Hauptstadt der Naxi

Südlich der Wolken , 09.08. bis 30.08.2014

Nach dem gestrigen Transfertag haben wir heute mehr Glück: es ist bewölkt bei angenehmen 20 Grad und trocken, so lässt es sich in der alten Handelsstadt Lijiang an der Teestraße gut aushalten. Dass die Luft auf 2.400 m Höhe etwas dünner ist, haben wir heute früh zu spüren bekommen, als wir vor dem Frühstück eine gute Stunde durch die Gassen geschlendert sind und dabei ein Stück den Hang hinauf gestiegen sind, um die Blicke über das Dächermeer schweifen zu lassen.

Roter Anstrich, Holzdächer, von runden Stützpfeilern getragen, die auf behauenen Steinsockeln ruhen, mit Blumenmuster verzierte Türen und Fensterrahmen, graue Dachziegel, Giebel, die spitz in den Himmel zulaufen – all das haben die unzähligen ein-bis zweistöckigen Häuser gemeinsam. Die bunt bepflanzten Innenhöfe mit Mosaikböden und ihren überdachten Sitzmöglichkeiten haben es uns besonders angetan. Hier stimmen die Dimensionen, diese Stadt lädt einfach zum Spazieren und Verweilen ein. Die Architektur hat einen weiteren Vorteil: sie ist erdbebensicher und hat Lijiang quasi über Nacht berühmt gemacht, das die Neustadt beim 1996er Erdbeben in Trümmern lag, während die Altstadt den Naturgewalten standhielt.

Was aber wäre Lijiang ohne die Menschen und Märkte. Damit meine ich nicht die Touristen, die wie immer in Strömen durch die Gassen ziehen, sondern die Alteingesessenen. Hier sind es vor allem die Frauen, die noch immer in Trachten an ihren Ständen stehen und Waren feilbieten (aber dabei nicht gern fotografiert werden). „Xiao Guniang, (in etwa: kleines Mädchen) mein Honig ist vielleicht teuer, aber der Beste weit und breit“, ruft mir eine 64 jährige Naxi hinterher und grinst breit, als ich mich umdrehe – sie hat gewonnen. Schon bietet sie uns allen in Honig kandierte Früchte an, Widerstand ist zwecklos. „Außerdem bin ich berühmt, und im Fernsehen war ich auch schon“, fügt sie hinzu und kramt einen eingerahmten Zeitungsartikel heraus. „Kein anderer Stand auf diesem Markt kann mit meinem Honig mithalten“, und schon probieren wir weitere köstliche Früchte.

Die Naxi-Frauen waren schon immer bekannt für ihre Geschäftstüchtigkeit und ich fühle mich ins Lijiang der 1940er Jahre zurückversetzt, die zum Beispiel Peter Goullart in seinem Vergessenen Königreich beschreibt. Zumindest auf dem Markt hat sich nicht viel verändert und mit Tüten bepackt traben wir schließlich zurück zum Guesthouse, um dann individuell zu weiteren Taten aufzubrechen.

Morgen geht es knapp 1.000 Meter höher endlich auf die Räder.

Radfahren auf der Mauer…

Südlich der Wolken , 09.08. bis 30.08.2014

… das soll möglich sein, hatte Jutta gehört. Vielleicht existiert eine solche Stelle tatsächlich, aber das über 8.000 Kilometer lange und 2.000 Jahre alte Bauwerk windet sich an den meisten Stellen steil über die Hügel, um wenig später scheinbar senkrecht ins Tal zu stürzen.

Schweiß, Anstrengung und eine gute Portion Muskelkater am nächsten Tag sind garantiert, dafür wird man mit einzigartigen Ausblicken belohnt. Anderthalb Stunden später und knapp 400 Meter höher verspeisen wir auf einer Plattform das mitgebrachte Obst und gönnen uns die wohlverdiente Pause. Auch der Abstieg ist nicht zu verachten – die Bilder können den Winkel der Mauer gar nicht richtig wiedergeben – deswegen gibt es zum Mittag köstlichen Grillfisch zur Stärkung, der nur noch durch die Pekingente am Abend übertroffen wird.

Morgen verlassen wir Peking und begeben uns nach Yunnan, wo nach einem Tag Akklimatisierung in Lijiang unsere Radreise beginnt.

Himmelstempel-Park oder Das Runde muss ins Eckige

Südlich der Wolken , 09.08. bis 30.08.2014

Früh ist sie angekommen, meine Südlich der Wolken Gruppe, und musste sich bis zu Abend wach halten, um den Jetlag zu überwinden. Wie verbringt man also einen heißen Sommertag in der chinesischen Hauptstadt? Wie haben uns für einen ausgiebigen Spaziergang durch die Hutongs, Pekings traditionelle Hofhäuser, entschieden. Morgens ist es noch angenehm ruhig und leer, dann beginnt das Leben in den Gassen und etwas später sind auch jede Menge Touristen unterwegs. Bis dahin kann man den alteingesessenen Pekingern bei ihren Lieblingsbeschäftigungen zusehen: Sport, Tanz und Gesang, das ist üblich in den Parks und auf den Straßen, aber heute sind auch die Houhai-Schwimmer unterwegs und ein älterer Herr fasziniert mit Turnübungen, die ich selbst in jugendlichem Alter nicht geschafft hätte. Wir lassen die Stadt auf uns wirken, haben noch etwas Zeit, um im Lamatempel für eine gute Reise zu räuchern und der Tag vergeht wie im Fluge.

Das kaiserliche China, also sämtliche Bauten aus der Mingzeit, steht am Tag darauf auf dem Programm. „Das Runde muss ins Eckige“, kommentiert Marianne die Ying-Yang-Philosophie, die sich in der gesamten Architektur des Himmelstempel-Parks zeigt, beispielsweise an der erst runden dann eckigen Umrandung des Altars der Ernteopfer. Die WM ist noch sehr gegenwärtig, auf die Frage woher wir kommen, wird uns nicht selten anerkennend zum gewonnenen Pokal gratuliert.

Über den Himmelstempelpark, das Marktviertel Dazhanlan, den Platz des Himmlischen Friedens, den Kaiserpalast und den Kohlehügel-Park wurde schon viel geschrieben, deswegen sollen hier die Bilder sprechen.

Maimassen

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

Die letzten Zeilen zu einer schönen Reise… ich sitze am Hongqiao Bahnhof und warte auf meinen Zug nach Peking, während Elisabeth und Heinz, Jutta, Sabine und Helmut gerade zum Rückflug abheben dürften (wenn es denn keine Verspätung gegeben hat und alles planmäßig läuft).

Der gestrige Tag war lang, sonnig und vor allem voll. Nicht nur das Programm – ein Spaziergang über den Bund, Fotoshooting mit Chinesinnen am alten Leuchtturm, mit den Menschenmassen zum Yu-Garten, Geschiebe über die Zickzack-Brücke vorbei am Teehaus im Herzen des Sees und Erkunden aller kleinen Wege des Gartens, Shoppen in der Basarzeile und in der Alte Strasse / Fangbang Road, Staunen über den Abriss der alten Häuser weiter westlich der Basargegend, Jiaozi- und Kebab Essen in einem winzigen Straßenrestaurant, kleine Einführung in die alten Shanghaier Shikumen-Häuser, erneutes Shoppen am Dongtai-Antikmarkt (ein Dank an Helmut für sein unendliche Geduld), durch den Huaihai-(Senioren)Park, vorbei an der x-ten Hochzeitsfotografie und über die stark befahrene Yanan Road zum Shanghai Museum – sondern auch die Straßen der Stadt waren einfach nur voll. Es ist der 1. Mai, Feiertag und Ausflugszeit. Wer jetzt an Aufmärsche, Demos und andere politische Kundgebungen denkt, liegt in Shanghai daneben. Flanieren, Einkaufen, Sehen und Gesehen werden (wozu quält sich der Großteil der chinesischen Weiblichkeit sonst in die unglaublich hohen und wackeligen Stöckelschuhe) und dabei aber auch alle Straßenkreuzungen verstopfen ist angesagt. Trotzdem läuft alles friedlich ab – selbst die weniger verzweifelten Autofahrer, die höchstens in Schrittgeschwindigkeit vorankommen, bleiben gelassen.

Vor dem Shanghai Museum müssen wir eine halbe Stunde anstehen. Niemand murrt, alle sind gut gelaunt, das ist irgendwie ansteckend. Kalligrafie, Malerei und die Minderheitenausstellung gehören zu den Favoriten der Gruppe. Schließlich ist es soweit – Freizeit (heißt: jeder macht, was er will, wir haben diesen Begriff fast vergessen ;-)). Ich habe mit Sabine und Helmut eine gute Stunde im Stadtplanungsmuseum, bevor das Haus schließt und uns ins Gedränge entlässt. Die Massen auf der Nanjing Road, Chinas Einkaufsstraße Nummer 1, sind auf Bildern kaum festzuhalten und noch weniger gut zu beschreiben. Zurück im Hostel sind alle erledigt, das Wühlen durch die Massen strengt an.

Dass es in der U-Bahn noch enger wird, haben wir vermutet. Anstehen am Ticketschalter, Drängen zum Eingang der Linie 2, schließlich Aufgabe des Vorhabens und wie alle andern auch unter den Gittern durch. An jeder Ecke steht ein Bediensteter und öffnet und schließt in regelmäßigen Abständen den Weg und Eingang zum Gleis. Die Bahn selbst ist weniger voll als erwartet, nicht aber der kreisverkehrförmige Übergang zur Super-Brand-Mall, unserer Location für den letzten Abend. Wir sind spät dran, die Krabben im „South Beauty“ schon aus, dafür werden wir mit einem Fensterplatz ohne den üblichen horrenden Mindestverzehr entschädigt. Toll, die Aussicht auf den Bund, das nicht endende Blitzlichtgewitter, die vorbeiziehenden Schiffe – das gesamte Ambiente haben wir uns in den letzten drei Wochen verdient (genauso wie den Sonnenschein, Regentropfen gab`s immer nur kurz vor Abflug ins nächste Sonnenparadies! Sorry an die andere Gruppe, die zeitgleich mit uns unterwegs war und den ganzen Regen des Landes abbekommen hat).

Im Ming Hiker Hostel hat sich eine spontane Party entwickelt und auch wir („die den Altersdurchschnitt deutlich anheben“, wie Sabine kommentiert) nehmen einen letzten Absacker in China, feiern unsere Tour und gehen nochmal ein paar Highlights durch. Danke an alle für die tolle Reise (inklusive der vielen Feierabendtouren und „Spaziergänge“) und an Helmut für die schönen Worte! Ich war ja anfangs skeptisch wegen der vielen Transfers auf der Landpartie, aber ihr habt mich überzeugt! Kommt gut nach Hause, lasst euch nicht stressen, schickt mir ein paar Bilder und macht`s gut.

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Shanghai, wir kommen…

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

… und wollen hoch hinaus. Heute schauen wir uns Pudong an, das „Neubaugebiet“ am Nordostufer des Huangpu, und eines seiner hohen Häuser, die dort wie Pilze aus dem Boden sprießen. Jedes Jahr kommt etwas Neues hinzu, kaum ist ein hoher Turm fertig, ist schon die Baustelle zum nächsthöheren eröffnet. Der Flaschenöffner, („Shanghai World Financial Center“ ist einfach zu lang, und SWFC zu kompliziert, das sagt niemand hier) ist mit seinen 492 m Höhe zwar noch das höchste fertige Hochhaus, aber die Baustelle nebenan ragt schon wesentlich höher in Himmel, bis zur Eröffnung kann es nicht mehr allzu lange dauern. Von oben aus sieht man mindestens eine andere große Baugrube, wer weiß, was hier noch alles in Planung ist.

Wir fahren mit der U-Bahn zurück zum Peoples Square, gehen schick essen und verspeisen einen „Mandarinfisch“, der ist zubereitet wie ein Igel, nahezu grätenfrei und eines unserer Lieblingsgerichte geworden. Dann ist der Tag fast vorbei, schließlich sind wir um kurz nach fünf aus dem schönen Kunminger Hotel aufgebrochen, drei Stunden geflogen, eine gute Stunde durch Shanghai gefahren, müssen uns an die Großstadt, die feuchte Luft und das andere Klima gewöhnen und sind ziemlich geplättet von den vielen Eindrücken. Morgen ist der 1. Mai, mal sehen, was uns dann erwartet.

Kunming-Tour die Zweite

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

Dreistündiger Spaziergang im Naigu-Steinwald und Shoppen in der Altstadt

Der Naigu-Steinwald ist etwas Besonderes. „Hier gibt es mehr Magnesium als am Großen Steinwald“, erinnert sich Helmut, der die UNESCO-Broschüre schon im Bus studiert hat, während alle anderen geschlafen haben. Dieser Stein bildet Karstformationen nur an vier Stellen der Welt: in Madagaskar, Malaysia, Papua Neu Guinea und eben im Steinwald bei Kunming.

Außerdem ist es ruhig im Naigu-Steinwald. Heute waren mit uns nur drei andere Besucher (dazu ein paar Eichhörnchen, verschiedene Vögel, bunte Schmetterlinge und im See nebenan tausende Kaulquappen) auf den Wegen zwischen den Steinen unterwegs. Na ja, die erste Maiwoche kommt erst noch, jetzt müssen die meisten Chinesen arbeiten oder bereiten ihren Urlaub vor. Uns ist es recht, wir konnten drei Stunden ungestört fotografieren, staunen und die Fantasie spielen lassen. Die meisten Bilder hat wie immer Heinz gemacht, dicht gefolgt von Sabine und Helmut, die sich beim Knipsen abwechseln.

Wieder in der Stadt angekommen, haben wir knapp anderthalb Stunden Pause. Die Hotelzimmer sind mit traditionellen Holzmöbeln eingerichtet, die Betten nicht so bretthart wie sonst in China üblich, wir haben die Zimmer nicht mehr verlassen, obwohl der nahe Cuihu-Park das eine oder andere Fotomotiv bereithalten würde.

In der Altstadt machen wir wieder eine Baustellentour. Die alten Häuser des Vogel- und Blumenmarktes sind in diesem Jahr endgültig abgerissen und werden durch Neue (im alten Stil, wie die „Kunming Old Street“-Plakate ankündigen) ersetzt – mit sehr traditionellen Methoden und per Handarbeit. Entrindet werden die Baumstämme für die Stützpeiler mit der Axt, hier und da wird gehobelt, nur zum Ablängen kommt die Motorsäge zum Einsatz. Der eigentliche Markt ist ein paar Häuserzeilen weitergezogen und lockt zum Einkaufen… nach dem Shoppen gehen wir zum Abendessen ins Lao Fangzi, das Alte Haus Kunmings und eines der besseren Restaurants der Stadt. Seit fast drei Wochen gibt es wieder Käse! In Kunming lebt eine große muslimische Gemeinschaft, die unter anderem Ziegenkäse eingeführt hat, hier gebraten und gefüllt mit einem Stückchen Kochschinken.

Heute gehen wir früh zu Bett, denn morgen nehmen wir den ersten Flieger nach Shanghai. Ich bin gespannt, wie diese Megacity bei allen in der Gruppe ankommen wird.

Fast hätte ich ein Highlight des heutigen Tages vergessen. Helmuts Friseurbesuch („stadtfein für Shanghai machen“), den wir alle sehr genossen haben. Wir hatten unseren Spaß und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Und täglich grüßt die Nudelsuppe

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

Transfer von Dali nach Kunming, Besichtigung des Yuantong-Tempels und Spaziergang durch den Cuihu-Park

Zum Frühstück sparen wir uns die Nudelsuppe und verspeisen die mitgebrachten Teilchen vom Bäcker. Per Fernreisebus geht es dann nach Kunming, in die „Stadt des ewigen Frühlings“. Denkt man spontan an Blumenpracht, Grün und lieblichen Duft, wird man von Westen kommend herb enttäuscht. Hochhausbauten, Kräne und die Farbe Grau herrschen hier vor. Dazu wird seit einigen Jahren die U-Bahn gebaut, so dass in der ganzen Stadt Staus entstehen – ein ernüchterndes Bild. Trotzdem gibt es sie noch, die gemütlichen und grünen Ecken, so zum Beispiel auf dem Gelände des Yuantong-Tempels. Heute ist im größten aktiven buddhistischen Tempel der Provinz Yunnan kein Tempelfest und wenig Andrang, so dass wir in Ruhe unsere ersten Versuche im Weihräuchern unternehmen können. Die große Versammlungshalle der Mönche ist bunt geschmückt und voller Details, leider ist Fotografieren nicht erlaubt. In der hinteren Halle hat das Kloster eine goldene Buddha-Statue untergebracht, ein Geschenk aus Thailand, diese Halle mutet schon sehr südostasiatisch an.

Nachdem wir an sämtlichen Wahrsagern der Stadt vorbeigeschlendert sind (ich wage keine Übersetzung auf diesem Gebiet, deswegen haben wir auf eine Session verzichtet), geht es in den Cuihu-Park. Grün, dazwischen leuchtende Blumenpracht, und überall Musik- und Tanzgruppen. Ich habe den Eindruck, dass die Qualität in den letzten Jahren etwas abgenommen hat, und die Musik dröhnt schrill aus verschiedenen Lautsprechern, Überlagerung ist anscheinend nicht unerwünscht. Dafür sehen wir eine Weile den Schachspielern zu (es gibt mehr Kommentatoren und Berater als Spieler) und bewundern einen einzelnen Erhu-Spieler, der sich für seine wirklich gute Musik ein einsames Plätzchen gesucht hat.

Alle sind hungrig. „Dann machen wir mal das echte Kunming“, sage ich an und wenig später landen wir in der Gasse der Nudelbuden. Hier hocken die Kunminger nebeneinander auf kleinen Stühlchen und essen Nudeln von Hockern, die nur etwas höher sind als die Sitzgelegenheit. Wir suchen uns einen Tisch und nehmen Reisnudeln zu uns. Es ist eine Hühnersuppe, gewürzt wird selber aus den unzähligen Töpfen (vor allem Chili in allen Varianten, Knoblauch, Frühlingszwiebeln und Minze), und nur Helmut verweigert die Fleischbeilage, die aus so ziemlich allem bis auf den Hühnerkopf besteht, aber köstlich schmeckt.

Den frühen Abend verbringen wir in einem lebendigen Café- und Kneipenviertel in der Nähe des Sees und danach kartenspielend im Innenhof des Hotels. Das wurde Anfang des Jahres eröffnet und so müssen wir uns Tische und Stühle noch zusammensuchen. Es ist eine laue Sommernacht, über uns leuchten die Sterne und ein blühender Bougainvillea-Baum, was will man mehr.

Bilderbuchtag am Ohrensee

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

80 Radkilometer von Dali um den Ohrensee nach Wase und 12 Bootkilometer zurück nach Dali

Der Tag verspricht schön zu werden. Nach einem Frühstück auf der sonnigen Hotelterrasse fahren wir 80 Kilometer um den Ohrensee. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wo einst am Westufer ein schlammiger Feldweg die Dörfer verband, ist jetzt eine kleine Uferstraße angelegt worden. Wo man das Ostufer einst in die Hügel verlassen musste, kann nun auf ebener Strecke direkt am See geradelt werden.

Das Westufer hat an Schönheit gewonnen, die traditionellen Dächer der Häuser sind erneuert und die dezenten Wandmalereien strahlen in neuem Glanz, die rot-lila Blütenpracht setzt überall bunte Farbakzente – eine Bilderbuchkulisse. Es ist Erntezeit, und auf den Feldern sind die Dorffrauen ausgeschwärmt, um Knoblauch und Dicke Bohnen einzubringen. „Es gibt doch keinen autofreien Sonntag in Dali, warum ist es so leer auf der Westuferstraße?“ denke ich so bei mir. Die Antwort bekomme ich wenige Minuten später: die Ernte wird zum Trocknen auf der Fahrbahn ausgebreitet, und das Umfahren wird immer mühseliger, wahrscheinlich wählen die meisten Ausflügler daher einen anderen Weg.

An einem Tempel sitzen sich alte Frauen in Trachten auf kleinen Stühlen in Reihen gegenüber, singend und musizierend. Andere bereiten Opfergaben vor: mal ist es ein Huhn im Topf, mal sind es Fische oder einfach nur Räucherstäbchen. Immer mehr Frauen kommen zur Zeremonie, die sehr an Erntedank erinnert. Die Gruppe Westler, die in Radbekleidung dazukommt und staunt, scheint niemanden zu stören. Am Westufer erleben wir Landwirtschaft in reiner Handarbeit und Tempelszenen, die vielleicht vor hundert Jahren bereits so stattgefunden haben.

Das Ostufer ist ein Kontrastprogramm: hier hat die neue Straße den Rand der Dörfer zerschnitten, überall sind noch die Ruinen der Häuser zu sehen, die weichen mussten. In Shuanglang entdecken wir die ersten Reisegruppen mit Megafonen und einen Souvenirshop neben dem anderen. An anderen Stellen entstehen Ufervillen, Restaurants und Cafés, teils hübsch, teils überdimensioniert, die meisten jedoch fügen sich nicht so recht in die ursprüngliche Dorfstruktur ein, die ich als funktionierend und intakt in Erinnerung habe. Die ganze Gegend ist im Aufbruch, und ich bin gespannt, wie sie sich entwickeln wird.

In einer Seitengasse entdecken wir durch Zufall ein frisch eröffnetes Hotel, das direkt am Seeufer inmitten der alten Häuser liegt und nach einem neugierigen Blick werden wir zu einem Kaffee aufs Haus eingeladen.

Von Wase aus fahren wir per Boot zurück nach Dali. Wir geben die Räder ab, unsere Radtour ist heute beendet. Nur zwei Platten, unfallfrei und kein Tropfen Regen– eine ganz gute Statistik, wie ich finde!

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Meister Yangs Nudelsuppe

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

Wandertag zum Zhonghe-Tempel, 650 Höhenmeter, größtenteils Trepppen

Freizeit, was tun? Da die neue Seilbahn heute nur auf die halbe Höhe fährt, gehen alle wandern (halbe Höhe können wir selber). Aus der Altstadt in Richtung Filmstadt gehend, vorbei an einem Gewürz- und Medizinmarkt am Fuße des Cangshan-Gebirges, nehmen wir natürlich wieder Treppen, hinauf auf den „Kurweg von Dali“, wie eine andere Gruppe ihn genannt hat. Einmal oben angekommen, geht es ein paar Kilometer eben bis zum Zhonghe-Tempel. Dort kocht Meister Yang für die wenigen Wanderer, die sich nach Einstellung der alten Seilbahn hierher verirren. Wer aber ist Meister Yang? Dass seine Suppe exzellent ist, haben wir schon bemerkt. In der Nudelbude unterhalb des Tempels sitzen vier Männer in der Hocke und zerkleinern Gemüse und Blüten, so wie wir es bereits x-mal unterwegs gesehen haben. Irgendwann bringt uns der Koch ein kleines Tablet (den Bildschirm, nicht das Tragebrett) an den Tisch. „Wenn ihr Zeit habt, schaut euch mal das Filmchen an“, grinst er uns an und verschwindet wieder. Ein taiwanesischer Restauranttester hat es auf den Hausberg von Dali geschafft (mit der Seilbahn) und eine Dokumentation über Meister Yangs unscheinbare Nudelbude gedreht. Tatsächlich – derselbe Mann, derselbe Ort. Sehr skurril, wie wir auf ein Tablet starrend immer mehr über Koch und Küche des Tempels erfahren.

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Veränderungen

Chinesische Landpartie, 10.04. bis 02.05.2014

Transfer aus der Tigersprungschlucht nach Dali, mit Besichtigung des Steinschatzberges.

Die Chinesen staunen immer wieder, mit wieviel Gepäck wir reisen. Schon im Zug haben wir unsere Koffer kaum im Abteil untergebracht, und im Auto werden sie dreimal hin- und hergeschoben, bis es endlich passt. Nach diesem Ritual nehmen wir die brandneue Autobahn (Lijiang-Dali, wurde im Januar 2014 eröffnet), über die ich auf so vielen Radtouren geflucht habe, weil die alte Straße von Baustellenfahrzeugen verstopft und die Landschaft arg eingeschnitten war. Vom Auto aus sieht die Welt anders aus, und wir haben die staufreie Fahrt über neusten Asphalt sehr genossen. Ich überlege, was wohl aus den kleinen Dörfern am Wegrand der alten Straße wird, wenn viele auf die Autobahn umsteigen. Willkommene Ruhe, ausbleibende Einnahmen, Umbau zum Vorzeigedorf für Touristen aus der Stadt – alles ist möglich. In Yunnan verändern sich Dörfer, Städte und Landschaften in so rasantem Tempo, dass man die Gegend nach einem Jahr kaum wiedererkennt.

Am Steinschatzberg besichtigen wir den Baoxiang-Tempel und bestaunen die Höhlenskulpturen aus dem Nanzhao-Königreich (ca. 650-1250 n.Chr.), einer Zeit, in der der Handel blühte und hier ein von China unabhängiges Reich existierte. „So ein Durcheinander, einen Tempel hatte ich mir strukturierter vorgestellt“, ist einer der Kommentare zum bunten Gemisch aus Buddhismus, Daoismus und dem noch viel älteren Volksglauben, der im Baoxiang-Tempel zu sehen ist. „Treppen und nochmal Treppen“, ist ein anderer Kommentar, als wir uns den Grotten von der anderen Hangseite aus nähern.

Am Abend erreichen wir Dali. Wir haben nach vielen Jahren das Hotel im Ort gewechselt und ich bin skeptisch, werde aber positiv überrascht. Die neue Unterkunft ist nicht nur hübsch, sondern liegt vor allem in einem Teil der Stadt, der nicht ganz so touristisch wirkt wie die Straßen weiter im Süden. Ich muss mich beherrschen, nicht ständig von Menschenmassen in Dali während der Feiertage und dem Wandel der Umgebung und des Ortes zu reden.

Wir verabschieden uns von unserem Fahrer He, der uns in den letzten Tagen sehr behutsam und sicher ans Ziel gebracht hat, und flanieren durch die heute sehr ruhigen Gassen Dalis.