest des Tages durch die Ebene. Grüne Weizenfelder, Baumschulen und Pappelwälder säumen den Weg und wir fahren auf vielen kleineren und einigen größeren Straßen bis nach Ningyang. Die Sonne und einige kaum enden wollende Alleen tragen dazu bei, dass wir doch recht erschöpft sind, als wir das Hotel erreichen. Dafür schmeckt das Schmutzbier umso besser! Und zu wissen, dass das jetzt schon die härteste Prüfung unsrer Tour war, tut gut.

In der Reisebeschreibung wird Ningyang als „typisch chinesische Kleinstadt“ bezeichnet. Kleinstadt bedeutet in diesem Fall etwa 500.000 Einwohner. Und wo geht man in der typischen chinesischen Kleinstadt am Abend hin, um noch ein bisschen was zu erleben? Na klar: Auf den Platz des Volkes. Den gibt es nämlich in fast jeder Stadt in diesem Land. Auch wir tun das, auf gut Glück, und siehe da: Auf dem Platz des Volkes in Ningyang steppt der Bär! Von überall tönt unterschiedliche Musik aus mitgebrachten Lautsprechern, und größere und kleinere Gruppen von hauptsächlich Frauen tanzen dazu in typischer Manier Linedances. Einige Gruppen haben langsame und recht einfache Choreografien im Repertoire, bei anderen sieht es eher aus wie ein Fitness-Workout, und eine Gruppe von jüngeren Tänzerinnen fasziniert uns mit unglaublich schneller Fuß-arbeit.

Am Rande des Platzes steht eine Menschentraube, in der Mitte spricht eine schick herausgeputzte Dame in ein Mikrofon. Was hier wohl los ist? Wir sind natürlich neugierig, stellen uns an den Rand der Traube, und landen – ehe wir uns versehen – im Zentrum der gesamten Aufmerksamkeit. Die Frau überrumpelt uns nach allen Regeln der Kunst, stellt Fragen mit dem Mikro Fragen nach unserer Herkunft und plötzlich stehen wir alle in der Mitte der Menschenansammlung und sollen ein Lied singen. Nicht, dass wir nicht willig wären – aber so ganz ohne Proben und unter Druck fällt uns partout kein Lied ein, das wir alle Textsicher beherrschen und wir kommen ganz schön ins Schwitzen. Die Entertainerin erlöst schließlich die Gruppe aus der schwierigen Lage, indem sie mich als chinesisch Sprechenden zu einem Gesangsduett diktiert (von bitten kann nicht wirklich die Rede sein). Ich darf selber ein Lied wählen und entscheide mich für Deng Lijuns schnulzigen Klassiker „Tian Mimi“, da bin ich einigermaßen textsicher und die Melodie kenne ich genauso gut wie jeder Chinese. Ach ja: die ganze Geschichte wird auch noch live ins Internet gestreamt, wer weiß, wer da gerade alles zuschaut! Zum Glück treffe ich die Tonlage ganz gut. Unsere Showmasterin ist zufrieden und wir dürfen uns der Aufmerksamkeit der Menge wieder entziehen. Das war genug Aufregung für heute! Der Puls sinkt langsam wieder auf Normallevel und wir schlendern zurück zum Hotel.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2019-05-09_kong191.gpx“]

Im Frühtau zu Berge und fünf Katzen im Sack

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Sonnenaufgang auf dem Taishan, und ein kurzweiliger Nachmittag und Abends wieder unten in der Stadt.

Ganz so leicht fällt es uns nicht, aus den Betten zu kommen, als die Jungs vom Hotel wie versprochen mitten in der Nacht an unseren Zimmern klingeln. Irgendwie schaffen wir es trotzdem. Es ist saukalt draußen, aber wir sind einigermaßen gut vorbereitet und haben Schals und Mützen dabei. Außerdem kann man hier für 10 Yuan pro Person einen dayi ausleihen, so einen klassischen grünen Armeemantel. Wir kommen uns auch gleich ein bisschen vor wie die Volksbefreiungsarmee auf dem langen Marsch, als wir im Treck zusammen mit den anderen Gästen unseres Hotels eine endlos erscheinende halbe Stunde durchs Dunkle stolpern. Der Sonnenaufgangsgipfel ist exponiert und es fegt ein eisiger Wind um unsere Ohren. Bis die Sonne dann langsam aufgeht kauern wir deshalb wie die Pinguine zusammengedrängt auf dem Fels – das hilft tatsächlich sehr, um sich vor dem Wind zu schützen.

Der Sonnenaufgang ist schön, aber auch fix wieder vorbei, und wir beeilen uns schnell wieder ins warme Hotel zu kommen. Dort wärmen wir uns bei einer Tasse Kaffee wieder auf, essen Frühstück und verabschieden uns von den Gipfeln des Taishans. Tausende Treppenstufen hinunterlaufen stellen wir uns nicht so angenehm vor, deshalb geht es heute mit Lift und Bus wieder hinab in die Stadt.

Eigentlich sind wir ja hier, um Fahrrad zu fahren! Morgen starten wir auf unsere erste Radetappe nach Ningyang und holen deshalb heute unsere Räder beim örtlichen Radladen ab. Schnell ist alles eingestellt und die erste kurze Probetour vom Radladen zum Hotel ohne Probleme gemeistert.

Nach einem tollen Abendessen mit einem Knoblauch-Karpfen als Highlight stoßen wir beim Verdauungsspaziergang noch auf ein richtiges Schmankerl: Auf dem Nachtmarkt gibt es heute einen großen Haufen Pakete zum Wühlen und Kaufen. Eines kostet 5 Yuan (etwa 60 Cent). Man darf durch die Verpackung fühlen, die (oft etwas kryptische) Inhaltsbeschreibungen durchlesen und kauft dann aber die „Katze im Sack“. Adressiert sind die Päckchen lustigerweise zum Großteil an Deutsche, Franzosen und Engländer. Wir haben Sendungen in der Hand, die nach Chemnitz, Berlin und Frankfurt gehen sollten, es aber aus irgend einem Grund nicht einmal bis über die chinesische Grenze geschafft haben. Vom Konsumwahn mit Glücksspielfaktor angesteckt ersteht jeder von uns ein Päckchen. Die Ausbeute: Ein langer Edelstahl-Schuhanzieher; ein praktisches Kosmetik-Reisetäschchen; zwei Sets von bunten Plastikdöschen zur Aufbewahrung von Ohrringen; eine Gruselmaske mit Leuchteffekten; fünf Mini-MP3-Player. Spaß hatte jeder bei der Aktion, der Zufriedenheitsgrad mit dem Kauf fällt aber doch bei allen recht unterschiedlich aus.

Über 6293 Stufen musst du gehn

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Zwei Tage zusammengefasst: Wir fahren mit dem Zug nach Tai‘an und besteigen am nächsten Tag den Taishan.

Am Montag, den 6. Mai fahren wir mit dem Zug von Qingdao nach Tai‘an. Wir müssen leider ganz schön früh raus, weil der Zug schon um 7:38 Uhr abfährt. Wir sind etwas müde, die Fahrt und der Transfer zum Hotel in Tai‘an laufen jedoch wie Schnürchen. Die chinesische Bahn ist gut organisiert und das System mit den großen Wartehallen und einem „Aufruf zum Boarding“, nachdem ausschließlich die Passagiere eines bestimmten Zuges zum Einsteigen aufs Gleis gelassen werden, fühlt sich ein bisschen an, als wäre man per Flugzeug unterwegs.

Da wir früh in Tai‘an ankommen schauen wir uns noch die große daoistische Tempelanlage gleich um die Ecke des Hotels an. Unsere anschließende Suche nach einem Café gestaltet sich etwas schwierig – da hat sich unserer Vorgängergruppe vor zwei Jahren, wie deren Blog verrät, besser angestellt.

Abends schlendern wir noch über den Nachtmarkt. Hansi hat heute Geburtstag und bekommt – wie es sich in China gehört – von uns eine Sahnetorte, garniert mit frischen Erdbeeren, die wir nach dem Abendessen gemeinsam verputzen. Als die Wirtin des Restaurants mitbekommt, dass es einen Geburtstag zu feiern gibt, serviert sie dem (schon zum Platzen gefüllten) Geburtstagskind gleich noch eine Schüssel Nudeln aufs Haus. Die langen Nudeln in der Suppe stehen in China für den Wunsch nach einem langen, glücklichen Leben, und sind neben der Sahnetorte auf jedem chinesischen Geburtstags-Speiseplan wiederzufinden. Alles Gute, lieber Hansi!

Am Dienstag geht‘s dann hinauf auf den Tai-Berg (Taishan). Das Internet verrät uns, dass dieser heilige Berg des Daoismus der meistbestiegenste Berg der Welt ist. Wir möchten das jetzt gerne korrigieren: Der Berg ist wohl eher meist befahren und meist begondelt. Während am Fuße und auf dem Gipfel wirklich viel los ist, ist der Betrieb auf den vielen, vielen, Steinstufen, auf denen wir den Berg hinauf stapfen, doch halbwegs überschaubar. Die Stimmung unterwegs ist gut und wir werden immer Mal wieder von fröhlichen Wandersgruppen angesprochen und gefragt, ob wir nicht für ein gemeinsames Foto zur Verfügung stehen würden. Wir machen da gerne mit.

Es ist sonnig, mit einer leichten Brise, und der Weg ist schattig und schön – und vor allem im letzten Drittel auch schön anstrengend: Die Treppen werden irgendwann immer länger und steiler und man ist gut beraten, sich nicht unterwegs nach hinten und unten umzuschauen.

Nachdem wir gut oben angelangt sind, drehen wir noch eine Runde um die Gipfel und fallen schließlich geschafft in unsere Betten. Spät ist es noch nicht, aber wir werden morgen früh schon um 3:30 Uhr geweckt, um den Sonnenaufgang anschauen zu gehen.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2019-05-07_kong191.gpx“]

Wir holen die Vergangenheit ein

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Unterwegs in Qingdao, zu Fuß und mit dem Bus. Heiter bis wolkig.

Ende des 19. Jahrhunderts nutzten einige europäische Nationen den schwachen Stand des wirtschaftlich und innenpolitisch zerrütteten chinesischen Staates aus, um sich gewaltsam neue Märkte zu erschließen. Auch unsere Vorfahren wollten sich da nicht lumpen lassen: Den Mord an zwei deutschen Missionaren zum Anlass nehmend, tauchten deutsche Kanonenboote vor der chinesischen Küste auf und erzwangen die Unterzeichnung eines Pachtvertrages und somit die Öffnung Qingdaos als deutschen Handels- und Militärstützpunkt in China. Von 1898 bis 1914 siedelten, handelten und bauten die Deutschen hier was das Zeug hielt, bis sie dann nach Beginn des ersten Weltkrieges von den Japanern verdrängt wurden.

16 Jahre hatten sie also Zeit, ihre Spuren hier zu hinterlassen, und genau auf diesen Spuren wandeln wir heute. Wir streifen an einigen steinernen und fachwerkenen Wohn- und Geschäftshäusern aus dem frühen 20. Jahrhunderts vorbei und gelangen zu einer evangelischen Kirche. Der massive Bau aus dem Jahre 1908 ist auch gut besucht als wir ankommen: Gerade ist die zweite Sonntagsmesse vorüber und die chinesische Gemeinde strömt uns entgegen. Etwa 800 Leute fasst die Kirche, und sie scheint voll gewesen zu sein. Es hat also nicht nur das Bauwerk, sondern auch der Glaube die Jahre überdauert. Auf dem Uhrwerk der Turmuhr steht „Bockenem am Harz“ – schon komisch, so etwas hier in China zu lesen. Das gesamte Bauwerk mit seinen dicken Mauern macht einen recht vertrauten Eindruck – ob es wohl ein konkretes Vorbild aus Deutschland dafür gab?

Nachmittags machen wir uns dann auf zum eigentlichen Vermächtnis der Vorväter: Wir besuchen die Tsingtao-Brauerei. Die anno 1903 als „Germania“-Brauerei gegründete Bierfabrik ist heute noch am selben Platz zu finden. Die alten und neuen Fabrikanlagen lassen sich besichtigen und wir bekommen am Ende auch eine Kostprobe des Qingdao Yuanjiang, ein leckeres naturtrübes Weizenbier, geschenkt. Die Brauerei ging mit Machtübernahme der Kommunisten in China in den Chinesischen Staatsbesitz über und hat sich bis heute – mittlerweile als florierendes Aktienunternehmen mit vielen verschiedenen Biermarken – erhalten. Ein Beispiel für gelungenen Kulturaustausch? Prost!

In der Nähe der Brauerei setzen wir uns noch in ein kleines Restaurant, um uns von den Strapazen der Besichtigung bei einem Bier zu erholen… Kurz vor‘m Abendessen wird es dann etwas stürmisch, aber nachdem wir gegessen haben, hat es sich schon wieder etwas beruhigt und wir beenden unseren zweiten Tag der Reise mit einem Verdauungsspaziergang um die Blöcke.

Brautpaar-Schau in Qingdao

Kaiser, Kanäle Konfuzius, vom 04.05. bis 25.05.2019

Orientierender Spaziergang an der Küste Qingdaos, bestes Wetter.

Da sind wir also: Vier Reisende, ein Tourguide, am Strand. Genauer: Am Strand an der Ostküste Chinas. Noch genauer: In der früheren deutschen Konzession Qingdao (etwas altertümlich auch Tsingtau genannt) Und was am Wichtigsten ist: Wir befinden uns am Anfang unserer gemeinsamen Reise durch die Provinzen Shandong und Jiangsu, per Rad durch’s ländliche Nordchina, mit Stationen am Taishan, in der Konfuzius-Geburtstadt Qufu und einigen Radeletappen entlang des berühmten Kaiserkanals. Endstation wird in drei Wochen die frühere Hauptstadt Nanjing sein.

Heute haben wir uns aber nach überstandenem Flug also alle in Qingdao getroffen und machen das, was man in Qingdao so macht: Wir schlendern den Strand entlang. Unser Hotel liegt in Sichtweite des Zhanqiao-Piers, an dessen Ende der Pavillon sitzt, der durch sein Abbild auf allen Tsingtao-Bierflaschen und -Dosen Weltruhm erlangt hat.

Von hier aus wandern wir entlang der hübsche Küstenlinie nach Osten. Kleine Parkanlagen wechseln sich ab mit Holzpromenaden und Sandstränden. Das wir in China sind, merkt man daran, dass am Strand alle (bis auf ein paar verwegene einheimische Ruheständler) trotz schönstem Wetter von oben bis unten angezogen sind. Der Sonne will sich hier niemand freiwillig aussetzen, Körperbräune ist nach wie vor verpönt.

Ein weiteres klares Indiz, dass wir uns im Reich der Mitte aufhalten, sind die Brautpaare, die am Strand, in den Klippen, und später auch im Villenviertel posieren. Wer einmal in China gewesen ist, wird die Szenerie kennen: Ein werdendes Brautpaar wirft sich in Schale (der Schleier am Brautkleid kann nicht lang genug sein) und wird von einem Team von mindestens drei Leuten in Szene gesetzt und fotografiert. Zum Beispiel: Einer zupft den Schleier des Kleides zurecht, einer hält den Reflektionsschirm, eine spritzt mit einer Plastikflasche Wasser in Richtung Brautpaar, denn der Bräutigam hält gerade schützend einen Regenschirm über die Braut, obwohl es ja eigentlich nicht regnet. Ach ja, und einer macht dann noch das Foto. Ich möchte nicht lügen, aber 50 solche Pärchen samt Entourage haben wir heute unterwegs bestimmt gesehen. Bessere Unterhaltung kann es auf so einem Ausflug eigentlich kaum geben!

Da wir alle die Anreise noch in den Knochen haben, verabreden wir uns früh zum Abendessen: Passend zur Küstenstadt gibt es Fisch und Meeresfrüchte. Es schmeckt, und macht Vorfreude auf die restlichen 20 Abendessen, die uns noch erwarten.

Ausklang

Südlich der Wolken, vom 16.04. bis 07.05.2016

Letzter Tag: Stadtbesichtigung in Shanghai, Fußmassage und Abschied.

Auch an unserem letzten Tag konnten wir China noch einmal anders und neu entdecken: Erst einmal ging es mit der Fähre rüber nach Pudong, dem Neubau- und Wirtschaftszentrum der Metropole. Vom obersten Stock des „Flaschenöffners“ (Shanghai World Financial Centre) hatten wir trotz einsetzenden Smogs noch eine recht gute Sicht auf den Fluss Huangpu und die umliegende Skyline, samt des erst kürzlich fertig gestellten Shanghai Tower mit seinen imposanten 632 Metern. So glatt und gläsern hatten wir dieses Land auf unserer Tour noch nicht erlebt!

Nach Besichtigung des Yu-Gartens konnten wir dann noch einmal das China der einfachen Leute genießen: Wir schlenderten durch eine Markthalle in der Altstadt und landeten kurz vor der Ankunft im Hotel unverhofft in einem Fußmassage-Studio. Nach anderthalb Tagen Besichtigungsprogramm und einigen gelaufenen Kilometern in den Füßen konnten zumindest Andra, Raphael und ich der Verlockung nicht widerstehen. Von der Atmosphäre her sind viele chinesische Massagesalons wohl am ehesten mit einem deutschen Friseurladen zu vergleichen. Während die Masseurinnen unsere Sohlen für eine geschlagene Stunde aufs Angenehmste bearbeiteten, riss das Geschnatter und Gekicher kaum einen Moment ab. Der neueste Klatsch und Tratsch über die Nachbarn wurde verbreitet, die frisch gekauften Klamotten der Kolleginnen begutachtet und schließlich gab es auch über uns haarige Ausländer einiges zu erfahren und zu diskutieren. Der recht freizügigen Bekleidung der Angestellten nach zu urteilen, werden hier vermutlich zu anderen Stunden auch andere Leistungen angeboten – die Fußmassage war jedoch richtig gut und wir verließen das kleine Studio wie neu geboren.

Am Abend gab es shanghainesisches Essen, das eher mild und süßlich daherkommt, und dann war auch schon Abschied angesagt! Abschied von einander, von China, und von einer Tour, die richtig gut gelaufen ist. Das Wetter (bis auf ein bis zwei Tage), die Stadtbesichtigungen sowie Wander- und Rad-Etappen, die Begleitfahrer, und nicht zuletzt die Stimmung innerhalb der Gruppe – alles hat gepasst. Kommt alle gut nach Hause und vielleicht bis zum nächsten Mal!


Während für uns die Tour beendet ist, sind Raimer und Ingrid noch in Yunnan unterwegs. Raimers Bericht vom 6. Mai:
Wir starteten in Temple, ein 4 Sterne Hotel für umgerechnet 23 Euro, das war perfekt. Wir waren ziemlich mutig. Nicht die Hauptstraße nach Nanhua nahmen wir, sondern eine Nebenstraße. Wir tauchten ab ins alte China. Ochsenkarren und Dreschflegel waren wieder angesagt. Um 13:00 Uhr erreichten wir nach ca. 35 km eine Kleinstadt. Bis zum Endziel Nanhua wären es noch 50 km über eine schlechte Straße. Wir entschlossen uns zu bleiben, in einem Ort den wir gar nicht aussprechen können. Das Hotel: basic ist noch schön geredet, gut dass wir die eigenen Schlafsäcke dabei haben. Aber wir fielen auf. Eine Polizeistreife registrierte uns mit Bild und Pass. Wir sollten eigentlich weiterfahren, weil für uns eigentlich kein Platz sei. Warum war uns unklar. Erst längeres überreden überzeugte den Polizisten. Jetzt konnten wir noch zwei Stunden die Leute bei der Ernte und dem Trennen von Spreu vom Weizen zuschauen. Ein tolles Erlebnis. Morgen geht’s über eine Rüttelpiste in Richtung Nanhua. Der Wecker ist auf 05.00 Uhr gestellt. Gut, dass wir unseren eigenen Kocher dabei haben. So können wir uns einen guten Kaffee zubereiten.

Unterwegs auf neuen Pfaden

Südlich der Wolken, vom 16.04. bis 07.05.2016

Ankunft der Gruppe in Shanghai und erste Erkundung der Innenstadt; Bericht von Ingrid und Raimer aus Yunnan.

In aller Frühe ging es für uns heute mit dem Flugzeug nach Shanghai, der letzten Station unserer Reise. Gegen Mittag erreichten wir unser Hotel und hatten so am Nachmittag und Abend noch Zeit für einen Bummel über den berühmten Bund und die Einkaufsmeile Nanjing Lu.

Spannend war dann noch einmal der nächtliche Rückweg ins Hotel, auf dem wir durch ein paar Gässchen der Shanghaier Altstadt liefen. Gerade noch auf Shanghais von großen LED-Bildschirmen illuminierten Prachtstraßen unterwegs, fanden wir uns hier zwischen Zockerstuben, dunklen Kaschemmen und von Bordsteinschwalben bevölkerten Hauseingängen wieder. Unsicher haben wir uns trotzdem nicht gefühlt – die Leute hier gingen alle ihren Beschäftigungen nach und haben sich nicht um uns Langnasen gekümmert.

Auch von Ingrid und Raimer haben wir ein Lebenszeichen erhalten, die Beiden haben auf den Nebenstraßen Yunnans auch Einiges erlebt:

Das Tandem-Team Ingrid und Raimer machte sich vor drei Tagen auf, allein weiter nach Kunming zu radeln. Die Entscheidung von Dali aus Richtung Nordost zu radeln war goldrichtig. Fern jeglicher Autobahn erlebten wir echtes, ursprünglich es China. Wir merkten es z.B. daran, dass die Leute mit ihren Mopeds ganz langsam an uns vorbei fuhren und sich noch lange umdrehten. Einmal drehte ein Moped um: der Fahrer fuhr neben uns und rief uns zu ob wir auf dem Weg nach Dayao seien. Irgendwie muss es sich bei unserem letzten Halt in einem kleinen Laden rumgesprochen haben, dass zwei Deutsche mit dem Tandem unterwegs sind. Der erste Ort nach Dali war Binchuan, tiefe Provinz. Um so herzlicher die Leute. Zuvor ging es von gut 2.000 Meter Höhe über eine gut 8 km lange Abfahrt auf wieder 1.500 m.

In Binchuan erlebten wir morgens beim Aufbruch gegen 06:00 Uhr ein für uns unglaubliches Spektakel. Direkt am Hotelfenster ertönte über Lautsprecher Musik, so laut, dass sich ein naher Sportplatz innerhalb von 15 Minuten mit ca. 300 Schülern füllte und alle ihre Morgengymnastik dazu machten. Nach ca. 20 min war alles zu Ende, der Unterricht begann. Am nächsten Tag mussten die 500 Höhenmeter in Richtung Xiangyun wieder raufgestrampelt werden. Eine gute Stunde war schieben angesagt. Nicht einfach auf der belebten Landstraße. In Xiangyun gefiel es uns nicht. Eine zu laute Stadt, an der Autobahn. Daher wieder die Idee ins Inland, Richtung Dayao zu fahren. Das Abenteuer begann. Zunächst eine wunderschöne Strecke. Vorbei an Reisterrassen, auf einer neuen Straße. Dann schlagartiges Ende der Fahrbahn. Gut 20 km vor unserer Übernachtung, ca 40 km vor Dayao, ging es nur noch die über eine extrem grobe Naturstraße weiter. Mehr als erhöhte Schrittgeschwindigkeit war fast nicht möglich. Ein Wunder dass am Tandem nichts kaputt ging.

Spät am Nachmittag erreichten wir die Übernachtung: sage und schreibe 7 Euro für ein Doppelzimmer!!!! Da wir am nächsten Tag die gleiche, schlechte, Piste erwarteten, standen wir 05.00 Uhr auf um mit dem ersten Morgenlicht zu starten. Kurz nach 06.00 versorgten wir uns noch im Ort mit Vorrat aus einer der Garküchen. Da sahen wir am Marktplatz einen kleinen Überland-Bus. Beiläufig fragte ich nach dem Ziel und ob er auch Fahrräder mit nimmt. Kein Problem, die Richtung war die unsere und das Tandem kann aufs Dach!!!! Innerhalb 5 Minuten war das Tandem auf dem Dach verzurrt, die Packtaschen eine perfekte Unterlage fürs Rad. Für umgerechnet 3 Euro für uns und das Rad kamen wir gut in Dayao an. Von dort radelten wir dann nach Temple, unserem heutigen Ziel. Untergebracht in einem 4 Sterne Hotel für nur um gerechnet 23 Euro konnten wir uns erholen, denn Ingrid hat sich eine Erkältung geholt. Sie hält echt tapfer durch. Abends das Highlight: das komplette Abendessen einschließlich dem Wein aus Yunnan bezahlte die Chefin vom Hotel. Da gab’s keine Diskussion, für die Chinesen war es eine Ehre uns einzuladen. Willkommen in China, dem Land der Gegensätze.

Erstklassiges Rätseln im Abteil zweiter Klasse

Südlich der Wolken, vom 16.04. bis 07.05.2016

Zugfahrt von Dali nach Kunming und abendlicher Spaziergang durch den Cuihu Park

Das Ereignis des Tages war unsere Zugfahrt von Dali nach Kunming. Eigentlich war ja geplant die Strecke mit dem Bus zurückzulegen, aber weil gerade Hochsaison in Dali ist und die Autobahnen deshalb gerne mal verstopfen, hatten wir uns für die verlässlichere Variante entschieden, mit der Bahn zu fahren.

In China werden Zugtickets in vier Kategorien verkauft „harter Sitz“ und „weicher Sitz“, sowie „hartes Bett“ und „weiches Bett“. Da ich damit letztes Jahr bei einer Zugfahrt mit einem modernen Hochgeschwindigkeitszug von Guilin nach Guangzhou gute Erfahrung gemacht hatte, hatte ich für die Gruppe vier Hartsitzkarten gekauft.

Wie sich herausstellte, mussten wir damit bei den Zügen älteren Modells, die hier eingesetzt werden, doch ein paar Abstriche in Sachen Komfort machen. Zu acht, und zuweilen zu zehnt im Abteil, teilten wir vier uns eine Pritsche, auf der man als großgewachsener Europäer nicht ganz aufrecht sitzen konnte.

Die Laune verderben ließ sich dadurch jedoch niemand. Nachdem wir eine Weile lang die vorüberziehende Landschaft betrachtet hatten und ein bisschen was über die uns gegenübersitzenden Uni-Kurse schwänzenden Jungs erfahren hatten, holte Heinz ein „Um die Ecke Gedacht“-Rätsel aus der ZEIT aus seiner Tasche. Wer hätte gedacht, dass wir vier so ein famoses Rätsel-Team sind!

Musikalisch untermalt von buddhistischen Gesängen ein paar Abteile weiter lösten wir den Rest der Zeit gleich zwei dieser anspruchsvollen Knobeleien bis auf den letzten Buchstaben.

In Kunming blieb am Nachmittag dann noch Zeit für einen Spaziergang durch den schönen Cuihu-Park und ein üppiges Abendessen. Morgen geht’s früh raus, denn unser Flug nach Shanghai startet schon um 8:00 Uhr!

Die Bilder von der Zugfahrt sind von Heinz, vielen Dank für’s Dokumentieren!

Reis und Romantik am Ohrensee

Südlich der Wolken, vom 16.04. bis 07.05.2016

Stadtbesichtigung in Dali und letzte Radetappe um den Ohrensee. 94 km, ganz flach.

Nur mehr zu viert verbrachten wir die letzten beiden Tage in Dali mit Besichtigungen und eine letzten Fahrt mit unseren Rädern um den Ohrensee (Erhai). Die Altstadt Dalis, in der auch unser Hotel liegt, ist eine der größten Touristenhochburgen Chinas geworden und vor allem bei jungen Leuten ein beliebtes Reiseziel. Straßencafés erfreuen sich gerade bei der jüngeren Generation immer größerer Beliebtheit, was uns freut, denn so kommen wir nach längerer Durststrecke wieder in den Genuss der einen oder anderen Tasse leckeren Yunnan-Kaffees. Der bunte Trubel in den alten Gassen ist zwar manchmal etwas zu viel des Guten, doch mit dem blauen Cangshan-Gebirge im Hintergrund eröffnen sich beim Spazieren immer wieder schöne Blicke.

Für eine ganze Umrundung ist der Ohrensee zu groß (40 km Nord-Süd-Ausdehnung), deshalb kürzen wir ab, indem wir uns mit einem gecharterten Boot und den Rädern bis zum gegenüber liegenden Ufer schippern lassen. Wir umrunden die nördliche Hälfte des Sees auf der Uferstraße, entsprechend flach ist die Piste und wir können uns auf unserer letzten Etappe gut rollen lassen. Für die jungen Leute und Pärchen sind rund um den See immer wieder romantische Stationen aufgebaut: Herzchen im Kornblumenfeld, Hollywoodschaukeln am Strand, aus Stroh gebaute Esel und Bärchen, vor denen reihenweise frisch Verliebte gegen ein geringes Entgelt posieren und knipsen. Auch viele angehende Hochzeitspärchen lassen sich vor romantischer Kulisse fotografieren, um das obligatorische Hochzeitsalbum mit kitschig-hübschen Bildern zu füllen.

Fahrradfahrer gibt es auf der Straße weniger, die chinesische Jugend macht ihre Ausflüge um den See bevorzugt auf E-Rollern, die man hier an jeder Ecke ausleihen kann.
Besonders schön wird es dann noch einmal an der nordwestlichen Seite des Sees, wo wir durch eine kleinteilige Palette von Felder radeln und noch einmal die Gelegenheit haben, die chinesische Landwirtschaft hautnah zu erleben. Viele Bauern sind mit der Ernte von rotem Knoblauch beschäftigt, der Geruch der Knollen weht immer mal zu uns herüber. Auch Nassfelder für den Reisanbau gibt es hier und wir können prima beobachten, wie die erst in Beeten ausgesäten und vorgezogenen Setzlinge Stück für Stück per Hand in die größeren, gefluteten Reisfelder umgepflanzt werden.

Nur ungern trennen wir uns am Abend von unseren Rädern – gerade, wo wir etwas in den Radelrhythmus gekommen sind, heißt es Abschied von unseren stählernen Begleitern nehmen. Wir hatten übrigens nur eine Reifenpanne auf der gesamten Tour – so sollte das öfter mal laufen!


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de//blog/wp-content/uploads/2016-05-03_Yun161.gpx“]

Doppelter Abschied

Südlich der Wolken, vom 16.04. bis 07.05.2016

50 km von Yangbi nach Dali

Die zu großen Teilen aus Anstieg und Baustellen bestehende heutige Etappe war zwar kein solcher Genuss, wie die gestrige Strecke, aber am Ende war das Ganze dann doch weniger strapaziös als befürchtet. Schon am frühen Nachmittag erreichten wir Dali, die alte Hauptstadt des Nanzhao-Reiches, früher ein Handelszentrum an der Kreuzung von Tee- und Burmastraße.

Kurz nach unserer Ankunft hieß es dann schon Abschied nehmen von Xiao Luo und Xiao Ding, unserem Begleitfahrerpärchen, die ihren Job mit viel Hingabe und spürbarer Freude viel mehr als nur „erledigt“ hatten. Xiao Luo machte uns noch einmal ihre Heimat Pu’er schmackhaft und betonte, dass wir dort jederzeit gern gesehen Gäste wären. Als Reiseleiter kann ich nur hoffen, auf noch möglichst vielen Touren von den Beiden begleitet zu werden – so herzlich und hilfsbereit habe ich bisher noch keine Begleitfahrer erlebt!

Am Abend stand dann auch schon der Nächste Abschied an, denn Ingrid und Raimer werden die Gruppe morgen früh verlassen, um die nächsten zwei Wochen auf eigene Faust weiter mit dem Tandem nach Kunming zu radeln. Wir werden die Beiden akribischen Planer und Energiebündel auf unserer restlichen Tour vermissen. Wir wünschen euch viel Glück auf eurem Weg und hoffen, dass ihr euch durch die gemeinsamen zwei Wochen gut in China akklimatisiert habt und nun auf alle Eventualitäten vorbereitet seid!

So lange, wie unsere Tour Südlich der Wolken noch dauert, werde ich Raimers kurze Tagesberichte wie gewohnt mit anhängen:
Schlussfahrt der Gruppe nach Dali, wie gestern beschlossen starteten Ingrid und ich mit dem Tandem kurz nach 06:00 Uhr im Morgenlicht. Die Etappe soll recht lange Anstiege haben, und die Fahrbahn schlecht dazu. Gegen 08:00 Uhr das erste richtige Frühstück an einem LKW-Halt. Obwohl Sonntag war arbeiten die Straßenbauer fleißig, die LKW und die Schlaglochstraße war eine staubige Kombination. Mit der Mithilfe eines freundlichen Pickup-Fahrers, der uns kurzerhand auf seiner Ladefläche mitnahm, kamen wir gegen Nachmittag in Dali an. Für uns geht die Reise nun allein als Tandemteam bis Kunming weiter. Beim Abschiedsessen hatten wir schon Wehmut. Ich denke, dass es für alle ein Erlebnis war mit fünf Fahrrädern und sechs Teilnehmern neun Tage in China gefahren zu sein. Wir sind auf die nächsten zwei Wochen gespannt.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de//blog/wp-content/uploads/2016-05-01_Yun161.gpx“]