Land von Fisch und Reis

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Drei Tage über Land und Wasser, mit viel Fisch und wenig Reis. Wetter tendenziell besser!

Wie habe ich so schön vor ein paar Tagen geschrieben: Wetter ist das, was man aus ihm macht!

Nach nunmehr fast einer Woche Regen nagt das Wetter aber dann doch ein wenig an der Stimmung. Dennoch wollen wir uns den Spaß am Radfahren nicht verderben lassen und fahren optimistisch bei leichtem Regen in Huai’an los. Immer am Kaiserkanal entlang, was an sich recht romatisch und schön wäre, wenn die Straße nicht zunehmend schlechter werden würde. Nach gut 15 Kilometern ist die Uferstraße dann ganz gesperrt.

Ein Glücksfall, wie sich herausstellt. Mit kleiner Unterweisung einer Tante-Wang-Laden-Besitzerin finden wir den Weg auf kleine betonierte Wirtschaftswege und fahren die nächsten zwanzig Kilometer durch Felder und kleine Dörfer, autofrei!

Dannach hat uns eine Straße wieder, die zwar neu ist, aber (noch) keinen Verkehr sieht. Radeln vom Feinsten, bei Rückenwind und angenehmen Temperaturen. Und nur ganz wenig Nieselregen! Kleine daotische Tempel säumen unseren Weg und an einer Brücke werden wir wohl erwartet. Welch Voraussicht, das Badeverbotsschild auf Englisch zu übersetzen!

Ein kleiner Spaziergang durch die Kreisstadt Baoying (knapp eine Millionen Einwohner) beschließt den Tag. Ohne Regen!

Am nächsten Tag hat uns der Regen wieder fest im Griff. Für einen Moment bin ich versucht, nach dem Motto „Augen-zu-und-durch!“ die heutigen 60 Kilometer auf der gut ausgebauten Uferstraße anzureißen. Etwas mehr Verkehr, aber auch recht nett. Dann fällt der Blick auf einen Radweg (!), eigens am Kaiserkanal angelegt und explizit als solcher ausgewiesen. Plant da jemand den ersten chinesischen Fernradwanderweg, immer den Kaiserkanal entlang?

Für uns dauert die Herrlichkeit leider nur ein paar Kilometer, dann sind wir wieder auf der Hauptstraße. Aber an der Fortsetzung des Radweges wird sichtlich gearbeitet, mal sehen, was die nächste Gruppe erzählt!

Lange bleiben wir nicht auf der Hauptstraße. Parallel dazu entdecke ich einen Wirtschaftsweg, der vielversprechend aussieht. Wir folgen diesem durch den schon bekannten Dreiklang aus Dörfern, Reisfeldern und staunenden Bauern.

„Kekspause!“, schreit es von hinten, „die Sonne feiern!“

Das hätten wir besser nicht gemacht, denn kaum sitzen wir wieder auf den Rädern, öffnet der Himmel mal wieder seine Schleusen. Passend dazu wird die Fahrbahn brüchig und endet schließlich in einem Feldweg. Bei gutem Wetter sicherlich gut zu befahren, aber nach einer Woche Regen?

Einen guten Kilometer pflügen wir dann den Matsch um, bis wir wieder trockenen Boden unter den Reifen haben. Habe ich schon erwähnt, dass meine Gruppe für alles zu haben ist? Großes Lob!

Ab da geht es aufwärts, Svens Wetter-App hatte Aufklarung am Nachmittag prophezeit und meine Erinnerung zauberte eine leckere Mittagsstation aus dem Hut. Nach grandiosem Mittagessen sind wir dann wieder auf der Uferstraße, die dank paralleler Neubaustrecke fast autofrei ist, packen unsere Regensachen in den Begleitbus und rollen in Richtung Gaoyou, unserem heutigen Etappenziel.

Am Abend sieht es tatsächlich nach schönem Wetter aus!

An unserem letzten Radeltag dann tatsächlich Sonne! Und das Glück des Geduldigen! Die Strecke, die ich herausgesucht hatte, wäre unter normalen Umständen schon recht nett. Heute ist die Straße über die Verästellungen des Kaiserkanals zusätzlich für den Autoverkehr geperrt. Fast zwangzig Kilometer rollen wir autofrei über eine Meer von Wasserflächen, Kanälen, Fischteichen, Lotusfeldern. Werden dann übermütig und drehen eine Extrarunde durch kleine Dörfer und Reisfelder. Und reiten schließlich in Yangzhou, unserem Zielort ein. Bei schönem Wetter.

Immerhin!

Strecke 28.10.2016

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Strecke 29.10.2016

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Strecke 30.10.2016

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Hey Zhou!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Ruhetag in Huai’an

Das Wetter ist gnädig mit uns. Nein, nicht wirklich, auch heute haben wir wieder mit Schauern zu kämpfen. Und mit einigen Wolkenbrüchen. Aber immerhin werden wir meist nicht nass und das Wetter hält sich an unsere Besichtigungszeiten.

Huai’an hat immerhin fast 5 Millionen Einwohner und ist eine der wichtigsten Städte der Provinz Jiangsu. Tatsächlich kommt es uns weniger entwickelt, weniger modern vor als die simplen Kreisstädte, die wir die vorhergehenden Tag besucht haben. Zuweilen fühle ich mich, und mit mir die alten Chinahasen Anke und Sven in der Gruppe ein gutes Jahrzehnt in die Vergangenheit versetzt. Einige Ecken von Huai’an haben sich sicherlich sogar in den letzten 25 Jahren kaum verändert.

Geschichte, wohin man sieht!

Vor allem in der Gedenkstädte für Zhou Enlai, dessen Familie aus Huai’an stammte. Zhou Enlai, neben Mao Zedong während der 1950er und 1960er Jahre das Gesicht der Volksrepublik China, erster Ministerpräsident, Außenminister, sprachkundig, jovial. Der Mann, wie viele Kenner Chinas glauben zu wissen, der hinter der mächtigen Gestalt Maos die Fäden zog. Der die Annäherung an die USA und die Aufnahme in die UNO in den 1970er Jahren maßgeblich vorbereitete. Dem Truman den Händeschlag verweigerte, weil er im Wahlkampf nicht händelschüttelnd mit einem Kommunisten fotographiert werden wollte.

Der Mann, der in der Kulturrevolution Schlimmeres verhindert hat, sagen die einen. Das Weichei, dem das eigene Wohlergehen wichtiger war als der berechtigte Widerstand gegen Maos Politik, beklagen einige. Derjenige, der hinter all den Irrungen und Wirrungen steckte und Mao nur vorschob, behauptet sogar eine verschwindend kleine Minderheit.

In der chinesischen Bevölkerung war und ist Zhou Enlai auf jedenfall ohne Einschränkungen beliebt, das konnte außer ihm nur Sun Yat-sens Anfang der 1980er verstorbene Frau Song Qingling von sich behaupten.

In Huai’an steht nun also seine ehemalige Residenz und seine etwas überdimmensionierte Ehrenhalle. Ehre, wem Ehre gebührt. Eine äußerst informative Ausstellung führt durch Zhous Leben und damit auch durch die chinesische Revolutionsgeschichte.

Und Huai’an war nicht immer eine „rückständige“ Millionenstadt. Zu den Hochzeiten des Kaiserkanals blühte hier der Handel. Letzte Zeuge hiervon finden wir in einem kleinen historischen Viertel von Huai’an, das wir mit der hochmoderen Straßenbahn erreichen.

Ein wenig alte Bebauung und drumherum eine Menge Disneyland chinesischer Prägung. Besser als die seelenlosen Hochhausviertel, die Huai’an prägen allemal. Wir gönnen uns ein leckeres Mittagessen während eines Regengusses und statten dann dem lokalen Giant-Radladen einen Besuch ab.

Morgen geht es endlich wieder auf die Fahrräder!

Yin und Yang – Das Wetter

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Andreas hat auf der Tour Blaues China ja kräftig mit dem Wetter zu tun. Auch wir können inzwischen ein Lied davon singen, das irgendwo zwischen „Singing in the Rain“ und „It’s raining again“ changiert.

Für die Tour von Suqian nach Siyang erwischen wir das perfekte Regenloch. Den ganzen Tag radeln wir zwar bei bedecktem Himmel, werden aber zum ersten Mal seit Tagen nicht naß. Bei Temperaturen knapp unter 20 Grad das perfekte Wetter zum Radfahren.

Erst ein wenig Revolutionsromantik im Zentrum von Suqian, dann ein wenig Zen-Buddhismus, und dann machen wir dank meiner experimentierfreudigen Gruppe auch einen kleinen Abstecher ins chinesische Landleben, fahren über kleine Wirtschaftswege und einen kleinen Abschnitt auch über eine SChlammstrecke. Zitat Evelin: „Wenn Wolfgang das mit mir gemacht hätte, würde er sich jetzt was anhören müssen!“ Das muss das Privileg des Reiseleiters sein: Kleine Schlammschlachten mit tollen Eindrücken ausgleichen zu können.

Kurzum, die Strecke und das Wetter an diesem Tag waren grandious! Ein Ereignis, dass wir abends noch ausgiebig mit einem Sichuan Feuertopf gefeiert haben. So macht Reisen Spaß!

Ganz anders der nächste Tag! Strömender Regen, und selbst Sven und ich, seit unser gemeinsamen Mekongtour ja Regen erprobt schmeißén das nasse Handtuch. Heute also Bustransfer, dank unserem großzügig bemessenen Begleitfahrzeugs kein Problem. Nur das es mit dem Abnehmen auf dieser Tour wohl nichts mehr wird!

Nun also Ruhetag in Huai’an. Wir hoffen auf Sonne oder wenigstens Regenpause!

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China ist bei Regen am Schönsten…

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

…hat Che Qingman, unser chinesischer Reiseleiter einmal postuliert.

Dementsprechend erleben wir heute China von seiner besten Seite!

Aber Regen ist ja immer das, was man daraus macht.

Bereits auf dem Weg nach Yaowan hatten wir dem Wetter getrotzt, ein Mut, der belohnt wurde. Gänzlich trocken kamen wir in Yaowan an und wurden dann gleich mit einem üppigen Mittagessen belohnt. Und da in der Gruppe die Flusskrebse nicht wirklich gut ankamen, hatte ich diese fast ganz für mich allein. Hoffentlich ist Petrus kein Flusskrebs!

Ist er anscheinend schon, da es die ganze Nacht durchregnet und auch der Morgen noch reichlich nass ist. Wir schwingen uns trotzdem nach einem äußerst leckeren, wenn auch relativ zugigen Frühstück auf die Räder und werden belohnt! Gegen mittag setzt der Regen kurz aus und wir radeln meditativ den Luoma-See entlang, Wasser bis zum Horizont, Fischteiche und Komorane. Schön, auch wenn der der Regen gegen Ende der Etappe wieder einsetzt.

Zur äußeren Nässe gesellt sich dann auch noch eine innere. Zum Abendessen gelangen wir in die Fänge einer feierwütigen chinesischen Delegation.

Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯 – Prost – 干杯!

Jörg hielt für uns alle die Leber hin und hat auch für den heutigen Blog wieder zwei Bilder beigetragen.

Grüne Woche auf Chinesisch

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Yaowan war einst die wichtigste Handelsstadt am Kaiserkanal nördlich von Suzhou. Sagt zumindest die Tafel im Heimatkundemuseum der Stadt. Also dem Museum im Museum. Denn Yaowan ist ein Museumsdorf, neu aufgebaut unter Integration der alten Architektur. Gar nicht so schlecht, aber mit einem Hauch Disneyland.

Zu Yaowan hatte ich letztes Jahr auf der Familientandemtour schon Einiges geschrieben.

Den Blogeintrag gibt es hier:

Falsches Spiel mit Roger Rabbit

Und auch unsere Gruppe probiert sich durch die Snacks der Region und läuft durch alte Familienresidenzen und Museen.

Am späten Mittag erreichen wir dann wie geplant die lokale Version der „Grünen Woche“, das Food Festival von Yaowan.
Alles was Haus, Hof und Feld hergeben wird hier kredenzt und stilvoll drappiert. Eine gestrenge Auswahl der besten Gourmetkritiker der Region beäugt die Speisen, stochert mal skeptisch, mal enthusiastisch im Essen herum und gibt dann die Wertung ab. Erste Runde: Aussehen und Darstellung.

Schwierig!

Auch weil eine Gruppe von sechs Ausländern die Aufmerksamkeit und alle Objektive auf sich zieht. Für 20 Minuten sind wir wichtiger als das Essen und die Darbietung. Beziehungsweise sind Fotos mit uns wichtiger als alles andere. Ich sehe schon die lokale Parteizeitung vor mir, die ebenso wie die Yanwaner Abendzeitung titelt:

Ausländische Delegation besucht Yaowaner Grüne Woche – Deutsch-Chinesische Gourmetfreundschaft auf neuem Höhepunkt.

Leider waren die Speisen nur zum Anschauen. Wir sind dann erst einmal Mittagessen gegangen!

Raupen ohne Seide

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Regentag. Und glücklicherweise auch der Transfertag von Qufu nach Pizhou. Von Shandong nach Jiangsu.

Ein ruhiger Tag, meditativ fast. Zeit, kulinarische Abenteuer zu wagen.

Wie wäre es mit Seidenraupen mit Chili und Knoblauch?

Lecker!

(Danke an Jörg für die Bilder!)

Land, Leute – Konfuzius!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Es war einmal vor langer Zeit, da war die chinesische Provinz Shandong, besser gesagt der Teil Chinas, der heute Shandong ausmacht, der Nabel der Welt. Eine der Wiegen der chinesischen Kultur. Und Heimat des bekanntesten chinesischen Denkers des Landes: Konfuzius.

Die Shandonger seien etwas langsam, vor allem im Kopf, sagt man in China. Ein Vorurteil, das durchaus zum Teil der Wahrheit entspricht, wie ich letztes Jahr auf meiner langen Familien-Tandemtour von Shanghai nach Beijing leidvoll erfahren musste:

Müd- und Traurigkeit (tandem4family)

Auf jeden Fall konnten die Zeitgenossen Konfuzius mit dessen Gedanken und Theorien wenig anfangen. So musste der große Weise mit dem Fiselbart sein Heil in der Ferne suchen und fand auch dort zu Lebzeiten wenig Gehör. Erst nach seinem Tod wurde der Konfuzianismus zum Leitfaden der chinesischen Gesellschaft. Einfach ausgedrückt: Das Volk muss dem Herrscher, die Frau muss dem Mann und der jüngere Bruder dem älteren Bruder gehorchen. Dafür muss sich die jeweilige Autorität im Gegenzug auch um die Schutzbefohlenen kümmern. Ist dem nicht der Fall, können sich die Unteren auch gegen die Oberen erheben. Ein Teil der Lehre, der von den Mächtigen immer gerne unter den Seidenteppich gekehrt wird.

Und wir wandeln nun auf den Spuren des Konfuzius und müssen dafür erst einmal nach Qufu radeln. Hier ist die Heimat des Weisen. Auf dem Weg dorthin führt der Weg durch eine zutiefst bäuerlich geprägte Gegend. Die Shandonger sind heutzutage weniger Philosophen, sondern zumeist schlichte Bauern. Was ja kein Schaden sein muss.

Uns beschert es auf jeden Fall eine entspannte Etappe über die Felder und durch kleine Allen. Grüne Welle für Radler!

Und auch Qufu empfängt uns sehr entspannt. Eine Kleinstadt von gerade einmal 600.000 Einwohnern. Und trotz Touristenschwemme wunderbar bodenständig, mit kleinen untouristischen Altstadtgassen und einem leckeren Nachtmarkt. Der Abend ist lau, und wir lassen es uns schmecken!

Bereits beim Mittagessen hatten wir dem Koch bei der Zubereitung unseres Lieblingsgerichtes über die Schulter geschaut.

„Aubergine nach Art der Region“ 风味茄子

Am nächten Tag dann die volle Ladung Konfuzius, sein Tempel, seine Residenz, sein Grab.

Konfuzius sagt: „Zeit, dass wir wieder auf’s Fahrrad kommen!“

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Eine typische chinesische Kleinstadt

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Nach so viel Sonnenaufgang und Almabtrieb, Pilgerschwemme und Fabellandschaft wird es Zeit für den Alltag.

Überhaupt, wie erging es uns denn seit dem Sonnentag in Qingdao?

Über den Tag mit dem Zugtransfer breiten wir einmal den Regenmantel. Am Vormittag sind wir noch bei bedecktem Himmel durch Qingdao spaziert, hatten leckere Nudeln in Laoshe-Park und einen ebenso leckeren Café an der Uferpromenade.

Kaum saßen wir im Zug, öffnete der Himmel seine Schleusen. In etwa, bis wir drei Stunden später wieder ausstiegen. Timing nennt man das, und ja, Timing ist eine Stadt in China. Wird nur „Taiming“ geschrieben, sind wir aber nicht daran vorbeigekommen.

Dann die Wanderung auf den Taishan, einen Tag hoch, den anderen runter, Muskelkater in Waden und Oberschenkeln. Wir sind eben Radler und keine Wanderer.

Dann endlich auf’s Rad!


(danke an Jörg für das Bild!)

Und heute dann die erste Etappe, erst 10 Kilometer durch die Stadt, durch im Entstehen begriffene Neubauviertel mit großflächigen Grünflächen. Besser gesagt, mit zukünftigen Grünflächen, wir erleben diese erst einmal als riesige Brachflächen mit viel Baustellenstaub.

Dann aber wird es grüner, ländlicher. Keine Autos hupen und stauben mehr und wir radeln 40 Kilometer durch Alleen, Felder, kleine Dörfer. Erleben, wie der Mais eingebracht wird.

Und beschließen den Abend dann mit einer Grillorgien im schicken Grillrestaurant, direkt neben dem Hotel. In Ningyang, einer „typischen chinesischen Kreisstadt“.

Sogar unser Fahrer hat uns inzwischen gefunden. Doch davon später mehr!

 

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Aubergine!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Es klackert und es stapft. Schattenhafte Gestalten huschen in dicken, tarngrünen Armeemänteln durch die Dunkelheit. Ein überforderter Lautsprecher schwankt zwischen Kantoschnulzen und Ballermannmucke.

Es ist der Morgen der Morgen. Der Tag, auf den alle gewartet haben. Vollmond. Heiliger Berg. Wochenende. Willkommen auf dem Taishan, dem wichtigsten der heiligen Berge Chinas.

Der Taishan ist eng mit dem chinesischen Schöpfungsmythus verknüpft. Einst, als der Kosmos noch im Chaos lag und Erde und Himmel noch eins waren, wurde Pangu zwischen Himmel und Erde geboren. Durch sein Wachstum schob er diese immer weiter auseinander, bis sie nach 18.000 Jahren vollständig getrennt waren und Pangu aus Erschöpfung starb. Seine Augen wurden Sonne und Mond, sein Blut verwandelte sich in die Flüsse und sein Kopf und die Extremitäten bildeten die fünf heiligen Berge Chinas.

Der Taishan ist der Kopf Pangus, und so fällt ihm eine wichtige Rolle in der chinesischen Mythologie zu. Den Berg zu besteigen heißt nicht nur, dem Himmel ein Stück näher zu sein, es ist auch ein Symbol für die Harmonie zwischen Himmel und Erde.

Die chinesischen Kaiser, denen das vom Himmel verliehene Mandat auch entzogen werden konnte, bestiegen den Berg als Zeichen ihrer engen Beziehung mit den Mächten des Himmels. Eigentlich hätten sie die Runde zu allen fünf heiligen Bergen machen müssen, die meisten ließen es aber bei der Besteigung des Taishan als Symbol ihrer Himmelsnähe bewenden.

Heute schieben sich dort, wo der Kaiser einst zu Fuß hinging, jährlich ein paar Millionen Touristen den Berg hoch. Heute werden es ein paar tausend sein. Wir sind glücklicherweise schon am Vortag auf den Berg gewandert, haben uns unweit des Gipfels einquartiert und blicken nun schlaftrunken und etwas ungläubig auf die Pilgermasse, die da an uns vorbeischlurft.

Gegen 5:30 Uhr stehen wir auch in der erstaunlich warmen Morgenluft und schließen uns der Hotelexpedition zum Gipfel an. Denn zuweilen ist er rot, der Osten, wie Mao Zedong zu Recht beim Anblick des Sonnenaufganges auf dem Taishan feststellte.

Und so warten wir nun auf das Zentralgestirn. Dichte Wolken stauen sich im Tal.

Dann, ein roter Streifen, der durch die Wolken kriecht.

„Da ist sie!“, schreit ein Chinese hinter mir und ruft immer wieder „Bitte recht freundlich! Bitte recht freundlich!“, besser gesagt „Aubergine, Aubergine!“, wie es die Chinesen eben so machen, wenn der Fotograf lockt.

Also, auf gut Chinesisch „Qiezi, qiezi! 茄子茄子!“

Aber es tut sich wenig. Was nicht weiter stört, da die meisten Chinesen sowieso damit beschäftigt sind, Selfies zu machen, ihr Smartphone zu checken oder Kantopopp zu hören.

Dann ein Schrei!

„Da kommt sie!“

Schlagartig ist es still. Andächtig atmen 2000 Chinesen und zehn Langnasen durch.

Dann ist sie da:

Der Osten, der ist tatsächlich rot!

Und morgen steigen wir endlich auf unsere Räder.

Dao le – Qingdao le!

Kaiser, Kanäle, Konfuzius, vom 12.10. bis 03.11.2016

Ankommen ist zuweilen schwer. Zuhause noch einen letzten Arbeitstag, die Blumen gießen, das Haus herbststurmsicher machen. Langer Flug mit wenig Platz. Und zuhause hatte die Friseurin keinen Termin!

Zumindest bei Letzterem konnte Abhilfe geschaffen werden.

Es konnte eigentlich gar nichts schief gehen am heutigen Tag. Das Wetter hält sich nicht den Bericht, es scheint die Herbstsonne, was die Jahreszeit so hergibt, ein leichte Brise weht vom Meer – und Qingdao-Bier vom Fass schien für die Nacht ein gutes Mittel gegen Jetlag gewesen zu sein.

Es geht uns also gut, und Qingdao macht es uns leicht, anzukommen. Die Sinologen werden den billigen Kalauer schon erkannt haben: Wir hatten ein leichtes Ankommen, qingdao le 轻到了also, wobei das natürlich Küchenchinesisch ist, aber gerade schon schön passte, da gleiche Umschrift, aber andere Zeichen, unsere erste Station eben Qingdao 青岛 ist, die „grüne Insel“.

Qingdao von von 1898 bis 1914 deutsche Kolonie, und das merkt man der Stadt immer noch an. Während sich in den anderen ehemals von ausländischen Mächten besetzten Küstenstädten Chinas die westlicher Architektur auf einzelne Stadtteile beschränkt, ging man in Qingdao mit deutscher Gründlichkeit vor. Die bestehenden chinesischen Fischerdörfer wurden abgerissen und eine typische deutsche Kleinstadt auf die Halbinsel gesetzt, die die Chinesen „grüne Insel“, Qingdao nannten. Es war im Jahre 1898, als die Deutschen mit der Gründung der Stadt Qingdao (Tsingtao nach der alten Umschrift) und der Pachtung des angrenzenden Jiaozhou auf die koloniale Bühne Chinas traten.

Es dauerte keine zwei Jahre, und schon wurden sie zum Hauptdarsteller. Als im Jahre 1900 ein deutscher Missionar bei Qingdao ermordet wurde und man diesen Mord dem chinesischen Geheimbund der sogenannten „Boxer“ (Yihetuan auf chinesisch, „Bund der Rechtschaffenheit und der Harmonie“) zuschrieb, wurde der Ruf laut, Vergeltungsmaßnahmen gegen China und seine Bevölkerung einzuleiten. Eine gleichzeitige Kriegserklärung der Kaiserwitwe Cixi an die Westmächte lieferte den Vorwand, mit aller Härte gegen China vorzugehen. „Germans to the front!“, hieß es. In seiner Hunnenrede vom 27. Juli 1900 wies Kaiser Wilhelm die deutschen Soldaten an, keine Rücksicht auf Verluste zu nehmen: „Kommst ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ Auch wenn der Wortlaut der Rede in der späteren Veröffentlichung abgemildert wurde, waren dies die Worte, mit denen die deutschen Soldaten nach China fuhren, wo sie an der Spitze der „Acht-Mächte-Armee“ Beijing besetzten. Angesichts des damaligen brutalen Vorgehens deutscher Truppen ist es erstaunlich, wie stolz die Bewohner Qingdaos heute auf das deutsche Erbe sind.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 fand die deutsche Kolonialherrlichkeit an Chinas Ostküste jedoch ein jähes Ende. Japan besetzte Qingdao und bekam es laut dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg zugesprochen, eine Entscheidung, die den Zorn der chinesischen Intellektuellen auf sich zog und Katalysator für die Vierte-Mai-Bewegung war, die endgültig die geistigen Pforten zum modernen China aufriß. 1922 schließlich gab Japan Qingdao an China zurück, nur um 1938 wiederzukehren und die Stadt ein zweites Mal bis 1945 zu besetzen.

Seitdem in chinesischer Hand, gewann Qingdao, neben Dalian wichtigste Hafenstadt Nordchinas, mit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung und hat heute hinter Shanghai, Dalian und Tianjin den viertgrößten Hafen Chinas.

Davon sehen wir aber recht wenig, und spazieren gemächlich durch die „deutsche“ Altstadt. Im Zentrum steht die ehemalige St. Michaelis-Kathedrale, heute schlicht „Katholische Kirche“ genannt. In meiner Heimatstadt Weiden steht die exakte Kopie. Wahrscheinlich eher umgekehrt. Auf jeden Fall stand Conchita Wurst Patin für das Jesusbild.

Die Kulisse finden nicht nur wir äußerst charmant, sondern auch ein gutes Dutzend Hochzeitspaare, die hier ihre Erinnerungsfotos schießen, streng angewiesen von der Fotocrew und höchst inszeniert.

Der Stadtspaziergang macht dann doch irgendwann müde. Nach einer Riesenportion Maultaschen mit Shrimp- und Makrelenfüllung füttert die Gruppe für zwei Stunden ihr Jetlag.

Dann ist es Zeit für das Abendprogramm: Besichtigung der alten Qingdao-Brauerei und anschließend wissenschaftliche Verkostung. Geschmack stimmte, die Menge auch. Es schläft sich gut mit Meeresbrise und Hopfenkeule.