Heunggong it is

Hafen der Düfte, 26.03. bis 10.04.2011

So meine Damen und Herren, jetzt darf ich wieder ran, diesmal aus dem heute trüben Hongkong, dem „Hafen der Düfte“. Das ist die wörtliche Übersetzung aus dem Kantonesischen und nicht der erste Eindruck, der sich hier einstellt. Vom Flughafen aus fährt man lange an den modernen Hafenanlagen und Umhebewerken vorbei, die Hongkong so wichtig gemacht haben, exotische Düfte konnten wir uns (allerdings fein im klimatisierten Bus sitzend) nicht vorstellen. Es war ja auch eigentlich der Hafen von Aberdeen, an der Südküste von Hongkong Island, der der Stadt seinen Namen gab, von hier aus wurde das Sandelholz bzw. schon fertige Räucherwerk der Umgebung in das Kaiserreich verschifft.

Und es heißt nicht mal Hongkong sondern „Heunggong.“ Kantonesisch war aber wohl zu weich und melodiös für die Herren Kolonialisten, deshalb hat man dem Namen britische Härte mitgegeben. Gleiches gilt übrigens für Kowloon, das ist der Teil von Hongkong, der als Halbinsel von Norden her in den Hafen ragt und in dem wir hier zunächst wohnen. Es sollte Gaulong heißen, verdammt noch mal, für „9 Drachen“ (es begab sich nämlich in den letzten Tagen der Südlichen Song-Dynastie: der kleine Thronfolger landete, auf der Flucht vor den Mongolen, hier in diesem Nichts. In seiner kindlichen Einfalt sah er sich um und verglich die Berge der Gegend mit „acht Drachen.“ Aber nein, meinte da einer seiner Mandarine, mit euch sind es neun). Auf Hochchinesisch, was inzwischen immer wichtiger wird in der Metropole, sagt man übrigens „Xianggang“ zu Hongkong und „Jiulong“ zu Kowloon.

Wir sind eine äußerst private Gruppe hier, nach kurzfristigen Stornierungen der letzten Woche. Flugreisen in östliche Richtung sind derzeit nicht so schick. Das ist jedenfalls meine Interpretation, das kann man gut verstehen! Und trotzdem: Hongkong ist fast 3000km Luftilinie von Tokyo entfernt, um die Perspektive mal zurechtzurücken. Habt bitte keine Angst um uns. Nur noch zu viert sind wir, Peter und Hildegard aus Schwaben, Alexandra aus der Schweiz, und ich.

Nach Ankunft erstmal durch Tsim Sha Tsui, der Südspitze von Kowloon, geschlendert, zur Hafenpromenade mit etwas eingeschränkter Sicht. Unterhaltsam war eher das ständige Gegacker und Posiere um uns herum, denn heute ist Sonntag und da haben die Ahmas, die Hausmädchen der Stadt, Ausgang. In guter alter südostasiatischer bzw. in großer Mehrheit philippinischer Tradition zieht es sie dann zueinander und unter freien Himmel. Vor allem im Kowloon Park wird einiges an guter Laune geboten.

Um gegen den Jetlag anzukämpfen ist Feuertopf zu empfehlen! Die Motorik bleibt aktiv, es gibt ständig etwas zu tun und man muss doch nichts kapieren dabei, perfekt! Ein angenehmes erstes Abendessen, fand ich, die Kellner wie auch die Kellnerin hatten fadenscheinige Anzüge an und konnten einiges an Noblesse bieten. Zu müde heute für anständige Bilder. Außerdem war es wirklich trübe. Ich hoffe es wird in den nächsten Tagen aufklaren.

Schreibtischtäter

Herzlichste Grüsse aus unserem sympathischen kleinen Büro in Berlin Neukölln. Volker, Christof und ich, Jan, sind sehr beschäftigt und schauen manchmal sehnsüchtig aus dem Fenster nach draußen, der Himmel ist blau und die Luft glaube ich frisch und klar. Unser viertes Büromitglied Andreas aka Ande Shushu ist gestern in Yunnan gelandet und wird dort die Reise „Entlang des Roten Flusses“ leiten. Wir sind recht neidisch und warten auf seinen Blog.

Hier eine kleine Vorausschau auf unsere virtuellen Aktivitäten in den nächsten Wochen: die Reiseberichte werden also zunächst von Andreas fortgeführt, danach wieder von mir (auf Trekking-Tour in Hongkong) und schließlich von Volker, der sich im April durch die dünne Luft des tibetischen Hochplateaus kämpfen und erst ruhen wird, wenn er für uns die geheime Route von Lhasa nach Kathmandu wiederentdeckt hat.

Was uns in der Berliner Heimat sehr am Herzen liegt, ist unser Jubiläumsfest: am 4. Juni wollen wir feiern, das ist am Vorabend der Sternfahrt bzw. des Berliner Umweltfestes. Eine Bootsfahrt ist angedacht, nähere Informationen kommen in Bälde.

Letztes vom Hasi

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Könnte noch mal stressig werden heute, gerade (Abflugtag, 12:00) hat Bangkok Airways unseren Flug um eine Stunde nach hinten verlegt und wir haben am Suvarnabhumi nur eine halbe Stunde Zeit um den Flug von Thai Airways zu erwischen. Beide Fluglinien haben zwar Code-Sharing, garantieren die Verbindung aber nicht. Frühere Flüge nach Bangkok kriegen wir jetzt nicht mehr gebucht, alles voll, wir können also nur abwarten. Falls hier also jemand sehnsüchtig seine Liebsten erwartet: gut möglich, dass man noch einen Tag länger auf uns verzichten muss.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemanden groß aufregen wird, unsere Gruppe war dafür viel zu entspannt und viel zu harmonisch. Auch gestern Abend, beim Karaoke-Singen, da hat sich ehrlich gesagt keiner von uns als außergewöhnliches Talent präsentiert, weswegen es natürlich ein Riesenspaß war. Es ging ziemlich lange, entsprechend geschwächt sind heute die Abwehrkräfte. Ausgeschlafen waren wir schon gestern nicht, morgens um halbsechs ging es auf den Phnom Bakheng, von diesem Hügel haben wir die Morgendämmerung heraufziehen sehen, die Nebel zwischen den Bäumen und den Rauch in den Dörfern. Danach dann über die Stadtmauer von Angkor Thom und durch das Siegestor geradelt, wie passend nach knapp 1200km (ohne große Unfälle, etwa 10 Platten, die Räder sind gut gerollt). Und zu den überwucherten Tempeln von Ta Prohm und Preah Khan.

Von Exklusivität kann hier keine Rede mehr sein. Den morgendlichen Phom Bakheng hatten wir zwar fast für uns und zwischen den Tempel sind wir auf kleine, versteckte Urwaldpfade ausgewichen, aber man muss wirklich die ganze Energie aufwenden, um den Massen aus dem Weg zu gehen. Die Hauptrouten sind überlaufen, letztes Jahr waren hier 2,6 Millionen Besucher, die meisten aus Asien. Busladungen voller Koreaner, Japaner, und mehr und mehr Chinesen. Angkor ist trotzdem toll und hat uns gut gefallen, aber die Höhepunkte unserer Reise lagen für mich woanders, in der Pampa und in den Begegnungen mit dem normalen Leben.

Angkor Wat war der offizielle Schlusspunkt unserer Reise und sehr majestätisch. Unser Führer hierfür war Somith (oder „Opa Schmidt), der hat uns die Flausen ausgetrieben und richtig den Marsch geblasen. Konsonanten wurden ausgespuckt, dass es eine Freude war – 3 Jahre im ostdeutschen Grenzgebiet bei Suhl, Anfang der 80er. Wir konnten allein schon durch unsere Herkunft punkten, die deutsche Apsara Foundation ist für Angkor Wat zuständig und wird gerühmt für ihre Gründlichkeit, auch Opa Schmidt war stolz auf uns.

Jetzt muss ich los und noch ein paar Souvenirs kaufen. Zum Abschluss: danke danke danke, Reinhard, Harald, Lisa und Alfred, Annette und Uwe, Petra und Tom, Elke und Thomas! Der liebe Hasi muss sich demnächst wieder an niedrigere Temperaturen gewöhnen müssen.

Peinlich: die Frisuren der Cham

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Volles Angkor-Programm: morgens Preah Rup und der filigrane Banteay Srei, beide Mitte 10. Jahrhundert, nachmittags dann Angkor Thom und der Bayon, die letzten großen Bauprojekte des Khmer-Reiches (Anfang 13. Jahrhundert). Viele Steine, viel große Kultur. Von Tempel zu Tempel sind wir radgefahren, zum Banteay Srei sind es immerhin gute 30km.

Unterwegs haben wir Verschiedenes nachgestellt. Dabei ist das ein oder andere reizvolle Tableau entstanden, an vergangene Zeiten erinnernd, doch ohne erhobenen Zeigefinger. Es handelt sich um Szenen der surrealen Expeditionen Garniers und de Lagrées (das interpretiere ich zumindest so, im nachhinein): ernst und entschlossen gehen sie ihre Aufgabe an, doch schon jetzt übt die östliche Kultur einen unwiderstehlichen Reiz aus (der kambodschanische Krama hat den Tropenhelm ersetzt, man ist bereit, sich mit Haut und Haaren an die Kultur der Einheimischen zu verlieren). Später, am Westtor von Angkor Thom, Orientierungslosigkeit. Das Expeditionsmitglied Alfred wurde schon an den Dschungel verloren, er ist eins mit ihm geworden, man kann ihn nicht mehr fotografieren. Schließlich, ein Stilmittel des absurden Theaters, der vielarmige Shiva, der seinen Tanz der Zerstörung tanzt (zeitliche oder hermeneutische Interpretationsansätze? Die Zerstörungswellen der herannahenden Kolonialsierung oder das Wilde ins uns, das Grauen?).

Die Reliefs am Bayon sind interessant, vor allem die Frisuren der Cham (damals schon ihrer Zeit hinterher) und die Trinksitten der langohrigen Khmer. Die stellen wir auch manchmal nach, üben aber noch. Vielleicht präsentieren wir morgen unser Ergebnis, als Teil unseres letzten Abends.

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Anastylose!

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Es hätte heute Regen geben müssen, am morgen saß ein kleiner Frosch auf Toms Rad und das sind die rituellen Regenbringer in Südostasien. Tatsächlich haben uns vormittags ein paar Tropfen benetzt, aber es war ja nur ein kleiner Frosch, es blieb also trocken, angenehm bewölkt und windig. Perfektes Radfahrwetter. Nachmittags kam dann die Sonne durch und die letzten Kilometer waren gülden. Es tat auf jeden Fall gut nach zwei Tagen wieder auf dem Rad zu sitzen.

Überraschend leicht, dem Trubel hier zu entkommen, ein paar Staubstraßen weiter weg fängt das ganz normale Dorf- und Landleben wieder an, auch das Hello-Land, sofort wird wieder Spalier gestanden. Wir haben mit unserer kambodschanischen Mannschaft echte Experten, sie lotsen uns über Stock und Stein und Sand sehr privat durch ihre Gegend. Nicht weit vom Angkor Wat entfernt hat Thonet sein Zuhause, das haben wir heute erstmal besucht. Ein paar Hütten im Nirgendwo und ein Kloster. Thonet hat sich vor ein einigen Jahren ein für kambodschanische Verhältnisse ziemlich stattliches Haus gebaut, entgegen den Vorschriften der wechselnden Rechteinhaber dieses gesamten Landstriches. Zur Zeit hat die Sokimex-Gruppe die Rechte an den Eintrittsgeldern von Angkor und mauschelt kräftig mit anderen Organisationen, da ist z.B. die Apsara Authority, die für den Denkmalschutz zuständig ist. Sokimex kontrolliert das Mineralöl Kambodschas, Luxushotels, Fluglinien etc. und hat beste Beziehungen zur Macht (die Apsara Autority hat hehre Ziele aber kaum Geld und Macht). Jedenfalls hat ein Konsortium dieser Organisationen strenge Auflagen für die Menschen, die zwischen den weit verstreuten Tempeln wohnen, aufgelegt. Thonet und seine Familie haben sich irgendwann trotzdem ein Haus in den Busch gebaut und hoffen, dass es möglichst lange unbemerkt bzw. uninteressant bleibt. Hier kommt aber auch wirklich kein Mensch lang.

Heute war das Radfahren wichtiger als die Hochkultur, zunächst sind wir auf einem langen Deich in Richtung Osten gefahren, einst die Verbindung zu den wichtigen Außenposten des Khmer-Reiches: Sambor Prei Kuk bzw. Wat Phu in Laos, der Kreis schließt sich für uns. Dieser Weg wurde von den Roten Khmern zu einem Deich umfunktioniert, im Stile der alten Barays (der eingedeichten Gebiete von Angkor, welche einst die Monsunregen einfingen). Heute eine kaum genutzte Landstraße, aber viel Geschichte dahinter. In dieser Gegend wird viel Saft aus den Zuckerpalmen gezapft. Man bringt längliche Bambusbehälter an den jungen Früchten der weiblichen Palmen an, nachdem man diese gequetscht und angeritzt hat. Der Palmsaft schmeckt lecker und noch besser, wenn er eine Weile gärt und Palmwein daraus wird. Meistens wird er aber zu Zucker gekocht, große Töpfe brodeln vor den meisten Hütten, über uns sind die wildesten Konstruktionen, provisorische Leitern und Verbindungen zwischen hochaufragenden Zuckerpalmen.

Natürlich haben wir uns auch unsere ersten Angkor-Tempel zur Gemüte geführt, zunächst den abseits gelegenen und fast vergessenen Chau Srei Vibol, haufenweise Chaos. Die meisten Tempel von Angkor waren einst bessere Steinhaufen und wurden erst mit der Anastylose-Technik wieder zusammengebastelt, d.h. man ging Stein für Stein durch, nummerierte und schaute, wie alles zusammenpasste, wie ein Puzzle. Fehlende Teile wurden durch originales Material ersetzt. Chau Srei Vibol harrt noch seiner Anastylose, Preah Ko und der Bakong, die wir danach besichtigt haben, haben sie schon hinter sich. Das sind die ältesten Tempel der ganzen Angkor-Gegend, stilprägend, nicht so gewaltig, aber interessant und sehr schön.


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Die große Pfütze

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Lange Bootsfahrt auf dem enormen Tonlé Sap (bzw. zunächst auf seinem Zufluss) in Richtung Siem Reap, dem Ausgangspunkt für alles, was mit Angkor zu tun hat. Der morgendliche Beginn ist spannend, man fährt aus Phnom Penh an schwimmenden Märkten vorbei und die Szenerie ist abwechslungsreich und lebhaft (dunkle Erinnerungen aus früheren Tagen und außerdem hat man es mir angetan berichtet als ich dann doch mal wach war. Wir mussten sehr früh los). Später weitet sich der See, irgendwann kann man die Ufer nicht mehr erkennen und alles um einen herum ist Wasser.

Der Tonlé Sap ist ganz besonders, er ist der größte Süßwasser-See in Südostasien und, zumindest in der Regenzeit, der fischreichste See der Welt. In der Trockenzeit hinterlässt er fruchtbares Schwemmland, was sofort mit Reis bebaut oder anderswie genutzt wird. Ohne den See hätte es das Khmer-Reich nicht gegeben, eigentlich ist er noch heute die Lebensgrundlage des Landes. Tonlé Sap ist durch den Tonlé Sap-Fluss mit dem Mekong verbunden. Die Wasser des Mekong schwellen zwischen Juni und Oktober durch Schmelzgewässer und Monsunregen so sehr an, dass die Fluten des Sees und seines Flusses darin nicht mehr aufgenommen werden und es einen Rückstoß gibt. Der Tonlé Sap-Fluss ändert seinen Lauf und verbreitert den See dadurch um mindestens das Vierfache. Dieses Phänomen ist so berechenbar, das einst die Könige dem Fluss hochzeremoniell befahlen, seine Richtung zu wechseln. Das war natürlich nicht von schlechten Eltern und wurde vom Volk geschätzt.

Wir sind jetzt mitten in der Trockenzeit und der See ist trotzdem enorm, fünfmal so groß wie der Bodensee, aber er wird zu den Ufern hin eine ganz schöne Pfütze. Wir mussten die letzten Kilometer auf Boote umsteigen, die weniger Tiefgang haben. Am See selber gibt es große schwimmende Dörfer und auch solche, die bei Bedarf eben nicht mehr schwimmen, die Leute leben dann in Baracken auf der neu gewonnen und bald wieder verlorenen Erde. Aber die richtigen Floating Villages weiter draußen im See sind faszinierend. Bekannte haben in diesen Schwimmenden Dörfern alte Menschen getroffen, die nie in ihrem Leben Fuß auf festen Boden gesetzt haben.

Jetzt vor sind wir vor den Toren Angkors. Die ausländische Besucherschaft hat sich auf einen Schlag verhundertfacht. Wir haben uns erstmal zünftig eingereiht und eine dieser Shows mitgenommen, die eigentlich erst durch ihr opulentes Buffet interessant werden. Wieder eine andere Welt hier, wir waren zum Schluss aber rund und zufrieden. Denn wir sind ja die weißen Laoten.

Geschichte

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Kambodschas König ist Norodom Sihamoni, ein 57jähriger, unverheirateter ehemaliger Balletttänzer und Sohn des ewigen Norodom Sihanouk. Er war heute daheim, zumindest hat die blaue Fahne vor seinem Palast geweht. Dass es in Kambodscha einen König gibt (auch wenn dieser nichts zu sagen hat) ist keine Selbstverständlichkeit, auch nicht dass in Phnom Penh das Leben tobt.

Als die Roten Khmer im April 1975 aus ihren Dschungelgebieten in die Hauptstadt einmarschierten und diese innerhalb kürzester Zeit entvölkerten wurde Phnom Penh zur Geisterstadt, für mehr als drei Jahre. Die Bewegung war Teil des ideologischen Kampfes, der in ganz Asien ausgefochten wurde. Der verrückte General Lon Nol wurde 1970 mit US-Hilfe an die Macht des Landes geputscht. Während die größeren Orte Kambodschas danach von dessen amerikanisch unterstützter Militär-Junta kontrolliert wurden, war das Hinterland in Händen der Rebellen und wurde von den USA flächendeckend bombardiert. Als diese im Schicksalsjahr 1975 endgültig aus Vietnam flohen und Lon Nol sich längst nach Hawaii abgesetzt hatte, gab es für die Roten Khmer keine Halten mehr. Schnell nahmen sie die Städte in Besitz und fingen mit ihrer Abrechnung an.

Kleine Geschichtsstunde. Wir hatten einen interessanten Tag und auch einen angenehmen Abend, keine Frage, viel gesehen und vorzüglich gegessen. Aber die meisten von uns waren heute in Toul Sleng und der Ort lässt niemanden kalt, das bleibt eine Weile. Das ehemalige Gymnasium im Zentrum der Stadt war in der Khmer Rouge-Zeit das größte Gefängnis und Folterzentrum des Landes, heute ist es eine Stätte zum Gedenken an den damaligen Genozid am eigenen Volk – sieben Millionen Einwohner hatte das Land, um die zwei Millionen fiel dem Terror der Roten Khmer zum Opfer. Erklärtes Ziel der Angka, der Partei bzw. dessen Führungsspitze (Pol Pot, Ieng Sary, Kieuh Samphan u.a.) war es, das Land komplett zu isolieren, von allen Einflüssen zu säubern und mit einem Kommunismus aus der Steinzeit neu zu beginnen. Jeder der nach fremdem Einfluss roch, Intellektuelle, Städter, Brillenträger, wurden im besten Fall auf das Land umgesiedelt und zur Zwangsarbeit eingesetzt, meistens einfach umgebracht. Es gab kein Entkommen, die Zellen von Toul Sleng und die Wände mit den Fotos der Opfer sind völlig ohne Trost. Die Diskussionen im Anschluss drehten sich vor allem um die Frage, wie das Land danach weitermachen konnte.

Einige von uns waren außerdem im Nationalmuseum, wo wunderschöne Skulpturen des historischen Khmer-Reiches zu bewundern sind, unter anderem das milde und enigmatische Lächeln von Jayavarman VII, dem bekanntesten aller Angkor-Herrscher, demjenigen, der die Grenzen des Reiches am weitesten ausdehnte und die imposantesten Bauwerke hinterließ, z.B. Angkor Thom und den Bayon. Die Roten Khmer wollten zerstören und Jayavarman VII hat Großes hinterlassen, natürlich auch nur zu Lasten seines Volkes.

Der Staub vor Phnom Penh

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Intensiv heute. Erst in morgendlicher Kühle aus Kampong Cham gefahren, dann in die für meinen Geschmack härtesten 35km der Tour gekommen, Staub- und Schlagloch-Piste, das ist mal Kambodscha, denkt man sich (wenn man es hinter sich hat). Später wieder Asphalt, herrlich vor allem ein spontanes Bad im Mekong, Und dann eine chaotische Stadteinfahrt nach Phnom Penh, über die Japanische Freundschaftsbrücke, da steigt das europäische Adrenalin. Elke meinte beim Schmutzbier: ganz schön hektisch der Verkehr, Reinhard meinte: hektisch waren eigentlich nur wir. Gut beobachtet, die Straßen von Phnom Penh sind anarchisch, wie die der meisten asiatischen Großstädte, aber die Leute sitzen ziemlich entspannt auf ihren Fahrzeugen, man verlässt sich auf alles außer auf die offiziellen Regeln. Der Verkehr fließt dahin, im besten Fall.

Wie immer sind es die Kinder, die am meisten in Erinnerung bleiben. Eine Pause haben wir in einer versteckten kleinen Madrasa eingelegt, einer Koranschule, und dort Massenhysterie erlebt, so müssen sich damals die Beatles gefühlt haben. Die Kleinen haben garantiert niemals so große grobe Menschen wie uns gesehen, wahrscheinlich nicht mal im Fernsehen, wir wurden auf Haut und Haare geprüft und für seltsam empfunden. Zur Mittagszeit dann Kinder, im buddhistischen Tempel, die uns eine Stunde lange still und ernst beschaut haben. Wenn sich einer von uns in den Schatten gelegt hat, zum Nickerchen, dann waren ein paar Kinder da und haben aufgepasst, wie Traumhüter.

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Ernte 23

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Also das war bestimmt keine Kaffeefahrt heute, wir sind alle ganz schön kaputt. Aber wir haben uns die Strecke gut eingeteilt und sind wunderbar durchgekommen. Das ständige Grüßen hat bestimmt genauso geschlaucht wie das Treten. Lisa ist mal kurz über den Lenker abgestiegen, außer ein paar Schrammen am Ellenbogen und einer Prellung am Oberschenkel scheint ihr nichts passiert zu sein (und das sind tollkühne Erinnerungen, um die wir sie insgeheim beneiden). Die Bevölkerung in den Ortschaften war eine Mischung aus Khmer und Cham, gastfreundlich wie immer, Pausen haben wir in den schattigen Anlagen von Tempeln oder Moscheen gemacht. Wir sind an den abblätternden Kolonialfassaden von Chlong vorbeigefahren und durch enge Märkte am Mekongufer. Hauptsächlich wird in dieser Gegend Tabak angebaut, zur Zeit ist Ernte und die Blätter werden in hohen Lehmkaminen zum Trocknen aufgehängt. Aber auch viel Mais, Kokos-und Zuckerpalmen, Bananen…der heutige Tag war wie gesagt bunt, grün, und anstrengend, deshalb ein paar Bilder mehr und Schluss.

Ach, jetzt sitze ich mit vollem Bauch auf dem Balkon des Mekong-Hotels und sehe die monumentale Brücke an (japanische Gelder) und, noch viel monumentaler, die schwarzen Gips-Elefanten im Hof mit weißen Hasen auf dem Rücken. Keine Drogen im Spiel. Ich weiß nicht was die Skulpturen sollen, das gleiche hatten wir schon im letzten Hotel. Der Hase sitzt jedenfalls mit übertrieben großen, aufgestellten Ohren auf dem zu kleinen Elefanten und grinst dämlich. Vielleicht die hiesigen Stadtmusikanten, leider nur zwei.

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Die armen Fluss-Schweine

Auf den Spuren der Khmer, 29.01. bis 27.02.2011

Das Grauen geht um im Hause CBB, die Angst vor der morgigen Königsetappe. Nicht wirklich, eigentlich sind alle bis in die Haarspitzen motiviert. Die Moral ist einwandfrei, die Fitness stimmt. 120km am Mekong entlang werden uns wahrscheinlich wie eine Kaffeefahrt vorkommen. Auch wenn sie über teilweise sehr rumplige Pfade führen werden. Aber morgen ist morgen.

Heute war mal wieder traumhaft, ich glaube ich wiederhole mich. Erst raus zu den Irrawaddy-Delfinen, von denen ich gerade gelesen habe dass sie mancherorts als „Fluss-Schweine“ bezeichnet werden. Das wird ihnen nicht gerecht. Sie haben zwar eine breite Schnauze, aber schwimmen sehr elegant, Schweine laufen ja nicht mal elegant. In den Becken bei Kampie, etwa 15km nördlich von Kratie, ist einer der letzten Populationen der Delfine beheimatet, sie sind vom Aussterben bedroht. Wir haben hier mindestens zehntausend unscharfe Bilder von Wasser und Rückenflossen geschossen.

Bei der Rückfahrt haben wir Halt gemacht beim Hügeltempel Sambok, eine schöne Aussicht auf die Ebene von hier oben (aber davor muss man erstmal an derben Wandmalereien vorbei: wir trinken recht viel Bier, das wird uns fürs nächste Leben nicht unbedingt hoch angerechnet werden). Buddhismus in Kambodscha lebt derzeit auf, v.a. weil die Klöster Bildung für die Ärmsten garantieren. Der Schulbesuch ist zwar auf dem Papier obligatorisch, das wird aber nicht wirklich kontrolliert. Die nächste Schule ist meistens weiter weg als der nächste Tempel, und außerdem muss man an den staatlichen Schulen noch viele Dollars zusätzlich hinlegen, um an vernünftige Bildung zu kommen. Die Lehrer verdienen in Kambodscha so wenig, dass sie gar keine andere Wahl haben, als Nachhilfe zu geben und dafür Geld zu verlangen. Beim Phanom Sambok hatten junge Mönche den Schlüssel zur Haupthalle verlegt, wir haben versucht, mit ihnen das Fenster aufzuhebeln, hat nicht ganz geklappt.

Spätnachmittags dann schließlich die Fähre zur Mekong-Insel Koh Trong genommen und im Abendlicht durch eine zeitlose Welt gefahren. Keine größeren Fahrzeuge hier, das Wasser wird vom kleinen Pferdchen um die Insel galoppiert, alles ist still und die Sonne geht unter.

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