Hauptstadt der Naxi

Südlich der Wolken , 09.08. bis 30.08.2014

Nach dem gestrigen Transfertag haben wir heute mehr Glück: es ist bewölkt bei angenehmen 20 Grad und trocken, so lässt es sich in der alten Handelsstadt Lijiang an der Teestraße gut aushalten. Dass die Luft auf 2.400 m Höhe etwas dünner ist, haben wir heute früh zu spüren bekommen, als wir vor dem Frühstück eine gute Stunde durch die Gassen geschlendert sind und dabei ein Stück den Hang hinauf gestiegen sind, um die Blicke über das Dächermeer schweifen zu lassen.

Roter Anstrich, Holzdächer, von runden Stützpfeilern getragen, die auf behauenen Steinsockeln ruhen, mit Blumenmuster verzierte Türen und Fensterrahmen, graue Dachziegel, Giebel, die spitz in den Himmel zulaufen – all das haben die unzähligen ein-bis zweistöckigen Häuser gemeinsam. Die bunt bepflanzten Innenhöfe mit Mosaikböden und ihren überdachten Sitzmöglichkeiten haben es uns besonders angetan. Hier stimmen die Dimensionen, diese Stadt lädt einfach zum Spazieren und Verweilen ein. Die Architektur hat einen weiteren Vorteil: sie ist erdbebensicher und hat Lijiang quasi über Nacht berühmt gemacht, das die Neustadt beim 1996er Erdbeben in Trümmern lag, während die Altstadt den Naturgewalten standhielt.

Was aber wäre Lijiang ohne die Menschen und Märkte. Damit meine ich nicht die Touristen, die wie immer in Strömen durch die Gassen ziehen, sondern die Alteingesessenen. Hier sind es vor allem die Frauen, die noch immer in Trachten an ihren Ständen stehen und Waren feilbieten (aber dabei nicht gern fotografiert werden). „Xiao Guniang, (in etwa: kleines Mädchen) mein Honig ist vielleicht teuer, aber der Beste weit und breit“, ruft mir eine 64 jährige Naxi hinterher und grinst breit, als ich mich umdrehe – sie hat gewonnen. Schon bietet sie uns allen in Honig kandierte Früchte an, Widerstand ist zwecklos. „Außerdem bin ich berühmt, und im Fernsehen war ich auch schon“, fügt sie hinzu und kramt einen eingerahmten Zeitungsartikel heraus. „Kein anderer Stand auf diesem Markt kann mit meinem Honig mithalten“, und schon probieren wir weitere köstliche Früchte.

Die Naxi-Frauen waren schon immer bekannt für ihre Geschäftstüchtigkeit und ich fühle mich ins Lijiang der 1940er Jahre zurückversetzt, die zum Beispiel Peter Goullart in seinem Vergessenen Königreich beschreibt. Zumindest auf dem Markt hat sich nicht viel verändert und mit Tüten bepackt traben wir schließlich zurück zum Guesthouse, um dann individuell zu weiteren Taten aufzubrechen.

Morgen geht es knapp 1.000 Meter höher endlich auf die Räder.