Straßen und Wege der Volksrepublik China

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Das Straßennetz in China sucht seinesgleichen. Es gab eine Zeit, in der man hier nicht unbedingt Radfahren wollte, die großen Autobahnen wurden gerade gebaut und waren noch nicht offen, auf den alten Straßen hat sich neben dem normalen Verkehr noch der Baustellen-Verkehr getummelt. Mittlerweile sind die wichtigen großen Verbindungen alle fertig, die Nationalstraßen und die alten Provinzstraßen wurden gleich mit renoviert und sind heute verkehrsarm und sehr gut zu befahren. Auf diesen alten und doch ziemlich neuen Straßen radeln wir also jetzt, die Superhighways kreuzen ab und zu unser Blickfeld.

Was in China gebaut wird kann man sich kaum vorstellen, vor allem eben neue Trassen und Straßen, riesige Pfeiler stehen in der Landschaft und warten auf ihren Einsatz. Die Täler durch die wir uns zur Zeit bewegen sind einsames Hinterland, trotzdem kommen wir hier an Straßenbauprojekten vorbei, die in Deutschland kaum vorstellbar wären. Das Land versucht, die Wanderbewegungen in den Osten zu bremsen, indem es auch das Hinterland anbindet. Vor allem der Westen der VR wird mit gigantischen Infrastrukturprojekten erschlossen (Xibu Kaifa/“Die Erschließung des Westens“). Rhetorik und Herangehensweise erinnern an die USA des 19. Jahrhunderts, an das Vorrücken in Richtung Westen und den Glauben, die Frontier ausweiten zu müssen. Genau wie damals in Amerika war das Konzept vor allem ein ideologisches, es ging um die Grenzen im Kopf, um das Selbstbewusstsein, dass nichts unmöglich ist und alles steil nach vorne gehen wird, auf unbestimmte Zeit. Genau dieses Gefühl hat man derzeit in China, und wenn die Menschen hier noch so staunend und schüchtern auf uns reagieren.

Heute haben wir zunächst profitiert von den Straßenbaumaßnahmen und später darunter geächzt. Wir sind schnell in ein für den Verkehr abgesperrtes Tal gefahren, außer kleineren Baustellen und Steinschlagschäden hatten wir eine großartige Strecke nur für uns. Nach dem Mittagessen sollte der Rest eigentlich nur noch Formsache sein, im Geiste waren wir schon beim Bummel durch die schöne Altstadt von Manchuan, doch die letzten 30km waren Staubstraße, Schotter und schließlich eine einzige Baustelle mit hunderten, wahrscheinlich tausenden Bauarbeitern. Sonntag abend, 18 Uhr. Die meisten haben fassungslos geschaut. Es ist ja auch kaum erklärbar, weshalb man sich freiwillig und schneckengleich durch den Staub bewegt und durch Flüsse watet und dabei so komisch aussieht. Nach der Schreckstarre hat man uns aber enthusiastisch angefeuert. Wir kamen erst kurz vor Sonnenuntergang an. Es war der erste richtige Härtetest, das Schmutzbier lief glückliche, erschöpfte Kehlen hinunter, bestanden!


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-24.gpx“]

Egon und seine Freunde

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Lang lebe Egon! Unsere Geburtstagskinder geben sich die Klinke in die Hand, gestern war Egon mal wieder dran, unser Koch aus Leidenschaft. Das chinesische Essen findet er gut. Was er von uns bekommen hat, soll nicht verraten werden, natürlich auch nicht, wie alt er geworden ist, das ist Privatsache (in Deutschland. In China ist das immer die erste Frage, gefolgt von Familienstand und Gehalt). Man darf zumindest verraten, dass er Lao Egon, der „Alte Egon“, für uns ist – für alle außer Welf. Respekt! Diese Hierarchie ist hier wichtig, man nennt Freunde und Bekannte „Lao“ (alt) oder „Xiao“ (klein, auch wenn der Entsprechende nur einen Tag jünger ist, auch wenn er zwei Meter groß ist und 150 Kilo wiegt). Unser Fahrer ist der Jüngste, Xiao Li. Welf ist der Älteste, Lao Welf. Aber Lao Welf war gestern Abend etwas angeschlagen und hatte eine belegte Stimme, nicht die besten Voraussetzungen um Singen zu gehen. Deshalb war Lao Egon unser Oberhaupt beim Karaoke. Wie Rolf Zuckowski mit seinen kleinen Freunden.

Egons Geburtstag hat uns allen gefallen, die Strecke war kurz und die Landschaft freundlich. Nachmittags haben wir jede Menge Tee probegetrunken. Und heute sind wir in Richtung Süden weitergefahren, weniger verkatert als es sonst oft der Fall ist nach KTV-Veranstaltungen, wieder war es eine sonnige Strecke. Feinster und wenig befahrener Asphalt, am Anfang ansteigend und dann die Abfahrt durch ein herrliches Tal. Jetzt sind wir in Shanyang. Wenn ich hier das Wort Shanyang flüstere, wird wahrscheinlich niemand ins Träumen kommen. Dabei ist es ein famoses kleines Städtchen, eingebettet in pittoreske Hügelketten, von denen Nachts zudem tausend kleine Lichter funkeln, was erstaunlicherweise nicht mal kitschig wirkt. Aber die Stadt ist eben soweit ab vom Schuss, dass sie wahrscheinlich kaum ein Chinese außerhalb der Kreisgrenzen kennt.

Shanyang ist immerhin Kreisstadt, dort ist immer ungleich mehr los als in Städten vergleichbarer Größe bei uns. Sie sind erste Anlaufstation für die Landbevölkerung, erster Fixpunkt für die Jugend vom Land. Die Dörfer durch die wir hier kommen sind ziemlich verlassen, aber noch nicht ausgestorben, wie inzwischen viele Dörfer in den chinesischen Randgebieten. Dort findet man wenn überhaupt nur sehr alt und sehr jung, die Großeltern passen auf die Kinder auf, während die Eltern anderswo das Geld verdienen. Von den Kreisstädten führt der Weg dann zu den Provinz-Hauptstädten und für die ganz Ambitionierten in die Küsten-Metropolen. Ich habe jetzt schon einige Male gelesen, dass in China derzeit die größte Völkerwanderung in der Geschichte der Menschheit stattfindet (zuletzt glaube ich bei Peter Hessler, unbedingt lesen, alle seine Bücher!). Dieses Phänomen ist nicht mehr so sichtbar wie noch in den 90ern, als die Wanderarbeiter zu Tausenden vor jedem größeren Bahnhof ihr Lager aufschlugen, mittlerweile ist die Logistik dafür besser geworden. Aber immernoch zieht es die Jugend und die Männer zwischen den Ernten in die Städte. Die Frauen mittlerweile genauso, vor allem in die Fabriken des Südens. Wo wir jetzt sind ist die Landflucht noch nicht so extrem, die zentralchinesischen Provinzen sind fruchtbar und bieten eine gute Lebensgrundlage.

Unser Spaziergang durch Shanyang geriet mal wieder zum Triumphmarsch, Leute die alles stehen und liegen lassen, Kinder denen der Mund offen stehen bleibt. Federnden Ganges flanieren wir durch die Stadt und werden gefeiert dabei.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-22.gpx“]
[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-23.gpx“]

Nach Süden, nach Süden

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Jetzt sind wir Südchina, d.h. zwar nach wie vor in der Provinz Shaanxi, aber mittlerweile über dem Qinling-Gebirge. Das nämlich gilt als die natürliche Grenze von Nord und Süd, von den Einzugsgebieten des Gelben Flusses und des Yangzi. Von Weizen und Reis. Die Etappe über diese Barriere war nicht ohne, die ersten 40km ging es fast konstant bergauf, doch das Gefälle war fair und die Landschaft gewaltig. Steinmassive, Felswände, reine Naturgewalt. Der Mensch verschwindet hier, die wenigen die noch da sind brechen Steine aus den Wänden und schneiden sie, der Tag heute war fast menschenleer. Schroffes Gestein und als wir tiefer kommen auch wieder die Parasolbäume, die derzeit in voller Blüte stehen und schon die Ebene des Wei-Flusses geschmückt hatten.

Luonan (wie groß sind diese Städte denn nun, man kann das kaum schätzen) war unser Endziel, Strecke war prima, Mittagessen war prima, Leistung war prima, nichts zu meckern, einwandfrei wie die Schwaben sagen, ihr höchstes Lob. Im Ort haben sich Menschentrauben um meine Schützlinge gebildet, aber penetrant ist es nicht. Die Menschen sind angenehm schüchtern hier. Das Hotel ist das Beste der Stadt, und das sagt viel über die Stadt. Touristen verirren sich nie hierher, auf unsere letzte Radgruppe wurde ich heute einige Male von wildfremden Leuten angesprochen (und die hat hier vor etwa einem halbes Jahr für eine Nacht Station gemacht), es spricht sich schnell herum dass wir aus Deutschland sind.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-21.gpx“]

Loutoa und der gelbe Schmetterling

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Lang lebe Loutoa! Sie hat ein mächtiges Lachen und eine ansteckende Lebenslust, heute hat sie Geburtstag. Letztes Jahr haben ihr die Freunde noch eine Limousine vorbeigeschickt, heute hat sie sich mit uns den Huashan hochgekämpft und dem widrigen Wetter trotzig die Stirn geboten. Ganz schön kühl da oben, dann hat es auch noch angefangen zu regnen, keine Idealbedingungen für eine Polynesierin. Loutoa kommt aus Tonga und lebt jetzt mit ihrem Mann Welf auf Hawaii, der kommt aus dem Allgäu und hat ihr den entsprechenden Akzent vermacht. Jetzt radeln die beiden also durch China (schon zum sechsten Mal mit uns!). Welf heute barfuss den Berg hoch, Rad fährt er mit Flip-Flops. Und gerne auch ein paar Kilometer mehr, wie gestern, da sind wir zum Hotel abgebogen und waren einen Moment unaufmerksam, Welf auch, bis ich ihn wieder hatte war er schon zehn Kilometer weiter.

Und da waren schon 105km gefahren. Anfangs hügelig durch tolle Lösslandschaft, später durch die Ebene und dem Wind ausgesetzt. Die Fahrt verlief parallel des Wei, dem wichtigsten Zufluss des Huanghe, des Gelben Flusses. Die Gegend gilt als Kerngebiet der chinesischen Kultur, ihre Fruchtbarkeit ist offensichtlich: der Weizen ist schon gut gediehen, die Ebene ein einziges grosses Gemüsefeld. Wir sind durch traditionelle Dörfer aus Lehm gekommen, über lebhafte Märkte und an archaischen Ziegeleien vorbei. Einige der Höhlen, die in die enormen, durchbrochenen Lössschichten gehaün wurden, sind noch bewohnt. Ein paar Kilometer weiter durch moderne Orte wie Weinan, bei uns würde das als Grossstadt gelten. Nachmittags ging es dann stetig auf das Qingling-Gebirge zu, der Berg Hua („Blütenberg“) ist Teil dieser Kette, die sich bis zur Taklamakan im Westen zieht. Er ist einer der fünf heiligen Berge des Daoismus und heute haben wir ihn gemeistert, knapp 1200 Höhenmeter, kein Problem.

Loutoa und der gelbe Schmetterling haben nichts miteinander zu tun, überhaupt nichts (aber es klingt schön, oder?). Der gelbe Schmetterling ist in China immer seltener anzutreffen, wenn auch nicht gerade vom Aussterben bedroht. In unserem kleinen gruppeninternen Sprachkurs lernen wir jeden Tag ein neüs Wort, das erworbene Wissen wird mit grossem Elan praktiziert. Albin hat sich zudem neulich selbst ein Wort beigebracht, viel im Spracherwerb liegt ja in der Nachahmung, in Albins Fall war es eine interkulturelle Meisterleistung. Seitdem kommuniziert er dann und wann mit den Chinesen auf seine Weise…es geht um die Art, wie manche von ihnen ihre Kehle freiräumen – von ganz tief unten – Welf meinte, sein Grossvater hätte dazu „den gelben Schmetterling fliegen lassen“ gesagt. Das könnte aus China stammen.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-19.gpx“]

Es ist wie es ist

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Irgendwie war der Wurm drin und trotzdem war es ein toller Tag. Es gab eine Menge dieser unvorhersehbaren Kleinigkeiten, die nerven, die aber das Reisen eigentlich erst mit Leben füllen. Nie ist es so, wie man es sich vorstellt, und nie so, wie man es sich wünscht, Gottseidank.

Erstmal kam unser Begleitfahrzeug nicht, auf dem Weg zum Hotel liegengeblieben, da haben sie uns eine schöne Kiste rausgesucht. Wir sind dann ohne Fahrzeug los (Ersatz wurde schnell gefunden und holpert uns inzwischen hinterher) und aus Xi’an raus. Es ist eine gute Erfahrung, aus chinesischen Grossstädten zu radeln. Die Energie des Landes ist in den ungeschönten Aussenbezirken dieser Städte greifbar wie sonst nirgendwo. Mittags war Sylvias Rad dann den Acker-und Dorfwegen auf dem Weg zur Terrakotta-Armee (oder ihrer Pedalkraft) nicht gewachsen, Kettenriss, der Nietendrücker war natürlich im Hotel. Also Schieben und Taxi. Reparaturversuche wollte ich nach einem kurzen Tête-à-tête mit den Fahrradmetzgern der Umgebung gerade abbrechen, als einer der wohlmeinenden Gesellen einen kleinen unaufmerksamen Moment ausnützt und den Radzustand verschlimmbessert. Meine Gruppe hat sich derweil die Tonkrieger angeschaut und war begeistert, das wenigstens hat gefreut.

Später im Hotel, Radbastelei, nur kochend heisses Wasser in den Bädern (mal was anderes), ein Zimmer ist vergammelt und wird weggetauscht, solche Sachen eben. Aber: gefühlt war heute wieder herrliches Wetter, wir hatten ständig nette hilfsbereite Menschen um uns, ein grossartiges Abendessen (die Peking-Ente wurde nachgeholt), und die meisten von uns haben danach auf dem Platz im Zentrum der Stadt getanzt, dass die Chinesen um sie herum nur so mit den Ohren geschlackert haben.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-18.gpx“]

El Clásico

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Klassiker der Tourismus-Branche: Beijing, Mauer, Xi’an. „Aber doch auf besondere Weise“ will man da schüchtern anmerken. Beijing mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ok, das ist nicht so spektakulär). Die „Wilde Mauer“ bei Huanghua ist besonders, die haben wir bis auf ein paar vergnügte Chinesen fast für uns gehabt, anderswo treten sich die Leute auf den Füssen rum. Und Xi’an wurde heute dann mit dem Rad durchkreuzt.

Also die Mauer, die olle. Schon allein die Bezeichnung „Die Chinesische Mauer“! Es gab in der chinesischen Geschichte viele viele Mauern, aus verschiedensten Materialien und mit verschiedenen Verläufen, DIE Mauer ist eine Erfindung des Westens, wieder mal (National Geographic etc., Anfang 20. Jahrhundert). Irgendwann haben die Chinesen eingesehen, dass sich die Mauer prima mit einer einheitlichen, tapferen Geschichte vermarkten lässt. „Bu shang changcheng, fei hao han“ („Wer nicht auf der Mauer war, ist kein richtiger Chinese“) ist mittlerweile ein geflügeltes Wort im Land. Die Mauerstücke um Peking herum sind jedenfalls – bis auf die Fundamente zumindest – jünger als die meisten meiner bisherigen Teilnehmer. Klugscheißerei. Natürlich war es wie immer ein Höhepunkt, auf der Wilden Mauer herumzuklettern, sie ist steil hier (Ming-Dynastie, die Fundamente aus dem 16. Jahrhundert und teilrenoviert).

Gestern abend haben wir den Nachtzug nach Xi’an genommen, eine heitere Fahrt, die Reise wird in jedem Fall heiter werden, das weiß ich spätestens jetzt. Es hat am Morgen eine Weile gedauert, bis wir die Räder aus den Schlünden des Bahnhofs von Xi’an retten konnten. Faxe mussten die richtigen Empfänger erreichen und die Räder mussten geortet und durch abenteuerliches Gedränge geschoben werden. Sie machen einen guten ersten Eindruck, man muss bei den Kogas auch nicht viel einstellen und kann ziemlich schnell loslegen. Die kleine Runde durch Xi’an haben wir mittags bei einer Mahlzeit nach Art der Inneren Mongolei, später für einen Spaziergang auf der Stadtmauer unterbrochen. Alle haben heute den massiven Verkehr gemeistert, kühl bis unter die Haarspitzen, wie Delon in „Der Eiskalte Engel“. Das beruhigt mich sehr. Xi’an hat mittlerweile auch seine knapp 8 Millionen Einwohner und hier geht wirklich was. Auch abends übrigens, in den muslimischen Gassen der Altstadt, das lebt und lärmt.

Ewige Freude!

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

1000 Jahre Geschichte abgearbeitet. Vom Himmelstempel auf das Tor des Himmlischen Friedens, zur Verbotenen Stadt und dann noch die Vogelperspektive vom Jingshan, und das meistens in Ewiger Freude. Das war nämlich die Devise des dritten Ming-Kaisers, der die Hauptstadt nach dem kurzen Intermezzo von Nanjing („Südliche Hauptstadt“) wieder nach Beijing („Nördliche Hauptstadt“) verlagerte und letztendlich für Struktur und wichtigste Bauten des alten Peking verantwortlich ist. Die Spuren dieses Kaisers aus dem beginnenden 15. Jahrhundert – Yongle – dominieren noch heute das Stadtbild, auch wenn die Moderne immer aufdringlicher in die traditionelle Achse von Beijing hineinwuchert.

Das Kulturprogramm dieses Tages kann einen erschlagen, aber wir hatten wieder fantastisches Wetter und waren lustvoll aber nicht überambitioniert. Also was man sich wünscht als Reiseleiter. Die Ersten haben sich bereits China-Devotionalien an die Kleidung geheftet. Uns allen ist bewusst, dass wir den Chinesen beim Fotoshooting Lichtjahre hinterher sind, hier ist der Mensch der Mittelpunkt des Geschehens und kann das Lächeln in endlose Längen ziehen, bei uns gefriert das natürlich in Sekunden, aber wir geben alles. Ab und zu wird man nett eingebunden in diese Posen (z.B. von einer Tupperware-Gesandtschaft aus Malaysia, im Himmelstempel, was es nicht gibt…).

„Abgearbeitet“ war also schon mal das falsche Wort. Die meiste Zeit sind wir geschlendert, viel auch wieder durch Hutong-Gebiete, wo man am liebsten an jeder Ecke stehen bleiben möchte. Tauben ziehen ihre Kreise über den Altstadtvierteln, leise und ohne das früher charakteristische Surren der kleinen Röhrchen am Hals, das muss abgeschafft worden sein. Alte Männer tragen ihre Vogelkäfige spazieren. Und abends haben wir opulent diniert, im CBB-Stammlokal in der Naluoguxiang. Jetzt sind fast alle bei der Massage. Die Blinden, die in dem Laden früher massiert haben, sind einer Handvoll Mädchen gewichen, die werden das auch können.

Herbst in Peking

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Allerhöchste Zeit, dass ich mal wieder von mir hören lasse, bevor man mich vergisst und als MIA abschreibt. Ich bin in Peking, da fällt natürlich sofort das gleichnamige Buch von Boris Vian ein (das weder im Herbst noch in Peking spielt und eigentlich gar keine Handlung hat). Es umschmeichelt uns strahlender Endfrühling, so schön habe ich die Stadt ganz selten erlebt, ich bin schon seit ein paar Tagen hier und die Atmosphäre in den Hutong, den Altstadtgassen, ist bei solchem Wetter unvergleichlich. Wenn nur die Sandstürme schon vorbei sind.

Meine Mitstreiter können da gar nicht anders als gut gelaunt sein. Jutta und Albin, Gerlinde und Egon, Sylvia und Matthias, alle pünktlich angekommen und erstmal durch die Gassen geschlendert, es ergibt sich an diesem Punkt ja oft eine surreale Mischung aus Jetlag und völlig fremder Welt. In unserem Fall eine gute Mischung. Die Menschen sind auch hier am Zocken, das Thema werde ich erstmal nicht mehr los (…Hongkong, Macau…) aber natürlich gemächlich und nur zum Zeitvertreib, so will man es uns wenigstens weismachen. Wer weiß was hinter den großmütterlichen Fassaden alles steckt. Erstaunlich viele Mahjong-Spiele haben wir gesehen, komisch, Nordchina ist für mich eigentlich Schach und Karten. Um meine Hongkong-Tour inhaltlich abzuschließen hatten wir ein kleines Dim Sum-Mittagessen. Welf und Loutoa sind abends aus Hawaii eingeschwebt, dort wohnen die beiden und wer will es ihnen verdenken, einfach mal raus zu wollen. Sybille und Edgar mussten leider kurzfristig absagen, alles Liebe von hier aus!

Meistens kommen wir mit unseren Gruppen am Sonntag in Beijing an, wenn wir dann an die Hinteren Seen spazieren ist dort Volksfest, die Gegend ist beliebtes Ausgeh- und Wochenendziel. Heute war es ruhig und stressfrei. Ich lästere ja wo ich kann über die organisierten Hutong-Rikscha-Touren bei denen 20 Gefährte hintereinander her gurken, die Insassen sehen eigentlich immer peinlich berührt aus. Heute haben wir uns auch ein paar Meter chauffieren lassen, es war es ziemlich bequem, das muss man schon zugeben. Später saß ich mit Kollege Che noch beim Bier. Schöne Touren, die da Revue passierten.

Wetten

Hafen der Düfte, 26.03. bis 10.04.2011

Grüße aus dem Flughafenhotel Shanghai Pudong 168 (yao liu ba, ein pfiffiges Wortspiel, kann auf chinesisch auch „hier will ich bleiben“ heißen, aber das will ich lieber nicht). Hilde und Peter sind gerade weitergeflogen und Alexandra kann sich noch nicht von Hongkong trennen, die bleibt noch eine Nacht. Es war eine gute, unkomplizierte Tour, zu viert zu reisen ist natürlich ein Luxus. Man ist komplett flexibel, wir waren es jedenfalls. Meine Mitreisenden haben es mir leichtgemacht, danke für die angenehme Zeit!

Wir sind gestern wieder von Macau nach Kowloon gekommen, mit der Fähre. Derzeit wird von Lantau aus eine 50km-Brücke nach Macau und dem chinesischen Festland gebaut, Gott sei Dank, endlich 20min schneller in den Kasinos. Nachmittags waren wir dann u.a. in der dichtesten Gegend Hongkongs, da wo sein eigentliches Herz schlägt, in Mong Kok. Märkte über Märkte. Am Nachtmarkt von Yau Ma Tei haben wir zu Abend gegessen und danach Mahjong gespielt, das musste einfach der Abschluss unserer Tour sein. Ich habe tatsächlich mal ein Spiel gewonnen und zwar das letzte, es geht aufwärts. Heute dann Sha Tin, die größte „New Town“ in den New Territories, dort haben wir uns erstmal zum durchgeknallten Tempel der 10 000 Buddhas (und das ist noch Understatement!) begeben. Außerdem steht hier die größere der beiden Pferderennbahnen von Hongkong. Und wo wir schon mal in der Nähe waren…

Am schönsten sind eigentlich die Nachtrennen von Happy Valley, der anderen Rennbahn, auf Hongkong Island. Dort gibt sich die Gesellschaft ein Stelldichein und feiert im Flutlicht, eingehüllt von der Nacht und den Wolkenkratzern.

Aber Sha Tin ist auch grandios, vor allem wenn die Sonne so scheint und der Himmel so blau ist wie heute. Wir hatten von Kenny, dem Manager unserer Herberge in Tai Mei Tuk, Einladungen für den Mitglieder-Bereich des Hongkong Jockey Club bekommen und sind dann doch an der harten Tür gescheitert (es lag an meiner kurzen Hose, Anfängerfehler). Aber Pferderennen ist in Hongkong das Hobby und Laster des einfachen Mannes, wer will da schon zu den Snobs. Auf der Tribüne, direkt an der Bahn, in den riesigen Schalterhallen, da schlägt der wilde Puls unserer Zockbrüder und – schwestern. Das Wettgeschäft der Stadt ist auf die Pferde fixiert, wer sein Geld anders loswerden will muss eben kurz nach Macau fahren. Die Steuereinnahmen in Hongkong sind wie gesagt sehr gering, größter Steuerzahler ist der Hongkong Jockey Club, der das Wettmonopol verwaltet. Der HKJC ist eine Nonprofit-Organisation durch die die Gelder der Bewohner eben indirekt in staatliche Kassen gelenkt werden. Was an Gewinnen nach Steuern übrigbleibt, fließt in wohltätige Zwecke.

Ich habe nur verloren, aber zum Glück nicht viel eingesetzt. Mein letztes Pferd kam ein paar Längen hinter dem restlichen Feld ins Ziel, das war dann die endgültige Demütigung. Erstmal genug gespielt. Morgen fliege ich weiter nach Beijing und in ein paar Tagen lasse ich schon wieder von mir hören, dann trifft die nächste Gruppe ein. Mit der fahre ich durch die chinesische Pampa, also etwas ganz anderes. Jeden Tag werde ich von der Tour bestimmt nicht mehr schreiben können, aber Volker wird ja aus Tibet berichten und Niti aus Yunnan und Vietnam. Da geht einiges!

Euer eifriger Reiseblog-Schreiber Jan ; )

Gute Hunde…

Hafen der Düfte, 26.03. bis 10.04.2011

…sind zum Beispiel „Gung Fu Dictionary“ und „Asakusa Sen“, beide haben mir den Abend gerettet und die Wettbilanz insgesamt ausgeglichen gestaltet. Andere Hunde haben auf der ganzen Linie enttäuscht. Vor den Rennen haben sich erstmal alle Wettkämpfer komplett entleert, weswegen es an der Hunderennbahn von Macau riecht wie in Teilen von Friedrichshain oder Neukölln (Heimweh?!). Das war unsere Abendunterhaltung, der weltbekannte Canidrom der Stadt, Teil des Glücksspiel-Lehrgangs. Kein großes Kino, eher schmuddeliges kleines B-Movie, bestechend durch seine Authentizität. Außer uns noch ein paar hundert andere Wetter, wenn überhaupt, die meisten alt und desillusioniert, der Großteil findet gar nicht erst raus an die Strecke sondern bleibt gleich in den Katakomben, bei den Schaltern und Monitoren. Eine aussterbende Kunstform, das Hunderennen. Also alles etwas morbid und seltsam, wahrscheinlich macht es gerade deshalb großen Spaß. Alexandra beobachtet, Hilde verzockt ihren ersten Einsatz und kneift danach schmählich und Peter kann in etwa die gleiche Bilanz wie ich aufweisen. Ich habe seinen Blick gesehen. Es soll in der Nähe von Bietigheim eine Rennbahn geben, hoffentlich war das nicht der Anfang vom Ende der Familie Z.

Aber ich drifte hier wieder in die völlig falsche Richtung, alles zu einseitig. Es wäre ignorant, Macau als Opfer von Spekulanten und Spielwütigen abzuschreiben, das haben wir heute wieder gemerkt. Die Besucherzahlenn steigen, aber das Alltagsleben, die macanesische Kultur und die Altstadt leiden bislang erstaunlich wenig darunter. Zwei Parallelwelten. Die Besucher verlassen ja kaum mal die Kasinos bzw. Vergnügungszonen um sie herum. Einige besuchen vielleicht pflichtschuldig die Touristenachse zwischen Largo do Senado und den Ruinen von S. Paulo. Vielleicht auch noch den A-Ma Tempel, um dort um gutes Gelingen zu bitten. Aber sonst verirren sich nicht viele Besucher ins Wirrwarr der Altstadtgassen. Das Leben geht hier gemächlich weiter.

Macau war auch immer entspannter – was Besitzansprüche und dergleichen angeht – als etwa Hongkong, die Portugiesen haben ein paar mal versucht, ihre kleine Kolonie von sich aus zurückzugeben. Das letzte mal nach der Nelkenrevolution 1974. Aber die VR hatte kein Interesse oder war mit wichtigerem beschäftigt. 1999 konnte man sich endlich einigen. Die VR lässt Macau machen, die Einnahmen stimmen ja.