Die Graue-Grüne-Stadt

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Guangzhou Stadtbesichtigung. Erst Regen dann bewölkt.

In der Früh wurden wir heute mit einem gut gemeintem Brüllen von der Schaffnerin geweckt: „Guangzhou-Ost, Endstation!“. So beginnt man doch gern einen Tag. Den Regen haben wir anscheinend mitgebracht. Unser Fahrer besteht auf der Strecke zum Hotel darauf, uns noch das Guangzhouer Vorzeigeviertel zu präsentieren. Also hatten wir noch einen obligatorischen Fotostopp vor dem Guangzhou Fersehturm mit Blick auf das Olympiastadion, Guangzhou Museum und Bibliothek. Wirkt stark so, als hätte man hier Shanghai als Vorbild. Dabei hat es Guangzhou gar nicht nötig. Denn historisch gesehen sind die Shanghaier eigentlich die blöden Neureichen, die es nicht besser wissen. In Kanton floss schon immer das Geld. Es ging immer um Geschäfte und Essen hier. Schon in während der Tang-Dynastie hatte Kanton den größten Handelshafen. Was will da Shanghai mithalten mit dem vergleichsweise neuzeitlichen Bund!

Unser Hotel lag sozusagen auf dem Guangzhouer Bund, der Shamian Insel. Hier bauten die Briten und Franzosen ihre Warenhäuser auf und es kamen Konsulate und ausländische Herrenhäuser hinzu. Im Grunde genommen hat sich nichts geändert. Die meisten Ausländer übernachten in einen der Hotels auf der Insel. Nun zahlen sie wenigstens Steuern und die Chinesen profitieren ein bisschen mehr von dem Aufenthalt.

Es regnete also immer noch, daher beschlossen wir im Hotelrestaurant erst einmal chinesisch zu brunchen: Morning-Tea. Hierzu gibt es Tee und kleine gedämpfte Kostbarkeiten. Wieder einmal hatte ich die Gruppengröße ein wenig überschätzt und übertrug dabei meine Magengröße auf alle anderen. Aber Ralph war ja auch noch da! Auch nach dem Brunch ließ der Regen nicht nach. Obwohl wir schon früh einchecken durften wollten wir nicht schon wieder einen Vormittag lang in den Hotelzimmern versauern und fuhren zur Akademie des Chen Clans. Die Anlage diente als Beamtenschule/Geschäftshaus/Ahnentempel derjenigen, die den Nachnamen Chen trugen. Jackie Chan z.B. gehört auch dazu. Die Dächer waren eindrucksvoll verziert und die Kunsthandwerk-Ausstellungen waren durchaus sehenswert. Vor allem die Elfenbein- und Kamelknochenschnitzerei war wahnsinnig beeindruckend. Man konnte viele der Ausstellungsstücke auch erwerben. 180‘000 Yuan hatte ich aber nicht mal ebenso in dem Portemonnaie.

Anschließend ließ der Regen etwas nach und wir schlenderten durch die Straßen und besichtigten noch den „Tempel der leuchtenden Kindespietät“ (frei übersetzt). Angenehm war hier, dass es kaum einen Touristen gab, der die mystische Stimmung störte. Die Anlage gibt es wohl schon seit dem 5. Jahrhundert. Das älteste Überbleibsel war jedoch eine eiserne Pagode aus dem 10. Jahrhundert.

Nun konnte es jedoch kaum noch einer abwarten endlich den Qingping-Markt zu erkundschaften. Der Markt erstreckt sich fast über das gesamte Altstadt-Gebiet und ist eigentlich eine Ansammlung von Märkten. Wir verliefen uns vorwiegend im chinesischen Kräuter-Markt, wo 100 verschiedene Wurzeln, Pilze und getrocknete Kleintiere angeboten wurden. Vergeblich suchte ich die Schlangen, die es hier wohl auch noch geben soll. Mittlerweile sind aber anscheinend alle mehr oder weniger hygienisch in einer der vielen Läden mit einem riesigen Kühlraum verstaut. Gefunden haben wir nur getrocknete.

Rolf, der mittlerweile heile und mehr oder weniger gesund ebenfalls angekommen ist, erzählte von einem riesigen Fischmarkt, an dem so wie es schien, der halbe chinesische Ozean verscherbelt wird. Ein wirkliches touristisches Ziel ist Guangzhou nicht. Aber gerade das macht die Stadt erst spannend und authentisch.

Zwangspause

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Zhangzhou Altstadt Besichtigung. Nachtzug nach Guangzhou.

Der Regen hielt an und wir beschlossen nach der gestrigen nassen Tour keine falsche Übermotiviertheit aufkommen zu lassen. So ließen wir die Zimmer bis um 1 Uhr Nachmittag verlängern und verschwanden nach dem Frühstück wieder in unsere Gemächer. Der Himmel hatte Nachsicht und der Regen hörte quasi auf in dem Moment wo wir aus dem Schutz des Vordachs des Hotels hinaustraten. Da könnte man doch fast abergläubisch werden.

Wir spazierten in Richtung der Altstadt. Nach einer Nudelsuppe oder gebratenem Reis ging die Erkundung los. Das Gebiet war wesentlich größer als ich befürchtet hatte und wir konnten noch gut erhaltene Fujian-Architektur, angeblich aus der Ming- und Qing-Zeit, bewundern. Als Besonderheit fielen einem die Muster auf den Ziegeln auf, die auch schon vereinzelt in Xiamen anzutreffen waren. Den menschenleeren und daher sehr stimmungsvollen Konfuziustempel hatten wir direkt noch mit hinten dran gehängt.

Zeit für das Abendessen blieb leider nicht mehr, denn unser Nachtzug fuhr am frühen Abend und ich wollte es nicht wieder so knapp werden lassen wie das letzte Mal. Rolf hatte es anscheinend aber doch heftiger erwischt und traute sich noch nicht zu de Genuss eines Nachtzuges mit Erkältung und Fieber auf sich zu nehmen. So mussten wir leider Rolf und Gerda zurücklassen, in der Hoffnung, dass wir sie morgen wieder sehen. Ein Flug, Transfer und eine extra Nacht im Hotel ließ sich schnell organisieren. Mittlerweile klappt alles wirklich reibungslos hier. Fast schon zu reibungslos…

Auch die Nachtzüge hatte ich mit mehr Ecken und Kanten in Erinnerung. Aber das ist auch immer ein ziemliches Glücksspiel und hängt ganz stark vom Zugpersonal ab, dass man erwischt. Der Speisewagen z.B. war bisher der Beste, den ich bis dato hatte. Noch nie hatte ich so gut im Zug gegessen. Alles war heiß und frisch und gut gewürzt. Hut ab, China Railways! Nun lasse ich mich vom klappern des Lüftungsschachtes in den Schlaf hypnotisieren. Eine meiner Abteilnachbarin hat auch schon ihre Gesichtsmaske aufgetragen und möchte von der Welt nichts mehr mitbekommen.

Die Bananen gingen baden

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Nanjing nach Zhangzhou. Ca. 45 km. Sch*** Wetter.

Heute stand unsere letzte Radetappe bevor. Zur Feier des Tages hatten wir für das Gruppenfoto auch brav alle das leuchtend gelbe China By Bike T-Shirt angezogen. Der Abfahrttermin musste allerdings auf Grund der regnerischen Wetterbedingungen verschoben werden. Um 10:30 waren wir uns dann aber einig, dass es besser nicht mehr wird.

10 km lang ging es erst einmal entlang einer stark befahrenen Hauptstraße, bevor wir dann endlich in eine kleine Seitenstraße einbiegen konnten. Aus der kleinen Seitenstraße wurde allerdings bald eine kleinere Seitenstraße, daraus wieder ein Feldweg und daraus wiederum ein noch kleinerer Feldweg bis man gerade noch erahnen konnte, wo man lang muss. Der Untergrund hatte sich bei dem Regen gut aufgeweicht und war eine kleine Herausforderung. Am schlimmsten aber waren die Schwärme von Fliegen, die uns attackierten. Jeder trug gefühlte 1000 Fliegen mit sich durch die Bananenfelder. Bei dem Bild unten waren wir wohlgemerkt schon wieder raus aus dem verseuchtesten Gebiet. Wir freuten uns sehr, als wir bald wieder einen festen Untergrund unter den Rädern hatten.

Der Regen fing bald wieder kräftiger an und die Wegbeschreibung mit teilweise unasphaltierten Wegen machte uns doch ein wenig Sorge. Die Devise hieß so schnell wie möglich zum Hotel zu gelangen. Also nahmen wir die Hauptstraße in der Hoffnung, dass wir entlang dieser schneller zum Ziel gelangen. 6 km vor Schluss aber wollte man uns doch kein so einfaches Entkommen gönnen. Robert hatte eine Doppelpanne: hinten und vorne gleichzeitig. Das habe ich so auch noch nie erlebt. Gerhard mein tapferer Co-Reiseleiter führte dann den Rest der Gruppe ins Hotel – zumindest war das der Plan. Leider war in seinem GPS ein anderes Hotel verzeichnet, sodass sie nur durch Mühe und Geschick das Richtige finden konnten. Mittlerweile goss es auch nur so aus dem Himmel und aus den kleinen Straßenpfützen ist eine kleine Überschwemmung geworden.

Immerhin sind bald alle heile im Hotel angekommen. Zum Abendessen zeigte sich dann jedoch, dass der Tag einige Opfer abverlangt hat. Rolf und Heribert hat der Regen doch mehr zu schaffen gemacht und plagten sich mit einer Erkältung. Der Rest bekam vorsorglich zum Abendessen eine Ingwer-Suppe verschrieben. Der Rest wurde den beiden Patienten aufs Zimmer gebracht. In diesem Sinne gute Besserung!

Im Tal der Ruhe

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Taxia Cun nach Nanjing. Ca. 85 km. Bewölkt.

Der angekündigte Regen und Gewitter hielt sich zurück. Wasser von oben bekamen wir nur in homöopathischen Dosen. Selbst ich als Dauerpessimist war dann auch spätestens nach unserem späten Mittagessen überzeugt davon, dass wir im Trockenen ankommen werden. Das war auch gut so. Denn so konnten wir die Ruhe, die uns dieses wunderschöne Tal entlang der Stauseen von Nanjing genießen.

Schmetterlinge flatterten entlang unseres Weges. Mal radelte man neben dem Fluss, mal über ihm, mal entlang des Entwässerungskanals. Eine wirklich schöne Etappe. Auch wenn sich die Länge doch etwas hinzog und wir ein wenig vom Pannengeist gefolgt wurden, war dies ein sehr zugenießender Radtag. Volles Kontrastprogramm! Mussten wir uns die letzten Wochen fast immer durch chinesische Touristenmassen schlagen, so waren wir hier so gut wie alleine. Wir und die Berglandschaft von Fujian. Schon bei meiner letzten Zugfahrt durch das Gebiet dachte ich mir, wie schön es wäre doch mal durch die einsamen Berge hier zu fahren.

Die Strecke ging zwar grundsätzlich bergab. So ganz von selbst ließ es sich dann doch nicht runter rollen. Hin und wieder mussten ein paar kleinere Hügel überwunden werden. Auch die letzten 20 km gingen dann leider wieder entlang einer befahreneren Landstraße. Chinesische Autofahrer sind jedoch recht rücksichtsvoll und lassen einem in der Regel sehr viel Platz.

So kamen wir bald schon in Nanjing an. Einer kleinen Kreisstadt, wie so viele chinesische Kreisstädte. Die Suche nach einem geeigneten Lokal stellte sich hier als nicht ganz einfach heraus, waren doch die meisten Lokale etwas weiter weg von unserem Hotel und entlang der Einkaufsstraße ließ sich fast nichts ausfindig machen. Ein paar alte Gassen hat auch Nanjing noch zu bieten. Man muss sich in diesen meisten Städten nur trauen in die Nebenstraßen einzutauchen. Meist wird man belohnt mit einem China aus einer etwas anderen Zeit als diese Neubauten, die die 2-3 Hauptstraßen säumen.

Vier Gerichte und eine Suppe

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Besichtigung der Rundhäuser. Ca. 18 km

Nach unserem kleinen aber feinen Frühstück standen heute für den Vormittag 4 Gerichte und eine Suppe auf dem Programm. Allerdings war das Gedeck nur zum angucken und nicht zum essen. Die 5 Erdhäuser in Tianluokeng werden liebevoll auch als „4 Gerichte und eine Suppe“ bezeichnet. Denn von oben gesehen sahen sie aus wie ein Tischgedeck. Im Grunde gab es also 4 Teller Menschenfrikassee mit einem Chinesen-Eintopf. Da hat man doch gleich Hunger bekommen.

Die Erdhäuser dienten früher als Festung gegen Banditen und andere Eindringlinge. Zwischen dem 12. und dem 18. Jahrhundert war es einer der beliebtesten Architekturstile hier in der Region. So entstanden mehrere tausend von den kleinen Lehmburgen, in denen die Hakka-Clans quasi friedlich vor sich hin leben konnten. Selbst Kanonen konnten ihnen nichts anhaben. Auch Erdbeben hielten sie stand. So kam es, dass heute noch so viele von diesen Bauten übrig geblieben sind. Zusammen mit den Bambuswäldern und Terrassenanbau in der Umgebung bilden sie wirkliche eine einmalige Landschaft wie aus einem chinesischen Märchen.

Nach dem Erdhausgedeck besichtigten wir noch das älteste und größte Erdhaus der Region. Am Morgen sind wir hier bereits vorbeigeradelt. Wegen den fehlenden Massen an chinesischen Touri-Bussen sind wir jedoch direkt vorbeigefahren ohne es wirklich beachtet zu haben. Nun war es jedoch kaum noch zu übersehen mit den 30 Bussen und hunderten von chinesischen Touristen. Beeindruckend wie groß es hier war mit einem Ahnen-mini-Erdhaus in der Mitte, das fast halb so groß war wie unser Hostel. Anschließend an eine kurze Besichtigung einer kleinen privaten Teefabrik war mehr oder weniger freies Nachmittagsprogramm angesagt. Die einen spazierten durch das Dorf, die anderen wurden von mir durch die Berge ins nichts geschickt. Abends traf man sich dann wieder zu einem gemeinsamen Abendessen und Teeverkostung. Leider hatten wir nicht alles aufgegessen. Dementsprechend ist für morgen leider Regen und Gewitter angesagt.

Chinesisches Maimi Beach und Prähistorische Ufos

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Xiamen Ausflug mit dem Rad (ca. 35 km) und Transfer nach Taxia (Hakka-Gebiet). Super Strandwetter.

Gestern Abend kamen auch unsere Räder wieder in Xiamen an. Endlich waren wir also wieder mobil. Nur hatten wir leider nur einen halben Tag Zeit. Dennoch wollten wir den südlichen „natürlicheren“ Teil Xiamens erkunden. So fuhren wir entlang der Küste und waren erstaunt, wie sauber es hier war. Man sagt Xiamen auch nach, dass es eines der schönsten Städte zum wohnen in China sei. Ist man nur im Geschäftsviertel oder in der Café-Straße am ehemaligen Stinke-See kommt einem das doch ein bisschen übertrieben vor. Fährt man jedoch die südliche Küste entlang erschließt sich einem die Auszeichnung. Einsame Strände laden zum Schwimmen ein und eine Palmenallee säumt den sauber gefegten Flanier- und Radweg. Es kommen schon ein wenig Baywatch-Assoziationen auf. Ein, zwei chinesische David Hasselhoffs sind uns auch oben ohne entgegen gejoggt. Die chinesischen Pamelas kommen dann auch noch irgendwann mit der Zeit.

Zu gern hätten wir uns hier im angenehmen kühlen Nass etwas erholt. Die Zeit ließ es aber leider nicht zu und reichte nur um mal kurz den großen Zeh wehmütig in die Wellen zu halten. Das Wetter wäre eigentlich perfekt dafür gewesen. Wir sahen sogar ein kleines Stück Taiwan von hier aus. Zurück ging es durch die Berge. Leider hatte man kaum Möglichkeit die Früchte seiner getanen Arbeit zu ernten und die Aussicht zu genießen. Dennoch war es eine schöne Fahrt die auch wieder zeigte, wie viel Natur es doch so nah an dieser Großstadt gibt.

Als Abschied von Xiamen ließen wir uns zu Mittag noch einmal kolonialherrschaftlich bekochen in einem Nachmittagstee-Lokal, indem es lauter kleine gedämpfte Köstlichkeiten gab. Auch wieder ein Geheimtipp meiner Local-Connection, der voll ins Schwarze traf. Hätten die Chinesen nicht so eine große Angst vor der Sonne, hätte man hier auch freien Blick über das Meer gehabt. Schade eigentlich…

Anschließend hieß es Abschied nehmen von der Großstadt und wir fuhren mit 2 Großbussen, in dem einen wir, in dem anderen die Räder zu unserem nächsten Ziel: die Erdhäuser von Fujian. Nach einer 3-stündigen Schaukelfahrt durch die Berge erreichten wir mit großer Mühe unseres tapferen Busfahrers das zu einem Hostel umgebauten Rundhaus. Romantisch beleuchtet mit roten Lampions wirkte es wie aus einem alten chinesischen Film. Toiletten sind hier Mangelware und müssen geteilt werden. Die authentische Atmosphäre der Anlage, die angeblich von 1631 stammt lässt einen jedoch vieles nachsehen. Auf dieses spezielle Erlebnis in einem einfachen und historischen Rundhaus zu übernachten habe ich schon lange gewartet. Der erste Eindruck hält auf jeden Fall was er verspricht. Unser Abendessen genießen wir vor dem Altar des Hauses. Der Kontrast zu unserer letzten Unterkunft könnte nicht größer sein. Aber das ist eben nun mal China, wie es leibt und lebt…

Das Sommertor und mein Ur-ur-ur-ur-ur-Großvater

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Zugfahrt nach Xiamen und Besichtigungsprogramm zu Fuß.

Xiamen bedeutet wortwörtlich übersetzt „Sommertor“. So fühlte es sich auch an. Auch wenn es um Shanghai rum schönes Wetter war, hatte der Frühling längst Einzug gehalten und es wurde nachts schon ziemlich kühl. Dagegen war es in Xiamen noch angenehm warm, sodass man endlich mit gutem Gewissen seine kurze Hose auspacken konnte. Wir staunten nicht schlecht, als wir nach unserer gestrigen 7-stündigen Zugfahrt unser Hotel bezogen. Ein prunkvoll renovierter alter Bau im Kolonialstil hieß uns willkommen. Meine Xiamen-Local-Connection empfahl mir auch gleich das Terrassen-Restaurant auf dem Dach des Gebäudes. Der Tipp ging auf. Das Essen war vorzüglich. Für zukünftige Touren kann ich die Xiamen-Fünf-Gewürze-Frühlingsrollen empfehlen… Quasi eine Geschmacksexplosion!

Nach einem AUSGIEBIGEN Frühstück machten wir uns am nächsten Tag auf die kleine Nachbarinsel Gulangyu, was soviel bedeutet wie Trommelwelleninsel. Leider erwischten wir das Touristenboot, das einen erst einmal um die halbe Insel fuhr, diese Fahrt allerdings mit einer ununterbrochenen Verkaufsveranstaltung untermalte. So konnte ich gar nicht in Ruhe meinen Ur-ur-ur-ur-ur-Großvater würdigen: Eine riesige Statue von Zheng Chenggong überblickt die südliche Spitze der Insel. Er befreite einst Taiwan von den Niederländern und kämpfte um den Erhalt der Ming-Dynastie. Im Nachhinein ja eigentlich beides ein mehr oder weniger gescheitertes Unterfangen. Trotzdem wird er als lokaler Volksheld gefeiert. Er trägt den gleichen Nachnamen wie mein chinesischer Großvater.

Diese ehemalige Kolonialinsel, wegen den ehemals vielen Klavieren hier auch liebevoll Piano-Insel genannt, ist der Höhepunkt für die meisten Xiamen-Touristen. Einst vermischten sich Wellenschläge und Klavierklänge zu einer mystischen Klangkulisse. Mittlerweile sind es eher die Megafone der chinesischen Reiseleiter die den Ton angeben. Die Volliere und den Sonnenberg ließen wir außen vor und marschierten durch romantische kleine Gässchen zum Piano-Museum. Eine alte Residenz eines Taiwanesischen Kaufmannes wurde an dieser Stelle zu einem sehenswerten Klaviermuseum umgebaut. Zwar stammten die meisten Exponate selber nicht von der Insel, sehenswert waren sie dennoch. Wie etwa das Eckklavier oder die vielen Painolas. Die Hauptgassen Gulangyus sollte man allerdings meiden, denn das Gedrängel war hier erschreckend! Stattdessen sollte man sich an die Hochzeitspaare halten, die hier überall in den etwas ruhigeren Nebengassen für ihr Fotoalbum posierten.

Am Nachmittag stand noch der Nanputuo-Tempel auf dem Programm. Die Tempelanlage wurde gerade teilweise renoviert. Die die den beschwerten Weg auf sich nahmen und den Berg hinter dem Kloster erklommen wurde jedoch fürstlich belohnt mit einer grandiosen Aussicht über die Stadt auf das Chinesische Meer hinaus. Der Rest wartete mehr oder weniger geduldig, bis die tapferen Bergziegen endlich wieder die Treppen runter stapften.

Das Abendessen hat bei vielen von uns so einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sodass wir heute Abend gleich noch einmal hin mussten. Man kann es uns ja nicht verdenken, denn bald ist es erst einmal vorbei mit diesem kolonialen Luxus.

Der Ein-Yuan-Schein und der Drachenbrunnentee

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Hangzhou. Besichtigungsprogramm bei perfekten Bedingungen. ca. 20 km.

Wenn man schon mal in Hangzhou ist, dann muss man auch auf den Westsee. Er spiegelt sozusagen die Grundästhetik einer chinesischen Landschaft wieder. Wasser, Berge, Brücken, Pagoden. Die Aussicht ist für Chinesen so bedeutend, dass sie sie auf dem Ein-Yuan-Schein verewigt haben. Mit dem Boot fuhren wir auf die 3-Spiegelungen-des-Mondes-Insel. Am helllichten Tage spiegelt sich hier natürlich gar kein Mond. Wenn dann spiegeln sich hier die chinesischen Touristengruppen. Man stelle sich mal vor, man kommt hier am Wochenende hin. Da läuft es mir doch glatt kalt den Rücken runter. Der Blick vom See war im Vergleich zu meinem letzten Besuch hier (strömender Monsunregen) aber fantastisch! Wir genossen jeden Sonnenstrahl.

Nach einer kleinen Rundtour um bzw. über den See ging es in Richtung Tee-Plantagen. Hier wächst wohl der berühmteste Grüntee Chinas: Der Drachenbrunnen-Tee (Longjing-Tee). Die Besichtigung der Drachenbrunnenquelle nach dem Mittagessen war etwas ernüchternd. Dennoch genossen wir die ruhige Atmosphäre fernab von dem touristischen Trubel. Leider konnten wir auch nach Befolgung der Anweisungen auf dem Schild keinen Drachen auf der Wasseroberfläche erkennen. Man sollte mit einem Stock die Oberfläche anrühren. So sollte anschließend auf wundersame Weise ein Drache erscheinen. Vielleicht macht er aber auch einen Mittagsschlaf. Er kann ja nicht bei jeder Wasserregung sich immer blicken lassen. Das wäre ja fast schon demütigend für einen Drachen. Dann besichtigten wir eben den Tee… Die meisten Pflanzen waren mittlerweile gestutzt und für den Winter vorbereitet. Nur noch vereinzelt ließen sich „ein Herz und ein Zahn“ (die 2 jüngsten Blatttriebe) finden. Der Weg durch die Tee-Plantagen durch das Neun-Bäche-Überquerungstal war trotzdem wunderschön. Auch wenn der Untergrund den Rädern nicht wirklich gut tat, war er eine Augenweide.

Auf dem Rückweg kamen wir noch an dem Qiantang-Fluss vorbei, der angeblich die größte Bore (Gezeitenwelle) hat. Zum Glück war die schon, denn dieses Jahr war sie besonders groß und riss einige Schaulustige mit sich. Leider war die Sechs-Harmonien-Pagode am Ufer des Flusses in Renovierung, sodass wir anschließend direkt zurück ins Hotel fuhren. Die meisten spazierten noch runter zum Westsee oder genossen den Sonnenuntergang von der Leifeng-Pagode.

Mega-Buddha-lomanie

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Transfer und Fahrt nach Hangzhou. Besichtigung des Lingyin Tempels. ca. 25 km.

Die Anfahrt nach Hangzhou sollte ganz ursprünglich mit dem Bus erfolgen. Da der Laster tagsüber unsere Fahrräder jedoch nicht in die Stadt bringen darf mussten wir diese uns selber anliefern. So stiegen wir ca. 16 km vor dem Ziel auf die Sättel und radelten dem Westsee in Hangzhou entgegen. Leider hatten wir durch den Transport einen kleinen Kolatteralschaden. Leider hat es Heriberts Umwerfer nicht heile bis nach Hangzhou geschafft. Mit etwas biegen, ziehen und drücken ließen sich aber bald schon wieder die letzten 4-5 Gänge schalten. So konnten wir auch endlich unsere Kurzetappe antreten.

Nach dem Einchecken war es wohl zu spät für nachmittagliche Großprojekte aber auch noch viel zu früh um sich zurückzulehnen. So fuhren wir gemeinsam zum Lingyin-Tempel. Für mich war das auch eine Prämiere und ich war stark beeindruckt, was hier alles geboten wurde. Hier entstand im 4. Jahrhundert eins der ersten Buddhistischen Stätten in Ostasien. Der indische Mönch Huiyi brachte die Lehren aus seinem Heimatsland mit und ließ sich in Hangzhou nieder. Nun liegt er unter einer alten Steinpagode und sein Geist lächelt für die Kameras der Touristen. Nebenan befinden sich einige Buddhafiguren eingemeißelt in die Steinwand des „Hergeflogenen Bergs“ (Fei Lei Feng). Das größte Highlight aber war der Lingyin-Tempel. Riesige Tempelhallen beherbergten hier die größte Holz-Buddha-Statue Chinas, die größte Bronze-Bhoddisatva-Statue und eine schier unglaubliche Menge von 500 Bronzestatuen von 500 Arhats in einem riesigen Gebäude in Form eines Swastikas. Es gäbe noch so viel mehr zu sehen. Doch leider war unsere Zeit etwas knapp bemessen, denn es wird leider immer recht früh dunkel. So mussten wir schweren Herzens schon bald umkehren und in Richtung Hotel zurück.

Rothenburg ob der Taube auf Chinesisch

Das Blaue China, 19.10. bis 10.11.2013

Wuzhen Stadtbesichtigung, ca. 15 km.

Wuzhen hat eigentlich nur 2 Sehenswürdigkeiten. Das Westdorf und das Ostdorf. Das Ostdorf ist angeblich traditioneller und authentischer. Das Westdorf etwas bunter aufgemacht und wesentlich stärker renoviert.

Wir besuchten zuerst einmal das Ostdorf und mussten gleich feststellen, dass wir nicht die ersten hier sind. Wuzhen wird in vielen Reiseführern gar nicht mal erwähnt. Für Chinesen scheint es aber ganz oben auf der Reisezielliste zu stehen. Dem entsprechend war der Ansturm. Da hätte man noch so früh aufstehen können und man wäre den Massen doch nicht entkommen. Wuzhen ist im Gegensatz zu Tongli „geöffnet und entwickelt“ wie ein Chinese sagen würde. Bevor es irgendwo Eintritt gibt, lohnt es sich auch eigentlich nicht wirklich hin zu fahren, so die chinesische Touri-Logik. Da wundert es nicht, dass die Eintrittspreise hier zu Lande immer weiter in die Höhe schießen. Denn teurer ist ja auch gleich besser. Das steht so langsam in keinem Verhältnis mehr, wenn man überlegt, dass die Verbotene Stadt in der Off-Season 40 Yuan kostet. Dieser Logik nach kommt irgendwann kein Chinese mehr in die Verbotene Stadt, weil es einfach zu billig ist da…. Kann ja gar nicht so viel zu sehen geben. Wuzhen dagegen ist komplett auf den Tourismus gestellt und man hat das Gefühl, dass die ganze Stadt von diesen 2 Museumsdörfern lebt. Man kann es ihnen aber auch nicht vergönnen. Denn schön anzusehen sind die Dörfer ja schon. Man hat bloß kaum Ruhe die Sachen zu genießen, wenn man von einer Masse durch die Gassen gedrängt wird. Auch die ganzen Souvenir-Shops zeugen davon, dass es hier geöffnet und entwickelt ist, und sich lohnt herzufahren. Denn was wäre denn eine Besichtigung ohne Souvenir. Dann kann man ja gleich zu Hause bleiben und die Bilder sich im Internet anschauen.

Ich verliere mich wieder im Pessimismus. Die Museen im Dorf selber waren sehr interessant und schön gestaltet. Z.B. konnte man sehen wie die Blaumuster Tücher hergestellt werden oder wie Reisschnapps hergestellt wird. Mit kleiner Verkostung… und das am Vormittag :P. Auch das Bettenmuseum hatte beeindruckende Himmelbetten mit riesigen Anbauten, für die ich wohl eine neue Wohnung bräuchte, würde ich mir das ins Schlafzimmer stellen.

Die Essensauswahl ist entsprechend einer Touri-Kleinstadt groß aber unerheblich. Denn alle Lokale sind im Grunde genommen gleich. Es wird geworben damit, dass lokale Küche angeboten wird. Fragt man einen Einheimischen, welchen Laden er denn empfehle, kriegt man nur die Antwort: „Ich habe noch nie in einem von denen gegessen.“

Das Westdorf besuchten wir am Abend nach unserem Abendessen. Das ist noch ein wenig geöffneter und entwickelter. Bars und Hotels sind stilvoll in die Altstadtromatik eingegliedert. Es erinnert vom Flair her ein wenig an Rothenburg ob der Taube. Im Grunde genommen die Essenz von einem chinesischen Altstadtbild. Da verwundert es nicht, wie lange die Tafel ist mit Filmplakaten, die hier gedreht wurden. Nichts desto trotz ist es ein gelungenes Gesamtkunstwerk, dass als Lebensunterhalt für eine ganze Kleinstadt fungiert. Geschafft nach dem vielen Kleinstadtbummel ging es in einer 3 Kleinbuskolonne wieder in Richtung Hotel. Nun reicht es aber auch mit den Wasserdörfern… Denn immerhin haben wir jetzt das geöffnetste und entwickelste von allen gesehen.