Guodao 316

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Die letzten drei Tage hatten es in sich, alles freut sich auf den Ruhetag morgen. Erst von Tal zu Tal und schließlich den Han-Fluss hinauf, jedesmal über 100km und Höhenmeter gab es auch nicht zu knapp. Jetzt sind wir in Ankang, einer fröhlichen Stadt. Und angekommen im Süden, das zeigen die Temperaturen – gut über 30 Grad – ebenso die Flora: nach wie vor wenig Reis, aber Bambuswälder, Fächerpalmen, vereinzelt Bananenstauden.

Über den Han-Fluss sind wir noch gestern gesetzt und heute den ganzen Tag entlanggefahren. Er ist der größte Zufluss des Yangzi und wird in Wuhan in diesen einfließen. Am Anfang der Reise stand der Wei bzw. das Einflussgebiet des Gelben Flusses, jetzt sind wir am Han und in den Fängen des großen Yangzi. Das sind zwei verschiedene Kulturen und eine komplett andere Landschaft, innerhalb weniger Tage. Der Han Jiang wird an einigen Stellen mächtig gestaut, dann spiegelt sich die ganze Welt darin, wenig später ist er ein kümmerliches Rinnsal. Aber der Regen kommt erst noch. Überall wird fleißig Kies gehoben.

Wir fahren die Nationalstraße 316 entlang. Die Nationalstraßen (guodao) sind die guten, verlässlichen Freunde des China-Reisenden, sie durchqueren das Land von Nord nach Süd, von West nach Ost, Tausende von Kilometern. Wir sind bei km 1888 (von der Ostküste aus) vorbeigekommen, dieser Zahl musste Tribut gezollt werden. Jetzt nicht nachlässig werden, Wetter war wieder gut heute. Die Nationalstraßen sind meist zweispurig und spiegeln das Leben und die Saison des jeweiligen Landstrichs wieder, an der 316 wurde heute Gelbwurz getrocknet, wurden Kirschen verkauft und Honig produziert. Häuser und Dörfer liegen direkt an der Straße, Bauweise und Alltagsleben verändern sich mit den Kilometern, im Fall der 316 reicht die Spanne von der Küstenprovinz Fujian zur islamisch geprägten Stadt Lanzhou weit im Westen, am Eingangstor des Hexi-Korridors. Dagegen die neue Generation der Autobahnen: steril, vier-bis-sechsspurig das Land zerschneidend, kreuz und quer, ohne Anfang und ohne Ende. Auf den Nationalstraßen dagegen will man ins Abendrot reiten.


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Wie Vögel gegen den Wind

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Heute hat uns der Hafer gestochen. Oder eher die Gerste, da man diese hier in Tibet eher isst. Obwohl – zum Frühstück taucht die obligatorische Tsampa, als Pulver, Brei oder wie auch immer, nicht auf, leider! Im chinesischen Kernland ist das Hotel-Frühstück oft schon jenseits von nahrhaft. In Tibet können wir eigentlich komplett darauf verzichten und verdrücken lieber Unmengen von Bananen, Äpfeln, Keksen und Müsliriegeln als Start des Tages. Dazu ein Instantkaffee oder ein frisch aufgebrühter Tee – und dann kann das tibetische Hochland kommen!
Heute kommt es besonders stark. Heinz legt eine Bronchitis bedingte Ruhepause ein und steigt auf das Begleitfahrzeug um. Und Sabine und mich sticht besagte Gerste. Bei der ersten Pause auf dem ersten Pass, der eher bescheiden und ohne viel Gegenwind daherkommt, rechne ich vor: Insgesamt 105 Kilometer bis zur nächsten Passhöhe, das ist zu schaffen. Dann nur noch 40 km strikt bergab. Können wir schaffen, müssen aber nicht. Auf jeden Fall hätte Heinz dadurch eine zugige Dorfübernachtung gespart und wir könnten unsere diversen grösseren und kleinen Wehwehchen bei einem zusätzlichen Ruhetag pflegen und wären trotzdem geradelt. Spätestens zur Mittagspause in Longma und mit einem Blick auf das Gasthaus, das sicherlich unter normalen Umständen erträglich wäre, aber eben mit zugigem Aussenklo und spartanischem Komfort daherkommt, ist Sabine überzeugt.

Also stärken wir uns mit Nudelsuppe und Eierreis, schnüren die Jacken zu und radeln los. Strikt bergan, über 40 Kilometer, durch ein karges Hochtal, dass aber durchaus seinen Reiz hat, mal mit dem Wind, mal gegen den Wind. Und es geht uns gut. Der finale Anstieg lacht und wäre wohl nur noch eine Formalie, wäre da nicht der Wind, der am Hang festhängt und stetig gegen uns bläst. Wir werden zum beliebten Fotomodell mehrerer chinesischer Tourgruppen, lassen Yak und Felder unter uns liegen und stehen schliesslich auf dem Pass. Auf 4.520 Metern Hoehe. Bei fast 0 Grad. Die Abfahrt gönnen wir uns noch, 10 Kilometer Schussfahrt, dann haben wir genug. 123 Kilometer zeigt der Tacho an, die restlichen 25 Kilometer locken zwar, doch die Kälte spricht für ein warmes Hotelzimmer. In Lhatse hat das Hotel zwar sämtliche Klimaanlagen (die ja auch als Heizung dienen können) abmontiert, nur die Halterungen hängen noch an der Wand. Aber es gibt Heizdecken!!! Das warme Bett verlassen wir nur noch auf ein schmackhaftes Sichuan-Mahl, dann fallen wir wohlig in die Federn. Und träumen von warmem Wetter.


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Gute Bilanz

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Heute stand die letzte Rad-Etappe an. Zugegeben war ich etwas skeptisch. Seit einer Woche ist es durchgehend stark bewölkt und die Sichtweite war immer recht eingeschränkt. Aber vorher gab es ja noch den Nationalpark zu erkunden. Wegen Zeitdruck teilte sich die Gruppe auf: Einige wollten eine Wanderung zum Tausendjährigen Baum, andere lieber die Primaten-Rettungsstation besichtigen. Ich entschied mich für die Wanderung. Bevor wir losgehen konnten, mussten wir allerdings noch ca. 15 km mit dem Pickup fahren. Duong ist heute mal gefahren. Man hätte meinen können, er wäre auf der Flucht. Immerhin sind wir heute auf der Straße die Jäger und nicht wie sonst die Gejagten. Auf Wanderungen durch den Urwald entdeckt man am Tage natürlich keine Bären, Lemuren oder seltene Vögel. Mit der Atmosphäre und Geräuschkulisse konnte man sich aber trotzdem vorstellen, man sei Indiana Jones auf einem Spaziergang durch seinen Vorgarten.

Zusammen ging es dann vom Hotel mit den Rädern los auf die letzte Etappe. Eine bisschen wehleidig ist man dann schon. Einige Schutzbleche sind gebrochen, die Schaltungen teils verschlammt und die Rahmen sahen den Umständen entsprechend aus. Aber auf den letzten 50 km, gab es auch keine Ansprüche auf Äußerlichkeiten mehr. Die Räder hatten gute Dienste geleistet und so sollten sie sich auch präsentieren. Als dann die Karstberge der trockenen Halong Bucht sich zeigten und die Sonne seit einer Woche sich wieder raus traute und die Berge mit goldenem Spätnachmittagslicht umhüllte, war das Szenario für unsere letzten 15 km nach Ninh Binh perfekt. Da konnten auch die zwei platten Reifen heute mir nichts mehr anhaben.
Wehmütig, schraubten wir Klickpedale und Lenkertaschen ab und schickten die Räder zurück nach Hanoi, wo sie geduldig auf die nächste Tour und ihre neuen Herrschen warten werden.

Zum Abendessen gab es zur Abwechslung auch mal Pommes Frites. Aber nach der Woche mit zwei Nudelsuppen pro Tag wollte sich darüber auch keiner beschweren. Aber um das ganze wieder auszugleichen gab es zur Verdauung Schlangenschnaps. Probiert haben wir alle mal. Naja… wegen des Geschmacks würde ich den jetzt nicht empfehlen. Die erwartete maskuline Wirkung trat auch nicht ein (zumindest bei mir nicht!).

Auf etwa 900 km mit 9 Leuten, 4 Platten, eine gebrochene Speiche, eine verbogene und keinen einzigen Sturz. Das nenne ich mal eine saubere Leistung!


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Es gibt kaum Reis, Baby

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Die gestrigen Mühen haben sich gelohnt, die Wanderarbeiter-Kohorten haben uns heute eine butterweiche Fahrt beschert. Durch ein mal wieder wunderschönes Tal, ohne Verkehr, man käme kaum aus dem Fotografieren, würde man es nicht irgendwann einstellen. Hier gibt es jetzt endlich vereinzelt Reisfelder, auch wenn Weizen und Gerste nach wie vor tonangebend sind, die meisten dieser kleinen Parzellen liegen außerdem noch brach und manchmal wächst Lotus darin. Die Reissaison kommt mit dem Regen und der fängt demnächst erst an. Einige Bauern können es nicht abwarten und setzen den Reis schon jetzt in ihr Stückchen Land, nach alter Tradition jede Pflanze in den Boden drückend. Da hilft irgendwann auch kein Kieser-Training mehr. Mittlerweile gibt es rückenschonendere Verfahren (meistens sind die Setzlinge mit einem Erdklumpen beschwert und werden in die Suppe geworfen, sie pflanzen sich dann quasi selber ein). Aber bei solch winzigen Feldern besteht sicherlich eine besondere Bindung zu jeder einzelnen Reispflanze.

Die Ausnutzung jeder kleinen Ecke, jedes Stück Hangs, ist besonders in China. 7% des weltweit nutzbaren Ackerlandes müssen hier 22% der Weltbevölkerung ernähren. Das ist eine große Leistung. Land ist kostbar, verschwenderisch sollte damit nicht umgegangen werden. Auf winzigen Terrassen wird Weizen angebaut, das muss mehr oder weniger zum Eigenverbrauch sein (der Weizen braucht im Gegensatz zum Reis eigentlich viel Platz, um eine ordentliche Ernte abzuwerfen). Die wilden Hügelketten und die absurd scheinenden Terrassierungen darauf sind jedenfalls ein Augenschmaus. Mittags gab es eine richtig harte Steigung und die Sonne brannte auf uns hernieder, danach wieder eine lange Abfahrt mit allerhand kleinen Ablenkungen.

Wie haben wir dieses Wetter verdient? Wir haben es uns erarbeitet! Indem wir heute Nachmittag möglichen Regen gewarnt und hinweggeböllert haben (gute chinesische Tradition, nicht umsonst der Name „Chinakracher“). Und auch indem wir uns sklavisch der Zahlenmystik unterworfen haben. Gehalten wird etwa unter keinen Umständen bei km 44 (Unglückszahl). Jutta, Albin und Matthias haben sich ein Nummernschild „Zhongguo 888“ (Glückszahl) anfertigen lassen und ans Fahrrad gehängt etc. pp.

Außerdem essen wir immer schön auf, man darf nicht arrogant werden.


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Wer hat Angst vorm Panchen Lama?

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Shigatse ist eine komplett andere Stadt als Lhasa. Weniger geplant als mehr gewachsen, keine sichtbare Militärpräsenz, ein deutliches Nebeneinander und zuweilen Miteinander von Chinesen und Tibetern. Shigatse lebt, und das wohl nicht zu schlecht.

Traditionell war in Shigatse der Sitz des Panchen Lama. Der ist rein religiös gesehen in der Hierachie oberhalb des Dalai Lama angesiedelt. Der Panchen Lama ist die Reinkarnation des Amitava, einem Buddha, der im Kunlun-Gebirge (etwa 1000 Kilometer Luftlinie in Richtung Westen von hier) dem Paradies vorsitzt. Der Dalai Lama „nur“ die Reinkarnation des Avalokitisvara, in China auch Guanyin und in Tibet Chenresi genannt. Also einem dem Amitava unter- und zugeordnetem Boddisattva. Einem Menschen, der die Erleuchtung erlangt und aus Nächstenliebe auf den Eingang ins Nirvana verzichtet hat. Warum auch Amitava wiedergeboren wird, obwohl als Buddha eigentlich im Nirvana nicht mehr für unsere Welt der Illusionen zuständig, ist eine gute Frage, die eine ebenso einfache Antwort hat: Nehmt alles nicht so ernst, der gute Buddha ist ein transzedentaler, also irgendwie dann doch von unserer Welt, wenn auch nur als Prinzip. Und da behaupte noch jemand, die christliche Religion wäre kompliziert!

Der Buddhismus hat also auch seine Fallstricke und einer der größten liegt in der Dualität von Panchen und Dalai Lama. Besonders grün waren sich beide nie so richtig, der Panchen Lama als nominell wichtigste Figur in Tibet, der Dalai Lama als vom Volke verehrte Reinkarnation eines grundgütigen Boddisattvas. Wer sich in Tibet Einfluß verschaffen wollte, musste diesen schwelenden Konflikt ausnutzen, und das haben die Chinesen bis zur Meisterschaft zelibriert, schon lange, bevor die volkschinesischen Truppen nach Lhasa marschiert sind.

Soviel ist auf jeden Fall klar: Der Panschen Lama residierte in Shigatse und der Dalai Lama in Lhasa. Der letzte von allen Fraktionen anerkannte, nominell 10. Panschen Lama, galt als pro-chinesisch. Der amtierende 14. Dalai Lama eher nicht. Jetzt wird es schwierig: Der amtierende Panschen Lama wählt den Nachfolger des Dalai Lamas und umgekehrt. Das ging bei der Wahl des 11. Panschen Lamas schon einmal ziemlich schief, und wird bei der Suche eines Nachfolgers des jetzigen Dalai Lamas zu einem großen Zerwürfnis führen. Denn es gibt zwei Reinkarnationen des Panschen Lamas, über die sich Chinesen und Tibeter, aber auch die verschiedenen Fraktionen der Tibeter nicht einigen können. Wer bestimmt dann über den neuen Dalai Lama und wird dieser dann ein sinophiler Robenträger?

Lange Rede, kurzer Sinn: Es bleibt schwierig, und auch der Panschen Lama war kein Kostverächter, wie wir bei der Besichtigung des Tashilhunpo, der seiner Residenz erleben können. Viel Gold und Glitter verziert die Ruhestätten vergangener Panschen Lamas. Selbst die Pilger scheinen im Sonntagsstaat gekommen zu sein und bringen meist Familie mit. Der Tashilhunpo war sicherlich das aktivste tibetische Kloster, das wir bisher besichtigt haben. Trotzdem wirkt es eher wie eine Manifestation weltlicher Macht als ein Ort der Einkehr und Transzendenz.

Am Abend fröhnen auch wir den weltlichen Genüssen und lassen uns einen Hotpot nach Sichuan Art schmecken: Ein zweiteiliger (scharf und sehr scharf) Topf auf Gasflamme, in den dann je nach Vorliebe Fleisch, Gemüse und Meeresfrüchte geschmissen wird. Wärmt und desinfiziert. Und stärkt für die nächsten Pässe!

Ab morgen radeln wir durch eine der ärmsten Regionen Tibets. Mit dem Internet wird es dann sehr schwierig. Am Mount Everest Basecamp gibt es zwar Handyempfang, aber wohl kein Internet Café. Es kann also sein, dass ihr erst wieder aus Nepal von mir hört.

Der Turbohighway

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Die Strecke sah heute auf dem Papier relativ hart aus: knapp hundert Kilometer, schlechte Straße, offene Landschaften mit evtl. starkem Gegenwind. So machten wir uns früh auf den Weg. Der erste Teil war durchaus zehrend… Mehr an unseren Rädern und unseren Klamotten, als an unseren Kräften. Die Piste war stark befahren und war häufig sandig auf Grund von längeren Baustellen. Nach ca. 65 km aber stießen wir auf den Ho Chi Minh Highway, der entlang der Hauptstraße 1 führte und den Namen auch deswegen trägt, weil er in etwa dem Verlauf des berüchtigten Ho Chi Minh Pfades entspricht. Unter Highway stellt man sich eigentlich eine 6-spurige, starkbefahrene Straße mit Mautstellen vor. Nicht so dieser Highway… Durch die parallel laufende Hauptstraße, ist der 2-spurige Highway stark entlastet. Der Belag sieht frisch renoviert aus und zum Großteil war die Strecke sehr eben, was auch bei unsere Teilnehmer aus den hinteren Reihen (inklusive mir) die Lust am Spinnen entfachte. Mit einem Schnitt von etwa 24 km/h war der Abschnitt allerdings viel zu schnell vorbei und den letzten Teil zum Nationalpark Cuc Phuong mussten wir leider wieder auf Schotterpisten zurücklegen.

Nationalparkunterkünfte kenne ich eigentlich als sehr spartanisch. Hier hat man aber eine einfache aber komfortable Ferienanlage hingesetzt, deren Zimmer sogar Klimaanlage, Fernseher und Kühlschränke haben. Nicht das wir irgendwas davon benötigten. Aber gut zu wissen, dass man es hat. Selbst Internetzugang gibt es hier rund um die Uhr. Da habe ich nicht schlecht gestaunt. Essen bestellt man hier nicht, man bekommt es. Da der Einfachheit halber ein fertiges Menü für alle Gäste zusammengestellt wird. Immerhin muss sich dann keiner Abends über die Bestellung den Kopf zerbrechen und geschmeckt hat es natürlich auch.


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Straßen und Wege der Volksrepublik China

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Das Straßennetz in China sucht seinesgleichen. Es gab eine Zeit, in der man hier nicht unbedingt Radfahren wollte, die großen Autobahnen wurden gerade gebaut und waren noch nicht offen, auf den alten Straßen hat sich neben dem normalen Verkehr noch der Baustellen-Verkehr getummelt. Mittlerweile sind die wichtigen großen Verbindungen alle fertig, die Nationalstraßen und die alten Provinzstraßen wurden gleich mit renoviert und sind heute verkehrsarm und sehr gut zu befahren. Auf diesen alten und doch ziemlich neuen Straßen radeln wir also jetzt, die Superhighways kreuzen ab und zu unser Blickfeld.

Was in China gebaut wird kann man sich kaum vorstellen, vor allem eben neue Trassen und Straßen, riesige Pfeiler stehen in der Landschaft und warten auf ihren Einsatz. Die Täler durch die wir uns zur Zeit bewegen sind einsames Hinterland, trotzdem kommen wir hier an Straßenbauprojekten vorbei, die in Deutschland kaum vorstellbar wären. Das Land versucht, die Wanderbewegungen in den Osten zu bremsen, indem es auch das Hinterland anbindet. Vor allem der Westen der VR wird mit gigantischen Infrastrukturprojekten erschlossen (Xibu Kaifa/“Die Erschließung des Westens“). Rhetorik und Herangehensweise erinnern an die USA des 19. Jahrhunderts, an das Vorrücken in Richtung Westen und den Glauben, die Frontier ausweiten zu müssen. Genau wie damals in Amerika war das Konzept vor allem ein ideologisches, es ging um die Grenzen im Kopf, um das Selbstbewusstsein, dass nichts unmöglich ist und alles steil nach vorne gehen wird, auf unbestimmte Zeit. Genau dieses Gefühl hat man derzeit in China, und wenn die Menschen hier noch so staunend und schüchtern auf uns reagieren.

Heute haben wir zunächst profitiert von den Straßenbaumaßnahmen und später darunter geächzt. Wir sind schnell in ein für den Verkehr abgesperrtes Tal gefahren, außer kleineren Baustellen und Steinschlagschäden hatten wir eine großartige Strecke nur für uns. Nach dem Mittagessen sollte der Rest eigentlich nur noch Formsache sein, im Geiste waren wir schon beim Bummel durch die schöne Altstadt von Manchuan, doch die letzten 30km waren Staubstraße, Schotter und schließlich eine einzige Baustelle mit hunderten, wahrscheinlich tausenden Bauarbeitern. Sonntag abend, 18 Uhr. Die meisten haben fassungslos geschaut. Es ist ja auch kaum erklärbar, weshalb man sich freiwillig und schneckengleich durch den Staub bewegt und durch Flüsse watet und dabei so komisch aussieht. Nach der Schreckstarre hat man uns aber enthusiastisch angefeuert. Wir kamen erst kurz vor Sonnenuntergang an. Es war der erste richtige Härtetest, das Schmutzbier lief glückliche, erschöpfte Kehlen hinunter, bestanden!


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Egon und seine Freunde

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Lang lebe Egon! Unsere Geburtstagskinder geben sich die Klinke in die Hand, gestern war Egon mal wieder dran, unser Koch aus Leidenschaft. Das chinesische Essen findet er gut. Was er von uns bekommen hat, soll nicht verraten werden, natürlich auch nicht, wie alt er geworden ist, das ist Privatsache (in Deutschland. In China ist das immer die erste Frage, gefolgt von Familienstand und Gehalt). Man darf zumindest verraten, dass er Lao Egon, der „Alte Egon“, für uns ist – für alle außer Welf. Respekt! Diese Hierarchie ist hier wichtig, man nennt Freunde und Bekannte „Lao“ (alt) oder „Xiao“ (klein, auch wenn der Entsprechende nur einen Tag jünger ist, auch wenn er zwei Meter groß ist und 150 Kilo wiegt). Unser Fahrer ist der Jüngste, Xiao Li. Welf ist der Älteste, Lao Welf. Aber Lao Welf war gestern Abend etwas angeschlagen und hatte eine belegte Stimme, nicht die besten Voraussetzungen um Singen zu gehen. Deshalb war Lao Egon unser Oberhaupt beim Karaoke. Wie Rolf Zuckowski mit seinen kleinen Freunden.

Egons Geburtstag hat uns allen gefallen, die Strecke war kurz und die Landschaft freundlich. Nachmittags haben wir jede Menge Tee probegetrunken. Und heute sind wir in Richtung Süden weitergefahren, weniger verkatert als es sonst oft der Fall ist nach KTV-Veranstaltungen, wieder war es eine sonnige Strecke. Feinster und wenig befahrener Asphalt, am Anfang ansteigend und dann die Abfahrt durch ein herrliches Tal. Jetzt sind wir in Shanyang. Wenn ich hier das Wort Shanyang flüstere, wird wahrscheinlich niemand ins Träumen kommen. Dabei ist es ein famoses kleines Städtchen, eingebettet in pittoreske Hügelketten, von denen Nachts zudem tausend kleine Lichter funkeln, was erstaunlicherweise nicht mal kitschig wirkt. Aber die Stadt ist eben soweit ab vom Schuss, dass sie wahrscheinlich kaum ein Chinese außerhalb der Kreisgrenzen kennt.

Shanyang ist immerhin Kreisstadt, dort ist immer ungleich mehr los als in Städten vergleichbarer Größe bei uns. Sie sind erste Anlaufstation für die Landbevölkerung, erster Fixpunkt für die Jugend vom Land. Die Dörfer durch die wir hier kommen sind ziemlich verlassen, aber noch nicht ausgestorben, wie inzwischen viele Dörfer in den chinesischen Randgebieten. Dort findet man wenn überhaupt nur sehr alt und sehr jung, die Großeltern passen auf die Kinder auf, während die Eltern anderswo das Geld verdienen. Von den Kreisstädten führt der Weg dann zu den Provinz-Hauptstädten und für die ganz Ambitionierten in die Küsten-Metropolen. Ich habe jetzt schon einige Male gelesen, dass in China derzeit die größte Völkerwanderung in der Geschichte der Menschheit stattfindet (zuletzt glaube ich bei Peter Hessler, unbedingt lesen, alle seine Bücher!). Dieses Phänomen ist nicht mehr so sichtbar wie noch in den 90ern, als die Wanderarbeiter zu Tausenden vor jedem größeren Bahnhof ihr Lager aufschlugen, mittlerweile ist die Logistik dafür besser geworden. Aber immernoch zieht es die Jugend und die Männer zwischen den Ernten in die Städte. Die Frauen mittlerweile genauso, vor allem in die Fabriken des Südens. Wo wir jetzt sind ist die Landflucht noch nicht so extrem, die zentralchinesischen Provinzen sind fruchtbar und bieten eine gute Lebensgrundlage.

Unser Spaziergang durch Shanyang geriet mal wieder zum Triumphmarsch, Leute die alles stehen und liegen lassen, Kinder denen der Mund offen stehen bleibt. Federnden Ganges flanieren wir durch die Stadt und werden gefeiert dabei.


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Den Bäumen beim Wachsen zusehen

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

In Gyantse bei unserer Abfahrt sind die Bäume kahl. In Penam Dzong bei der Mittagspause lugen die ersten Blätter aus den Ästen hervor. In Shigatse stehen die Bäume in voller Blätterpracht.

Wir schauen also den Bäumen beim Wachsen zu. Und haben dabei den fast perfekten Tag. Die Sonne scheint uns auf den Rücken, der Himmel ist klar, der Wind immer noch kalt, kommt aber nur selten von vorne. Es geht bergab. Zwar nur 200 Höhenmeter, aber immerhin! In zwei Stunden haben wir auf erstaunlich wenig befahrener Straße unseren Mittagsort erreicht. Verfrachten einen schweren Eisen-Glas-Tisch auf den breiten Bürgersteig und genießen bei gebratenem Reis und Nudelsuppen mit Rindfleisch die wärmende Sonne. Eine Gruppe Grundschüler, Tibeter wie Chinesen, kommt mit Schaufeln und Pickeln (den Werkzeugen) vorbei und leistet uns erst schüchtern, dann zunehmend aufgeschlossen Gesellschaft. In Richtung Shigatse wird die Kanalisation für ein neues Schulzentrum gebuddelt, da heißt es auch für die Schüler zupacken!

Gut gestärkt radeln wir mal an frisch umgepflügten Feldern, mal an Mondlandschaft vorbei in Richtung Shigatse, grüßen die Pappkameraden der chinesischen Polizei, die als Regulator am Straßenrand stehen, genießen es, die Handschuhe auszuziehen und die Fließjacken zu öffnen und ziehen mit dem ersten Baumgrün in Shigatse ein.

Zum Abschuß des Tages lasse ich mir dann leichtsinnigerweise von einer Dame, die wahrscheinlich anderes besser kann, im sogenannten „Friseursalon“ des Hotels die Haare auf ein Tibetmaß stutzen. „Du siehst ja aus wie ein Gockel!“ ruft die Dame aus, als sie ihr Werk betrachtet. Für Eitelkeit ist aber kein Platz. Ein Tag Mütze, und der Hahnenkamm liegt wieder eng am Schädel.


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Auf die Plätze, fertig… Liegestühle!

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Einen Tag wie heute geht man entspannter an. Morgens 25 km dann ein bisschen Bus fahren, Mittagessen und nachmittags noch mal ca. 25 km. Unser Ziel war das V Resort. Eine Art Kurhotel für wohlhabendere Vietnamesen in einer abgelegenen Karstlandschaft. Wir wollten früh ankommen um noch genügend Zeit zur Erholung in den heißen Quellen zu haben und starteten daher etwas früher. Die Wege führten uns durch die ersten Karstgebirge, eine schöne Landschaft, leider sah man sie nur deutlicher, wenn man direkt vor ihnen war, da uns eine Dunstwolke verfolgt seitdem wir in Vietnam sind.

Anders als in anderen südostasiatischen Ländern, hört man hier von den Kindern nicht etwa: „Hello, how are you?“ oder „Hello, what’s your name?“ oder „Hello, where are you from?“, sondern „Hello, money money!“ oder „Hello, Give Dong!“ oder gar „Hello, F*** f***!“. Das trübt natürlich ein wenig das unschuldige Bild, das man von den Kindern hier hat. Natürlich sind nicht alle so. Aber man merkt schon, dass die Jugend hier im Umgang mit Ausländern etwas verdorben ist. Man sieht es den Kindern in den Augen an, ob sie sich freuen uns Clowns auf den Rädern uns abrackern zu sehen, oder ob sie einen einfach nur verarschen wollen.

Das V Resort wirkte prunkvoll und scheint gut besucht. Nach dem Schmutzbier zieht es die meisten von uns an den Pool. Die Liegestuhlplätze sind rar und der bekannte Kampf um den besten Platz am Pool beginnt. Aber da ja eh keine Sonne am Himmel zu sehen ist, ist es auch egal, wo man sich hinlegt. Vietnamesen kämen auch nicht auf die Idee sich in die Sonnenliegen zu legen, selbst wenn riesige Sonnenschirme reichlich Schatten spenden. Wenn man die meiste Zeit extra langärmelige Sachen trägt um nicht braun zu werden, wird man sich auch nicht freiwillig an den Pool legen. Dann lieber im Hotelzimmer Karten spielen und Gardinen zu ziehen. Soll uns recht sein… Dann nichts wie ran an die Strandkörbe!


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