Fahrt nach Jianshui

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Beim gestrigen Radtag hatte ich vergessen meinen Nacken mit Sonnencreme einzuschmieren. Jetzt kann ich es mit jedem „Redneck“ aufnehmen. Eine Rückleuchte brauche ich auch nicht mehr am Rad. Ich leuchte auf Kilometer. Um meine Pein nicht noch ins unerträgliche zu steigern, habe ich mir ein T-Shirt an den Helm gehängt und radele jetzt als „Lawrence von Yunan“ durchs Land. Die Begeisterungsstürme der Einheimischen kann ich jetzt nicht mehr so richtig deuten. Gilt sie unserer Langnasen-Truppe insgesamt, die mit dem Fahrrad durch China radelt, obwohl sie sich doch ein Taxi leisten könnte? Oder gilt sie meiner albernen Kopfbedeckung? Egal, Hauptsache wir werden bejubelt.

Die Strecke ist faszinierend. Wir fahren durch wilde Täler, vorbei an kleinen Seen und vielen Dörfern. Immer wieder machen wir Obst- und Keks-Pausen und genießen die Landschaft. Auch heute haben wir wieder einige Höhenmeter zu überwinden. Zu allem Überfluss weht uns ein stetiger Wind entgegen. Da macht Bergauffahren doch erst richtig Spaß.

Aber auch heute kommen wir wieder zufrieden, wenn auch recht abgekämpft am Hotel in Jianshui an. Und was für ein Hotel das ist. Wir übernachten nicht, wir residieren. Unser Hotel ist eine historische Gartenanlage einer wohlhabenden Familie und ist dementsprechend prachtvoll. Auch die Zimmer sind schön im klassisch-chinesischen Stil eingerichtet. Super, dass wir hier zwei Nächte bleiben! Auf diese angenehme Überraschung trinken wir erst einmal ein von Kollege Jan eingeführtes „Schmutzbier“. Nicht das Bier ist schmutzig, sondern wir. Verschwitzt, verstaubt und ölige Streifen von der Kette am Bein. Anschließend wird erstmal geduscht und das Ambiente der Anlage genossen, bevor es zum Abendessen geht.


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Moslemdorf und Chinakohl

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Nach einem deftigen chinesischen Frühstück fuhren wir los. Zuerst immer entlang des Sees durch kleine Fischerdörfer, später auch durch neu entstehende Ferienanlagen und später wieder entlang an malerischen Kanälen durch kleine Dörfer. Anfangs war es noch frisch aber die Sonne setzte sich durch und ab der Mittagszeit war es schön sonnig und warm. Ein schöner Radeltag. Am späten Nachmittag dann mussten wir einige Kilometer bergan. So kurz vor Ende der Etappe ist die Motivation zu solchen Gipfelstürmen nicht mehr allzu hoch. Aber was blieb uns anderes übrig. Zu unserer Überraschung tat sich auf der Passhöhe dann ein wunderbarer Blick auf den Ort Nagu auf. Das überragende Gebäude des Ortes war eine recht große Moschee. Spontan entschlossen wir uns den Ort näher unter die Lupe zu nehmen. Also fuhren wir ins Tal hinunter. Kaum hatten wir uns die Hälfte des Weges hinunter rollen lassen, bereute ich es schon ein wenig, denn das alles wieder hoch zu radeln war nicht sehr verlockend. Aber im Ort machten wir die Entdeckung, dass alle Frauen mit Kopftüchern bekleidet waren. Ich fragte während unserer Obstpause im Ort nach und erfuhr, dass der Ort mehrheitlich von der muslimischen Hui-Minorität bewohnt war. Neben der Moschee befand sich auch eine große Koranschule. Außerdem verriet uns die Obstverkäuferin, dass wir nicht unbedingt hoch auf die Schnellstraße zurück mussten, sondern über die Dörfer im Tal bis nach Tonghai fahren konnten. Zur Zeit ist Chinakohl-Ernte hier. Überall wurde der Kohl geerntet und für den Versand fertig gemacht. Solche Mengen Chinakohl hatten wir bis heute alle noch nicht gesehen.


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Steinwald

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Meine Nacht war kurz. Erst mühte ich mich ab, den Blog zu schreiben. Als ich gegen 02:00 Uhr feststellen musste, dass ich gar keine Verbindung ins Internet herstellen konnte (warum auch immer, gestern ging es noch) ging ich ein wenig frustriert ins Bett. Nur um eine Dreiviertelstunde später wieder wach geklingelt zu werden. Es waren die Fahrradtransporteure, die uns unsere neuen Räder brachten. Sie waren die ganze Nacht gefahren und eben schon da. Als dann die richtigen Räder abgeladen und die falschen Räder aufgeladen waren legte ich mich wieder hin. Der Wecker klingelte dann schon wieder um 07:00 Uhr. Welch Freude. Ich aktivierte sofort die Snooze-Taste an meinem Handy und dankte dem himmlischen Jadekaiser dafür, dass mein Handy eine solch angenehme Funktion hat. 10 Minuten später stand ich dann aber doch auf.

Ein Bus brachte uns zum berühmten Steinwald, etwa 100 km entfernt von Kunming. Wenn man dort ankommt ist man erst mal etwas geschockt von den Menschenmassen, die sich dort am Eingang auf einer Stelle tummeln, um jeder von jedem ein Foto mit der Inschrift „Shilin“ (Steinwald) im Hintergrund zu schießen. Ist man aber erst mal am Japanese Corner vorüber und dringt in die Eingeweide des Steinwaldes vor, kann man himmlische Ruhe und phantastische Steinlandschaften entdecken. Wir begannen sogar, wie die Chinesen es auch gerne machen, den ausgefallenen Felsgebilden Namen zu geben. Besonders kreativ war Matthias, so dass ich insgeheim vermute, dass er chinesische Vorfahren hat ohne es zu wissen.

Nach unserem relativ späten Mittagessen fuhren wir wieder mit dem Bus weiter nach Chengjiang am Fuxian-See, wo wir für die heutige Nacht wohnen. Wir sind die einzigen Gäste in einem Hotel mit bestimmt 100 Zimmern. Den restlichen Spätnachmittag stellten wir die neuen Räder ein, damit es morgen früh gleich losgehen kann.

Das Abendessen nahmen wir in einem kleinen traditionellen Fischrestaurant ein. Der Fisch wurde extra für uns gefangen und sofort zubereitet. Der war so frisch, dass er fast wieder aus der Schüssel hüpfte.

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Tagesausflug in Kunming

Tal des Roten Flusses, 05. bis 27.03.2011

Frisch ausgeruht ging es heute mit dem Rad zum Yuantong Tempel. Dieser aus der Tang-Dynastie stammende Tempel ist recht außergewöhnlich, denn er gleicht mehr einem Palast als einem Tempel. Aber das Leben im Yuantongsi ist sehr rege und wir konnten einen kleinen Einblick in den buddhistischen Alltag gewinnen. Anschließend ging es in den in Fußnähe gelegenen Cuihu Park. Eigentlich erwarteten wir dort Tanz und Musik ähnlich wie am gestrigen Abend. Doch was wir vorfanden, erinnerte eher an eine Szene aus Hitchcocks „Die Vögel“. Hunderte oder gar Tausende von Möven trieben sich auf den Seen. Und an der nächsten Ecke probte ein kleines Rentnerorchester chinesische klassische Melodien. Nach einer kleinen Stärkung in einem Baozi-Restaurant statteten wir der Westpagode einen Besuch ab. Die Ostpagode war leider schon geschlossen. Also kehrten wir erst einmal ins Hotel zurück um uns fürs Abendessen ein wenig frisch zu machen.

In der Zwischenzeit erhielt ich die Nachricht, dass wir neue Räder aus Jinghong geliefert bekommen würden. Das war natürlich eine freudige Nachricht, nicht die ganze Tour mit den Damenrädern fahren zu müssen. Gegen 19:30 Uhr machten wir uns auf, um im buddhistisch-vegetarischen Restaurant zu essen. Leider mussten wir feststellen, dass das Restaurant bereits um 20:30 Uhr schließt, deshalb ließ man uns nicht mehr ein. Also doch Fleisch. Auf dem Rückweg in Richtung Hotel fanden wir dann ein nettes kleines Restaurant, in dem der Chef nicht nur alle deutschen National-Fußballer aufzählen konnte und zu berichten wusste, dass Frau Merkel ein ganz schöner Drachen sei, sondern auch noch eine gute Küche bot. Da fühlten wir uns doch gleich zuhause. Auch die Biergläser hatten nicht wie am Vorabend nur Fingerhutgröße mit deren Inhalt man sich eben mal die Lippen benetzen konnte. Zur guten Laune trug dann zusätzlich bei, dass die Schnapsgläser mit „Medizinschnaps“ (nur der besseren Verdauung halber) nicht unwesentlich kleiner waren als die Biergläser. Zum Glück müssen wir morgen noch nicht ernsthaft Radfahren.


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Schreibtischtäter

Herzlichste Grüsse aus unserem sympathischen kleinen Büro in Berlin Neukölln. Volker, Christof und ich, Jan, sind sehr beschäftigt und schauen manchmal sehnsüchtig aus dem Fenster nach draußen, der Himmel ist blau und die Luft glaube ich frisch und klar. Unser viertes Büromitglied Andreas aka Ande Shushu ist gestern in Yunnan gelandet und wird dort die Reise „Entlang des Roten Flusses“ leiten. Wir sind recht neidisch und warten auf seinen Blog.

Hier eine kleine Vorausschau auf unsere virtuellen Aktivitäten in den nächsten Wochen: die Reiseberichte werden also zunächst von Andreas fortgeführt, danach wieder von mir (auf Trekking-Tour in Hongkong) und schließlich von Volker, der sich im April durch die dünne Luft des tibetischen Hochplateaus kämpfen und erst ruhen wird, wenn er für uns die geheime Route von Lhasa nach Kathmandu wiederentdeckt hat.

Was uns in der Berliner Heimat sehr am Herzen liegt, ist unser Jubiläumsfest: am 4. Juni wollen wir feiern, das ist am Vorabend der Sternfahrt bzw. des Berliner Umweltfestes. Eine Bootsfahrt ist angedacht, nähere Informationen kommen in Bälde.

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Letztes vom Hasi

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Könnte noch mal stressig werden heute, gerade (Abflugtag, 12:00) hat Bangkok Airways unseren Flug um eine Stunde nach hinten verlegt und wir haben am Suvarnabhumi nur eine halbe Stunde Zeit um den Flug von Thai Airways zu erwischen. Beide Fluglinien haben zwar Code-Sharing, garantieren die Verbindung aber nicht. Frühere Flüge nach Bangkok kriegen wir jetzt nicht mehr gebucht, alles voll, wir können also nur abwarten. Falls hier also jemand sehnsüchtig seine Liebsten erwartet: gut möglich, dass man noch einen Tag länger auf uns verzichten muss.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemanden groß aufregen wird, unsere Gruppe war dafür viel zu entspannt und viel zu harmonisch. Auch gestern Abend, beim Karaoke-Singen, da hat sich ehrlich gesagt keiner von uns als außergewöhnliches Talent präsentiert, weswegen es natürlich ein Riesenspaß war. Es ging ziemlich lange, entsprechend geschwächt sind heute die Abwehrkräfte. Ausgeschlafen waren wir schon gestern nicht, morgens um halbsechs ging es auf den Phnom Bakheng, von diesem Hügel haben wir die Morgendämmerung heraufziehen sehen, die Nebel zwischen den Bäumen und den Rauch in den Dörfern. Danach dann über die Stadtmauer von Angkor Thom und durch das Siegestor geradelt, wie passend nach knapp 1200km (ohne große Unfälle, etwa 10 Platten, die Räder sind gut gerollt). Und zu den überwucherten Tempeln von Ta Prohm und Preah Khan.

Von Exklusivität kann hier keine Rede mehr sein. Den morgendlichen Phom Bakheng hatten wir zwar fast für uns und zwischen den Tempel sind wir auf kleine, versteckte Urwaldpfade ausgewichen, aber man muss wirklich die ganze Energie aufwenden, um den Massen aus dem Weg zu gehen. Die Hauptrouten sind überlaufen, letztes Jahr waren hier 2,6 Millionen Besucher, die meisten aus Asien. Busladungen voller Koreaner, Japaner, und mehr und mehr Chinesen. Angkor ist trotzdem toll und hat uns gut gefallen, aber die Höhepunkte unserer Reise lagen für mich woanders, in der Pampa und in den Begegnungen mit dem normalen Leben.

Angkor Wat war der offizielle Schlusspunkt unserer Reise und sehr majestätisch. Unser Führer hierfür war Somith (oder „Opa Schmidt), der hat uns die Flausen ausgetrieben und richtig den Marsch geblasen. Konsonanten wurden ausgespuckt, dass es eine Freude war – 3 Jahre im ostdeutschen Grenzgebiet bei Suhl, Anfang der 80er. Wir konnten allein schon durch unsere Herkunft punkten, die deutsche Apsara Foundation ist für Angkor Wat zuständig und wird gerühmt für ihre Gründlichkeit, auch Opa Schmidt war stolz auf uns.

Jetzt muss ich los und noch ein paar Souvenirs kaufen. Zum Abschluss: danke danke danke, Reinhard, Harald, Lisa und Alfred, Annette und Uwe, Petra und Tom, Elke und Thomas! Der liebe Hasi muss sich demnächst wieder an niedrigere Temperaturen gewöhnen müssen.

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Peinlich: die Frisuren der Cham

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Volles Angkor-Programm: morgens Preah Rup und der filigrane Banteay Srei, beide Mitte 10. Jahrhundert, nachmittags dann Angkor Thom und der Bayon, die letzten großen Bauprojekte des Khmer-Reiches (Anfang 13. Jahrhundert). Viele Steine, viel große Kultur. Von Tempel zu Tempel sind wir radgefahren, zum Banteay Srei sind es immerhin gute 30km.

Unterwegs haben wir Verschiedenes nachgestellt. Dabei ist das ein oder andere reizvolle Tableau entstanden, an vergangene Zeiten erinnernd, doch ohne erhobenen Zeigefinger. Es handelt sich um Szenen der surrealen Expeditionen Garniers und de Lagrées (das interpretiere ich zumindest so, im nachhinein): ernst und entschlossen gehen sie ihre Aufgabe an, doch schon jetzt übt die östliche Kultur einen unwiderstehlichen Reiz aus (der kambodschanische Krama hat den Tropenhelm ersetzt, man ist bereit, sich mit Haut und Haaren an die Kultur der Einheimischen zu verlieren). Später, am Westtor von Angkor Thom, Orientierungslosigkeit. Das Expeditionsmitglied Alfred wurde schon an den Dschungel verloren, er ist eins mit ihm geworden, man kann ihn nicht mehr fotografieren. Schließlich, ein Stilmittel des absurden Theaters, der vielarmige Shiva, der seinen Tanz der Zerstörung tanzt (zeitliche oder hermeneutische Interpretationsansätze? Die Zerstörungswellen der herannahenden Kolonialsierung oder das Wilde ins uns, das Grauen?).

Die Reliefs am Bayon sind interessant, vor allem die Frisuren der Cham (damals schon ihrer Zeit hinterher) und die Trinksitten der langohrigen Khmer. Die stellen wir auch manchmal nach, üben aber noch. Vielleicht präsentieren wir morgen unser Ergebnis, als Teil unseres letzten Abends.

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Anastylose!

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Es hätte heute Regen geben müssen, am morgen saß ein kleiner Frosch auf Toms Rad und das sind die rituellen Regenbringer in Südostasien. Tatsächlich haben uns vormittags ein paar Tropfen benetzt, aber es war ja nur ein kleiner Frosch, es blieb also trocken, angenehm bewölkt und windig. Perfektes Radfahrwetter. Nachmittags kam dann die Sonne durch und die letzten Kilometer waren gülden. Es tat auf jeden Fall gut nach zwei Tagen wieder auf dem Rad zu sitzen.

Überraschend leicht, dem Trubel hier zu entkommen, ein paar Staubstraßen weiter weg fängt das ganz normale Dorf- und Landleben wieder an, auch das Hello-Land, sofort wird wieder Spalier gestanden. Wir haben mit unserer kambodschanischen Mannschaft echte Experten, sie lotsen uns über Stock und Stein und Sand sehr privat durch ihre Gegend. Nicht weit vom Angkor Wat entfernt hat Thonet sein Zuhause, das haben wir heute erstmal besucht. Ein paar Hütten im Nirgendwo und ein Kloster. Thonet hat sich vor ein einigen Jahren ein für kambodschanische Verhältnisse ziemlich stattliches Haus gebaut, entgegen den Vorschriften der wechselnden Rechteinhaber dieses gesamten Landstriches. Zur Zeit hat die Sokimex-Gruppe die Rechte an den Eintrittsgeldern von Angkor und mauschelt kräftig mit anderen Organisationen, da ist z.B. die Apsara Authority, die für den Denkmalschutz zuständig ist. Sokimex kontrolliert das Mineralöl Kambodschas, Luxushotels, Fluglinien etc. und hat beste Beziehungen zur Macht (die Apsara Autority hat hehre Ziele aber kaum Geld und Macht). Jedenfalls hat ein Konsortium dieser Organisationen strenge Auflagen für die Menschen, die zwischen den weit verstreuten Tempeln wohnen, aufgelegt. Thonet und seine Familie haben sich irgendwann trotzdem ein Haus in den Busch gebaut und hoffen, dass es möglichst lange unbemerkt bzw. uninteressant bleibt. Hier kommt aber auch wirklich kein Mensch lang.

Heute war das Radfahren wichtiger als die Hochkultur, zunächst sind wir auf einem langen Deich in Richtung Osten gefahren, einst die Verbindung zu den wichtigen Außenposten des Khmer-Reiches: Sambor Prei Kuk bzw. Wat Phu in Laos, der Kreis schließt sich für uns. Dieser Weg wurde von den Roten Khmern zu einem Deich umfunktioniert, im Stile der alten Barays (der eingedeichten Gebiete von Angkor, welche einst die Monsunregen einfingen). Heute eine kaum genutzte Landstraße, aber viel Geschichte dahinter. In dieser Gegend wird viel Saft aus den Zuckerpalmen gezapft. Man bringt längliche Bambusbehälter an den jungen Früchten der weiblichen Palmen an, nachdem man diese gequetscht und angeritzt hat. Der Palmsaft schmeckt lecker und noch besser, wenn er eine Weile gärt und Palmwein daraus wird. Meistens wird er aber zu Zucker gekocht, große Töpfe brodeln vor den meisten Hütten, über uns sind die wildesten Konstruktionen, provisorische Leitern und Verbindungen zwischen hochaufragenden Zuckerpalmen.

Natürlich haben wir uns auch unsere ersten Angkor-Tempel zur Gemüte geführt, zunächst den abseits gelegenen und fast vergessenen Chau Srei Vibol, haufenweise Chaos. Die meisten Tempel von Angkor waren einst bessere Steinhaufen und wurden erst mit der Anastylose-Technik wieder zusammengebastelt, d.h. man ging Stein für Stein durch, nummerierte und schaute, wie alles zusammenpasste, wie ein Puzzle. Fehlende Teile wurden durch originales Material ersetzt. Chau Srei Vibol harrt noch seiner Anastylose, Preah Ko und der Bakong, die wir danach besichtigt haben, haben sie schon hinter sich. Das sind die ältesten Tempel der ganzen Angkor-Gegend, stilprägend, nicht so gewaltig, aber interessant und sehr schön.


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Die große Pfütze

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Lange Bootsfahrt auf dem enormen Tonlé Sap (bzw. zunächst auf seinem Zufluss) in Richtung Siem Reap, dem Ausgangspunkt für alles, was mit Angkor zu tun hat. Der morgendliche Beginn ist spannend, man fährt aus Phnom Penh an schwimmenden Märkten vorbei und die Szenerie ist abwechslungsreich und lebhaft (dunkle Erinnerungen aus früheren Tagen und außerdem hat man es mir angetan berichtet als ich dann doch mal wach war. Wir mussten sehr früh los). Später weitet sich der See, irgendwann kann man die Ufer nicht mehr erkennen und alles um einen herum ist Wasser.

Der Tonlé Sap ist ganz besonders, er ist der größte Süßwasser-See in Südostasien und, zumindest in der Regenzeit, der fischreichste See der Welt. In der Trockenzeit hinterlässt er fruchtbares Schwemmland, was sofort mit Reis bebaut oder anderswie genutzt wird. Ohne den See hätte es das Khmer-Reich nicht gegeben, eigentlich ist er noch heute die Lebensgrundlage des Landes. Tonlé Sap ist durch den Tonlé Sap-Fluss mit dem Mekong verbunden. Die Wasser des Mekong schwellen zwischen Juni und Oktober durch Schmelzgewässer und Monsunregen so sehr an, dass die Fluten des Sees und seines Flusses darin nicht mehr aufgenommen werden und es einen Rückstoß gibt. Der Tonlé Sap-Fluss ändert seinen Lauf und verbreitert den See dadurch um mindestens das Vierfache. Dieses Phänomen ist so berechenbar, das einst die Könige dem Fluss hochzeremoniell befahlen, seine Richtung zu wechseln. Das war natürlich nicht von schlechten Eltern und wurde vom Volk geschätzt.

Wir sind jetzt mitten in der Trockenzeit und der See ist trotzdem enorm, fünfmal so groß wie der Bodensee, aber er wird zu den Ufern hin eine ganz schöne Pfütze. Wir mussten die letzten Kilometer auf Boote umsteigen, die weniger Tiefgang haben. Am See selber gibt es große schwimmende Dörfer und auch solche, die bei Bedarf eben nicht mehr schwimmen, die Leute leben dann in Baracken auf der neu gewonnen und bald wieder verlorenen Erde. Aber die richtigen Floating Villages weiter draußen im See sind faszinierend. Bekannte haben in diesen Schwimmenden Dörfern alte Menschen getroffen, die nie in ihrem Leben Fuß auf festen Boden gesetzt haben.

Jetzt vor sind wir vor den Toren Angkors. Die ausländische Besucherschaft hat sich auf einen Schlag verhundertfacht. Wir haben uns erstmal zünftig eingereiht und eine dieser Shows mitgenommen, die eigentlich erst durch ihr opulentes Buffet interessant werden. Wieder eine andere Welt hier, wir waren zum Schluss aber rund und zufrieden. Denn wir sind ja die weißen Laoten.

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Geschichte

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Kambodschas König ist Norodom Sihamoni, ein 57jähriger, unverheirateter ehemaliger Balletttänzer und Sohn des ewigen Norodom Sihanouk. Er war heute daheim, zumindest hat die blaue Fahne vor seinem Palast geweht. Dass es in Kambodscha einen König gibt (auch wenn dieser nichts zu sagen hat) ist keine Selbstverständlichkeit, auch nicht dass in Phnom Penh das Leben tobt.

Als die Roten Khmer im April 1975 aus ihren Dschungelgebieten in die Hauptstadt einmarschierten und diese innerhalb kürzester Zeit entvölkerten wurde Phnom Penh zur Geisterstadt, für mehr als drei Jahre. Die Bewegung war Teil des ideologischen Kampfes, der in ganz Asien ausgefochten wurde. Der verrückte General Lon Nol wurde 1970 mit US-Hilfe an die Macht des Landes geputscht. Während die größeren Orte Kambodschas danach von dessen amerikanisch unterstützter Militär-Junta kontrolliert wurden, war das Hinterland in Händen der Rebellen und wurde von den USA flächendeckend bombardiert. Als diese im Schicksalsjahr 1975 endgültig aus Vietnam flohen und Lon Nol sich längst nach Hawaii abgesetzt hatte, gab es für die Roten Khmer keine Halten mehr. Schnell nahmen sie die Städte in Besitz und fingen mit ihrer Abrechnung an.

Kleine Geschichtsstunde. Wir hatten einen interessanten Tag und auch einen angenehmen Abend, keine Frage, viel gesehen und vorzüglich gegessen. Aber die meisten von uns waren heute in Toul Sleng und der Ort lässt niemanden kalt, das bleibt eine Weile. Das ehemalige Gymnasium im Zentrum der Stadt war in der Khmer Rouge-Zeit das größte Gefängnis und Folterzentrum des Landes, heute ist es eine Stätte zum Gedenken an den damaligen Genozid am eigenen Volk – sieben Millionen Einwohner hatte das Land, um die zwei Millionen fiel dem Terror der Roten Khmer zum Opfer. Erklärtes Ziel der Angka, der Partei bzw. dessen Führungsspitze (Pol Pot, Ieng Sary, Kieuh Samphan u.a.) war es, das Land komplett zu isolieren, von allen Einflüssen zu säubern und mit einem Kommunismus aus der Steinzeit neu zu beginnen. Jeder der nach fremdem Einfluss roch, Intellektuelle, Städter, Brillenträger, wurden im besten Fall auf das Land umgesiedelt und zur Zwangsarbeit eingesetzt, meistens einfach umgebracht. Es gab kein Entkommen, die Zellen von Toul Sleng und die Wände mit den Fotos der Opfer sind völlig ohne Trost. Die Diskussionen im Anschluss drehten sich vor allem um die Frage, wie das Land danach weitermachen konnte.

Einige von uns waren außerdem im Nationalmuseum, wo wunderschöne Skulpturen des historischen Khmer-Reiches zu bewundern sind, unter anderem das milde und enigmatische Lächeln von Jayavarman VII, dem bekanntesten aller Angkor-Herrscher, demjenigen, der die Grenzen des Reiches am weitesten ausdehnte und die imposantesten Bauwerke hinterließ, z.B. Angkor Thom und den Bayon. Die Roten Khmer wollten zerstören und Jayavarman VII hat Großes hinterlassen, natürlich auch nur zu Lasten seines Volkes.

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