Im Frühtau zu Berge und fünf Katzen im Sack

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Sonnenaufgang auf dem Taishan, und ein kurzweiliger Nachmittag und Abends wieder unten in der Stadt.

Ganz so leicht fällt es uns nicht, aus den Betten zu kommen, als die Jungs vom Hotel wie versprochen mitten in der Nacht an unseren Zimmern klingeln. Irgendwie schaffen wir es trotzdem. Es ist saukalt draußen, aber wir sind einigermaßen gut vorbereitet und haben Schals und Mützen dabei. Außerdem kann man hier für 10 Yuan pro Person einen dayi ausleihen, so einen klassischen grünen Armeemantel. Wir kommen uns auch gleich ein bisschen vor wie die Volksbefreiungsarmee auf dem langen Marsch, als wir im Treck zusammen mit den anderen Gästen unseres Hotels eine endlos erscheinende halbe Stunde durchs Dunkle stolpern. Der Sonnenaufgangsgipfel ist exponiert und es fegt ein eisiger Wind um unsere Ohren. Bis die Sonne dann langsam aufgeht kauern wir deshalb wie die Pinguine zusammengedrängt auf dem Fels – das hilft tatsächlich sehr, um sich vor dem Wind zu schützen.

Der Sonnenaufgang ist schön, aber auch fix wieder vorbei, und wir beeilen uns schnell wieder ins warme Hotel zu kommen. Dort wärmen wir uns bei einer Tasse Kaffee wieder auf, essen Frühstück und verabschieden uns von den Gipfeln des Taishans. Tausende Treppenstufen hinunterlaufen stellen wir uns nicht so angenehm vor, deshalb geht es heute mit Lift und Bus wieder hinab in die Stadt.

Eigentlich sind wir ja hier, um Fahrrad zu fahren! Morgen starten wir auf unsere erste Radetappe nach Ningyang und holen deshalb heute unsere Räder beim örtlichen Radladen ab. Schnell ist alles eingestellt und die erste kurze Probetour vom Radladen zum Hotel ohne Probleme gemeistert.

Nach einem tollen Abendessen mit einem Knoblauch-Karpfen als Highlight stoßen wir beim Verdauungsspaziergang noch auf ein richtiges Schmankerl: Auf dem Nachtmarkt gibt es heute einen großen Haufen Pakete zum Wühlen und Kaufen. Eines kostet 5 Yuan (etwa 60 Cent). Man darf durch die Verpackung fühlen, die (oft etwas kryptische) Inhaltsbeschreibungen durchlesen und kauft dann aber die „Katze im Sack“. Adressiert sind die Päckchen lustigerweise zum Großteil an Deutsche, Franzosen und Engländer. Wir haben Sendungen in der Hand, die nach Chemnitz, Berlin und Frankfurt gehen sollten, es aber aus irgend einem Grund nicht einmal bis über die chinesische Grenze geschafft haben. Vom Konsumwahn mit Glücksspielfaktor angesteckt ersteht jeder von uns ein Päckchen. Die Ausbeute: Ein langer Edelstahl-Schuhanzieher; ein praktisches Kosmetik-Reisetäschchen; zwei Sets von bunten Plastikdöschen zur Aufbewahrung von Ohrringen; eine Gruselmaske mit Leuchteffekten; fünf Mini-MP3-Player. Spaß hatte jeder bei der Aktion, der Zufriedenheitsgrad mit dem Kauf fällt aber doch bei allen recht unterschiedlich aus.

Über 6293 Stufen musst du gehn

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Zwei Tage zusammengefasst: Wir fahren mit dem Zug nach Tai‘an und besteigen am nächsten Tag den Taishan.

Am Montag, den 6. Mai fahren wir mit dem Zug von Qingdao nach Tai‘an. Wir müssen leider ganz schön früh raus, weil der Zug schon um 7:38 Uhr abfährt. Wir sind etwas müde, die Fahrt und der Transfer zum Hotel in Tai‘an laufen jedoch wie Schnürchen. Die chinesische Bahn ist gut organisiert und das System mit den großen Wartehallen und einem „Aufruf zum Boarding“, nachdem ausschließlich die Passagiere eines bestimmten Zuges zum Einsteigen aufs Gleis gelassen werden, fühlt sich ein bisschen an, als wäre man per Flugzeug unterwegs.

Da wir früh in Tai‘an ankommen schauen wir uns noch die große daoistische Tempelanlage gleich um die Ecke des Hotels an. Unsere anschließende Suche nach einem Café gestaltet sich etwas schwierig – da hat sich unserer Vorgängergruppe vor zwei Jahren, wie deren Blog verrät, besser angestellt.

Abends schlendern wir noch über den Nachtmarkt. Hansi hat heute Geburtstag und bekommt – wie es sich in China gehört – von uns eine Sahnetorte, garniert mit frischen Erdbeeren, die wir nach dem Abendessen gemeinsam verputzen. Als die Wirtin des Restaurants mitbekommt, dass es einen Geburtstag zu feiern gibt, serviert sie dem (schon zum Platzen gefüllten) Geburtstagskind gleich noch eine Schüssel Nudeln aufs Haus. Die langen Nudeln in der Suppe stehen in China für den Wunsch nach einem langen, glücklichen Leben, und sind neben der Sahnetorte auf jedem chinesischen Geburtstags-Speiseplan wiederzufinden. Alles Gute, lieber Hansi!

Am Dienstag geht‘s dann hinauf auf den Tai-Berg (Taishan). Das Internet verrät uns, dass dieser heilige Berg des Daoismus der meistbestiegenste Berg der Welt ist. Wir möchten das jetzt gerne korrigieren: Der Berg ist wohl eher meist befahren und meist begondelt. Während am Fuße und auf dem Gipfel wirklich viel los ist, ist der Betrieb auf den vielen, vielen, Steinstufen, auf denen wir den Berg hinauf stapfen, doch halbwegs überschaubar. Die Stimmung unterwegs ist gut und wir werden immer Mal wieder von fröhlichen Wandersgruppen angesprochen und gefragt, ob wir nicht für ein gemeinsames Foto zur Verfügung stehen würden. Wir machen da gerne mit.

Es ist sonnig, mit einer leichten Brise, und der Weg ist schattig und schön – und vor allem im letzten Drittel auch schön anstrengend: Die Treppen werden irgendwann immer länger und steiler und man ist gut beraten, sich nicht unterwegs nach hinten und unten umzuschauen.

Nachdem wir gut oben angelangt sind, drehen wir noch eine Runde um die Gipfel und fallen schließlich geschafft in unsere Betten. Spät ist es noch nicht, aber wir werden morgen früh schon um 3:30 Uhr geweckt, um den Sonnenaufgang anschauen zu gehen.


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Wir holen die Vergangenheit ein

Kaiser, Kanäle Konfuzius, 04. bis 25.05.2019

Unterwegs in Qingdao, zu Fuß und mit dem Bus. Heiter bis wolkig.

Ende des 19. Jahrhunderts nutzten einige europäische Nationen den schwachen Stand des wirtschaftlich und innenpolitisch zerrütteten chinesischen Staates aus, um sich gewaltsam neue Märkte zu erschließen. Auch unsere Vorfahren wollten sich da nicht lumpen lassen: Den Mord an zwei deutschen Missionaren zum Anlass nehmend, tauchten deutsche Kanonenboote vor der chinesischen Küste auf und erzwangen die Unterzeichnung eines Pachtvertrages und somit die Öffnung Qingdaos als deutschen Handels- und Militärstützpunkt in China. Von 1898 bis 1914 siedelten, handelten und bauten die Deutschen hier was das Zeug hielt, bis sie dann nach Beginn des ersten Weltkrieges von den Japanern verdrängt wurden.

16 Jahre hatten sie also Zeit, ihre Spuren hier zu hinterlassen, und genau auf diesen Spuren wandeln wir heute. Wir streifen an einigen steinernen und fachwerkenen Wohn- und Geschäftshäusern aus dem frühen 20. Jahrhunderts vorbei und gelangen zu einer evangelischen Kirche. Der massive Bau aus dem Jahre 1908 ist auch gut besucht als wir ankommen: Gerade ist die zweite Sonntagsmesse vorüber und die chinesische Gemeinde strömt uns entgegen. Etwa 800 Leute fasst die Kirche, und sie scheint voll gewesen zu sein. Es hat also nicht nur das Bauwerk, sondern auch der Glaube die Jahre überdauert. Auf dem Uhrwerk der Turmuhr steht „Bockenem am Harz“ – schon komisch, so etwas hier in China zu lesen. Das gesamte Bauwerk mit seinen dicken Mauern macht einen recht vertrauten Eindruck – ob es wohl ein konkretes Vorbild aus Deutschland dafür gab?

Nachmittags machen wir uns dann auf zum eigentlichen Vermächtnis der Vorväter: Wir besuchen die Tsingtao-Brauerei. Die anno 1903 als „Germania“-Brauerei gegründete Bierfabrik ist heute noch am selben Platz zu finden. Die alten und neuen Fabrikanlagen lassen sich besichtigen und wir bekommen am Ende auch eine Kostprobe des Qingdao Yuanjiang, ein leckeres naturtrübes Weizenbier, geschenkt. Die Brauerei ging mit Machtübernahme der Kommunisten in China in den Chinesischen Staatsbesitz über und hat sich bis heute – mittlerweile als florierendes Aktienunternehmen mit vielen verschiedenen Biermarken – erhalten. Ein Beispiel für gelungenen Kulturaustausch? Prost!

In der Nähe der Brauerei setzen wir uns noch in ein kleines Restaurant, um uns von den Strapazen der Besichtigung bei einem Bier zu erholen… Kurz vor‘m Abendessen wird es dann etwas stürmisch, aber nachdem wir gegessen haben, hat es sich schon wieder etwas beruhigt und wir beenden unseren zweiten Tag der Reise mit einem Verdauungsspaziergang um die Blöcke.

Brautpaar-Schau in Qingdao

Kaiser, Kanäle Konfuzius, vom 04.05. bis 25.05.2019

Orientierender Spaziergang an der Küste Qingdaos, bestes Wetter.

Da sind wir also: Vier Reisende, ein Tourguide, am Strand. Genauer: Am Strand an der Ostküste Chinas. Noch genauer: In der früheren deutschen Konzession Qingdao (etwas altertümlich auch Tsingtau genannt) Und was am Wichtigsten ist: Wir befinden uns am Anfang unserer gemeinsamen Reise durch die Provinzen Shandong und Jiangsu, per Rad durch’s ländliche Nordchina, mit Stationen am Taishan, in der Konfuzius-Geburtstadt Qufu und einigen Radeletappen entlang des berühmten Kaiserkanals. Endstation wird in drei Wochen die frühere Hauptstadt Nanjing sein.

Heute haben wir uns aber nach überstandenem Flug also alle in Qingdao getroffen und machen das, was man in Qingdao so macht: Wir schlendern den Strand entlang. Unser Hotel liegt in Sichtweite des Zhanqiao-Piers, an dessen Ende der Pavillon sitzt, der durch sein Abbild auf allen Tsingtao-Bierflaschen und -Dosen Weltruhm erlangt hat.

Von hier aus wandern wir entlang der hübsche Küstenlinie nach Osten. Kleine Parkanlagen wechseln sich ab mit Holzpromenaden und Sandstränden. Das wir in China sind, merkt man daran, dass am Strand alle (bis auf ein paar verwegene einheimische Ruheständler) trotz schönstem Wetter von oben bis unten angezogen sind. Der Sonne will sich hier niemand freiwillig aussetzen, Körperbräune ist nach wie vor verpönt.

Ein weiteres klares Indiz, dass wir uns im Reich der Mitte aufhalten, sind die Brautpaare, die am Strand, in den Klippen, und später auch im Villenviertel posieren. Wer einmal in China gewesen ist, wird die Szenerie kennen: Ein werdendes Brautpaar wirft sich in Schale (der Schleier am Brautkleid kann nicht lang genug sein) und wird von einem Team von mindestens drei Leuten in Szene gesetzt und fotografiert. Zum Beispiel: Einer zupft den Schleier des Kleides zurecht, einer hält den Reflektionsschirm, eine spritzt mit einer Plastikflasche Wasser in Richtung Brautpaar, denn der Bräutigam hält gerade schützend einen Regenschirm über die Braut, obwohl es ja eigentlich nicht regnet. Ach ja, und einer macht dann noch das Foto. Ich möchte nicht lügen, aber 50 solche Pärchen samt Entourage haben wir heute unterwegs bestimmt gesehen. Bessere Unterhaltung kann es auf so einem Ausflug eigentlich kaum geben!

Da wir alle die Anreise noch in den Knochen haben, verabreden wir uns früh zum Abendessen: Passend zur Küstenstadt gibt es Fisch und Meeresfrüchte. Es schmeckt, und macht Vorfreude auf die restlichen 20 Abendessen, die uns noch erwarten.

Die letzten Höhenmeter

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Shanghai

Unser letzter gemeinsamer Tag ist gekommen. Kaum zu glauben. Drei Wochen scheinen lang und kurz zugleich. Das Gefühl schon ewig miteinander unterwegs zu sein, – irgendwie könnte es ewig so weitergehen, irgendwie ist es auch gut und an der Zeit wieder zurückzukehren.

Wir frühstücken ausgiebig und entspannt. Dann spazieren wir zu Fähre, genießen ein weiteres Mal die spektakulären Ausblicke auf die ebenso spektakuläre Architektur dieser Stadt.
In alter Manier haben wir vor ein paar Höhenmeter zu überwinden, sprich: Wir wollen auf eines der drei höchsten Gebäude Shanghais. Da wir immer für Superlative zu haben sind entscheiden wir uns direkt für das höchste und genießen in luftigen Höhen , im zweithöchsten Haus der Welt, einen Kaffee. Dann geht es zurück auf die andere Seite des Flusses. Ein Spaziergang durch den Volkspark mit seinem Heiratsmarkt steht noch an, bevor wir uns voneinander verabschieden, um die letzten Stunden in China ganz nach Belieben zu genießen.

Good old Shanghai

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Nach Shanghai

Wir sitzen im Zug nach Shanghai. Ich zwischen Rainer und Peter, beide schlafen. Hinter uns Hans. Schläft. Auf der anderen Seite vom Gang Diana und Thilo. Schlafen auch. Vor meinen Füßen befindet sich eine halbe Staude Bananen, die noch von unserer Fahrt in Xiao Yangs Auto übrig geblieben ist. Während der Zufahrt werde ich Peter und Rainer solange nerven, bis sie mir bis auf zwei alle abgenommen haben. Mehr bleibt nicht zu sagen, der Rhythmus bleibt: Schlafen, gucken, Schlafen, Essen, Schlafen, in der Endlosschleife. Nach dem ausschweifenden Festmahl gestern Abend und dem Kräuterschnaps, den Xiao Yang noch spendiert hat, der nachfolgenden Massage und den gerade mal vier Stunden Schlaf kein Wunder.

Verwunderlich ist nur, dass unser Zug sich selbst im Stand mit 219 km/h bewegt. Laut Anzeige zumindest. Ein Highspeed-Zug eben.
Hans kann im Wach-Zustand noch das Entertainment-Programm seines Sitz-Nachbarn genießen, Peter ist ungewöhnlich entspannt, was wohl daran liegt, dass sein Rad nicht wie geplant mit der Post, sondern mit uns im Zug, quasi in Sichtweite, unterwegs ist. Also alles am Mann. Rainer wiederum bereitet sich schon seelisch und moralisch auf seine Heimreise vor, er wird uns heute als Erster verlassen und schon zwei Tage vor uns nach Deutschland zurückfliegen. Thilo und Diana planen sicher schon ihren Aufenthalt in der Mega-City.

Angekommen. Wir landen nach weiteren 45 Minuten Autofahrt staufrei im Hotel, wo wir uns endgültig von Rainer verabschieden. Dann geht es nach einem kleinen Päuschen für uns verbliebenen Fünf zu einem Bummel über den Bund, der berühmten Uferpromenade Shanghais mit Blick auf Pudong mit seinen buntschillernden Wolkenkratzern.

Wir kämpfen uns durch die wogende Masse, die Mai-Feiertage dauern noch an, das ist überdeutlich zu spüren, wir sind ein Organismus mit all den Menschen hier. Aber irgendwann reicht uns das. Wir brechen aus. Thilo und Diana ziehen auf eigene Faust los um das nächtliche Shanghai zu erkunden, Peter, Hans und ich begeben uns auf Nahrungssuche. Sicherheitskräfte organisieren in Marschordnung die Regelung des Verkehrs. Wir sind hungrig und betreten direkt das erste Restaurant, was uns über den Weg läuft, danach schlagen wir uns durch die Altstadt-Gassen zurück zum Hotel, machen in einer Kaschemme einen letzten Bierstop für den Abend. Im Hotel angekommen, entschließen wir uns den restlichen Schnaps von Peter zu verbrauchen. In alter Gewohnheit gießt Peter vier Becher voll. Den Rainer-Gedenk-Becher, in Gedanken ist er noch bei uns, also Prost Rainer!

Endstation Radladen

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

60 km von Zigui nach Yichang

Wir verlassen heute den ländlichen Teil unserer Reise. Unsere letzte Rad-Etappe führt uns durch die letzte der drei Schluchten des Yangtse, der Xiling-Schlucht, in die Millionenstadt Yichang. Hier verabschieden wir uns von unseren Rädern, das geht recht leidenschaftslos, und von unserem immer fröhlichen Fahrer und Begleiter Xiao Yang. Er erwartet uns um sieben und hat auch schon ein Restaurant im Visier. Vor Vorfreude auf das leckere Essen, das es da wohl gibt, strahlt er gleich noch mehr als sonst. Danach wird dann hoffentlich das Feuerwerk gezündet, das wir seit Tagen durchs Land transportieren.

Aber von Anfang an: Der letzte Radtag steht an und die Vorzeichen sind günstig. Heißt: das Wetter ist gut – trocken und es soll warm werden und die Strecke ist wider erwarten durchgängig befahrbar. Wir spekulieren also für den letzten Pass auf gut geteerte Straßen und fantastische Ausblicke, wie wir das eben gewohnt sind. Und wenn, es geht natürlich noch eine wilde Abfahrt.

Wir beginnen den Tag stilecht mit einer kräftigen Nudelsuppe und frischen Baozi, dann fahren wir zum Hafen und lassen uns mit der Fähre auf die andere Flussseite übersetzen. Haben wir das also auch abgehakt. Dort erwartet uns Xiao Yang und mit ihm ein chinesischer Radfahrer mit … einem Platten. Schnell packen wir an: Hans, Peter und ich – und in Nullkommanix kann der junge Mann sein fachmännisch repariertes Rad besteigen. Es wird das letzte Loch sein, was wir auf dieser Tour flicken werden. Dann geht es weiter. Alle sind noch ein bisschen verschlafen von den beiden müßigen Ruhetagen, aber der Anstieg naht und wir bringen uns schon mal in Form und stehen pünktlich nach den ersten Höhenmeter in einem handfesten Stau. Alles ist verstopft. Hier ist die Hölle los. Die chinesische Reise-Hölle.

Die Mai-Feiertage sind angebrochen und ganz China ist in Bewegung. Und reist natürlich auch zu den berühmten Drei-Schluchten-des-Yangtse. Die Landstraße ist plötzlich dreispurig und zwar in alle Richtungen. Reisebusse und Reisebusse und Reisebusse – eine endlose Kette. Wir schlängeln uns durch. Xiao Yang gibt auf und fährt Autobahn und mit ihm die leckeren Ananas. Sei es drum. Peter ist trotz des widrigen Verkehrs nicht klein zu kriegen. Es ist nämlich Peter-Wetter, heißt: Sonne satt. Wir kämpfen uns den Berg auch. Die Aussicht ist tatsächlich nicht zu verachten. Aber, wie gesagt, das wissen nicht nur wir, sondern auch Massen chinesischer Touristen, die von einem Aussichtspunkt zum nächsten gekarrt werden. Auf dem Pass angekommen genehmigen wir uns erstmal ein paar Erfrischungen. Schlaffen ab und beschließen, obwohl es noch früh am Tag ist, hier auch gleich Mittag zu essen. Die Sonne bretzelt. Peter freut sich.

Weiter geht’s. Xiao Yang ist bereits am Zielort. Wir sausen bergab. Leider kein Flüsterasphalt, dafür eine kostenlose Massage-Einlage, wie Hans bemerkt. Irgendwo in der Mitte treffen wir einen chinesischen Fahrrad-Club. Und Diana mittendrin. Schnell ein paar Fotos geschossen. Zack geht’s weiter. Unten erwartet uns erwartet uns ein Vergnügungspark. Wir entscheiden uns dann doch gegen einen Bungee-Jump und radeln durch den dichten Stadtverkehr Richtung Endstation Radladen.


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Abwarten und Bier trinken

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Der Drei-Schluchten-Staudamm

Schon der zweite Tag Müßiggang. Wir sind müde! Heute morgen gegen sieben trennen wir uns von unseren luxuriösen Hotelzimmern. Trinken noch schnell einen Kaffee und dann geht es mit dem Motorboot durch die letzten beiden Yangtse-Schluchten zum Drei-Schluchten-Damm.

Peter platziert sich alsbald auf dem Boden zwischen uns, denn die unmittelbare Nachbarschaft zu drei randvollen Benzinkanistern (das Bötchen muß zwei mal nachgetankt werden), ist ihm nicht sehr geheuer. Der Käpt’n empfiehlt uns deswegen auch, doch bitte nur im vorderen Teil des Bootes zu rauchen.

So rauschen wir die durch die Schluchten, halb Transfer, halb Bootsausflug; versuchen, die an uns vorbeirauschende Landschaft zu genießen. Der schwere Benzingeruch lullt uns langsam ein und die holprige Fahrt hat auf unser aller Blasen eine etwas ungute Wirkung, massiert aber unser durch die letzten Radtage strapaziertes Sitzfleisch ordentlich durch, wie Diana bemerkt. Vom Boot quetschen wir uns ins Auto und landen endlich im Besucher-Center des Damms. Nach einem schnellen Imbiss besichtigen wir das imposante Bauwerk. Das langsame Schlendern in der prallen Sonne sind wir nicht mehr gewohnt. Froh kommen wir in unserem Hotel im Städtchen am Fluss an. Genießen unser unschmutziges Schmutzbier und blicken mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den letzten morgen vor uns liegenden Radtag.

Abwarten und Teetrinken

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

Bootsfahrt auf dem Daning Fluß

Der herausfordernde Teil der Reise liegt nun hinter uns, Zeit ein bisschen auszuspannen. Und wo macht man das am besten? Am, im oder auf dem Wasser natürlich. Und so werden wir die kommenden zwei Tage ein bisschen auf dem (gestauten) Yangtse herumgondeln und Sightseeing betreiben, wie das richtige Touristen so tun.

Stilecht steigen wir auch im besten Hotel am Platze ab: Luxuriöse Zimmer, KTV, Spa, tolle Aussicht. Alles was das Herz begehrt. Das Frühstücksbuffet ist ausladend, es gibt sogar eine Kaffeemaschine mit der Option Espresso, was mich extrem erfreut. Allerdings nur solange bis die wohlmeinende Servicekraft das Ruder über- und mir die Entscheidung abnimmt. Mit den Worten „schmeckt nicht!“ drückt sie auf „Kaffee“ und vereitelt meine Wahl.

Pünktlich um zehn startet unser Ausflugsschiff vom Anleger. Sechs Langnasen unter einer Menge gutgelaunter Chinesen in Ausflugsstimmung. Wir genießen die Aussicht vom Aussichtsdeck auf die drei kleinen und die drei ganz kleinen Schluchten des Daning-Flusses, der hier in Wushan in den Yangtse mündet. Hier wird geknipst was das Zeug hält: Vor der Flagge, vor dem Felsen, mit den Freunden oder alleine, aber immer in kunstvoller Pose. Bald werden auch wir als beliebtes Bildbeiwerk entdeckt und gefordert. So ziehen die ersten zwei Stunden der Fahrt recht kurzweilig an uns vorüber. Die nächste Station sind die sogenannten drei ganz kleinen Schluchten des Daning, die wir von langschmalen Gondeln aus besichtigen, ein bisschen wie im Spreewald, nur mittlerweile ohne Staken, die sind seit der Flutung des langen Flusses unnötig geworden.

Von dem ganzen Müßiggang sind wir ziemlich geschafft und auch hungrig und wie es der Zufall so will, landen wir nach unserer Rückkehr in einem Restaurant mit angeschlossener Bierbrauerei. Es gibt Weizenbier, das sogar ganz passabel schmeckt. Wir lassen es uns munden und trennen uns dann um ein kleines Mittagsschläfchen zu halten, bevor wir zum letzten Programmpunkt des heutigen Tages schreiten: Wir lassen uns schröpfen.

Nach der Anwendung, die Rainer und Hans stoisch ertragen, gibt es noch die Information, dass wir die kommenden acht Stunden uns weder waschen noch Alkohol zu uns nehmen dürfen. Als Peter das vernimmt, scheint er ganz froh darüber, sich gegen das Schröpfen entschieden zu haben. Für uns heißt es dagegen: Abwarten und Tee trinken.

Hanghuhn ohne Kopf und Po

Die Drei Schluchten des Yangzi, 11.04. bis 05.05.2019

70 km von Fengjie nach Wushan

Ein strahlender Morgen ergießt sich über der ersten Schlucht des Yangtse, und damit wir auch alle etwas davon haben, machen unsere chinesischen Nachbarn ab 5:15 Uhr soviel Rabatz, dass wir auch wirklich alle pünktlich zum Sonnenaufgang wach sind, den wir dann von unseren Balkonen aus genießen können.

Nach dem Frühstück gilt unser erster besorgte Blick Hans‘ Hinterrad, aber das hält glücklicherweise dicht. Bei bestem Wetter radeln wir los. Unseren ersten Stopp legen wir schon wenige Kilometer weiter an der Stadt des Weißen Kaisers ein, einer alten Tempelanlage, die früher in luftigen Höhen, seit der Flutung des Yangtse aber mehr oder weniger am Ufer desselben liegt. Peter, Hans, Rainer und ich wagen den Aufstieg zum Haupttempel zwischen all den plaudernden, posierenden und fotografierenden chinesischen Touristen. Das mystische Ambiente einer nebelumwölkten, entrückten Stadt bleibt uns für heute verborgen. Aber nach den vielen Tagen auf dem Rad ohne touristische Hotspots genießt vor allem Rainer unseren kleinen Abstecher.

Nach dieser kleinen Entspannung geht es munter weiter. Schließlich steht heute noch ein 25 km langer Anstieg an. Diana und Thilo müssen wir auch noch einholen, denn die haben den Besuch des Tempels ausgelassen, um ein paar Kilometer gut zu machen. Da Thilo mittlerweile fährt wie der Teufel und auch Diana ganz gut zugelegt hat, sputen wir uns mächtig.

Dann geht es gemeinsam den Berg hoch. Im strahlenden Sonnenschein. Bedeutet: Peter wird auch langsam warm. Fast Peter-Wetter sozusagen. In großen Schleifen geht es den Berg hinauf. Die Bananen sind reif, die Ananas ist süß und die Snickers-Vorräte aufgefüllt. Oben angekommen erwartet uns die phantastische Aussicht auf einen zubetonierten Felsen und einer Baustelle und ein Restaurant, welches sich auf Grillhühnchen spezialisiert hat. Also lassen wir uns auch so ein Hang-Huhn zubereiten. Typisch chinesisch mit Haut und Knochen, Fuß und Kopf, zerhackt. Kopf und Po verweigern wir, die Füße teile ich mir mit Rainer. Gut ausgeruht und gut gestärkt lassen wir uns nach Wushan rollen. Und die Strecke bestätigt mal wieder das, was Hans schon seit Tagen postuliert: China ist einfach das Land der Abfahrten.


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