Kaiser, Kanäle, Komplimente!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Kleines Resümee unserer Reise

Beim letzten gemeinsamen Abendessen lassen wir die gesamte Tour noch einmal Revue passieren – wie immer ist es gar nicht so einfach, sich die einzelnen Tage und Übernachtungsstätten wieder ins Gedächtnis zu rufen. Worauf wir uns alle ohne Schwierigkeiten einigen können: Es war eine schöne Tour und wir hatten viel Spaß zusammen.

Zwischen uns allen hat die Chemie gestimmt, gerade bei einer kleinen Gruppe ist das wichtig. Da ich als Reiseleiter die Tour zum ersten Mal begleitet habe, sind wir vielerorts wirklich gemeinsam auf Entdeckungstour gegangen. Dafür, dass sich die Gruppe einerseits über die ungeplanten Erlebnisse gefreut hat und andererseits niemand nachtragend war, wenn wir mal den einen oder anderen Kilometer umsonst gelaufen sind, möchte ich mich noch einmal bedanken 🙂 .

Ein weiteres Kompliment soll an Volker gehen, der sich die Reise vor vier Jahren ausgedacht hat. Die Tour bietet eine schöne Mischung an historischen Stätten und Erfahrung des einfachen Stadt- und Landlebens im Han-Chinesischen Kernland. Durch die recht einfachen Etappen (alle flach und bis auf eine Ausnahme unter 70 km) bleibt viel Spielraum, um sich etwas treiben zu lassen und richtig einzutauchen in Alltagskultur der Provinzen Shandong und Jiangsu. Und dadurch, dass die Route an vielen Ecken auf sehr kleinen Straßen quer durch Felder und entlang der kleinen Kanäle verläuft, lässt sich das Radfahren auch richtig genießen.

Begünstigt durch gutes Wetter und sommerliche Temperaturen haben wir uns an der flachen Landschaft erfreuen können, die durch die vielen Kanäle, nette Dörfchen und verschiedene landschaftliche Nutzung deutlich vielseitiger ist, als wir das erwartet hatten. Auch kulinarisch hatte die Reise viel zu bieten – allem voran durch Knoblauch, Fisch und Meeresfrüchte, die hier köstlich kombiniert werden.

Das Einzige, was wir den nach uns kommenden Reisegruppen zu bedenken geben: Der Frühjahrstermin der Tour liegt mitten in der Pollenflugsaison der Pappel, die hier überall zu finden ist. Die umherfliegenden Flusen waren an manchen Tagen schon verdammt nervig, verklebten wunderbar mit unserer Sonnencreme im Gesicht. Den Termin der Tour zu verschieben scheint uns aber keine Option, da es vorher wohl zu kalt, und nachher sicherlich zu heiß wäre. Irgendwie sind wir damit auch klargekommen, aber für einen Pappel-Allergiker hätte der Spaß wohl schnell aufgehört. Dies war aber auch der einzige kleine Wermutstropfen, den wir auf der Reise schlucken mussten. Wir verabschieden uns nach drei schönen und ereignisreichen Wochen voneinander und von Kaisern, Kanälen und Konfuzius. Auf bald, schön war‘s mit euch!

Sind wir jetzt drin oder was? Wir sind drin!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Zwei Besichtigungstage in Nanjing, weiterhin sonnig und heiß.

Nanjing, das in seiner langen Geschichte gleich mehrmals Hauptstadt des Kaiserreiches (und später dann der Republik China) war, hat natürlich auch einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten. Unsere Auswahl für die letzten zwei Tage unserer Reise sind der Konfuzius-Tempel, das Brokat- und Handwerkskunstmuseum, das Beamtenprüfungsmuseum, und das Sun-Yatsen Mausoleum.

Unser hübsches Hotel liegt direkt an einem Kanal und unweit der neuen Altstadt Nanjings, in der sich auch der Konfuzius-Tempel befindet. Nach dessen Besichtigung machen wir uns auf in die Innenstadt. Kerstin hat irgendwo gelesen, dass Nanjing berühmt ist für seinen „Wolkenmuster-Brokat“. Davon hatte ich noch nichts gewusst, aber als ich mich informiere, finde ich ein Museum, indem man etwas über dieses traditionelle Kunsthandwerk erfahren kann. Also nichts wie hin! Das spannendste Objekt der Ausstellung erwartet uns gleich am Anfang. Wir sehen ein Brokat-Webstuhl in Aktion: Zwei Frauen arbeiten gleichzeitig an einem Webstuhl. Während die eine vergleichsweise konventionell unten sitzt und über Fußpedale und verschiedenste Mechaniken die seidenen Fäden anhebt, unter denen das Schiffchen dann hin und her saust, sitzt eine zweite wie eine Trapezartistin weit oben am anderen Ende der Webstuhlanlage und ordnet und zieht mit der bloßen Hand verschiedene dicke weiße Fäden. Wir beobachten den Prozess lange und fasziniert, verständlicher wird er uns dadurch allerdings nicht. Es wächst allerdings der Respekt vor den traditionellen Handwerkskünsten des alten China.

Neben dem großen und sehr modern eingerichteten Beamtenprüfungsmuseum ist am nächsten Tag wollen wir uns das große Sun Yatsen Mausoleum anschauen. Als wir vor den Toren des Mausoleums stehen, dass inmitten eines großen Waldgeländes im Norden der Stadt liegt, müssen wir allerdings erfahren, dass wir den Weg hierher wohl umsonst gemacht haben: Ohne online Vorreservierung ist uns der Zutritt verwehrt! Man schlägt uns vor, die Reservierung jetzt nachzuholen und dann zum nächstmöglichen Termin um 14.00 Uhr auf das Gelände zu gelangen. Darauf, hier vier Stunden zu warten, haben wir allerdings keine Lust und so wird beschlossen, dass wir uns statt dessen das kleine Sun Yatsen Gedenkmuseum hier in der Nähe anschauen. Nach Besichtigung des Museums machen wir uns auf die Suche nach einer Bushaltestelle, um weiter zum Grab des ersten Ming-Kaisers zu fahren, das sich ebenfalls hier im Wald befindet. Wir finden die Haltestelle allerdings nicht gleich, ich gehe noch einmal zum Kassenhäuschen, um nachzufragen, während die Gruppe schon mal vorläuft, und um die nächste Ecke schaut. Als ich folgen will, hält mich jedoch ein Wächter auf. Diesem Weg dürfe ich nicht folgen. Dass meine Reisegruppe gerade eben auch hier langspaziert ist, ist ihm egal. Mist. Ich rufe Hansi an und erfahre, dass die vier quasi durch den Hintereingang auf dem Gelände des Mausoleums gelandet sind! Der Wächter muss wohl einen Moment nicht da gewesen sein. Wir vereinbaren, dass die Gruppe sich die Chance nicht entgehen lassen soll, und ohne mich in Ruhe besichtigt. So bleibe ich also am Wächterhäuschen zurück und warte auf die Rückkehr der vier. Irgendwann wird der Wächter dann aber doch weich und lässt mich ausnahmsweise doch noch hinein. Puh! Auf diese Weise kommen wir also doch alle noch in den Genuss, den Marmorsarg des Republikvaters einmal aus der Nähe zu betrachten. Viel schöner ist da dann doch die schöne Aussicht über Nanjing, die sich uns vom Mausoleum aus bietet.

Dies war es dann auch schon, das letzte kleine Abenteuer unserer gemeinsamen Tour durch die nordostchinesischen Küstenprovinzen. Ein kleines Resümee soll in einem separaten Blog-Eintrag folgen.

Wir haben den (Kaiser-) Kanal voll

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Besichtigungstag in Yangzhou, die Sonne brennt!

Mit den Rädern fahren wir heute Vormittag durch Yangzhou und besichtigen die Gärten, für die die Stadt so berühmt ist. Kerstin macht heute Pause und erholt sich von den Blessuren des Sturzes.

Als erstes steht der He-Garten auf dem Programm, der ehemalige Privatgarten der reichen Handelsfamilie He. Ein typischer chinesischer Stadtgarten, von vielen Mauern durchzogen, durch deren Durchbrüche und Fenster wir wohl komponierte Bilder aus künstlichen Felsgebilden, zierlichen Bäumchen, Teichen und Pavillons sehen können.

Weiter geht‘s zum Daming Si, einer großen buddhistischen Tempelanlage nordöstlich der Innenstadt. Der Ausblick vom großen Turm dort bestätigt noch einmal unseren Eindruck von der Stadt Yangzhou: Es gibt viel Grün und große Parkanlagen hier!

Bei 34 Grad um die Mittagszeit Sightseeing zu machen schlaucht aber auch ordentlich. Wir versuchen unsere Körper mit Speiseeis herunterzukühlen, das hilft zwar, aber auch nur temporär. Beim anschließenden Besuch des großen und schönen Parks am schlanken Westsee sind wir uns einig, dass wir uns lieber mit dem Elektromobil durch die Anlage fahren lassen wollen, als uns zu Fuß weiter zu schleppen. Auch auf den Ge-Garten verzichten wir im Anschluss, also geht es sofort weiter zum Radladen, bei dem wir unsere Fahrräder abgeben. Bilanz: Bis auf Kerstins Sturz und einen einzigen Platten (beim Reiseleiterrad) sind wir gut durch die Tour gekommen – mit nur einer Kettenölung in Huai‘an haben uns die Räder ohne murren bis zum Ziel getragen.

Der angenehmste Teil des Tages ist dann unser Abendprogramm: Direkt vor der Haustür unseres Hotels befindet sich der alte Kaiserkanal. Schon gestern hatten wir gesehen, wie hier die Touristen auf Sightseeing-Booten durch die schöne Kulisse schippern. Heute wollen wir das selbst ausprobieren. Kerstin hat sich gut erholt und so gehen wir in voller Besetzung an Bord. Wir fahren noch im Hellen los, doch es wird dunkler, und schon bald erstrahlt die Uferböschung in prächtiger Beleuchtung.Wir durchfahren viele historische und modernere Brücken, und beobachten, wie sich die Stadtbevölkerung in den Parks um Ufer bei Musik, Gesang und Tanz amüsiert. Nach der Bootstour sind wir uns einig: Es hat sich sehr gelohnt – diese Abendgestaltung können wir unserer Nachfolgegruppe nachdrücklich empfehlen.

Nachdem wir den Kaiserkanal nun über eine Woche lang begleitet haben und ihn nun, zum krönenden Abschluss, auch noch einmal vom Boot aus erleben durften, haben wir nun aber den Kanal voll. Auf‘s vollste genossen haben wir es nämlich, durch die von Kanälen bestimmte Landschaft zu radeln, die abwechslungsreicher und schöner ist, als wir es uns anfänglich vorstellen konnten. Morgen früh verabschieden wir uns dann allerdings von unserem treuen Begleiter, denn dann geht es nach Nanjing, der letzten Station unserer Reise.

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Yangzhou – unverhofft schön!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

64 km von Gaoyou nach Yangzhou, sonnige letzte Radeletappe unserer Tour und Erkundung der Altstadt

Während unsere Vorgängertruppe noch in die Sackgasse des Überflutungsgebietes südwestlich von Gaoyou gefahren sind und dann einen größeren Umweg in Kauf nehmen mussten, um nach Yangzhou zu kommen, haben wir Glück und können dem Track heute ganz normal folgen. Gerade das Stück durch das Feuchtgebiet ist landschaftlich noch einmal besonders schön – wir blicken weit ins Land hinein, in dem sich sumpfige Wiesen und Fischzuchtteiche abwechseln.

Es ist ziemlich heiß heute, da machen wir ein paar zusätzliche Trink- und Eis-Ess-Pausen unterwegs. Alles läuft wie am Schnürchen, bis wir kurz vor Yangzhou sind und uns ein recht langes Elektrogefährt auf dem Radweg die Vorfahrt nimmt – leider mit der unschönen Konsequenz, dass Kerstin stürzt. Zum Glück ist nichts wirklich Schlimmes passiert, aber auf die Schürfwunden an Knie und Ellenbogen und den stattlichen blauen Fleck am Oberschenkel hätte Kerstin gerne verzichtet. Die restlichen sieben Kilometer bis zum Hotel schaffen wir trotzdem noch, und nach Schmutzbier und Ruhepause geht es dann los zur Stadterkundung.

Mal ehrlich – ist irgend jemandem, der diese Tour noch nicht gefahren ist, die Stadt Yangzhou ein Begriff? Auch mir als Sinologe war bis vor Kurzem nur der Name geläufig, ein näheres Bild von der Stadt hatte ich nicht. Das sollte sich heute ändern, und ich bin – wie wir alle – sehr positiv überrascht! Schon bei der Einfahrt in die Stadt fahren wir an vielen Grünflächen, Kanälen und ansprechend gestalteten modernen Gebäudekomplexen vorbei. Unser Spaziergang führt uns dann entlang eines Kanals in Richtung der touristischen Altstadt. Doch gerade der Weg in die vermeintliche Altstadt ist sehr charmant. Der gesamte Bereich der Innenstadt besteht nämlich noch aus den ursprünglichen verwinkelten Gässchen und eingeschossigen Häusern, die so typisch für die traditionellen chinesischen Städte ist. Allerdings wurden diese Strukturen – wie etwa die berühmten Hutongs in Beijing – in den meisten Städten des Landes dem Erdboden gleich gemacht und durch moderne mehrgeschossige Wohnkomplexe ersetzt. Nicht so hier! Während wir durch das Labyrinth der Gassen laufen, fühlen wir uns etwas ins alte Zeiten zurückversetzt. Die Gassen sind so schmal, dass hier keine Autos fahren können. Es ist schön ruhig, auffallend sauber, und wir erhaschen immer mal wieder Blicke in hübsch begrünte Innenhöfe und einfache Behausungen.

Wir freuen uns, dass wir noch einen ganzen weiteren Tag in dieser schönen Stadt verbringen können. Morgen stehen dann die berühmten Gärten der Stadt auf dem Besichtigungsprogramm.


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Unterwegs auf neuen Wegen

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

63 km von Baoying nach Gaoyou, 26 Grad und viel Sonne.

Die Strecke von Baoying nach Gaoyou wartet gleich am Anfang mit einer Überraschung auf: Direkt am Kaiserkanal, an dessen Ufer wir heute radeln, verläuft ein nagelneuer Radweg! In den Genuss, darauf zu radeln, ist unsere Vorgängergruppe noch nicht gekommen. In vielen Ecken Chinas werden zur Zeit Radwege gebaut – eine Entwicklung, die natürlich äußerst begrüßenswert ist. Wir freuen uns sehr darüber, dass wir etwas abseits der Landstraße und mit schönem Blick auf den Kanal auf dem glatten Radweg dahinrollen können. Ein paar Kinderkrankheiten muss man da jetzt noch in Kauf nehmen: Gerne stellen zum Beispiel Straßenarbeiter ihre Karren quer über den Radweg. Auch der Normalbürger parkt sein Auto vorzugsweise schön mittig auf dem Weg, sodass man als Radler recht umständlich ins Gelände ausweichen muss. Und der Klassiker natürlich: (trifft auf mindestens 50% der Radwege zu, die ich im ländlichen China bisher beradelt habe) Der Weg endet irgendwo in einer Sackgasse. Das passiert uns heute gleich zwei Mal. Trotzdem bleiben wir dabei: Es ist gut, dass die chinesische Regierung sich bemüht, das Radfahren in der Natur zu fördern.

Als der Radweg irgendwann gänzlich aufhört, fahren wir wieder auf schönen kleinen Betonwegen durch die Felder. Die Sonne scheint und der Wind kommt von hinten – was kann ein Radfahrer mehr wollen?

In Gaoyou angekommen besichtigen wir erst noch die Altstadt und die historische Poststation, und trinken dann noch ein besonders schmackhaftes Schmutzbier (lokal gebrautes Weißbier) in einem zufällig gefundenen, hübschen Biergarten. So lässt‘s sich‘s leben!

Dass sich unsere Reise langsam dem Ende neigt, zeigt sich daran, dass der erste Abschied naht. Morgen wird unsere letzte Radeletappe sein, danach verlässt uns Fahrer Herr Yang und wir müssen uns die verbleibenden Tage ohne seine Fürsorge durchschlagen. Er hat seine Aufgabe mehr als gut gemacht – sich rührend um uns gekümmert und uns stets mit den besten lokalen Köstlichkeiten versorgt. Wir laden ihn heute zum Essen ein und loben uns für seine herausragende Begleitung. Danke, Meister Yang!


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Halleluja!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

48 km von Huai‘an nach Baoying, warm und sonnig.

Neben einer wiederholt schönen Etappe auf kleinen Straßen hat der heutige Tag ein klares Highlight zu bieten. Eines, das nicht geplant war, und gerade deshalb um so schöner ist.

Etwa 15 km vor unserem Zielort Baoying gelangen wir in eine kleine Ortschaft. Schon beim heranfahren bemerken wir eine Kirche, deren rotes Dach mit dem Kreuz drauf gut von Weitem zu sehen ist. Heike schlägt vor, da mal hinzufahren und die Kirche anzuschauen – und da wir heute sowieso alle Zeit der Welt haben, machen wir das natürlich. Wir betreten die offene Kirche, ein geräumiger, neuer Bau, der aber recht schlicht daherkommt, wie die meisten Kirchen in China. Heute ist ja Sonntag, da überrascht es nicht, dass noch ein paar Leute anwesend sind. Eine Frau, die sich gerade noch in den Kirchenbänken unterhalten hat, wird auf uns aufmerksam und kommt freudestrahlend auf uns zu, umarmt uns herzlich einen nach dem anderen. Wir sind ein bisschen überrumpelt, aber die Frau – es stellt sich heraus, dass sie die Pastorin ist – ist so offenherzig und gut gelaunt, dass wir schnell von ihrer Freude angesteckt sind.

Schnell sind alle Mitglieder der Gemeinde zusammengetrommelt und wir werden als weitgereiste Gäste herzlich willkommen geheißen. Die Pastorin ist immer noch ganz aus dem Häuschen und erzählt, dass normalerweise um diese Zeit am Sonntag schon alle abgereist wären. Gerade heute jedoch ist ein gemeinsames Essen geplant, deshalb sind viele geblieben – und nun sind wir gerade heute zur rechten Zeit erschienen, um noch alle anzutreffen. Göttliche Fügung! Wir werden eingeladen, zum gemeinsamen Essen dazubleiben. Dankend nahmen wir die Einladung an und kommen so in den Genuss, gemeinsam mit der Gemeinde zu speisen. Wir werden einmal über das Gelände der Kirche geführt, und dann sind die Tische auch schon gedeckt. Bei Tisch ist die Stimmung ist weiterhin sehr herzlich, es werden viele wohlwollende Worte gewechselt und die Pastorin nimmt Segenswünsche für uns mit in das Tischgebet auf. Spannend, diese uns so bekannten Sitten in einem so fremden Kontext zu erleben. Und wirklich rührend, wie freudig und nett wir hier aufgenommen werden.

Nach dem Essen sitzen wir noch einen Moment zusammen und unterhalten uns, dann wird es Zeit für uns, weiter zu fahren. Natürlich gibt es noch eine gemeinsame Fotosession, danach ein herzlicher Abschied mit viel Händeschütteln und Umarmungen. Halleluja! Wir sollen wiederkommen! Auch wenn das nicht ganz realistisch ist – diese schöne Begegnung werden wir sicher lange nicht vergessen.


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Zu Besuch beim Musterknaben

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Besichtigungs- und Ruhetag in Huai‘an, der Geburtsstadt Zhou Enlais

Am heutigen Vormittag schauen wir uns an, was man sich in Huai‘an anschaut: Das große Zhou Enlai – Gedenkmuseum nämlich. Zhou Enlai wurde in Huai‘an geboren und ist so etwas wie der Musterknabe der kommunistischen Revolution. Seit den Anfängen der Partei war er mit dabei, hat sich als Revolutionsführer, Stratege, und später als Premier- und Außenminister auszeichnen können. Er war ein Mann des Volkes und immer loyal zum Großen Vorsitzenden. Dadurch blieb er auch bis zu seinem Lebensende im Amt, ohne von Mao (wie so viele andere) abgesägt zu werden.

Gute Voraussetzungen sind das, um ihn zu einem der großen Helden der Volksrepublik China zu machen, der auch eine entsprechend große Gedenkstätte braucht. Wir schauen uns die pompöse Anlage aus der Nähe an, und erfahren von den vielen guten Taten Zhou Enlais im Gedenkmuseum. Ein Foto zeigt ihn als jungen Mann in Berlin – vielleicht ist damit aber eher der Spreewald gemeint?

Danach geht es noch mit der neuen Straßenbahn (die fährt hier ohne Oberleitung, die Batterien werden beim Halten an den Haltestellen aufgeladen) in die Altstadt, die hier tatsächlich noch einiges an alter Bausubstanz zu bieten hat. Als wir durch die Gassen schlendern, ist gerade Mittagszeit und wir können den Leuten durch die offenen Türen beim Essen zuschauen.

Der Nachmittag ist dann zur freien Verfügung und wird zum Bummel durch die Geschäfte und zum Ausruhen genutzt. Auch ich als Blogschreiber schiebe heute eine ruhige Kugel. Wir freuen uns auf die morgige Radeletappe, das Wetter soll wieder sonnig und warm werden.

renao 热闹

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

63 km von Siyang nach Huai‘an, etwas kühler und weiterhin bedeckt.

Die Reiseleitermappe sagt für die heutige Strecke folgendes voraus: „Es geht ausschließlich auf relativ viel befahrener Landstraße lang. Nach den schönen Etappen bisher ist die Etappe deshalb möglicherweise etwas ernüchternd.“ Da ich selbst die Tour noch nicht gefahren bin, sind diese zwei Sätze die einzige Quelle, auf die wir uns stützen können, um die vor uns liegende Strecke nach Huai‘an einzuschätzen. Entsprechend malen wir sie uns vor Abfahrt in den düstersten Farben aus. Gruselfantasien von Staub, ohrenbetäubend hupenden LKW, Betonwüsten und sonstiger Tristesse geistern in unseren Köpfen, als wir morgens bei (passenderweise) leichtem Nieselregen auf die Räder schwingen. Augen zu und durch – das scheint die Devise für den heutigen Tag zu sein.

Der Niesel ist schon wieder vorbei, als wir den Kaiserkanal nach Süden überqueren, um Siyang hinter uns zu lassen. Auf dem breiten Seitenstreifen fährt es sich recht entspannt, auch wenn tatsächlich etwas mehr Verkehr neben uns rollt. Nach 13 km kommen wir an einem Wochenmarkt vorbei – ein guter Moment für ein erstes Päuschen! Wir lassen uns durch die bunte Menge treiben, der Markt ist recht groß und es gibt viel zu entdecken. Auf der weiteren Strecke nimmt der Verkehr dann immer weiter ab, am Wegesrand begleitet uns die nun schon bekannte Mischung aus Weizenfeldern, Kanälen und kleineren Ortschaften, in denen es immer etwas zu gucken gibt. Die Straßen, auf denen wir fahren, sind zwar nicht ganz so schmal und verlassen wie gestern, aber so wenig befahren, dass wir fast die ganze Strecke nebeneinander fahren und uns entspannt unterhalten können.

Als wir auch die Stadteinfahrt nach Huai‘an ohne größere Unannehmlichkeiten hinter uns gebracht haben, sind wir uns einig: Es war überhaupt nicht schlimm! Eigentlich sogar ganz schön. Der psychologische Schachzug ist gelungen – schön tief stapeln, Erwartungen nach ganz unten schrauben, um sie letztendlich triumphierend zu übertreffen. Inwieweit dahinter wohl ein Kalkül des Verfassers der Reiseleitermappe steckt? Egal. Geschadet hat‘s nicht.

Direkt bei unserer Einfahrt nach Huai‘an erwartet uns etwas, was der Chinese als renao bezeichnet. Das Wort setzt sich aus den Teilen „heiß“ und „Lärm/lärmen“ zusammen, insgesamt übersetzt heißt es sowas wie „Trubel/trubelig“. Die Han-Chinesen fahren total auf renao ab, und das zeigt sich mal wieder bei der Szene, die sich uns hier bietet. Auf einem kleinen Platz im Stadtzentrum, eingerahmt von hübscher historischer Kulisse, scheinen sich alle Rentner der Stadt gleichzeitig versammelt zu haben. Es gibt es Programm unterschiedlichster Art: Während in den verschiedenen Ecken des Platzes gemeinschaftlich gesungen und musiziert wird, führt in der Mitte eine Frau einen Fächertanz auf. Überall stehen die Menschen in großen Trauben, um etwas von dem Spektakel mitzubekommen. Am Rande des Platzes sitzen dicht an dicht Runden von Kartenspielern. Man schnattert laut durcheinander, die laute Musik aus den verschiedenen Richtungen überlagert sich, die Stimmung ist prächtig, und wir stehen mitten drin, mitten im renao.

Schon schart sich auch schon eine größere Menge um uns, alle gucken, fotografieren, filmen, und die Leute in der ersten Reihe wollen das Übliche wissen: Wo wir herkommen, was wir hier machen. Stellvertretend beantworte ich die Fragen, der Trubel um uns herum wird immer mehr. Wir fragen zurück und erfahren, dass es sich hier keinesfalls um ein Volksfest oder einen lokalen Feiertag handelt. Man komme einfach jeden Tag in so großer Zahl hierher, um sich zusammen zu amüsieren. Lange halten wir es nicht aus, so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Wir verabschieden uns höflich und fahren die letzten Meter bis zum Hotel. Als wir abends dann noch einmal an dem Platz vorbeischlendern, erkennen wir ihn erst gar nicht wieder: So anders fühlt es sich jetzt hier an, ganz ohne Menschenmassen und Lärm.


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Zwei im Kükenglück

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

66 km von Suqian nach Siyang, wolkig.

Ähnlich wie gestern fahren wir auf abwechslungsreicher Strecke durchs Land. Heute sind ein paar noch kleinere Sträßchen mit dabei, die durch schöne Dörfer führen. Während uns die Dörfer auf den ersten Etappen in Shandong noch dadurch aufgefallen sind, dass man außer hohen Mauern nichts zu sehen bekommt, sind die Weiler hier viel hübscher und unterhaltsamer. Es wachsen Blumen und Kräuter vor den Häusern, die Tore stehen offen und vor dem Eingang sitzen oft Leute, die ihren landwirtschaftlichen Beschäftigungen nachgehen (Raps dreschen zum Beispiel). Man winkt uns zu, wir winken zurück.

Für die lustigste Begegnung des Tages sorgt ein Pärchen, das uns auf der Straße mit einem Elektro-Dreirad mit Ladefläche überholt. Er sitzt vorne und lenkt, sie hinten auf einem Stuhl auf der Ladefläche, vor sich einen Karton haltend. Die Beiden haben super drauf, passen ihr Fahrtempo an unseres an, und fangen an zu plaudern. Schnell stellt sich heraus, was der Grund für die gute Laune ist: Sie haben, wo auch immer, zehn kleine Küken gefunden, einfach so! „Wild geschlüpft“, wie sie betonen. Die Frau strahlt über das ganze Gesicht, als sie zum Beweis eins der Küken aus dem Karton fischt, und uns vor die Nasen hält. Ein absoluter Glückstag sei das heute! Nachdem wir ihren Fang angemessen bewundert haben, brausen die Zwei mit ihrer Beute davon. Zehn Küken findet man wahrlich nicht alle Tage! Auch wenn wir nicht ganz sicher sind, ob nicht jetzt doch irgendwo ein Bauer seine „wild geschlüpften“ Küken sucht…

Wir überqueren heute allerlei größere und kleinere Kanäle, auf den mächtigen Kaiserkanal stoßen wir allerdings erst in unserem Zielort wieder.

Als wir Siyang erreichen, sieht es kurz nach Regen aus, aber außer fünf kleinen Tropfen kommt dann doch nichts herunter. Wir schlendern noch an der Kaiserkanal-Uferpromenade entlang und finden später eine Open-Air-Garküche, in der wir köstliche Flusskrebse und kalt angemachte Sojabohnen essen.


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Im Seidenreiher-Schutzgebiet

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

63 km von Yaowan nach Suqian, bestes Radelwetter.

Auf einer schönen und abwechslungsreichen Etappe radeln wir von Yaowan nach Suqian. Das Terrain bleibt flach, doch wir sind längere Strecken auf etwas erhöhten Deichstraßen unterwegs und schauen weit ins Land – über Felder, Fischteiche, kleine und große Kanäle und den Luoma-See. Übersetzt heißt das soviel wie Llama-See – wie der zu seinem exotischen Namen gekommen ist, bleibt uns ein Geheimnis. Wir machen immer mal Pause und probieren einfach alles durch, was so am Wegesrand verkauft werden: Bei der ersten Pause gibt es ein in Salzlake eingelegtes Entenei, danach kleine, grüne, runde „Süßmelone“ aus Herrn Yangs Auto, und später verputzen wir noch einen Korb frischer Erdbeeren.

Vom Rad aus beobachten wir Frauen und Männer bei der Schilfernte, sehen Ziegenherden und Entenfarmen. Und dank Meister Yang kommen wir dann sogar spontan in den Genuss einer exklusiven Bootsfahrt, kombiniert mit einer kleinen Expedition durchs Vogelschutzgebiet. Herr Yang hatte ein Schild von der Straße aus gesehen, das auf die hier nistenden Reiher-Arten hinweist und kam ins Gespräch mit dem Manager des Schutzgebietes. Schwupps waren wir zur Vogelexpedition eingeladen.

Mit einem Metallkahn setzen wir über zu einer Insel, auf der tatsächlich Unmengen von Reihern umherfliegen. Im Schilf und vor allem in den Baumwipfeln wimmelt es nur so von den Vögeln: Manche sind braun-grau (das müssen wohl Rordommeln sein), manche gänzlich weiß, und manche weiß mit einem orangefarbenen Hals.

Die Kronen der Bäume um uns herum sind voller Nester – es ist gerade Brutzeit und aus einigen Nestern sehen wir auch ein paar hungrige Schnäbelchen ragen. Vor allem der ganz weiße Reiher, der Seidenreiher, scheint recht selten zu sein. Er kommt im Sommer zum Nisten auf diese Insel, den Winter verbringt er im wärmeren Süden des Landes. Auch für mich ist es eine Premiere, in China ein Naturreservat für Wildtiere zu besuchen – gerade hier im viel bevölkerten Osten des Landes hätte ich so etwas nicht erwartet. Schön, dass unser Reiseplan Luft lässt für spontane Entdeckungen und Erlebnisse wie dieses!

Nachdem wir uns herzlich beim Vogelwart bedankt haben, radeln wir weiter in Richtung Suqian, einer weiteren recht unbedeutenden chinesischen Millionenstadt (etwa eine Million Einwohner im Stadtgebiet). Einmal mehr sind wir beeindruckt von der Wucht des zur Zeit stattfindenden Urbanisierungsprozesses. Gerade in Städten von der Größe Suqians ist galoppierende Urbanisierung am deutlichsten zu sehen: Riesige Gebiete außerhalb des Stadtkerns werden planiert, große Straßen angelegt, und dann schießen die gigantischen Neubaugebiete wie Pilze aus dem Boden. Die Dimensionen sind für uns Europäer kaum zu begreifen – sind denn wirklich so viele Menschen in den Dörfern dieser Gegend bereit, in die Stadt zu ziehen? Finden die dann alle Arbeit? Die Zentralregierung scheint da zumindest sehr optimistisch zu sein. Passend radeln wir dann auch auf der „Allee der Entwicklung“, fazhan dadao, in die Stadt hinein.

Am Nachmittag führe ich die Gruppe bei unserer Erkundung Suqians dann erst einmal zielgerichtet in die ödeste Ecke der Stadt – ich wiederum hatte mich von Baidu Maps, dem Chinesische Cousin von Google Maps, in die Irre führen lassen. Nun ja. Wir finden das Stadtzentrum doch noch irgendwie und lassen den Tag ganz gediegen mit einer chinesischen Massage ausklingen.

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