Plantschen im Pilanha-Becken

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Suichang nach Hushan. 52 km

Wie heißt es so schön? „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Naja… sagen wir mal, wir mussten Kräfte tanken um die morgige Königsetappe angehen zu können. Dazu ging es zu den Heißen Quellen in Hushan. Bereits der Weg dorthin führte an Bergen und Seen vorbei und ließ einen ein wenig entspannen. Das Hotel war bald erreicht und nach einer kurzen Einführungsrunde von Frau Wu zu dem Quellenbad und schönsten Fotostellen Hushans zog es zumindest 3 von uns ins Wasser.

Das Bad war nicht schlecht, es gab ein großes Schwimmbecken und 3 zusätzliche Becken mit jeweils verschieden Kräutern, die verschiedene körperliche Defizite entgegenwirken sollten, wie etwa Magen- und Darmbeschwerden, Hautproblemen, aber natürlich auch Impotenz oder vorzeitige Ejakulation. Da schaut man lieber erst links und rechts schauen ob die Luft rein ist, bevor man hinein steigt. Der Hammer aber waren die 3 Becken mit Putzerfischen, die sobald man auch nur einen Fuß ins Wasser hielt angeschwommen kamen und einem die toten Hautschuppen vom Körper nagten. Vielleicht kennen einige diese sogenannte Fisch-Spa. Meistens beschränkt sich die Behandlung jedoch auf die Füße. Hier konnte man sich allerdings komplett reinlegen und sich von Kopf bis Fuß anknabbern lassen. Das kostete einiges an Überwindung, denn wer nicht kitzelfrei ist, der hielt es nicht lange mit den totes Menschenfleisch fressenden Fischen aus. Hat man sich jedoch ein wenig dran gewöhnt, wurde es recht angenehm. Zu angenehm möchte man meinen, denn Martin und Anke wurden, zwar nicht bis auf die Knochen, aber immerhin blutig genagt von den hungrigen Killer-Fischen.

Eine anschließende Desinfektion im Becken mit Zusätzen von Bambuskohle, dem hiesigen Wunderheilmittel, kam da grade gelegen. Zum Abschluss noch ein zwei Saunagänge und wir waren gerüstet für die Königsetappe.


Die deutsche Pumpe und der chinesische Tee

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Sonyang nach Suichang. 40 km

Radfahrtechnisch war heute eher entspanntes Füße austreten angesagt. Auf dem Tagesprogramm stand ein Besuch bei Tee-Bauer Fan. Er war einer der Wenigen in der Gegend, die in den Genuss kamen von Atmosfair eine hydraulische, ökologische Pumpe für die Irrigation seiner Tee-pflanzen eingebaut zu bekommen. Diese wollten wir uns ansehen… Jawohl… auf dem Besichtigungsprogramm stand eine Pumpe! Na gut… Wir übten schon mal vorher unsere Begeisterungsaufrufe: „Ohh… Ahh… Wooow!“.

Auf dem Weg zu Herrn Fan kamen wir aber noch bei einem Frisch-Tee-Markt vorbei und konnten zu sehen, wie die Bauer ihre Ernte in einer Gasse aufgestellt anpriesen und feilschten. Der Tee, so wie er hier angeboten wurde, war allerdings noch nicht trinkbar und musste erst noch einige Bearbeitungsprozesse durchlaufen, wie wir später dazulernten. Die Preise variierten zwischen 15 und 30 Yuan pro Kilo.

Herr Fan empfing uns gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester, Frau Fan. Während er eher betreten daneben stand, erklärte uns seine Schwester detailliert und mit praktischer Vorführung die Ernte des Tees und beantwortete jede Frage, die wir ihr stellten. Doch plötzlich meldete sich Herr Fan zu Worte: „Wir haben hier noch was, das auch aus Deutschland kommt!“. Ach ja… Die Pumpe… Hätten wir schon fast vergessen. Wir bestaunten kurz die Pumpe und versuchten vergebens unsere Ohhs und Ahhs überzeugend rüberzubringen. Wen es interessiert: die Pumpe stammt von 2008 und wird angetrieben durch den Wasserdruck des kleinen Baches, der durch das Teefeld fließt. Damit hätten wir das auch abgehakt.

Zurück zum Tee… Frau Fan führte uns ins Dorf und zeigte uns, wie der Tee getrocknet und später dann verarbeitet wurde. Herr Fan hatte sich zwischenzeitlich verdrückt. Anscheinend schien er das Gefühl zu haben seine Pflicht sei mit der Pumpenführung erfüllt gewesen.

Nach all der Tee-Besichtigung, wollten wir diesen natürlich auch probieren. Frau Fan nahm uns hierzu mit zu sich nach Hause und ließ von ihrem Mann Bilouchun und weißen Tee aufkochen. Nach all der Besichtigung und dem Haufen an neuen Informationen bekamen wir jedoch langsam auch Hunger und konnten uns kaum wehren, als Frau Fan uns dann zum Essen einlud. Sie meinte, sie sei nicht vorbereitet und habe daher nicht viel anzubieten, tischte aber ein Gedeck auf, dass uns doch ein wenig schlechtes Gewissen aufkam. Aber jetzt war es auch zu spät. Die Nudeln waren gebraten, die 2 Flaschen Bier geöffnet. So erzählte Frau Fan aus ihrem Leben: unter anderem von ihrer Tochter, die mit 13 lernen musste alleine zu Leben und jetzt Schaufensterpuppendesignerin in Shanghai ist, wie sie aus Huzhou hierher gezogen ist und die Landluft genießt, wie sie im Winter, wenn es keine Arbeit gibt mit Karten und Mahjongspielen die Zeit tot schlägt, usw. Nach dem Essen holte sie ihre Fotoalben und Ansichtskarten ihrer Tochter hervor. Wir stauten und waren dankbar für die Einsicht in das chinesische bäuerliche Leben, die uns Frau Fan gewährte.

So nett es auch war, mussten wir dennoch weiter. Noch ein Abschiedsgruppenfoto, noch ein Versprechen, dass ich es ihr zukommen lassen werde und wir fuhren wieder aus den Feldern auf die Hauptstraße in Richtung Suichang. Die nichtssagende Beschreibung, die mir über dir Stadt mit auf den Weg gegeben wurde: „keine schöne aber interessante Stadt“ machte plötzlich Sinn. Suichang schien voller Leben und hatte trotz seiner rein modernen, meistens grauen Architektur einen gewissen Charme.

Es bleib uns endlich mal ein bisschen Zeit zum Trödeln, Uhrreparieren und anderen Dingen, für die man sonst auf ach so stressigen Fahrradreisen keine Zeit hat. Martin hatte heute die glorreiche Idee mal Billiarde zu spielen. Im Hotel gab es zwar die Möglichkeit dazu, draußen zwischen den Suichanger Teenies macht es aber gleich doppelt Spaß. Vor allem wenn Anke noch nie in ihrem Leben Billiarde gespielt hatte und Katherina ihre Karriere am Queue wegen Tischdemolierung aufgeben musste. Beide stellten sich aber als Naturtalente heraus und wir lieferten uns spannende Partien. Zuschauer hatten wir auch eine ganze Menge. Die waren aber vermutlich doch eher am Bild des Ausländers am chinesischen Biliardetisch interessiert als an unserer Kunst mit dem Queue. Der Duft vom benachbarten Stinketofustand verscheuchte uns dann aber doch noch irgendwann zurück ins Hotel.


Vom Regen in den Tunnel

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wuyi nach Songyang. 72 km

Wenn bei Abfahrt es schon wie aus Kübeln regnet fällt es einem schwer die Taschen aufzuladen und loszuradeln. Aber wir sind ja hier um Fahrrad zu fahren… Mit dem nötigen Schuss Optimismus schwenkten wir uns auf unsere Sattel und starteten unsere Tagesetappe. Der Regen aber ließ vorerst nicht nach und wurde noch ein bisschen stärker. Nach 20 km suchten wir erstmal Unterschlupf in einer kleinen Garküche, wo ich mein Frühstück nachholen konnte, dass ich wegen Weckerüberhörens verpasst hatte. Doch Tee und Chili-Bohnen wärmen auch nur so lange man im Trockenen sitzt.

An solchen Tagen freut man sich auch mal ausnahmsweise, dass es eher leicht stetig bergauf ging und noch keine Abfahrt in Sicht war. Zum Mittag hatte der Regen zwischenzeitlich aufgehört. Die Kleidung hing aber immer noch leicht tropfend vom Körper. Als Erkältungsprofilaxe, so hat es meine weise Schwiegermutter mir beigebracht, bestellte ich chinesische Ingwer-Suppe. Das ist eigentlich das, was wir in Deutschland als Ingwer-Tee kennen. Nur wird hier nicht mit dem Ingwer gegeizt und statt 5-6 Scheibchen werden 5-6 ganze Stücke in den Topf geschmissen und mit Rohrzucker aufgekocht. Nach der chin. Ernährungslehre gibt es kaum etwas, was mehr Yang, bzw. Hitze, beinhaltet. Wenn wir nicht von außen durch den Regen gekühlt worden wären, wären wir vermutlich innerlich zerkocht worden.

Der Himmel hatte Gnade mit uns armen Freilufttouristen und ließ für einen Moment das Wasser abstellen. Doch bald schon ging es wieder los und wir ärgerten uns vor allem, dass man bei der schönen Landschaft auf Grund des Wetters sich nicht traute, sein Fotoapparat rauszunehmen.

Als wir nach der Auffahrt uns an der Spitze erholten wollen, konnten wir uns jedoch nicht recht entscheiden, ob wir lieber im Regen oder im Tunnel mit Windzug und grölenden Lastwagen-Monster stehen wollten. Als wir dann aber den Tunnel nach ca. 2 km Fahrt im Dunkeln hinter uns gelassen haben, war es plötzlich wieder trocken und wir rollten das letzte Stück fast bis zum Hotel hinab.

Vor dem Abendessen entschloss sich Martin nach solch einem Tag noch einen Masseur aufzusuchen. Dieser stellte sich jedoch mehr als Chiropraktiker heraus und wirkte dem ersten Eindruck nach zu urteilen mit seinem Muskelshirt und Goldkette, wie ein Handlanger der lokalen Mafiosi. Mit einem mulmigen Gefühl überließ ich Martin seinem Schicksal. Etwas gerädert kam er wieder aus der kleinen Seitengasse, meinte aber, dass der Mann wohl doch mehr vom Gelenke einrenken als vom Knochenbrechen verstehe.


Ein Tag der klugen Entscheidungen

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Lingbei nach Wuyi. Angedacht 106 km

Vorerst freuten wir uns über das heutige sonnige Wetter. Die Freude wich aber schon bald einem Stöhnen und Ächzen, als die ersten Steigungen kamen und man schweißgebadet froh war, wenn es wieder bergab ging. Bei km 40 beschlossen wir die Fahrt mit dem vollgepackten Drahteseln abzubrechen um anderweitig nach Wuyi zugelangen. Ein Brotauto (chin. Minivan) ließ sich schnell auftreiben. Die Ladeklappe weigerte sich aber unsere Räder mitzunehmen und ließ sich nicht öffnen. Nach ca. 45 min, als der Schlüssel dann den richtigen Grad der Verbiegung erreicht hatte, ging die Klappe dann doch noch auf und wir fanden geradeso genug platzt für alle Taschen, Fahrradteile und unsere Extremitäten. Das hat man sich irgendwie entspannter vorgestellt. Vermutlich passen da aber auch 20 Fahrräder plus 10 Mann rein, wenn man sieht, was und wie in China mit einem solchen Wagen transportiert wird. Die Fahrt dauerte dann aber doch länger als gedacht und Gelenke schonend, war die Fahrt schon gar nicht. Aber immerhin konnten wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass wir heute alle ankommen. Es stellte sich heraus, dass unser Fahrer, ebenso wie Martin, ein ehemaliger Tischler war. Er kannte sich auch bestens aus und konnte die sonst recht langweilige Fahrt mit seinen Erläuterungen zumindest etwas interessanter machen.

Das Hotel in Wuyi war in einem Kaufhaus integriert und man riet uns, auf Grund von mangelnden Parkmöglichkeiten, die Fahrräder mit auf die Zimmer zu nehmen. Platz gab es genug. Sein tägliches Gefährt neben seinem Bett zu haben hatte auch eine gewisse beruhigende Wirkung.

Ausgehungert wie wir waren, machten wir uns direkt nach dem Einchecken auf die Suche nach was Essbarem. Es ließ sich schnell ein Wantan-Laden in der Altstadt-Gasse auftreiben. Wie wir so saßen und unsere Teigtaschen genüsslich verspeisten zog ein großes Gewitter auf. Zu unserem Glück aber saßen wir noch im Trockenen und konnten der Chefköchin beim Wantan-Kneten zu sehen. Dabei wirkten ihre Hände so flink wie die eines Hütchenspielers und wir baten sie, den Vorgang einmal in Zeitlupe vorzuführen, damit wir sicher gehen konnten, dass auch ja keine Trickserei mit im Spiel war.

Abends entschieden wir uns für einfache lokale Küche und probierten Frosch, Moosgemüse und Schlammfische. Die Schlammfische… naja… der Name ist wohl Programm. Frosch und Moosgemüse waren aber durchaus eine Entdeckung! Neben dem tollen Essen war besonders der Koch eine wirkliche Attraktion. Alle waren wir gefesselt von seiner hohen Kunst, wie er mit nur einer Kelle alles machen konnte, von Braten, Kochen, Würzen, Zutaten hinzufügen, Wasserhahn bedienen… Sie wirkte wie sein dritter Arm. Wie ein Pyromane beherrschte er die Flamme, die sich immer wieder meterhoch in die Luft schraubte. Dazu ein heftiges Gewitter – und die Kulisse für den jungen Showkoch war perfekt.


Ab in die Berge

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Shaoxing nach Lingbei. 95 km

Wir verließen nur ungern unser 5-Sterne-Hotel und gingen immer wieder zum reichgedeckten Buffet des Speisesaals. Doch leider konnten wir nicht allzu lang bleiben, denn es standen heute noch gute 90 km auf hügelig bis bergigem Terrain auf dem Programm.

Je weiter wir in die Berge kamen desto mehr verdünnte sich der Verkehr und die Industrie. Nur noch vereinzelnd sah man mal kleine Webereien in Hauseingängen und die Landschaft wurde allmählich schöner. Der Weg war bestückt mit idyllischen Reisfeldern und kleinen Dörfern. Als wir dann nach einem kurz aber knackigen Anstieg an einem Stausee langfuhren, waren wir endgültig in der Natur angekommen. Ab und zu überholte uns noch ein Linienbus. Ansonsten waren wir aber fast nur für uns in dieser schönen Landschaft. Es entsprach ziemlich meinen Idealvorstellungen einer chinesischen Landschaft: kleine Berge, davor ein See und Bambuswälder soweit das Auge reicht… Ich muss Zugeben, dass ich ein kleines Faible für Bambuswälder entdeckt habe. Ich könnte hierzu ein Gedicht schreiben, denke aber, das der Pathos die Bildschirme zum Schmieren und Schleimen bringen würde.

Die Einfahrtstraße zur heutigen Übernachtungsstätte zwang einen allerdings noch mal alles zu geben, denn 700 m klingen zwar wenig, sind aber bei der Steigung, mit dem Gepäck, nach der Strecke und so kurz vor dem Ziel nicht ohne. Nach der Ankunft kam uns die Bedienung schon direkt mit gekühltem Bier entgegen. Da haben wohl unsere Vorgängergruppen schon gute Vorarbeit geleistet. Unsere Herberge ist heute mal zur Abwechslung ein kleines Bergresort, das abgelegen von allem vor allen dem Chinesen aus der Stadt als eine Zuflucht dienen soll. Man konnte an den Marken der parkenden Autos gut erkennen, dass es auch erfolgreiche chinesische Stadtbewohner hin und wieder mal in die Natur zieht. Hier sitzen sie dann am Ufer des Stausees und angeln selber ihr eigenes Abendessen.

Zur Stärkung nach der Etappe und Vorbereitung auf die morgige gab es ein Salzwasser-Hähnchen, das vorzüglich zubereitet war. Die Karnivoren unter uns rissen das tote Tier in kürzester Zeit in Einzelteile und nagten genüsslich an dem Kadaver. Kopf und Fuß wurden nicht verschont. Auch der Rest der Tafel war durchaus sehr schmackhaft. Die Müdigkeit setzte dann jedoch schnell ein, was vielleicht angesichts der morgigen Aufgabe auch ganz gut war.


Happy Birthday to me to me…

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Hangzhou nach Shaoxing. 80 km

Heute ist mein Geburtstag und da meine Reiseteilnehmer so aufmerksam sind, ist es ihnen natürlich nicht entgangen und haben mir 2 Geburtstagstörtchen zum Frühstück hingestellt. Das war schon sehr rührend. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal! Liebe zukünftige Teilnehmer: Ihr dürft euch gerne ein Beispiel hieran nehmen. Auch nicht fehlen durfte natürlich ein Ei. Jawohl, ein Ei! Der Brauch, zum Geburtstag ein Wachtel-Ei zu essen, da Wachtel auf Chinesisch so ähnlich klingt wie Sicherheit, wird nicht mehr so eng genommen und ein Hühnerei tut es da auch.

Unsere Strecke führte uns heute entlang der Qutang-Flusspromenade durch viele Neubau- und Industriegebiete. Der Übergang beider war dabei fließend versteht sich. Die Hochhäuser, die in den Randgebieten Hangzhous hochgezogen werden, sind bombastisch und haben durch die direkte Lage am Fluss bestimmt auch so ihren Wert… Also nur für die gehobene Klasse von Schwiegersöhnen vorgesehen. Gerade als ich bei einer Pause am Flussufer davon erzählte, dass Chinesen heutzutage häufig die Erziehung ihrer Kinder den Großeltern überlassen, auf Grund vom engen Terminkalender der arbeitstätigen Eltern, kam uns eine Horde Großeltern mit ihren Enkelkindern entgegen. Toll, wenn man direkt eine praktische Bestätigung bekommt. Wir folgten eine ganze Weile der Flusspromenade, die wirklich sehr interessante und unterschiedliche Einblicke in die Umgebung gab. Für Martin und mich eine sehr willkommene Abwechslung nach den Touren durch das engbebaute Gebiet der ersten Tage.

Schließlich kamen wir auch zu unserem ersten Hügel, an dem wir schon mal testen konnten, ob unsere Packtaschen nicht doch zu großzügig bepackt waren. Mittags lockte uns dann ein Lanzhou-Nudelhaus. Ebenfalls die perfekte Wahl für ein Geburtstagsessen, denn lange Nudeln symbolisieren ein langes Leben. Und die handgezogenen Nudeln sind im Grunde genommen ja eine einzige meterlange Nudel. Auf unserem Plan stand an sich noch ein zweiter Hügel. Aber entweder hatten wir uns verfahren oder er wurde vom Straßenbauamt platt gemacht. Vermisst hat ihn aber keiner von uns.

Relativ spät kamen wir in Shaoxing an, sodass wir erst zum Abendessen in die Stadt begaben. Shaoxing ist ebenfalls eine alte Kanalstadt, die allerdings nicht mehr zu dem System des Kaiserkanals vom 7. Jahrhundert gehörte. Dieser verlief von Peking bis nach Hangzhou und diente der Verfrachtung von Tee und Seide gen Norden. Später allerdings konnte auch das Kaiserhaus nicht mehr dem Ruf vom berüchtigten Shaoxing-Reiswein widerstehen und ließ eine Anbindung zu der Stadt erbauen.

Anders als in Wuzhen wird die Altstadt in Shaoxing abends kaum beleuchtet. Sodass nur noch die zentralen Straßen sich für den Besuch lohnen. Ein passendes Restaurant ließ sich jedoch nicht so schnell auftreiben und so folgten wir dem Rat eines Passanten, der uns empfiehl in die Nähe von Luxuns altem Haus zu fahren. So setzten wir alles auf eine Karte und fuhren mit dem Taxi hin. Das Glück war auf unserer Seite, denn ein Restaurant schräg gegenüber bot ein perfektes Ambiente mit einem Mix aus nett-am-Kanalufer-sitzen + riesen-Auswahl-an-frischen-Zutaten + lautes-chinesisches-Gegröle. Ein Volltreffer. Zum Abschluss meines Geburtstages lud ich daher die Gruppe zum Essen ein, inklusiver einer Verkostung des Shaoxing-Weins. Leider schien ich der Einzige zu sein, dem der Wein zusagte. Naja, er wird in erster Linie ja auch zum Kochen benutzt. In diesem Sinne… Prost!


Herzlich Willkommen liebes Dream-Team!

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Hangzhou, eigentlich Tagesausflug. 33 km

Heute bekamen wir Verstärkung: das Dreamteam, bestehend aus Anke und Katharina stießen heute auf uns und werden uns bis zum bitteren (oder süßem) Ende begleiten.

An sich war für heute Vormittag eine Bootstour vorgesehen. Martin und ich hielten es jedoch für eine gute Idee auf die Damen zu warten um dann gemeinsam auf einem Bötchen den Westsee zu erkunden. So radelten wir zunächst stadteinwärts, auch um noch mal zum Radladen zu kommen und unsere Räder etwas aufzuwerten. Zurück im Hotel gab es dann das erste Kennlernen, wofür jedoch nicht viel Zeit blieb, denn Martin und ich mussten auf Grund von Renovierungsarbeiten die Zimmer wechseln.

Anschließend sollte es dann nach einer kleinen Mittagsverstärkung auf den See gehen (mit Betonung auf SOLLTE). Auf halber Strecke zur Altstadt verdunkelte sich der Himmel jedoch schlagartig und man ahnte schreckliches. Mit einem Mal drehte jemand da oben den Hahn auf und wir konnten uns gerade noch unter einem Vordach eines Klamottenladens retten. Ein Regencape haben sie aber natürlich nicht im Sortiment gehabt. Statt auf dem Wasser waren wir nun gezwungen unter dem Wasser uns etwas näher kennenzulernen.

Der Regen ließ zwar bald etwas nach, hörte jedoch nicht wirklich auf und wir versorgten uns notdürftig mit gefüllten Hefe- und Lotuswurzelklößen. Aufwärmen konnten wir uns anschließend mit einer Tasse Wiener Mélange, Latte oder Jasmintee. Was wir zum Mittagsessen beim Baozi-Mann eingespart hatten, haben wir hier ausgegeben. Preise, die selbst Cafés in Berliner In-Bezirken erblassen lassen. Aber es war wenigstens Trocken und man hatte was Warmes zu trinken. Zeit für Ausflüge blieb dadurch jedoch nicht mehr wirklich, also fuhren wir zum Hotel zurück und erholten uns ein wenig.

Das Restaurant vom Vortag ist mir und Martin so positiv im Gedächtnis geblieben, dass wir nochmals hingingen und wieder einmal nicht enttäuscht wurden. Auch wenn die Abendrunde recht nett war und wir uns noch gerne hätten näher kennenlernen wollen, erlösten wir bald das Dreamteam, da sie eine lange Anreise hinter sich hatten und morgen ja noch ihre Jungfernfahrt bevorstand.

Die unscheinbare Stadt der Superlative

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Von Wuzhen nach Hangzhou. 94 km

Unterwegs führte uns unsere Route heute weiter vorbei an vielen Textilindustriegebieten. Man könnte meinen von hier aus wird die Welt eingekleidet. Entenfarmen kamen ebenfalls des Öfteren ins Sichtfeld. Vorurteile gegen Chinas schlechten Umgang mit Tieren werden hier aber gründlich aufgeräumt. Die Farmen hätten vermutlich das Bio-Siegel verdient, wenn man sieht mit wie viel Liebe die Freiflächen und Teiche für die Tiere angelegt wurden.

Auf halber Strecke machten wir einen kleinen Abstecher in die Altstadt von Xinshi (übersetzt Neustadt)… also neustädter Altstadt. Nach dem Trubel in Wuzhen gestern wirkte die Altstadt sehr authentisch und wir durften sogar einem Schreiner bei dem Umgang mit einem Bogen-Bohrer zusehen, der bei uns zu Hause wohl nur im Museum zu finden wäre. Der Schreiner beneidete Martin ein wenig um seine elektrische Bohrmaschine, erklärte aber gerne seine Arbeitsschritte.

Den Tag über blieb es zum Glück trocken… diesmal auch als wir an unserem Ziel ankamen. Hangzhou wirkt auf den ersten Blick eher unscheinbar. Vor allem, wenn man mit dem Fahrrad erst einmal nur zum Hotel fährt. Hohe Wohnhäuser in den Vororten für die ganzen Männer, die heiraten wollen, breite Straßen, viele Autos, riesige Kreuzungen… bis man zum Westsee kommt. Ohne ihn wäre Hangzhou eine weitere Großstadt, die nur von ihrem vergangenen Ruhm lebt. Hier hört die Stadt urplötzlich auf und man findet sich mitten im Grünen wieder, umgeben von Wasser und Bäumen. Er und das Gebiet drum rum gelten als ein Vorzeigebeispiel städtischer Gartenbaukunst und wurden über die Jahre immer wieder weiter ausgebaut. Hangzhou gilt auch heute noch unter Chinesen als eines der schönsten Städte Chinas, bringt angeblich die schönsten Frauen hervor, hat den wohl besten Tee, war einst die größte Stadt des Planeten (13. Jahrhundert), hat die größte Gezeitenwelle der Welt, und und und… Mit all diesen Superlativen können alle anderen Städte Chinas eigentlich einpacken. Dennoch bleibt Hangzhou für chinesische Verhältnisse trotz seines Status als Provinzhauptstadt ein eher überschaubarer Ort.

Doch die Besichtigung stand erst morgen an. So begnügten wir uns mit einem leckeren Abendmahl, begleitet von einer grölenden Firmenfeier am Nebentisch, die uns im Laufe des Abends immer mehr einbezog: „Tut uns Leid, dass wir so laut waren. Komm wir trinken einen drauf!“ „Ihr seid aus Deutschland!? Komm wir trinken einen drauf!“ „Du bist auch Reiseleiter?! Komm wir trinken einen drauf!“ Zum Glück ist das Gelage nicht komplett ausgeartet, auch dank dem schwachen chinesischen Bier und den kleinen Gläsern, sodass wir noch geraden Schrittes unsere Zimmer gefunden haben.


Disneylands neue Attraktion: Wuzhen

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Von Tongli nach Wuzhen. 80 km

Die Strecken heute hätten unterschiedlicher nicht sein können. Wir fuhren über riesige leere Alleen, stark befahrene Land- und Stadtstraßen, Dorfgassen, Feldstreifen. Der Name der Tour machte spätestens hier Sinn, als man auf der linken Seite Reisfelder und auf der rechten Garnelen und Fischzucht hatte. Auch wenn das Yangzidelta auf Grund seiner Fruchtbarkeit die Kornkammer Chinas ist und das halbe Land mit Reis und Getreide versorgt, hat hier längst die Industrie Einzug genommen. Bekannt für die Seiden Produktion, haben die Einwohner ihre Tradition fortgeführt. Allerdings mit großen Fabriken und Produktionshallen. Teilweise wurde man über längere Strecken vom Rasseln der Weber-maschinen begleitet, was mit etwas Vorstellungskraft wie Wasserfälle klang. So kann man sich die Gegend auch schön reden…

Unsere Mittagspause hatten wir heute genau richtig getimt und entkamen gerade einem heftigen Wolkenbruch. Wir nutzten die Gelegenheit und plauderten etwas mit der Ladenbesitzerin und ihren Stammkunden. Die üblichen Fragen kamen natürlich wieder auf: „Sind deutsche Frauen oder chinesische hübscher?“, „Wie viel Geld verdient man in Deutschland?“, usw. Wir freuten uns über unseren Triumph über das Wetter und radelten unserem Ziel entgegen, als der Regen wieder aufhörte. Kurz vor dem Ziel jedoch kam noch einmal eine ganze Menge Wasser runter, sodass wir beide nass bis auf die Radwindeln waren.

Damit fiel auch leider wortwörtlich die Hälfte des Besichtigungsprogramm ins Wasser. Wuzhens Hauptattraktion besteht aus dem West- und dem Ostdorf, die den Touristen zugänglich gemacht wurden. Das Ostdorf wurde mehr oder weniger in seinem original Zustand belassen. Dieses schloss jedoch schon bald nach unserer Ankunft seine Pforten. Das Westdorf hingegen wurde stark restauriert ist mit vielen Kunstartikelläden bestückt und wird nachts mit bunten Lichtern in Szene gesetzt. Trotz aller Schönheit wirkt es nach dem gediegenen Tongli etwas überzogen. Martin erwähnte, dass hier nur noch Mickymaus im Kaisergewand fehlte und das Grillengezirpe vermutlich aus Lautsprechern kommt. Dennoch tun wir dem Dorf unrecht. Auch wenn es total überlaufen ist und eher den Anschein eines Szeneviertels macht als einem Museumsdorf, bleiben die Architektur und die Inszenierung dennoch beeindruckend.

Um 10 Uhr abends gehen hier die Lichter aus. Auch wenn man hier solange bleiben kann, wie man will, wollten wir doch nicht die Gastfreundschaft überstrapazieren und verschwanden bald wieder. Denn für Morgen sind ja auch noch knappe 100 km vorgesehen.


Exhibitionist im Museumsdorf

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Von Suzhou nach Tongli. 41 km

Der Tag begann wieder mit einem ausgiebigen Frühstück, dass sich durchaus die Bezeichnung international Breakfast verdient hatte: Sushi, koreanische Spezialitäten, Nudelsuppe, Ei-Brat-Station, Müsli, Cornflakes, Jogurt,… ich weiß es alles gar nicht mehr. Hier hätte man den ganzen Vormittag verbringen können. Wir lösten uns jedoch bald schweren Herzens mit gefüllten Mägen von unserem Esstisch und gingen unsere erste Radetappe an.

Die Befürchtungen des Vortages haben sich bestätigt: Grünflächen waren nur wenig auszumachen. Stattdessen fuhren wir an gigantischen Wohnsiedlungen vorbei, die nicht mehr aufhören wollten. Die Blähungen der Immobilienblase Chinas werden hier recht gut erkennbar. Nun ja, aber wenn jeder Mann, der in China heiraten möchte, ein Haus haben muss, dann müssen die Wohnungen auch irgendwo herkommen… auch wenn die neugegründete Familie letztendlich dann doch oft genug mit den Eltern zusammen wohnt und die neugekaufte Wohnung leer steht. Sei’s drum. Ich, für meinen Teil, denke diese Tradition wurde nur erschaffen um das chinesische Wirtschaftswachstumswunder aufrecht erhalten zu können.

Die Wohnsiedlungen wirken alle wie ausgestorben. Die 6-8 spurige Straßen komplett menschen- und autofrei. Entweder sind alle in der Stadt zur Arbeit, oder wohnen eben doch bei den Schwiegereltern. Ganz plötzlich überqueren wir einen Kanal und kommen in Tongli an, ein mittelgroßes Museumsdorf, dass durch die vielen kleinen Kanäle aus mehreren kleinen Inseln besteht. Die Renovierungen sind nicht übermäßig durchgeführt worden, sodass alles, trotz der ganzen Touri-Läden noch sehr authentisch wirkt. Gegenüber von unserem Hotel befindet sich ein Sexmuseum. Das hat uns beide dann doch interessiert, wie so ein prüdes Land wie China mit so einem Thema in der Öffentlichkeit umgeht. Offensichtlich doch recht offen, denn im Eingangshof begrüßte uns schon ein Riesenpenis. Den Rest der Ausstellung kann man sich dann glaub ich denken.

Abends wurden die Brücken und Straßen stilvoll beleuchtet und so konnten wir nach unserem Eisbein-Abendessen noch ein wenig am Kanal die Atmosphäre genießen und an unserem Nebentisch zuschauen, wie Chinesen Geburtstage feiern.