So Long, and Thanks for All the Fish

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Gyeongju und Busan im Schnelldurchgang. Letzter Tag, fine.

China, Japan und Korea haben eine Gemeinsamkeit: ehemalige Hauptstädte, die den Hauch alter Dynastien umwehen. In China ist das Xi’an (wo neben anderen der olle Qinshi Huangdi, erster Kaiser von China, mit seiner Tonsoldatenarmee begraben liegt), in Japan Kyoto (Tempel, Tempel, Tempel. Über 1.600) und in Korea Gyeongju.

Gyeongju war Hauptstadt des Silla Königreiches (etwa 57 vor bis 935 nach Christus), hat also schon ein paar Jahre auf dem Buckel und jede Menge historische Hinterlassenschaften. Mehr als wir Zeit haben, denn nur der Vormittag war für Gyeongju eingeplant. Unsere Reiseleiterin Suzan schlug drei Ziele vor: die Seokguram-Grotte, den Bulguksa Tempel und die Königsgräber. Außer Frage DIE drei touristischen Highlights der Stadt. Auf keines will ich näher eingehen, auch das soll für spätere Besuche und Blogeinträge aufgehoben werden. Nur so viel: Keine dieser historischen Stätten liegt direkt in der Stadt, alle in der näheren Umgebung. Daher haben wir von der Stadt selbst nichts gesehen (unser Hotel lag auch außerhalb) und die vormittägliche Rundtour fand mit dem Bus statt. Soll mir recht sein, ich werde ja nochmal wieder kommen und mir den Ort dann mit mehr Muße ansehen.

Zu erwähnen wären vielleicht an dieser Stelle nur die vielen Schulklassenausflügler, die uns bei der Seokguram-Grotte und dem Bulguksa Tempel überfielen begegneten. Eine Horde nach der anderen, angeführt von Erziehungsberechtigten, die offenbar alle gerade ein Fortbildungsseminar zum Drill Sergeant hinter sich hatten.

Nach Besichtigungsstation Nummer drei, den Königsgräbern, beschlossen wir das Tagesprogramm noch ein wenig mehr zu straffen. Nämlich durch ein bunch. Also ein bus lunch. Statt unnötige Zeit für Mittagessen in einem Restaurant zu vertrödeln deckten wir uns in einem Supermarkt mit Knabberzeug ein, welches uns auf der folgenden, etwa einstündigen Fahrt von Gyeongju nach Busan mit Energie versorgte.

Busan ist nach Seoul die größte Stadt Südkoreas. Eine Hafenstadt. Weitläufig, da etliche Hügel und Bergchen zwischen dem Stadtteil A und den Stadtteilen B, C, D, E und F liegen. Viele Tunnel wurden gebohrt, um das nächste Tal auch Verkehrstechnisch zu erschließen.

Wir kommen kurz nach Mittag in Busan an. In Stadtteil F, einem nordöstlichen Teil von Busan. Zeit für einen kleinen Bummel, jedoch nicht durch die Stadt, sondern am Strand entlang! Da sind wir schon seit ein paar Tagen auf einer Halbinsel und haben noch immer nicht das Meer gesehen. Jetzt aber! Für eine kleine Erfrischung in den Meereswellen fehlen leider rund 5 Grad, sowohl an Land als auch im Wasser. Daher kein Sprung ins kühle Nass, wir beschränken uns auf Strandschlendern und Muschelsuchen.

Doch nun weiter in das Herz von Busan! Das Herz von Busan schlägt für den Fisch, wie es sich für eine Hafenstadt gehört. Daher ist der Fischmarkt auch sehr bedeutend und darüber hinaus beliebt bei auswärtigen Besuchern. Das ist quasi wie eine Mischung aus Zoo-Aquarium und Naturkundemuseum, nur das man hier keinen Eintritt zahlen muss und die Erläuterungstafeln in mindestens drei Sprachen fehlen. Dieser Tafeln bedarf es auch nicht, die Fischstände sprechen für sich. Und wo man etwas nicht genau erkennt will man auch lieber keine weitere Erläuterung dazu haben. Sie merken schon, ich schreibe hier als wahrer Liebhaber der Unterwasserfauna. Genetisch bedingt darf ich nichts zu mir nehmen, was länger als fünf Minuten unter Wasser überleben kann. Dieses Aufnahmeverbot gilt sowohl für meinen Magen als auch für meine Nase. Meine Augen sind dabei noch am Tolerantesten.

Inzwischen ist es Nachmittag. Außer dem Fischmarkt gibt es noch den guten Markt von Busan. Gleich nebenan, prall gefüllt mit Klamotten, Schuhen, Handtaschen, Nippes und Kitsch. Unsere Wege trennen sich für ein paar Läden, die Ladies gehen Shoppen, Stefan und ich vertreiben uns die Zeit in einem Café. Klassische Geschlechterverteilung.

Dem Nachmittag folgt der Abend. Angesichts des eher spärlichen Mittagessens hängt uns allen der Magen in den Kniekehlen. Suzan hat genau das richtige Restaurant herausgesucht, nämlich eine Buffet-Bar. Im neunten Stock eines Hochhauses können wir selbst entscheiden, was auf unsere Teller kommt. Für Karin und Stefan ganz viel Fisch und anderes Meeresgetier. Sie mussten sich bisher immer dem Diktat von mir und Francoise, der ebenfalls das Fisch-Gen fehlt, unterwerfen.

Es ist unser letzter Tag in Korea, morgen werden wir in aller Herrgottsfrühe aufstehen um den Schnellzug nach Seoul zu nehmen. In weniger als drei Stunden wird uns der Korean Train Express (KTX) von Busan nach Seoul katapultieren. Dort geht es dann gleich weiter zum Flughafen und in den Flieger zurück nach Deutschland.

Zeit für ein Resümee und für Danksagungen.
Soweit ich das in der doch eher kurzen Zeit überblicken konnte ist Korea ein phantastisches Land für Radfahrer! Sehr abwechslungsreiche Landschaften und viele Nebenstraßen, auf denen nur wenig motorisierter Verkehr rollt, verlangen förmlich nach Radtourismus und Langstreckentouren. Und selbst auf den Strecken, die stärker vom Autoverkehr befahren sind, drohen keine Gefahren, denn die Koreaner sind sehr rücksichtsvoll, was „schwächere“ Verkehrsteilnehmer angeht. Lediglich in den großen Städten ist das etwas anders, da ist das Auto König und die Autofahrer benehmen sich entsprechend. Radfahrer sind dort auch so gut wie unbekannt. Aber als Radreisender fährt man ja ohnehin nicht so viel in urbanen Gebieten.
Wie schon geschrieben gibt es viele Nebenstraßen. Oder besser gesagt viele Hauptadern, auf denen der motorisierte Fernverkehr abgewickelt wird. Damit bleiben die kleinen Verbindungswege zwischen den Dörfern und Ortschaften, die nicht direkt an den Hauptadern liegen, angenehm ruhig.

Mein größter Dank geht an die Korean Tourism Organisation (KTO), die diesen Trip ermöglicht (und finanziert) hat, und im Besonderen an Frau Miete-Cho aus der deutschen Zentrale der KTO (Koreanische Zentrale für Tourismus, Frankfurt). Ohne ihre Unterstützung und ihr Engagement würde ich wahrscheinlich heute noch Korea lediglich als einen kleinen Zipfel am Ende Asiens kennen. Ganz viele Infos aus und über Korea bekommen Sie übrigens auch auf der Seite Korea Fans, die von der Koreanischen Zentrale für Tourismus unterhalten wird.

Danke natürlich auch an meine Mitreisenden Francoise, Karin und Stefan. Dafür, dass sie mich ertragen haben/mussten. Und ja, Stefan, ich finde auch, dass wir eine gute Gruppe waren ;-). Mit euch würde ich gerne wieder verreisen!

Last but not least ein Dank an das Korea-Team von Exodus Travel. Reiseleiterin Suzan (AKA Sinrim), Fahrer Cool (sorry, aber ich weiß bis heute nicht wie man seinen Namen richtig schreibt :-() und Chef Mr. Park. Eine nahezu perfekte Rundumsorglosbetreuung!

감사합니다 und 안녕히 가세요


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/11/2012-10-31_Korea2012.gpx“]

Ladies and Gentlemen, would you please welcome … Mr. Jan Boonstra!

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Von Andong über das Folkloredorf Hahoe und die Kleinstadt Angye nach Gyeongju. 45 schicke Radkilometer und 193 schnöde Buskilometer bei ganz viel Sonne. Nur 4 Grad unter Idealtemperatur.

Das erste Mal seit drei Wochen haben wir wieder in einem Hotel übernachtet. Also in so einem Kasten mit Lobby, Aufzug, Minikühlschrank unter der Fernsehkommode und einem Bett mit Matratze 60 Zentimeter über dem Boden.

Das stimmt natürlich nicht, jedenfalls das mit den drei Wochen. Denn wir sind ja erst seit fünf Tagen/vier Nächten in Korea. Andong war unsere vierte Übernachtungsstation. Aber irgendwie geht mir alles viel zu schnell, ich bin es einfach nicht mehr gewohnt mit mehr als 25 km/h von einem Ort zum anderen zu reisen. Jedenfalls nicht in einem mir relativ fremden Land, wo ich doch so viel wie möglich mitbekommen möchte und so wenig wie möglich an mir vorbei gezogen werden soll. Vielleicht ist es mein fortgeschrittenes Alter, vielleicht aber auch die Art des Reisens, die ich seit nunmehr 19 Jahre praktiziere, propagiere und organisiere.

Speed Travelling ist eine sinnlose Disziplin. Da werden Sie mir bestimmt zustimmen, wenn ich als Beispiel die Europatouren vieler (Nord-)amerikanischer und asiatischer Reisegruppen anführe: sieben Länder in fünf Tagen. If Today Is Tuesday, This Must Be Italy.

Lachen Sie jetzt nicht, deutsche Reisegruppen auf Chinarundreise machen es meist ähnlich! Nur ist den Teilnehmern das gar nicht bewusst. China ist schließlich nur ein Land, nicht sieben Länder in einer Reise. Dabei werden die geografischen Ausmaße Chinas vom 08/15 Touristen selten erfasst, die kulturellen Unterschiede innerhalb des Landes schon gar nicht. Und die Menschen dort sehen ohnehin alle gleich aus. Erst recht, wenn man sie durch die Scheiben eines Reisebusses sieht…

Ich schweife schon wieder ab. Egal, ich habe ja die Zeit dazu 😉

Also zurück nach Korea, zurück nach Andong.
Unsere Abfahrt verzögert sich um einige Minuten, da ich verschlafen habe. So ein Mist auch! Aber um 8:25 Uhr sitzen wir alle im Bus und fahren in das 25 km östlich von Andong gelegene Museumsdorf Hahoe. Es ist geschichtsbeladen und nett erhalten bzw. gut restauriert. Mehr schreibe ich jetzt nicht dazu. Es werden ja noch Blogs über die zukünftigen Fahrradtouren folgen, die sich darüber auslassen sollen.

Viel wichtiger war mir das Treffen mit Jan Boonstra zum Abschluss der Dorfvisite an diesem Tag. Jan habe ich quasi im Cyberspace kennen gelernt. Wer sich via Internet über Radfahren in Korea informiert kommt an Jan nicht vorbei. Sollte auch nicht. Jan lebt seit vielen Jahren in Korea, spricht die Sprache nicht nur dank seiner koreanischen Ehefrau flüssig und – jetzt kommt’s! – hat fast jede Straße der südkoreanischen Halbinsel bereits mit dem Fahrrad bereist. Sie glauben es nicht? Dann werfen Sie mal einen Blick auf diese Karte! Und wenn ich schon dabei bin, die Fahrradwebsite von Jan Boonstra können Sie hier einsehen.

Wie gesagt habe ich Jan über das Internet und via seine Website „kennen“ gelernt. Ich hatte ihn einfach per Mail angeschrieben und ihm von unserem Vorhaben eine Radtour in Korea anzubieten erzählt. Und gefragt, ob er uns vielleicht behilflich sein könnte. Das konnte und wollte er! Es folgten etliche Mails, in denen ich ihm meine Vorstellungen mitteilte und er seine Vorschläge dazu machte. Heraus kam dabei eine (diese) Radreise durch Korea, die auf meinem gedanklichen Mist und seinen hervorragenden Erfahrungen gewachsen ist.

Ich schweife schon wieder ab 🙁

Um 10:30 Uhr treffen wir uns mit Jan am Ausgang von Hahoe. Eine schnelle Begrüßung, eine schnelle Absprache mit dem Begleitbus wo das nächste Treffen stattfindet, dann radeln wir das erste Mal gemeinsam. Nicht nur gemeinsam mit Jan, auch Francoise begleitet uns heute das erste Mal mit dem Rad. Denn die ersten 25 Kilometer geht es nur überwiegend eben auf einem neu ausgebauten und dem Nakdong Fluss folgenden Radweg. Francoise hat Knieprobleme und ist eher Journalistin als Radfahrerin. Sie schlägt sich tapfer!

Kurz vor Mittag, am Ende der Flussfahrt, treffen wir wieder auf den Begleitbus. Dieser übernimmt Francoise, und Jan, Stefan, Karin und ich ziehen mit den Zweirädern weiter. Weitere 20 Kilometer über unbefahrene Straßen und asphaltierte Feldwege. Einfach nur traumhaft.

Im Örtchen Angye ist dann auch für uns Schluss mit der Radtour, dort wartet die Begleitmannschaft in einem Restaurant auf uns. Eine Reporterin hat sich mit dazu gesellt, und während wir uns stärken werden wir über unsere Erfahrungen auf zwei Rädern in Korea ausgequetscht.

Die Fahrt im Bus von Angye nach Gyeongju geht viel zu schnell und dauert viel zu lange. Kilometerlang donnern wir über die Autobahn. Und kommen wieder erst nach Einbruch der Dunkelheit in unserer Unterkunft an. Ein Sterne-Hotel.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-30_Korea2012.gpx“]

Würden Sie bitte nicht auf mein MG treten!?

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Von Girin via Jinbu, Hwaam und Taebaek nach Andong. Viel mit dem Rad (43 km) und ein wenig mit dem Bus (282 km). Radelwetter.

Der zweite Tag auf dem Rad. Kleine Korrektur: Der zweite Vormittag auf dem Rad.

Frühstück in unserer Pension um acht Uhr, liebevoll für die langnasigen Gäste vor- und zubereitet. Wir bekommen Toastbrot mit Butter, Spiegelei, Würstchen und Ost. Und Senf. So gar nicht koreanisch. Aber wir beschweren uns nicht und sind insgeheim froh halbwegs vertraute Lebensmittel auf unseren Tellern vorzufinden. An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an Herrn Park von Exodus Travel, der ganz offensichtlich sehr viel Erfahrung mit den Geschmacksknospen und dem Verdauungssystem westlicher Touristen hat.

Um neun Uhr sind alle abfahrbereit. Karin, Stefan und ich sitzen auf den Fahrrädern. Der Begleittross, bestehend aus unserer Reiseleiterin Suzan, Francoise, Herrn Park und dem Busfahrer Herrn Cool (im Folgenden Cool And The Gang genannt) stehen mit Winkelementen in den Händen daneben.

Es ist noch recht frisch, kaum mehr als 10 Grad. Hochnebel hängt über uns. Nachdem wir für ca. eine Stunde geradelt sind kommt schließlich die Sonne raus. Und mit ihr kommt Wärme auf. Also anhalten, ausziehen/umziehen. Bis dahin sind wir recht locker-flockig dahingeglitten, aber jetzt kommt nicht nur die Sonne, sondern auch die ersten Steigungen des Tages.

Auf einer Anhöhe nach ca 30 Kilometer treffen wir wieder auf den Begleitbus samt Besatzung. Francoise hatte die Wartezeit genutzt und verschwand für ein paar erhoffte Fotomotive im angrenzenden Wald. Jedoch nicht lange, denn plötzlich blickte sie in den Lauf einer MG. Sapperlot, hier wird offensichtlich scharf trainiert! Also lieber wieder runter und dort nach einer einsamen Stelle suchen. Aber auch dort hatte sie kein Glück, um ein Haar wäre sie auf das MG eines sorgfältig eingegrabenen Soldaten getreten.

Schon gestern hatten wir die Kriegsmaschinerie mitbekommen. Im Punchbowl fuhren fast nur Militärfahrzeuge an uns vorbei, rechts und links der Strecke sahen wir immer wieder Stellungen, von den bereits erwähnten Panzersperren ganz zu schweigen. War der Aufmarsch nun normaler Alltag, oder „nur“ eine Übung?

Nach besagten 43 Kilometer luden wir die Räder in den Bus. Die Radstrecke war einfach fantastisch, aber das vorgegebene Ziel mahnte zur Eile. Ziel war Andong. Vier Radetappen haben wir heute mit dem Bus überbrückt. Gott wie langweilig! Später wird alles besser 😉


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-29_Korea2012.gpx“]

In den Tunnel. Über den Berg

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Von Haean nach Girin. 110 Kilometer, 55 davon mit dem Rad. Sonne!

Der erste Tunnel wurde Ende 1974 zufällig von einer südkoreanischen Militärpatrouille entdeckt. Dampf quoll aus der Erde und bei der Entdeckung wurde sofort scharf geschossen. Fünf Tage später glaubte man den Tunnel ausreichend gesichert und „gesäubert“ zu haben, aber bei einer ersten Begehung wurden zwei Soldaten, ein US-Amerikaner und ein Koreaner durch einen verborgenen Sprengsatz getötet.

Der zweite und vierte Tunnel wurde auf ähnliche Weise gefunden. Man war inzwischen wachsam geworden, hatte gelauscht und gegebenenfalls Gegenbohrungen vorgenommen. Die Bohrlöcher wurden während den Bohrungen ständig mit Wasser gefüllt. Entwich das Wasser plötzlich im Erdreich war klar, dass man auf einen Tunnel, zumindest auf einen Hohlraum, gestoßen war.

Nur der dritte Tunnel, der wurde von einem Nordkoreanischen Überläufer 1978 verpetzt. Das war auch der gefährlichste, denn er befindet sich nur 44 km von Seoul entfernt. Bei einer Breite und Höhe von 2 Meter hätten 30.000 Soldaten mit leichter Bewaffnung pro Stunde durch den Tunnel in südkoreanisches Territorium eindringen können.

Den vierten Tunnel hat man erst 1990 entdeckt. Im Punchbowl, nur knapp 5 Kilometer vom Örtchen Haean entfernt. Er ist zugänglich für Touristen und somit war es ganz logisch, dass er zu unserem Vormittagsprogramm gehören sollte.

Der Wetterbericht sollte auch für heute recht behalten, keine Niederschläge, lockere Bewölkung und bis zu 18 Grad waren angekündigt. So standen auch nur ein paar vereinzelte Wolken am Himmel, als wir uns um halb neun trafen. Unser minbak bietet kein Frühstück an, daher hatten wir uns am Vorabend mit Proviant versorgt und jeder hatte auf seinem Zimmer gefrühstückt.

Vor dem Tunnel stand eine Observationsstation auf dem Programm. Mit dem Bus. Meine ursprüngliche Überlegung den kleinen Ausflug dort hoch zukünftig mit den Rädern zurück zu legen habe ich mir ganz schnell wieder aus dem Kopf geschlagen. Ganz davon abgesehen, dass nur registrierte Kraftfahrzeuge die Strecke passieren dürfen: die Straße windet sich extrem steil nach oben, auf nur 6 Kilometer werden 600 Höhenmeter zurück gelegt. Also an vielen Abschnitten mit über 10% Steigung!

Nach 20 Minuten hatte uns der Bus von 400 Meter über NN auf über 1040 Meter katapultiert. Wir waren quasi am nördlichen Tellerrand der Punchbowl angekommen. Hier oben ist man direkt an der Grenze zur demilitarisierten Zone (ein vier Kilometer breiter Grenzstreifen) und hat einen schicken Ausblickt nach Nordkorea. Zumindest aus der Beobachtungsstation, die man hier oben für Besucher errichtet hat. Das Häuschen ist eingerichtet wie ein Theater, mit nach hinten ansteigenden Stuhlreihen. Vorne gibt es statt der Bühne eine große Fensterfront. Und dahinter einen grandiosen Ausblick auf … unbesiedelte Berge 🙁
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Das also ist Nordkorea!

Nun gut, die eine oder andere militärische Einrichtung des Feindes lässt sich schon erkennen. Nur nicht mit dem bloßen Auge, wie uns ein Soldat anhand eines Modells der Umgebung erläutert. Hier ein kleiner Stützpunkt, dort ein Horchpöstchen. Alles weit weg und gut getarnt. Anschließend bekommen wir noch ein Video vorgeführt, in dem das Teleobjektiv der Kamera die bereits erwähnten Objekte heran zoomt.
Es ist kalt hier oben zu dieser Jahreszeit, so kalt wie der Krieg zwischen den beiden Landesteilen.

Nummer zwei der Morgenvisite ist der Anfangs erwähnte Tunnel. Auch dort fahren wir mit dem Bus hin. Während Francoise auf den guten Rat ihres ständigen Begleiters Klausi hört und auf einen Einstieg verzichtet begibt sich der Rest der Gruppe in die Höhle des Löwen. Die ersten 150 Meter sind easy, da läuft man durch eine bequeme Röhre, die ein deutscher Diamantbohrer durch den Granit getrieben hat (der südkoreanische Stichtunnel), bevor man den nordkoreanischen Tunnel erreicht. Diesen muss man in einer kleinen Grubenbahn auf ebenfalls 150 Meter befahren. Und er ist nahezu winzig, jedenfalls in diesem Abschnitt. Keine 1,5 Meter hoch und breit. Nach besagten 150 Meter hält unsere Geisterbahn an einem Abschnitt, wo sich der Tunnel etwas verbreitert, uns werden Bohrlöcher für Sprengungen und die Schienen der nordkoreanischen Grubenbahn gezeigt. Dann geht es wieder zurück in die Freiheit….

Um 11 Uhr sitzen wir endlich auf den Rädern. Angedacht für die Raderkundung heute waren knapp 80 Kilometer bis zur nächsten Übernachtungsstation in Girin. Das wir die ganze Strecke heute nicht auf zwei Rädern zurück legen können wurde schnell klar, dafür hatten wir zu viel Zeit am Vormittag mit den Besichtigungen verbracht. Auf der regulären Radtour wird das anders sein, dann verbringen wir nämlich zwei Tage in Haean.

Aber egal, wir wollten endlich in die Pedalen treten! Karin, Stefan und ich. Kurz nach 11 Uhr legten wir ab. Zunächst ging es gut hügelig über die einzige Straße, die nicht über einen Pass aus dem Punchbowl heraus führt. War das schön! Der Verkehr beschränkte sich auf ein (hauptsächlich militärisches) Fahrzeug alle fünf Minuten, die Straße war astrein asphaltiert und die Landschaft ein Herbsttraum. Bäume und Blätter in allen Stadien der herbstlichen Verfärbung, die Vegetation ist hier nicht unähnlich jener von Deutschland.

Auf den Hügelpässen (maximal 50 Höhenmeter) immer wieder Panzersperren. Also Betonkonstruktionen, die rechts und links der Straße errichtet wurden (siehe Fotos unten). Im Falle einer Invasion aus dem Norden werden kleine Sprensätze gezündet mit der Folge, dass mächtige Betonquader auf die Straße rollen und diese für motorisierte Fahrzeuge versperren. Clever gemacht und gut zu tarnen obendrein.

Gegen Mittag hatten wir den Ort Wontong erreicht. Hier trafen wir wieder auf unseren Begleitbus und stärkten uns in einem Restaurant. Hinter Wontong zunächst Hauptstraße (muss auch mal sein) und dann Aufstieg zu unserem Pass für den Tag. Auch hier viel Verkehr. Die Erkläng dafür ist ein Sonntag im Herbst. Wir fuhren in den Seoraksan Nationalpark hinein und waren angesichts des Wochentages und der aktuell stattfinden Laubverfärbung nicht die einzigen. Im Gegenteil, prime time! Das ist wie Ku’damm am Tag vor Weihnachten. Mit den vielen Menschen, aber ohne die vielen Schaufenster.

Ok, das war etwas übertrieben. Wir kurbelten uns die Straße hinauf, wurden häufig von Bussen und Privatautos überholt, die aber alle einen respektvollen Abstand zu uns hielten. Viel mehr machten uns die Steigungen zu schaffen, die ca. drei Kilometer vor dem Pass 10% erreichten. Karin, die bis dahin noch keine nennenswerten Pässe fuhr, war beeindruckt. Sowohl von der Landschaft als auch von ihren eigenen, ungeahnten Fähigkeiten. Ich meinerseits war schwer beeindruckt von Karin und hätte mein Rad an ihrer Stelle schon längst in den Graben geschmissen!

Um 17 Uhr, nach vielen Kilometer und vielen Höhenmeter, kommen wir am Pass an. Kühl ist es hier oben zu dieser Jahreszeit. Spät ist es auch schon, daher verladen wir die Räder kurzerhand in den Bus und legen die letzten Kilometer nach Girin darin zurück. Keine schlechte Entscheidung, unsere Unterkunft, wieder ein minbak, erreichen wir erst nach Einbruch der Dunkelheit.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-28_Korea2012.gpx“]

Punchbowl

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Über 250 km nach Osten, alle mit dem Bus. Viele Höhenmeter und noch mehr Niederschlag.

Der Wetterbericht hat Regen versprochen und sein Versprechen voll und ganz gehalten. Als ich am Morgen aufwache regnet es und während ich ein paar Stunden später am Abend in den Schlaf entgleite regnet es auch. Genauer: immer noch.

Eigentlich war für heute schon die erste Ausfahrt mit den Rädern geplant, wir wollten uns einen relativ neu angelegten Radrundweg um einen See bei Chuncheon ansehen sowie die vierte Etappe der geplanten Radreise in Korea abfahren. Schnell war klar, dass daraus nichts werden würde. Bei dem Regen wären wir in spätestens 10 Minuten komplett durchnässt, so macht das wenig Sinn.

Daher haben wir kurzfristig umdisponiert: Die Besichtigung des Radrundweges erfolgt nun mit dem Bus. Ranfahren, kurz aussteigen und Fotos machen. Weiter! Weiter nach Chuncheon, einer größeren Stadt, die eigentlich keine Station der Radtour werden soll. Aber wenn wir sowieso schon nicht Rad fahren können wollten wir wenigstens ein wenig sehen. In diesem Fall die Fußgängerzone von Chuncheon. Wir mussten feststellen, dass sich die Fußgängerzone von Chuncheon nicht all zu sehr von Fußgängerzonen deutscher Kleinstädte unterscheidet. Hier ein Modegeschäft, dort ein Schuhladen, daneben Mc Donalds und noch zwei Türen weiter ein Café. Letzteres suchten wir auf bevor es Zeit zum Mittagessen war.

Die Spezialität der Gasse um die Ecke ist Hähnchengrillplatte (siehe Foto unten). Hühnerfleisch, Kohl, Süßkartoffeln und ein paar andere Zutaten werden auf einer runden Platte in der Mitte des Tisches gegart. Dazu gibt es noch ein paar Nebengerichte wie zum Beispiel Kimchi (gibt es zu jedem Essen in Korea) und natürlich Reis. Angesichts des immer noch herab prasselnden Regens wurde der Tag umgehend zum Wet Chicken Day ernannt.

Weiter mit dem Bus, nach einer längeren Fahrt über die Autobahn waren wir auch wieder auf dem Bike-Track. Im Dorf Bangsan wollte ich mich nach einer möglichen Unterkunft für die Radtour umsehen. Gefunden haben wir sie ein paar Kilometer außerhalb des Ortes, in einer sehr idyllischen Umgebung. Und das sogar bei Regen und einer Sichtweite von ca. 500 Meter. Drei Pensionen gibt es dort, jede hat ein paar Bungalows, die komplett für einen längeren Aufenthalt ausgestattet sind. Z.B. eine eigene Küche. Das Klientel dieser Pensionen sind Großstädter, die mal für ein paar Tage Urlaub auf dem Land und in den Bergen machen wollen.

Nun folgten wir der Strecke, die ich eigentlich mit dem Rad fahren wollte. Und waren gar nicht so traurig, dass wir heute nicht auf die Räder steigen konnten. Denn 30 Kilometer hinter Bangsan windet sich die Straße in Serpentinen hinauf von 370 Meter auf 990 Meter. Also ein Passanstieg von 620 Höhenmeter auf knapp 9 Kilometer. Nicht schlecht! Und davor hat es schon zwei kurze, aber knackige Steigungen gegeben. Wie das so ist bei Pässen, wenn es auf der einen Seite hoch geht, geht es auf der anderen Seite auch wieder hinunter. Und auch hier wie meist genau so steil und in Serpentinen.

Was wir nach der Überquerung des Passes erreicht hatten war die sogenannte Punchbowl. Dabei handelt es sich um eine geologische Vertiefung, die sogar aus großer Höhe mit dem bloßen Auge zu erkennen ist. Den Namen Punchbowl hat die Vertiefung im Korea-Krieg erhalten. Hier wurden im Herbst und Winter 1951 einige der verlustreichsten Schlachten geschlagen, fast wie im Grabenkampf des ersten Weltkriegs wurde um jeden Meter gefochten und die Verluste waren auf beiden Seiten extrem hoch. Gleich jenseits des nördlichen Randes der Vertiefung beginnt das andere Korea, das verschlossene Korea. Aber davon morgen mehr.

Unsere Unterkunft ist ein Minbak. Minbaks sind sehr einfache, familiengeführte Unterkünfte. Zwar findet man oft als Übersetzung von Minbak Homestay, aber man übernachtet dabei nicht im Wohnzimmer einer Familie. Es gibt separate Zimmer, meist mit eigenem Bad. Die Zimmer sind recht einfach, teilweise gar spartanisch eingerichtet. Und meist sehr traditionell koreanisch. Was bedeutet, dass man auf dünnen Matratzen auf dem Boden schläft. Auf einem warmen Boden, denn dieser ist beheizbar! Die Fußbodenheizung ist in Deutschland vielleicht eine relativ neue Errungenschaft, in Korea (sowie in Japan) jedoch gibt es sie schon seit einigen hundert Jahren. Gleiches gilt für die Matratzen auf dem Boden. Diese werden in Deutschland unter dem japanischen Namen Futon verhökert, aber eine koreanische/japanische Bettstatt hat mit einem deutschen Futon so viel gemein wie eine Nudelbox vom Chinaimbiss um die Ecke mit der echten chinesischen Cuisine.

Essen ist ein gutes Stichwort! Unser Abendessen haben wir nämlich im wahrscheinlich einzigen Restaurant des Ortes (er heißt übrigens Haean, hatte ich das schon erwähnt?) zu uns genommen. Auch sehr traditionell! Man sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und versucht das Einschlafen der unteren Extremitäten zu ignorieren, während die volle Konzentration auf die vielen eingelegten Speisen in den kleinen Schüsselchen auf dem Tisch vor einem gerichtet ist. Das gelingt erstaunlich gut! Zumindest für die ersten zehn Minuten. Danach wandert die Konzentration wieder weg von den Speisen und hin zu den unteren Extremitäten.

Eine halbe Stunde später sind wir zurück in unseren Zimmern. Gut satt und mit einer neuen Beziehung zu unseren Muskeln und Knochen unterhalb der Beckenregion. Schön, dass es euch (noch) gibt!


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-27_Korea2012.gpx“]

Gangbuk Style

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Ein halber Tag in Seoul.

Südkorea liegt 8.300 Kilometer östlich von Deutschland. Auf einer Landkarte also eher rechts. Zeittechnisch plus sieben Stunden, Mitteleuropäische Sommerzeit gerechnet. Ein moderner Jet benötigt für diese Distanz fast 10 Stunden und wenn man damit reist hat man am Ende der Strecke einen kleinen Jet-lag. Dies nur, damit Sie eine kleine Vorstellung davon bekommen, wo Korea liegt und wie das Land unserer Zeit voraus ist.

Wir trafen, wie schon geschrieben, um halb zwei Nachmittags (7:30 Uhr nach deutscher Zeit) in Seoul ein und wurden bereits erwartet. Von unserer Reiseleiterin für die nächsten sechs Tage Namens Sinrim („Please call me Suzan“) und einer Vertreterin von Exodus Travel. Exodus ist unser Buchungspartner in Korea und organisiert auch diesen Fam-Trip. Schnell noch Geld am Automaten ziehen, dann ging es mit dem Bus zum Hotel.

Kleiner Koreanisch-Kurs mit praktischen Beispielen: Seoul liegt am Han Fluss, auf Koreanisch Hangang. Gang bedeutet also Fluss. Der ältere Teil Seouls liegt nördlich des Flusses, der neue südlich. Norden heißt auf Koreanisch buk und Süden nam. Nördlich des Flusses heißt somit Gangbuk, Südlich des Flusses heißt Gangnam.

Sie wissen vielleicht worauf in hinaus will. Nämlich auf diesen unsäglichen Ohrwurm Gangnam Style. Wenn Sie nicht wussten worauf ich hinaus will macht das gar nichts, dann sind Sie einfach schon über 25 Jahre alt. In Gangnam leben die Schönen und Reichen. Besonders die Reichen. Und genau darum geht es in dem Lied. Um einen besonderen Lebensstil mit viel Geld und allem, was dazu gehört (z.B. die sexy Lady).

Unser Hotel liegt nördlich des Flusses. Glück gehabt! Genau in der Mitte einer sehr geschäftigen Straße. Geschäftig im Sinne von viele Bars und Kneipen und ganz viel Jungvolk. In Seoul heißt der Bereich um diese Straße Itaewon. Zu Deutsch etwa Kreuzberg oder Prenzlauer Berg. Das war der Koreanisch-Kurs Teil II.

Noch ein paar harte Fakten über Seoul, leider nur aus dem Jahr 2007: Pro Tag werden durchschnittlich 274 Menschen geboren, 106 sterben; 209 Ehen werden geschlossen, 67 geschieden; 6.215.000 Leute sind in der U-Bahn unterwegs. Aha!

Nachdem wir die Zimmer bezogen und uns „frisch gemacht“ haben (bis heute habe ich nicht verstanden, wie man sich „frisch“ machen kann und warum und weshalb man das tun sollte) steht die restliche Zeit bis zum Abendessen zur freien Verfügung. Mit anderen Worten: Wir konnten uns nicht auf ein gemeinsames Programm verständigen. War auch nicht notwendig. Die Ladies sind in Richtung Altstadt für ein wenig Shopping und Sightseeing entschwunden. Stefan und ich interessierten uns eher für die Technik, nämlich unsere Fahrräder. Diese standen zur Auswahl bereit in der Tiefgarage des Hotels. Schicke Flitzer, Mountainbikes mit Federgabel (wie ich dieses Schaukelgestänge hasse!) und Scheibenbremsen. Zusätzlich waren auf meinen Wunsch hin Gepäckträger angeschraubt. Keine Schutzbleche. Also für Schönwetterradler oder die ganz harten, die Schlammspritzer auf dem Rücken besonders cool finden. Stefan und ich präparierten also die Räder. Diverse Sachen wurden an- und abgeschraubt.

Nach 20 Minuten waren wir fertig und dann trennten sich auch unsere Wege für die nächsten zwei Stunden. Stefan wollte durch die nähere Umgebung bummeln, ich wollte eine kleine Ausfahrt mit dem Rad wagen. Die Ausfahrt wurde auch wirklich nur kurz, sieben Kilometer bin ich einmal um das Hotel geradelt. Und dabei prompt am War Memorial Museum vorbei gekommen. Die etwas martialischen Bilder da unten bitte ich zu entschuldigen, aber wenn ich eine Straße entlang fahre und plötzlich eine B 52 aus den Augenwinkel erspähe kann ich einfach nicht daran vorbei fahren. Nicht, dass ich mich sonderlich für Kriegsgerät interessiere, jedoch zieht so ein technischer Schnickschnack Männer scheinbar magisch an. Männer eben.

Um sieben Uhr dann unser erster Einblick in die schmackhafte Koreanische Küche. Es gab Schweinereien vom Grill. Das ist sehr typisch Koreanisch. Nicht die Schweinereien, sondern der Grill. Davon werden wir in den nächsten Tagen noch mehr bekommen. Für uns ging der Tag ziemlich rasch nach der BBQ-Session zu Ende.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/10/2012-10-26_Korea2012.gpx“]

The Making of… Korea!

Land der Morgenfrische, Radtour in Korea

Auftakt.

Diese Gelegenheit bekommen Sie so schnell nicht wieder! Nämlich zu erfahren, wie eine neue Tour bei China By Bike entsteht. Und das auch noch fast in Echtzeit.

Nun ja, ganz so ist es dann doch nicht. Denn jede unserer Touren hatte ihre eigene Entstehungsgeschichte, da gibt es kein Schema F. Manche Touren sind entstanden, weil wir die Strecke bzw. Region schon sehr gut kannten. Manche Touren wurden anhand von Landkarten ausgearbeitet und dann mit einer Gruppe abenteuerlustiger Teilnehmer zum ersten Mal abgefahren. Andere Touren wiederum haben wir gründlich vor Ort selbst erkundet, bevor wir Gäste dazu mitgenommen haben.

Das mit der Echtzeit bezüglich unserer neuen Korea-Radreise stimmt auch nicht wirklich, denn es gab eine Vorgeschichte. Die fing 2011 an, als wir vom koreanischen Fremdenverkehrsbüro (genauer Korea Tourism Organization bzw. KTO) zu einer Erkundungsreise auf die Insel Jeju eingeladen wurden. Solche Reisen werden von Fremdenverkehrsämtern an Reiseveranstalter und Mitarbeiter von Reisebüros spendiert, um eine bestimmte Region (im Tourismusdeutsch auch Destination genannt) vorzustellen. Mit dem Ziel, dass die Reiseveranstalter zukünftig Reisen in die Region anbieten und Mitarbeiter von Reisebüros ihren Kunden Reisen in die Region besser schmackhaft machen können. Diese Erkundungsreisen nennen sich Fam-Trips, wobei Fam für familiarize steht, also sich mit etwas vertraut machen. Aber das nur am Rande.

Die 2011 von der KTO gesponserten Reise hatte auch noch einen ganz besonderen Zweck: Nämlich Fahrradtourismus in Korea zu fördern. Und bei demThema Fahrradtourismus und Asien führt in Deutschland irgendwie kein Weg an China By Bike vorbei. Also bin ich damals mitgefahren und durfte zusammen mit drei weiteren Vertretern des deutschen Tourismus für eine Woche die Insel Jeju bereisen. Teilweise mit dem Bus, aber auf vielen Strecken auch mit dem Fahrrad.

Das hatte mir sehr gut gefallen. Damit meine ich jetzt nicht die spendierte Reise an sich, sondern Korea als zukünftige Destination für unsere Radtouren. Gut ausgebaute Straßen, vergleichsweise wenig Verkehr, überaus liebliche Landschaften und ganz viel Asien. Perfekt!

Einen Pferdefuß hatte die Sache allerdings, denn uns wurde auf der Reise nur die Insel Jeju und 1½ Tage lang die Hauptstadt Seoul gezeigt. Jeju ist relativ klein und lässt sich an drei Tagen mit dem Rad umrunden, Seoul hingegen ist eine Megacity und auf Radfahrer eher wenig eingestellt. Schnell war klar, dass man weitere oder gar andere Strecken in Korea finden müsste, um daraus eine runde und dem Land gerechte Tour zu basteln.

Das haben wir dann auch gemacht. Und zwar in Zusammenarbeit mit dem Holländer Jan Boonstra, der schon seit vielen Jahren in Korea lebt und so gut wie jede koreanische Straße mit dem Fahrrad bereist ist. Mit Jan habe ich also eine schöne Strecke ausgearbeitet, von der Hauptstadt Seoul zur Hafenstadt Busan, durch das koreanische Hinterland, manchmal dem Feindesland im Norden nahe, manchmal den Bergen, von denen es in Korea viele gibt. Manchmal entlang von Radwanderfernwegen, die es so auf dem asiatischen Kontinent nur in Korea gibt, und manchmal über belebte Ausfallstraßen. Eine richtig schöne Tour ist dabei entstanden. Allerdings mit einem weiteren Pferdefuß: China By Bike hat sie noch nie mit dem Fahrrad bereist.

Das soll sich nun ändern und jetzt sind wir endlich in der Echtzeit angekommen. Das KTO hat sich nämlich freundlicherweise dazu bereit erklärt eine weitere Erkundungsreise zu stiften. Diese orientiert sich an der von uns ausgearbeiteten Route. Da auch diesmal nur sieben Tage zur Verfügung stehen werden wir das Meiste mit dem Bus abfahren. Einige Etappen jedoch auch mit dem Rad!

Wieso eigentlich “wir“? “Wir“ sind vier Teilnehmer des Trips, die Journalistin Francoise, die ADFC-Fachfrau Karin, der Mitbewerber Stefan und ich. Am 25.10.2012 haben wir Frankfurt mit dem Flieger verlassen. 9½ Stunden später, am 26.10.2012, mit 1½ Verspätung und um 13:30 Uhr Ortszeit sind wir in Seoul gelandet. Wie wir dort den Rest des Tages verbracht haben, davon schreibe ich später. Hier im Blog und fast in Echtzeit 😉

Literatur-Nobelpreis für Mo Yan

Aus aktuellem Anlass ein Artikel, den ich vor einem halben Jahr geschrieben habe. So kann man sich täuschen, nun ist es tatsächlich Mo Yan geworden. Herzlichen Glückwunsch, es hätte zumindest in China keine bessere Wahl gegeben!

Literatur süß-sauer-scharf
Chinesische Literatur der Gegenwart

Zwischen Zensur und Markt, Politik und Eros, Moderne und Tradition sucht die chinesische Literatur ihren Platz auf der Weltbühne. Zwar werden heute mehr chinesische Autoren übersetzt und im Westen gelesen als je zuvor. Doch Begeisterungsstürme löst das, was an chinesischer Literatur den westlichen Buchmarkt erreicht, nicht wirklich aus. Ist die chinesische Gegenwartsliteratur uninteressant und oberflächlich, wie der Sinologe Wolfgang Kubin behauptet? Eine Bestandsaufnahme.

Zu Kaisers Zeiten war der chinesische Literat in der Regel auch immer Beamter – oder besser gesagt umgekehrt. Nicht nur die philosophischen Klassiker von Laozi bis Konfuzius waren Bestandteil der kaiserlichen Beamtenprüfung, auch die wichtigsten Analen und Essays vergangener Zeiten wurden abgefragt. Der Beamte musste sich nicht nur auf das Verwalten und die Bürokratie verstehen, von ihm wurde zudem eine geübte Kalligraphie und ein gewisses literarisches Können erwartet. Die bedeuteten Dichter der chinesischen Literaturgeschichte wie Su Dongpo und Li Bai hatten so auch immer eine mehr oder weniger erfolgreiche Beamtenkariere hinter sich. Ihr Einkommen bezogen sie vor allem aus ihrer Beamtenposition und nicht aus ihrem literarischen Schaffen. Literatur war eine schöne Kunst und unabhängig von monetären Zwängen, die Poesie der klassischen chinesischen Dichtung liegt in ihrer Traszendenz und der Weltabgewandheit. Die wenigen überlieferten Romane waren zumeist Adaptionen von Volksmythen oder historischen Gegebenheiten. Die historische Pilgereise des Mönches Xuan Zang, der wichtige buddhistische Schriften im 7. Jahrhundert von Indien nach China brachte, wurde in der „Reise in den Westen“ ebenso in Romanform gebracht wie die epischen Schlachten der „Drei Reiche“ Wei, Wu und Shu im 3. Jahrhundert. Und auch das Epos „Die Räuber vom Liang-Shan-Moor“ fußt auf historischen Ereignissen. Eine seltene Ausnahme ist der Roman „Traum der Roten Kammer“ von Cao Xueqin, der die eigene frühe Jugend in einem breit angelegeten Sittengemälde verarbeitet und so dem westlichen Verständnis eines Romanes am nächsten kommt. Zwar gibt es unzählige Mythen und Geschichten im chinesischen Kulturraum, der Roman als Kunstform war im alten China jedoch eher eine Randerscheinung. Als Medium der Gesellschaftskritik war er im alten China eher unbekannt. Das sollte sich mit dem Sturz des Kaiserreiches 1911 ändern. Vor allem die Abkehr von der nur der Oberschicht verstandenen klassischen zu einer auf der Umgangssprache basierenden Schriftsprache in Folge der „Vierten Mai Bewegung“ 1919 führte zu einer Blüte der Literatur, die sich nun zum ersten Mal auch an das einfache Volk wandte. Viele der Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts verstanden sich als Aufklärer und Revolutionäre, ein Umstand, der sich auch in ihren Werken niederschlug. Autoren wie Lu Xun, Lao She, Mao Dun und Guo Morou schrieben Romane, die nicht nur die gesellschaftlichen Probleme Chinas abbildeten und deutliche politische Position bezogen. Sie waren vor allem auch höchst lesbar und qualitativ hochstehend. Monetären Zwecken waren diese Autoren selten unterworfen – sie kamen entweder aus wohlhabenden Familien, verdienten ihren Lebensunterhalt als Lehrer oder waren in den revolutionären Kontext eingebunden und bezogen so eine bescheidene aber ausreichende Alimentation. Mit Gründung der Volkrepublik machten nicht wenige Karriere in der Nomenklatura und wurden Literaten von Staates Gnaden. Der Qualität ihrer Werke tat dies nicht unbedingt gut. Einzig Lao She gelang es in den 1950er und 1960er Jahren, noch einige von der Kritik und Publikum gleichermaßen gefeierte Werke wie „Das Teehaus“ zu veröffentlichen. Er galt lange Zeit als aussichtsreicher Kandidat für den Literaturnobelpreis bis er 1966 Opfer der Kulturrevolution wurde. In den folgenden zehn Jahren lag die Literatur brach im Reich der Mitte. Die Erfahrungen der Kulturrevolution und deren Aufarbeitung beherrschten so auch die ersten Jahre der Reform- und Öffnung unter Deng Xiaoping nach 1978 und fanden ihren Ausdruck in der sogenannten „Narbenliteratur“. Handwerklich solide und dem Realismus verhaftet wurde hier ein Trauma verarbeitet, ohne allzu sehr nach den Ursachen zu suchen. Erst Mitte der 1980er Jahre kam wieder Bewegung in die chinesische Literaturszene.

Vom Rumtreiben, Wurzelsuchen und Geldverdienen

„Wer sind wird, woher kommen wir, was machen wir Chinesen daraus?“ So kann man die „Suche nach den Wurzeln“ zusammenfassen, die das intellektuelle Leben der Chinesen in den 1980er Jahren bestimmte. Nach der „Katastrophe“ der Kulturrevolution und der halbherzigen Aufarbeitung derselben in Gesellschaft, Theater und Literatur fragten viele Schriftsteller nach dem historisch kulturellen Fundament, das Fehlentwicklungen wie die Kulturrevolution ermöglicht hatte. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition ließ sich verstärkt von der westlichen Literatur und der Psychoanalyse inspirieren. Westliche Erzähltechniken, wie jene des Magischen Realismus, prägten die Werke von Feng Jicai, Wang Anyi und auch Mo Yan, von dem später noch die Rede sein soll.
„Wo ist das nächste Bier, die nächste Frau und wie verdiene ich mir das nächste Essen?“, das widerum ist das Motto der sogenannten „Herumtreiberliteratur“, als deren Hauptvertreter Wang Shuo gilt. Romane wie „Oberchaoten“ und „Herzklopfen heißt das Spiel“ trafen den Nerv der Zeit und wurden Bestseller. Die Romanfiguren sind arbeitslos, arm, unmoralisch und damit der genaue Gegenentwurf zu den strahlenden Helden des sozialistischen Realismus. Inspiration holte sich Wang Shuo sowohl aus der eigenen Biographie als auch auf den Straßen seiner Heimat Peking. Obwohl seine Romane zwischenzeitig verboten waren, wurden sie auch Dank unzähliger Raubkopien zu landesweiten Bestsellern.
Die Ereignisse von 1989 stellen hier eine Zäsur dar, die jedoch nicht so heftig ausfiel, wie man es hätte vermuten können. Die etablierten Autoren wie Wang Meng, Mo Yan und Jiaping Wa veröffentlichten weiterhin in regelmäßigen Abständen neue Romane, die vor allen in China ihre Leser fanden. Wang Shuo nutzte sein Talent für Fernsehdrehbücher und ist heute im Mainstream etabliert. Dennoch schien das neu erwachte Nachtleben, die ökonomischen Möglichkeiten, die größeren Freiheiten der Chinesen in den 1990ern der Literatur eher abträglich gewesen zu sein. Auf den großen Roman, der die Absurditäten der Turboentwicklung in China dokumentiert und literarisch aufbereitet, wartete man vergebens. Der Bestseller der späten 1990er wurde so auch ein politisches Buch, das nicht wenige sogar als ein satirisches ansehen: „China kann nein sagen!“, ein krudes pseudo-politisches anti-westliches Manifest mit einem Augenzwinkern.

Sex, Crime &Müll

Ende der 1990er meldeten sich dann die chinesischen Frauen zu Wort. Mian Mian und Wei Hui heißen die berühmtesten Vertreter dieser hedonistisch-exibitionistischen Strömung, wobei Mian Mian als auch Wei Hui der jeweils anderen sämtliches literarisches Talent absprechen würden. Recht muss man hier beiden geben, da sowohl Mian Mian als auch Wei Hui deutlich mehr vom Inhalt ihrer Werke leben als vom ihrem literarischen Talent. Und auch der Inhalt ist höchst profan. Ein bißchen Sex, etwas mehr Drogen und eine gepflegte Großstadtlakonie vor der durchaus grandiosen Kulisse des Shanghaier Nachlebens. Das liest sich dann wie eine Mischung zwischen Anäis Nin und Gabi Hauptmann – nur ohne Nins Talent und Hauptmanns Humor. „Sieh an, chinesische Frauen haben auch wilden Sex“ ist so auch ziemlich die einzige Erkenntnis, die der geneigte westliche Leser aus Büchern wie „Lalala“ und „Shanghai Baby“ zieht. Wolgang Kubin nennt die Bücher von Mian Mian und Wei Hui schlichtweg „literarischen Müll“, und man ist geneigt, ihm Recht zu geben. Wären sie in China nicht kurz nach dem Erscheinen verboten worden, hätte sich im Westen wohl kaum jemand für sie interessiert.
Der chinesische Autor wünsche sich nichts sehnlicher, als dass der Zensor ihn verbiete, schreibt der deutsche Sinologe Wolfgang Kubin und fügt hinzu: „Dann macht er Kasse im Westen. (…) Der Westen interessiert sich ja gar nicht für die Wahrheit. Wenn jemand sagt, ich bin Dissident, dann wird ihm das abgenommen, es wird nicht überprüft, das war der Fall bei dem Skandal auf der Buchmesse mit Bei Ling, der ist überhaupt kein Dissident, der ist 1988 bereitwillig ausgewandert nach Amerika, und er hat genau gewusst, was er sagen muss, um die Presse hier zu bedienen und entsprechend finanziell abzukassieren.“ Tatsächlich ist es selten von finanziellem Schaden, für den westlichen Markt ein unbequemer Geist in China zu sein. Ähnlich wie Mian Mian und Wei Hui mit der Beschreibung ihre vorgeblichen sexuellen Eskapaden den westlichen Markt bedienen, spielen Autoren wie Bei Ling mit den Erwartungen des Westens. Dissidenz ist gut für das Geschäft.
Lediglich Liao Yiwu ist hier eine rühmliche Ausnahme. Er ist aber eher im Genre der Sozialreportage als in der Literatur zuhause. Er interviewt vor allem Außenseiter der chinesischen Gesellschaft: Straßenhändler, Prostituierte, Häftlinge und handelt sich hiermit den Ärger der chinesischen Obrikeit ein. Nach mehreren vergeblichen Ausreiseversuchen ist er vor kurzem nach Deutschland gereist und wird hier seine Erfahrungen nach seiner Verhaftung 1989 auf Deutsch veröffentlichen. Aber auch Liao steht vor dem Problem, das viele Autoren im Exil gemeinsam haben: Abgeschnitten sein vom eigentlichen Publikum und von der eigenen Sprache. Ein Schicksal, das er auch mit Gao Xingjian teilt.

…und ein Nobelpreis

„Gao Xingjian? Wer ist Gao Xingjian?“ Zur Beruhigung der westlichen Presse sei gesagt, dass es nicht nur den westlichen Medien so ging, als der Name des Literaturnobelpreisträgers von 2000 verkündet wurde. Auch so mancher Chinese hat sich die Augen gerieben und sich gefragt, wer dieser Gao denn nun sei. Bereits seit 1987 lebt Gao Xingjian im Exil und hat seit 1998 die französische Staatsbürgerschaft. In seiner Heimat wurde er in den 1980er Jahren durch seine Theaterstücke bekannt, die, vor allem von Beckett inspiriert, die Absurditäten der chinesischen Gesellschaft auf die Bühne brachten. In „Bushaltestelle“ wartet eine Gruppe Menschen eine Ewigkeit auf einen Bus, von dem klar ist, dass er nie kommen wird. Nachdem er bereits bei den Studentdemonstrationen 1987 deutlich Position bezogen hatte, brach er nach den Ereignissen von 1989 endgültig mit der KPCh und blieb in Frankreich. Gao versteht sich nich als politischer Autor, und weigerte sich, aus seinem Dissidentensein Kapital zu schlagen. In Europa weitgehend unbekannt, lebte er in den 1990er Jahren vor allem von seiner Kalligraphie und Malerei und schrieb Romane, die Festlandchina nur auf Umwegen über Hongkong oder Singapur erreichten. In diese Zeit fällt auch der Roman „Der Berg der Seele“, eine teils autobiographische, teils mystische Sinnsuche in Form einer Reise durch China – auf der Suche nach dem „Berg der Seele“. Es war dieses Werk, dass den Ausschlag für Gao Xingjians Auszeichnung mit dem Nobelpreis gab. Inzwischen ist der Roman auch auf Deutsch erhältlich, ebenso wie „Das Buch eines einsamen Menschen”, das Gaos Erfahrungen während der Kulturrevolution verarbeitet. Ungeachtet der literarischen Qualität Gao Xingjians hielten viele westliche Beobachter der chinesischen Literaturszene ihn für die falsche, auch politische motivierte Wahl. Mindestens ebenso verdient hätte die Auszeichnung Mo Yan, der nach mehr als 30 Jahren künstlerischen Schaffens nun als einer der anerkanntesten und originellsten Autoren chinesischer Sprache gilt. Obwohl zuweilen schneidend satirisch und den chinesischen Verhältnissen alles andere als unkritisch gegenüber, versteht er sich vor allem als Schriftsteller, als Geschichtenerzähler. Von ihm stammt unter anderem die Romanvorlage des Zhang Yimou Films „Das rote Kornfeld“, und die ebenso skurilen wie eigenwilligen „Schnapsstadt“ und „Der Überdruß“. Letzter Roman erzählt die Geschichte eines in den 1950er Jahren hingerichteten Großgrundbesitzers, der in wechselnden Reinkarnationen als Schwein, Esel, Affe und Stier die letzten 50 Jahre der chinesischen Geschichte erlebt und beschreibt. Auch wenn die meisten der Romane Mo Yans in der Vergangenheit spielen, lernt der Leser mindestens genausoviel über das moderne China – aber eben durch den literarischen Spiegel, eine Qualität, die vielen der im Westen so gelobten „politischen“ Werke abgeht. Für das Nobelpreiskommitee war er wohl nicht politisch genug.
Sollte in der nahen Zukunft wieder ein Chinese den Literaturnobelpreis bekommen, so wäre Ma Jian ein heißer Kandidat. Mit „Peking Koma“ legt er eine literarisch ambitionierte Chronik der Studentenbewegung von 1989 vor, aus der Perspektive eines seit 20 Jahren im Koma dahinvegetierenden Studentens. Und sein Reisebericht „Red Dust“, die Geschichte einer mehrmonatigen Wanderung durch das Reich der Mitte, ist so ziemlich das Beste, was in den letzten 20 Jahren in China geschrieben wurde. Für Chinainteressierte ist es zudem das ideale Einstiegsbuch, das sich auch ausgezeichnet auf einer langen Zugfahrt durch das Reich der Mitte lesen lässt. Wer den Sichuan und den Yangzi bereist, sollte sich „Der Berg der Seele“ ins Gepäck legen. Und Mo Yans Bücher passen eigentlich immer.

Literaturtipp:
• Ma Jian „Red Dust“, Schirmergraf (März 2009) ISBN: 978-3865550637
• Gao Xingjian „Berg der Seele“, Fischer (November 2006) ISBN: 978-3596152506
• Mo Yan „Der Überdruss“. Horlemann (Mai 2009) ISBN: 978-3895022722
• Wang Shuo: „Oberchaoten“ Diogenes Verlag (2001) ISBN: 978-3257232622

Ein Abschluss mit Superlativen

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Shanghai, Shanghai, Shanghai

Shanghai in anderthalb Tagen ist eine Herausforderung, die wir ganz gut gemeistert haben, wie ich finde. Alt und neu, groß und winzig, hübsch und hässlich sind in dieser Stadt auf engstem Raum zu finden. Die Altstadt mit dem Yu-Garten im Herzen ist voller Touristen, Basargassen gehen über in kleine Hausviertel, in denen Wäsche und Stromkabel über die Straße gespannt sind und nur der Bauzaun daran erinnert, dass die Zeit hier nicht stehenbleibt und der nächste Wolkenkratzer schon längst im Modell des Stadtplanungsmuseum zu begutachten ist, während das benachbarte Shanghai Museum uns die nationale Kultur der letzten Jahrtausende näherbringt.

Schnell pulsiert das Leben in der Stadt und wir lassen uns treiben. Durch die East Nanjing Road, Chinas angesagter Shoppingmeile, am Paulaner vorbei im Xintiandi, wo traditionelle Shikumen in neugebauter Pracht erstrahlen, hinein in die Metro und hinauf auf die seinerzeit höchste Aussichtsplattform der Welt. Der Flaschenöffner wird demnächst als höchstes Gebäude Shanghais abgelöst, das Konkurrenzhochhaus nebenan ist schon so gut wie fertig. Mir gefällt der Blick Richtung Kolonialzeit und Bund besser als der nach Pudong. Vielleicht liegt es daran, dass am Fuße der Wolkenkratzer ein paar Vögel durch Seegrasbüschel flitzen – an einer winzigen Stelle rauschen die Wellen des Huangpu an den Uferstrand der Kanalmauer und erinnern daran, dass die Welt nicht nur aus Beton und Lichtermeer besteht.

Mit dem Transrapid und seinen leicht ruckeligen 431 Stundenkilometern zum Flughafen beenden wir die Superlative. Hinter uns liegen drei angefüllte Wochen, Städte und Dörfer, großartige Landschaften und gut 100 Kilometer Schluchtenwege, eine Maximalhöhe von 3.966 Metern und jede Menge neue Erfahrungen. Auf dem Heimweg reden wir schon von neuen Zielen. Wie hatte Gerd es einmal so schön formuliert – „nach der Reise ist vor der Reise“.

Steinwald

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Besichtigungstag am Naigu-Steinwald

Kunming steht im Zeichen des Baus. Die neue U-Bahn verwandelt die Stadt der Blumen in ein Gemisch aus Bauzäunen, Kränen und allerlei Zubehör. So klafft auch neben dem zentrumsnahen Camelliahotel eine tiefe Grube, was den Umzug des Hauses erklären dürfte. Ich möchte hier mal eine Reisewarnung aussprechen: das neuen Camellia hat längst nicht zu seiner alten Form gefunden und erinnert an einen der unzähligen „Kaderkästen“ des Landes, bitte erwartet nicht zu viel von Teppichen, Tapeten und Flair.

Den gestrigen Tag hatten wir vor allem im Auto verbracht, zweieinhalb Stunden Stillstand auf der Autobahn von Dali nach Kunming ohne erkennbaren Grund, auch das ist China. Die späte Ankunft in der Baustadt Kunming hat die Stimmung nicht gerade gehoben. So sind wir am Morgen etwas erschöpft und wollen uns wirklich nicht mit tausenden Chinesen den Großen Steinwald anschauen (der wegen des weit vorgezogenen neuen Eingangs mit riesigem Parkplatz und einer Schlange Elektroautos, die die Entfernung zu den Steinen für schlappe 25 Yuan/Person überbrücken, mittlerweile auch eine Reisewarnung verdient). „Den Naigu Steinwald will doch niemand sehen“, mault unser Fahrer, als er uns ein paar Kilometer weiter absetzen soll. Unesco-gefördert, hübsch angelegt und im Kombi-Ticket inklusive ist diese Stelle, die von den meisten Besuchern verschmäht wird. Wir jedenfalls mögen sie, und als die Sonne herauskommt und das Blumenmeer vor den bizarren Steinformationen bescheint, sieht die Welt schon wieder besser aus.

Drei Stunden haben wir unsere Fantasie spielen lassen und sind mit der Kamera bewaffnet durch die Felsen gelaufen. Wir hätten es sicher länger ausgehalten, aber wenn wir noch den Blumen- und Vogelmarkt in der „Old Street of Kunming“ suchen, letzte Souvenirs kaufen, eine Teezeremonie abhalten und nach dem Abendessen in traditionellem Hause durch die Fußgängerzone in Richtung Bett zurückschlendern wollen… Morgen stehen wir wieder um fünf Uhr früh in der Lobby, um den Bus zum Flieger nach Shanghai zu erwischen. Ab jetzt ruft die Großstadt. Shanghai ist eine ganz eigene Welt, nicht mehr wirklich China, für manche ein Schock, andere sind fasziniert… wir werden sehen.