Das Leben ist eine Baustelle

Goldenes Dreieck, 14.10. bis 08.11.2015

Von Mengla nach Mohan, 56 km, Wetter stabil….fast

Ich rufe dieses Jahr hiermit offiziell zum Jahr der Baustelle aus! In Bezug auf China, natürlich. Schon bei meiner Tour im Frühjahr diesen Jahres fühlte ich mich nahezu verfolgt von aufgerissenen, abgesperrten, aufgebohrte und sonst wie verrammelten irgendwie im Bau befindlichen Straßen.

Und nun geht das weiter! Die gesamte Tour heute eine einzige riesige Baustelle. Wir hatten also genügend Gelegenheit chinesische Baumaschinen und Bautechniken zu bewundern (siehe Fotos). Einmal war Xiao Ding, unser Fahrer, gar genötigt auf die Schnellstraße auszuweichen – unsere „Straße“ wurde von zwei verunfallten Wagen blockiert. Ein SUV hatte einen riesigen, mit Feldsteinen beladenen Laster gerammt. Oder andersherum. Wer weiß.

Eigentlich führte unser Weg durch eine wunderschöne Tropenwaldlandschaft, die allerdings manchmal unter einem Staubfilm verschwand, bzw. durch das Baugeschehen etwas in Mittleidenschaft gezogen, sagen wir gelichtet war. Dennoch begegneten uns unterwegs kaum (fahrende/uns überholende) Fahrzeuge. Meistens handelte es sich um den einen oder anderen Bagger, den man relativ problemlos passieren konnte. Was die Fahrt vergleichsweise angenehm machte.
Gegen Eins, knapp 13 km vor dem Etappenziel, gönnten wir uns eine ausgedehnte Mittagspause in einem kleinen Restaurant an irgendeinem Marktflecken, irgendwo in China. Kurz vor dem Ziel erwischte uns noch ein wahrlich tropischer Regenguss. Bei strahlendem Sonnenschein klatschte ein plötzlicher Schauer in dicken Tropfen auf uns nieder. Ein warmer Sommerregen, der uns erfrischte und ein wenig den Staub von der Reisekleidung klopfte.

Mohan entpuppt sich als hübsches, entspanntes Grenzörtchen. Das Hotel ist passabel und das Essen schmeckt. Wir verabschieden uns von Xiao Ding und Xiao Luo die uns eine Woche, René, Susann und Rüdiger z.T. schon fünf Wochen, begleitet und liebevoll für unser Wohl gesorgt haben.

Morgen geht es weiter. Nach Laos. Ein neuer Streckenabschnitt. Mit neuen Rädern. Eine neue Mitreisende wird sich zu uns gesellen. Zwei alte, lieb gewonnene werden uns bald verlassen. Gute Nacht!
PS.: Tine und Udo grüßen Dietmar, Klaus und Günther und wünschen Günther gute Besserung, damit er bald wieder mitradeln kann.


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Danke Niti!

Berg und Wasser , 04. bis 26.10.2015

102 abwechslungsreiche Kilometer von Pingle nach Huangyao. Hauptstraße, Nebenstraße, eine Ahnung von Radwanderweg; alles dabei!

Die Idee, die Reise Berg und Wasser um ein paar Etappen in Richtung Guangzhou zu erweitern, hatte Volker 2012. In jenem Frühjahr war er mit unserer Tour Hongkong-London in der Gegend unterwegs und fand sie äußerst reizvoll. Allerdings mussten noch ein paar Modifikationen am Streckenverlauf vorgenommen werden, das historische Örtchen Huangyao zum Beispiel lag in der Nähe und sollte eine weitere Übernachtungs- und Besichtigungsstation sein.

Zur Erkundung der neuen Abschnitte hatten wir im Herbst 2013 unseren Reiseleiter Niti dafür abkommandiert, der sich nach erfolgreicher Leitung der Reise Das Blaue China ohnehin in der Nähe befand.

Sein Auftrag damals: In Yangshuo einen Motorroller mieten, damit über Pingle und Huangyao nach Majiang rollern, um schöne Radelstrecken auszubaldowern und zu dokumentieren. Genau das hat er dann auch gemacht.

Seit gestern also folgen wir Nitis Spuren von 2013. Gestern gab es nicht viel zu folgen, es gibt quasi nur eine direkte Straße von Yangshuo nach Pingle. Die haben wir genau wir er genommen und für gut befunden. Landschaftlich nett und ziemlich wenig Verkehr.

Für die Strecke von Pingle nach Huangyao hingegen, also unserer heutigen Etappe, hätte es durchaus mehrere Alternativen gegeben. Und Niti hat die beste für uns gefunden! Angesichts der über hundert Kilometer und dem Passanstieg im letzten Drittel verlegen wir unsere bisherige Morgenroutine für Langetappen, also acht Uhr Frühstücken und neun Uhr Abfahrt, kurzerhand um eine Stunde nach vorne.

Die Ausfahrt aus Pingle zieht sich etwas, der Ort ist doch größer als gedacht. Aber nach knapp drei Kilometer sind wir auf der Hauptstraße und dann geht es so richtig ab. Nicht etwa der motorisierte Verkehr. Der ist zwar stark, jedoch nicht wirklich nervig. Nein, wir schnurren nur so dahin! Es ist ziemlich flach, die Straße gut ausgebaut und die Landschaft lädt kaum zu Fotostops ein. Wieder macht es mir viel Spaß in Formation zu fahren. Den anderen sichtlich auch.

Bei Kilometer 51 hat dieser etwas eintönige Spaß ein jähes Ende. Dort gibt es eine Abzweigung, rechts ab von der Hauptstraße und rein in eine Nebenstraße. Die ist so unscheinbar, dass die ersten aus der Gruppe daran vorbei rauschen und ich sie gerade so noch zurück pfeifen kann. Mein mit Nitis Aufzeichnungen gefüttertes Navi signalisiert nämlich plötzlich „Rechts abbiegen!“

Und plötzlich befinden wir uns im Radfahrerpardies! Etwas holprig auf den ersten Kilometern, danach aber bestens asphaltiert, fahren wir durch eine Bilderbuchlandschaft. Auf leicht hügeliger Strecke rollen wir dahin und haben die Straße so gut wie für uns alleine. Wie auf einem gut ausgebauten Radwanderfernweg. Den wenigen Autos und Motorrädern, die uns entgegen kommen oder uns überholen, sind wir geneigt zuzurufen, sie mögen doch bitte von unserem Radweg verschwinden. Ansonsten fahren wir viel nebeneinander, unterhalten uns und genießen die Gegend in vollen Zügen.
Herzlichen Dank, Niti, dass du eine so schöne Route für uns erkundet hast!

In einem kleinen Dorf hat Xiao Yang eine Garküche aufgerissen. Wahrlich nicht auf Durchreisende eingestellt, schon gar nicht auf durchreisende Langnasen. Trotzdem werden gebratene Nudeln serviert. Dauert etwas, aber die Dorfjugend (12 Jahre alt und abwärts) soll ja auch ihren Spaß an uns haben.

Bei Kilometer 75, nach dem Überqueren einer Brücke, treffen wir wieder auf eine Hauptstraße. Also breiter ausgebaut und mit mehr Verkehr. Aber alles noch im grünen Bereich was den Verkehr betrifft. Nun wieder ein paar mehr motorisierte Fahrzeuge, aber wirklich nur ein paar.

Dann der angedrohte Passanstieg ab Kilometer 82. Weniger wild als befürchtet und bereits nach schlappen acht Kilometern mit durchschnittlich 5% Steigung stehen wir vor dem Tunnel, welcher den Pass unterhöhlt. Wir flutschen hindurch, am anderen Ende eine rasante Abfahrt und einige Kilometer später halten wir vor dem Eingangstor von Huangyao, um weitere Gruppenfotos zu knipsen.

Wiederum einen Kilometer später sind wir im Ort selbst, aber die anschließende Fahrt zu unserem kleinen Boutiquehotel gestaltet sich nochmals kreativ. Erst um 18:30 Uhr sind wir eingecheckt, frisch gemacht und bereit für eine Altstadterkundung. Huangyao hat nämlich noch ganz viel Altstadt, deswegen sind wir hier her gekomen. Arg viel sehen wir jedoch nicht davon, unternehmen noch eine kleine Bootsfahrt und dann bricht auch schon die Dämmerung an. Die in diesen Breitengraden ungefähr 15 Minuten dauert, danach ist es stockeduster. Macht nichts, morgen ist ja auch noch ein Tag.

PS: Fast vergessen, heute haben wir tatsächlich einen Wasserbüffel gesehen! Genauer gesagt eine Wasserkuh mit ihrem Wasserkalb. Ein Foto von ihr anbei. Wasserbüffel sind also noch nicht ganz ausgestorben. Hoffentlich waren sie nicht die letzten ihrer Art 🙁


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Im Auge des Drachen

Zwei Räder – Zwei Städte, 10. bis 24.10.2015

Eine kurze Geschichte der Geomantik

Meine profane Einstellung zu Fengshui hatte ich der Gruppe schon in Peking erklärt:
Im Norden waren die Barbaren, aus Westen kamen die Sandstürme. Daher waren diese Himmelsrichtung schlecht.
Im Osten geht die Sonne auf und der Süden bringt warmes Wetter. Diese Himmelrichtung gelten folgerichtig als gut.

Was macht man nun als aufgeklärter Skeptiker mit dieser Geschichte:

Im Herzen Shanghais, dort wo die Yanan Lu und der Innere Ring aufeinander treffen, baute man vor fast zwanzig Jahren ein Viadukt, eine gewagte Konstruktion mit vier Ebenen. Zweimal wähnte man sich schon dem Erfolg nah, aber die tragende Säule in der Mitte gab nach. Folgerichtig (aus dem chinesischen Blickwinkel) fragte die Bauleitung dann einen Fengshui-Meister, einen Geomanten also, was denn schief laufe.

Dieser schaute sich die Baustelle an und entschied: Unter dem Viadukt lebte ein Drache, und die tragende Säule stünde direkt im Auge des Drachen. Erleichtert errichtete die Bauleitung nun den tragen Pfeiler als Drachensäule (s. Bild) und das Viadukt hielt (und hält bis heute, was in China durchaus keine Selbstverständlichkeit ist!).

Ein halbes Jahr später starb der Fengshui-Meister. Er hatte das Geheimnis des Drachen verraten!

Shanghai ist voller Geschichten wie dieser, und so begeben wir uns heute, zusammen mit unseren Eintagsradlern Anke und Dennis, eine freundliche Leihgabe der Tour „Chinesische Landpartie“, auf Spurensuche.

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Von früh bis spät

Goldenes Dreieck, 14.10. bis 08.11.2015

Von Menglun nach Mengla, 95 km, Königsetappe

Heute fahren wir mit der Sonne los. Es dämmert gerade als wir uns alle vor dem Hotel treffen. Zum Frühstück gibt es, wie gestern auch schon, Nudelsuppe. An der Straße. Pünktlich um Acht brechen wir vom Frühstück auf. 95 km mit drei heftigen Anstiegen stehen an.

Es ist neblig trüb und nieselt leicht durch die Blätter des Tropenwaldes durch den sich unsere Straße schlägt. Immer wieder wir diese üppige, wilde Vegetation von Bananenfeldern und Kautschukplantagen unterbrochen.

Den ersten Pass bereitet uns vergleichsweise wenig Mühe und so entschließen wir uns, vielleicht etwas voreilig, das Mittagessen erst nach dem zweiten Pass, also nach weiteren 35-40 km einzunehmen.

Frohen Mutes machen wir uns auf den. Die Abfahrt ist super und auch superschnell vorbei, leider. Jetzt kommt der zweite Anstieg und mit ihm eine endlos lange Baustelle und die Sonne, die es nun endlich geschafft hat, durch die Wolken zu brechen und die nun für den Rest des Tages erbarmungslos auf uns nieder scheinen wird.

Eine weitere Abfahrt und eine Dorfschänke, wo wir, ganz unchinesisch, gegen halb Vier
zu Mittag essen. Und noch ein Anstieg. Ein gemäßigter. Allerdings stecken uns schon 75 km mit zwei heftigen Anstiegen in den Knochen und das macht sich bemerkbar. Die Mühen werden durch einen phänomenalen Ausblick am Passpunkt belohnt.

Allerdings fährt sich René noch kurz vor der Bergankunft einen Platten ein. Aber auch der ist mit Hartmuts Hilfe vergleichsweise schnell behoben und wir machen uns an die letzte Abfahrt des Tages, die uns direkt ins Hotel führt.


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Wie ausgestorben

Berg und Wasser , 04. bis 26.10.2015

Vormittags zum freien Vergnügen in Yangshuo, am Nachmittag gemütliche 28 Kilometer nach Pingle. Sommersonnig.

In den 20 Jahren ihres Bestehens wurde die Tour Berg und Wasser immer wieder modifiziert. Wie bereits geschrieben kam ab dem zweiten Termin die Bergarbeitersiedlung Siding als Übernachtungsort hinzu und musste später mangels adäquater Übernachtungsmöglichkeiten wieder gestrichen werden. Die ersten Jahre unternahmen wir noch einen Tagesausflug zu heißen Quellen in der Nähe von Longsheng, bevor dieser durch die Reisterrassen um Pingan ersetzt wurde.

Die letzte Überarbeitung hatten wir 2013 vorgenommen. Bis zu diesem Jahr endete die Tour in Yangshuo bzw. Guilin, danach erweiterten wir die Strecke hinter Yangshuo um gute 350 Kilometer in Richtung Guangzhou, also nach Südosten. Da ich die Tour das letzte mal 2004 gefahren war beginnt ab heute auch für mich Neuland und ich beende hiermit den Retroblog.

Dass sich China in den letzten 20 Jahren rasend schnell verändert hat muss ich wohl kaum schreiben, das dürfte allgemein bekannt sein. Vor 20 Jahren war China noch ein 3.-Welt-Land, heute hat es die Schwelle zur Industrienation bereits überschritten. Den Chinesen gönne ich die Modernisierung und den damit verbundenen Wohlstand von ganzem Herzen, nie ging es der chinesischen Bevölkerung so gut wie heute!

Allerdings gibt es dabei einen ganz großen Verlierer, wie ich allgemein auf meinen letzten Reisen in China und auf dieser besonders feststellen musste: der Wasserbüffel. Das Arbeitstier ganz Südostasiens schlechthin war gerade in der Region Guilin massenhaft anzutreffen. Der Wasserbüffel gehörte mit zur Landschaft wie die allgegenwärtigen Karstkegel. Entweder einzeln eingespannt vor dem Pflug im Reisfeld, meist aber im Herdenverband grasend oder im Wasser suhlend waren die recht trägen Kolosse überall zu sehen und verströmten eine Gelassenheit, die Ihresgleichen sucht. Dieses Jahr allerdings suche ich sie, die Wasserbüffel, vergeblich. Meine Teilnehmer behaupten schon einen gesehen zu haben, aber ich noch keinen einzigen seit unserer Ankunft vor 13 Tagen. Mir kommt es vor, als wären die Wasserbüffel bereits ausgestorben. Wie schade, denn Wasserbüffel sind meine absoluten Lieblingstiere 🙁

Wie ausgestorben schien auch unser heutiger Übernachtungsort Pingle.

Angesichts der nur weniger als 30 Kilometer langen und dazu noch ziemlich flachen Etappe hatten wir uns den Vormittag frei gegeben, um Yangshuo auf eigene Faust unsicher zu machen. Die Gruppe versammelte sich erst um 12 Uhr wieder und traf bereits um 14 Uhr in Pingle ein. Über Pingle hatte ich mich im Vorfeld der Reise kaum informiert und war irgendwie davon ausgegangen, dass es ein ziemlich kleiner, unintessanter Ort ist. Jedoch weit gefehlt, schon die Fahrt vom Ortseingang bis zu unserem Hotel zog sich über fast drei Kilometer hin, und dass die Stadt noch viel größer ist sollten wir erst am nächsten Tag bei der Ausfahrt erleben.

Ankunft wie gesagt um 14 Uhr, Schmutzbier in der Lobby vom Hotel und um 16 Uhr Abmarsch zur Ortsbesichtigung. Zu sehen gäbe es in Pingle nichts, sagt mir die Dame an der Rezeption. Umso besser, schlendern wir einfach ziellos umher!

Heute ist Sonntag. In einer Ortschaft vergleichbarer Größe wie Pingle in Deutschland könnte man auch Tote-Hose-Tag dazu sagen. Alle Läden dicht, keiner auf der Straße, jeder fest eingeschlossen in seinem Eigenheim. In China hingegen erkennt man einen Sonntag daran, dass noch mehr Menschen auf den Straßen sind. Behörden, Büros, Banken und die meisten Fabriken haben zwar Ruhetag, aber Geschäfte und Restaurants sind in China fast 365 Tage im Jahr geöffnet. Die am Sonntag arbeitsfreie Bevölkerung nutzt den Tag somit zum ausgiebigen Shoppen. Scheinbar nicht so in Pingle, auf unserem Rundgang durch Hauptstraße und Nebengässchen begegnen uns nur vergleichsweise wenige Menschen.

Wir flanieren über eine erst in den letzten Jahren angelegte Uferpromenade des Gui Flusses und entdecken anschließend doch noch so etwas wie eine Altstadt. Jedenfalls ein paar Bauten aus der prärevolutionären Zeit. Aber fast wie ausgestorben.

Abendessen im Restaurant gegenüber vom Hotel. Wir sind die einzigen Gäste, auch hier fast wie ausgestorben. Allerdings hatte am Nachmittag eine Hochzeitsgesellschaft im Restaurant getobt. Der strenge Geruch von chinesischem Schnaps lag noch in der Luft und bei unserer Ankunft am Nachmittag im Hotel sahen wir das Empfangskomitee für die Hochzeitsgäste vor dem Restaurant.

Vielleicht ist Pingle gar nicht so ausgestorben, sondern man klappt einfach nur recht frühzeitig die Bürgersteige hoch und sagt dem Tag gute Nacht? Vielleicht sollten wir das nächste Mal doch schon vor dem Mittagessen hier eintreffen? Vielleicht tanzen so früh auch noch Wasserbüffel durch den Ort? Ich muss unbedingt nochmal wiederkommen um das herauszufinden!


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Alle Wetter

Goldenes Dreieck, 14.10. bis 08.11.2015

Von Ganlanba nach Menglun, 42 km

Vorm Fenster plätschert ein Bach und Grillen zirpen, sonst dringt kein Geräusch durch die laue Nachtluft an mein Ohr. Heute habe wir eine angenehme 40 km Etappe mit einigen undramatischen Anstiegen hinter uns gebracht.

Doch von Anfang an. Als ich heute morgen erwache plätschert es auch. Allerdings sind es nicht die Geräusche eines sanften Bächleins sondern ein mittelstarker Regenschauer, der mich aus dem Schlaf trommelt. Gedämpfter Stimmung begeben wir uns zum Frühstück, ganz chinesisch – ein großer Pott Nudelsuppe und einige Portionen Teigtaschen. Bis unsere ganze Gruppe versorgt ist, dauert es eine Weile und als wir fertig gegessen haben, hat auch der Regen etwas nachgelassen, als wir aufs Rad steigen hat er gänzlich aufgehört.

Der Regen hat uns allerdings eine angenehme Radeltemperatur verschafft. Nun geht es über recht ruhige Strassen immer geradeaus gen Menglun. Wir passieren Bananen-Plantagen, Ansiedlungen der Dai mit ihrer typischen Holzarchitektur, oder dieselbe nachgebildet in Backstein, Ananas-Felder, Bananen-Plantagen, Bananen-Plantagen und Bananenplantagen. Wo mal keine Bananen wachsen oder Kautschuk kultiviert wird, bekommt man einen Eindruck von der Üppigkeit und Manigfaltigkeit der hiesigen Vegetation. Z.B. im Botanischen Garten, den wir heute besuchen werden.

Der Botanische Garten ist die Attraktion hier, und das mit recht. Überall blüht und duftet es. Wir haben uns für eine Rundfahrt im Elektro-Wagen mit gelegentlichen Zwischenstops entschieden. Mit unserer Ankunft in Menglun ist die Sonne durch die Wolken gebrochen und bretzelt heftig auf uns nieder. Umso mehr geniessen wie den Fahrtwind und den Schatten der großen Bäume. Mit uns „wandelt“ eine große Gruppe reiselustiger Chinesen aus der Provinz Sichuan durch den Park. Sehr zum Vergnügen von Eckart und Frank, die sich mit der ein oder anderen Dame ablichten lassen. Es wird fotografiert und gepost was das Zeug hält. Als eine etwas beleibte Mittvierzigerin sich dann daran macht, eine Palme zu erklimmen, schreitet die betreffende Reiseführerin ein und gebietet Einhalt.

Am Ende unserer Fahrt entdecken wir noch eine schattig gelegene Terrasse. Wir trinken Tee, Kaffee, leckere frische Säfte während der Nachmittag langsam in einen goldenen frühen Abend übergeht.
Ausklingen lassen wir den Tag in dem Restaurant unseres kleinen familiären Hotels. Eigentlich eher eine große verandaartige Terrasse. Das Essen ist köstlich und am Ende gönnen sich Rüdiger, Susann und René eine Selbstgebrannten zur Verdauung.


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Shanghait

Zwei Räder – Zwei Städte, 10. bis 24.10.2015

Pedalflanieren unter Platanen

Wir sind gefangen! Shanghait sozusagen.

Also nicht abgefüllt und gegen unseren Willen auf ein Schiff verbracht. Sondern genuin angefixt von dieser Stadt. Was auch am Wetter liegt.

Habe ich schon erwähnt, dass wir seit Beginn der Reise perfektes Wetter haben?

Vier Tage und fünf Nächte in Shanghai! Da stellt sich die Frage, was als Erstes tun!?

Nicht lange nachdenken, rauf auf’s Rad und der Langnase nach. Also mir. Vor zwei Jahren habe ich diese Tour erkundet und freue mich nun, wieder durch das Labyrinth von Platanen bestandenen Alleen zu radeln. Im Vergleich zu Peking ist Shanghai, vor allem in der Innenstadt, viel kleinteiliger.

Ab und zu unterqueren wir eine aufgeständerte Ausfallstraße. Ansonsten geht es zweispurig zu, mit zwei schmalen, markierten Radwegen in jede Richtung. Auch wenn es an den Kreuzung zuweilen abenteuerlich zugeht: Es lässt sich gut fahren, in Shanghai! Und meine Gruppe ist sowieso schon auf den chinesischen Fahrstil geeicht und meistert die Stadt wie schon in Peking mit Bravour!

Unsere Stadterkundungstour führt uns zum Jadebuddha-Tempel, dann den Suzhou-Fluss entlang zum Bund, der berühmten Uferzeile mit dem Blick auf die alte und neue Skyline. Zwischendrin machen wir noch Pause in meinem Shanghaier Lieblingsrestaurant, einer Kongfu-Kneipe mit einfacher aber schmackhafter Küche. Dann ignorieren wir die „Radfahrer-verboten“-Schilder und fahren den Bund entlang.

Im weiten Bogen geht es dann zurück zum Hotel. Etwas drei Kilometer davor säumen wieder Platanen den Weg. Wir sind wieder in der ehemaligen französischen Konzession. Man kann von der Kolonialgeschichte halten, was man will: Hier haben die Franzosen einmal etwas Sinnvolles hinterlassen!

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Yangshuo, mein Yangshuo

Berg und Wasser , 04. bis 26.10.2015

Knapp 30 Kilometer in die Umgebung am Vormittag, Freizeit am Nachmittag.

Jetzt mal eine ganz weite Rückblende.

In den 1980er Jahren war Yangshuo ein verschlafenes Nest, idyllisch am Ufer des Li Flusses inmitten der Karstkegel gelegen, dazu noch mit reichleich alter Bausubstanz. Und somit der ideale Ort für ausländische Backpacker auf der Flucht vor dem damals schon recht touristischen Guilin. Die notwendige Infrastrucktur war schnell geschaffen, in der mit Naturstein gepflasterten Hauptstraße, der West Street, eröffneten kleine Kneipen und Restaurants, in denen es Banana Pancakes und gekühltes Bier für die hungrigen und durstigen Rucksacktouristen gab.

Bei meiner ersten Reise durch China, 1988/89, waren Kühlschränke dort noch ein Luxusgut. Kaum ein Restaurant hatte einen, und wenn, dann um Lebensmittel haltbar zu lagern. Nicht jedoch Bier kalt zu stellen. Sehr zum Leidwesen verwöhnter Langnasen. Die Ausländercafés in Yangshuo wussten von unserer Not, rüsteten Kühlschränke nach und eines von ihnen warb sogar mit dem „Coldest beer in town“. Selbstredend sind wir dort eingefallen wie die Heuschrecken. Aber nur ein mal, denn das kälteste Bier der Stadt war nicht nur kalt, sondern tiefgefroren. Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis aus der Flasche ein Tropfen floss. So lange wollten wir zukünftig nicht mehr auf unser Erfrischungsgetränk warten und mieden die Kneipe fortan.

Legendär war auch das Meiyou Café. „Meiyou“ heißt so viel wie „gibt es nicht“, „haben wir nicht“, „wollen wir nicht“ oder auch „ich habe jetzt absolut keinen Bock für dich irgend etwas in Bewegung zu setzen“ und war damals eine Standardantwort auf viele Fragen. Zugticket für morgen? Meiyou! Günstiges Hotelzimmer? Meiyou! Gebratener Reis? Meiyou! Kaltes Bier? Meiyou! Meiyou war die Floskel, die jeder ausländische Rucksacktourist als erstes lernte, wenn er damals nach China kam. Leider oft auch die einzige. Im Meiyou Café gab es kein Meiyou, daher der Name.

1994 war ich dann das zweit mal in Yangshuo. Kleine Chinarundreise mit den Eltern während meines Studienjahrs in Chengdu. Das Städtchen hatte sich seit meinem ersten Besuch nicht groß verändert und war noch immer eine Hochburg für ausländische Rucksacktouristen. Hinzugesellt hatten sich lediglich ausländische Pauschaltouristen, aber die waren nur auf Durchreise. Die Fahrt auf dem Li Fluss von Guilin nach Yangshuo hatte sich nämlich im Programm der Pauschalreiseanbieter etabliert, man wurde in Massen nach Yangshuo geschippert, kurz durch den Ort getrieben und anschließend in Bussen wieder zurück nach Guilin gekarrt. Auch das hat sich bis heute kaum geändert.

Aber dann kam der innerchinesische Tourismus. Mit dem chinesischen Wirtschaftswunder, welches etwa zur Jahrtausendwende so richtig an Fahrt gewann, kam auch der inländische Touismus. Die Leute hatten plötzlich so viel Geld und Freizeit wie nie zuvor in ihrer Geschichte und beides, sowohl das Geld als auch die Zeit, mussten ausgegeben werden. Und was den Ausländern recht ist, ist den Chinesen billig.

Yangshuo änderte sich binnen weniger Jahre von einer Hochburg für langnasige ausländische Backpacker zu einer Hochburg für kurznasige chinesische Touristen. Chinesische Touristen zählt man nicht wie ausländische Rucksackreisende im Dutzend, sondern mindestens in Hunderttausend. Dementsprechend wurde Yangshuo ausgebaut. Die einst recht idyllische West Street ist inzwischen eine Fußgängerzone, durch die sich die Massen an Besuchern vorbei an einem Touristenshop nach dem anderen wälzen. Dem Ansturm nicht gerecht werdend hat man die Seiten- und Parallelstraßen gleich entsprechend mit saniert. Rothenburg ob der Tauber, Chinese Version.

So präsentiert sich Yangshuo, mein Yangshuo, im Jahre 2015.

Was es seit meinem ersten Besuch 1988 noch immer gibt sind Leihräder. Für Ausflüge in die wunderschöne Umgebung. Man mietet sich ein Rad und fährt einfach drauf los. Über Straßen, Feld- und Schotterwege, frei nach Schnautze und der Nase nach und irgendwann landet man dann wie durch ein Wunder immer wieder in Yangshuo. Anfangs waren es nur die Ausländer, die sich durch die Landschaft kurbelten. Die ersten chinesischen Touristen mieden das Fahrrad, sie konnten sich endlich mal einen Urlaub leisten und wollte diesen nicht auf dem Transportmittel für arme Leute verbringen.

Inzwischen ist es aber auch unter Chinesen Hipp geworden ein Fahrrad (oder gar ein Tandem, Chinesen reisen bevorzugt in Gruppen) auszuleihen für einen kleinen Trip aus der Stadt heraus. Zum Beispiel in Richtung Mondberg, acht Kilometer südlich von Yangshuo. Die Strecke dort hin ist inzwischen so populär geworden, dass man die Straße, die zu „meiner“ Zeit noch ein Schotterweg war, nicht nur bestens asphaltiert hat, sondern momentan dabei ist sie mit breiten, rot markierten Fahrradwegen rechts und links abzuteilen (siehe Foto unten). Ganz nach europäischem Vorbild. Das dürfte wohl der erste Radwander„fernweg“ in ganz China sein.

Der Mondberg war auch einer unserer Ziele für den heutigen Halbtagesausflug. Nach einem Frühstücksbuffet beim Paulaner in der West Street, ohne das Bier aber trotzdem unter deutscher Führung, sattelten wir die Rösser und folgten den Massen auf besagtem Radweg Richtung Süden. Dass wir nicht die einzigen Radfahrer auf der Strecke sein würden war mir vorher schon klar. Aber dass dabei fast ein Gefühl wie bei der jährlichen Fahrradsternfahrt in Berlin, die mit jährlich um die 250.000 Teilnehmer größte Fahrraddemo der Welt, aufkommen sollte, damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet.

Zugegeben, ganz so schlimm war es nicht. Jedoch befürchtete ich bei Kilometer fünf noch, dass sich diese Massen auch mit uns gemeinsam zum Mondberg hochwälzen würden. Weit gefehlt, die Masse bog einen Kilometer vor dem Mondberg rechts ab. Dort hatte man in meiner Abwesenheit zwei weitere Karstkegel touristisch erschlossen. Im Vorbeifahren sahen wir zum Beispiel eine Hängebrücke, welche die beiden Berge miteinander verbindet.

Schließlich am Mondberg angekommen waren wir so gut wie unter uns. Ich war baff erstaut. „Warum kommt denn kaum noch jemand hier her?“ frage ich den Parkplatzwächter. „Die Leute wollen nicht mehr so viele Treppen steigen“ ist seine knappe Antwort. Aha. Der chinesische Durchschnittstourist ist also noch immer ein Faultier. Ein wenig mit dem Fahrrad fahren geht inzwischen, aber danach bitte nicht noch mehr körperliche Anstrengungen!

Der Aufstieg zum Mondberg, immerhin 170 Höhenmeter über teilweise steile Treppen, ist wahrlich keine Angelegeneit für Stöckelschuhe und einen flachen Atem. Aber in etwa 20 Minuten zu schaffen. So lange haben wir jedenfalls gebraucht. Der Mondberg ist ein Zuckerhutkegel mit Durchschuss, einem Loch in der Form einer Halbmondsichel noch vor dem Gipfel. Daher auch der Name. Zu sehen in der Galerie dort unten.

Im Durschschuss und dahinter hat man einen netten Ausblick auf die Umgebung. Soweit der Dunst es eben zulässt. Die Gegend hier ist überwiegend feucht und warm, daher beschränkt der Dunst an geschätzten 353 Tagen im Jahr die Sichtweite. Heute hatten wir eher einen der besseren Tage erwischt.

Abstieg vom Mondberg und weiter auf zwei Rädern. Wie bereits geschrieben führen alle Wege zurück nach Yangshuo. Ich hatte geplant, dass wir uns auf irgendwelchen Nebenpfaden zurück in die Stadt schlagen statt wieder die Hauptstraße zu nehmen. So ganz ist mir das nicht geglückt, denn nach einer wirklich schönen Runde, teilweise über Stock und Stein, teilweise auf gut betonierten oder asphaltierten Wegen landeten wir wieder um die Ecke vom Mondberg. Auch gut, immerhin kannten alle von dort den Weg zurück nach Yangshuo von selbst.

Das war unsere Vormittagsbeschäftigung. Der Nachmittag war zum freien Vergnügen. Wiedersehensfreude am Abend zum gemeinsamen Nachtmahl. Das haben wir wie gestern schon unter fast freien Himmel zu uns genommen und mit einer Gesangseinlage von unserem Fahrer Xiao Yang beendet.

Ach Quatsch, was schreibe ich denn da? Beendet haben wir den Tag auf der Dachterrasse unseres Hotels. Dort haben unsere Mädels noch ein wenig gesungen und wir uns allgemein köstlich amüsiert. Oder wie nennt man es sonst, wenn man noch ein Bier oder/und einen Schnapps kippt?

Yangshuo, mein Yangshuo! Dir habe ich eine weitere schöne Erinnerung in meinem Leben zu verdanken.


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Die Affen rasen durch den Wald…..

Goldenes Dreieck, 14.10 bis 08.11.2015

Von Xishuangbana nach Ganlanba, 48 km, sonnig

In der Morgenfrische sitzen wir im Café und warten auf unser morgendliches Mahl. Heute geht es richtig los und wir können ein reichhaltiges Frühstück, was uns Kraft spendet, gut gebrauchen. Zu unserer bisher recht überschaubaren Mannschaft haben sich nun noch Rüdiger, Susann und René aus Christians Cha-Gruppe hinzu gesellt. Die größte Herausforderung ist mal wieder der Kaffee, der von einem Großteil gewünscht wird.

Da passiert es plötzlich! Es pfeift – knallt und pfeift und schon ist mit Karacho eine Mini-Kokosnuss zwischen Svenjas und meinem Kopf durch gezischt. Ich glaube fast noch den Luftzug auf meiner Wange zu spüren. Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen verspeisen wir unser Müsli und begeben uns zurück zum Hotel, wo bereits die Räder abfahrbereit auf uns warten. Wir verstauen uns Gepäck im Begleitfahrzeug und verabschieden und von Christian und seinen Leuten und schwingen uns auf unsere Räder.

Zuerst geht es durch verstopfte Hauptstraßen, wobei wir ziemlich von den hierzulande zumeist gut ausgebauten Fahrradwegen profitieren und uns an dem Stau vorbeischlängeln. Irgendwann biegen wir in eine kleinere, recht ruhige Straße, gesäumt von Dai-Dörfern, Kautschuk- und Bananen Plantagen ein. Es radelt sich jetzt angenehm dahin. Xiao Luo und ihr Mann Xiao Ding versorgen uns mit wilden Bananen aus ihrem Bus.

Während einer Rast treffen wir auf ein Grüppchen Dai-Frauen, die an einem schattigen Plätzchen mit ihrer Handarbeit beschäftigt heimisches Gemüse anbieten. Eine von ihnen lädt uns ein, ihr Haus zu besichtigen. Stolz präsentiert sie uns die Schuldiplome ihrer beiden Töchter, die sie dekorativ an der Esszimmerwand angebracht hat. An der gegenüberliegenden Wand prangen gerahmte Konterfeis der Dame des Hauses, die sie an diversen bekannten chinesischen Urlaubsorten und Ausflugszielen zeigen.

Nach unserer Ankunft und einer kurzen Verschnaufpause geht‘s weiter in ein Dorf der Dai. Einer Volksgruppe, die im Raum Xishuangbana anzutreffen ist. hier verschnaufen wir etwas länger bei einigen Gläschen schwarzen Tees und erfrischen uns mit süßer Ananas und grüner Gurke. Nach einer kleinen Besichtigung machen sich unsere Mägen verstärkt auf unangenehme Weise bemerkbar. Ein Restaurant ist schnell gefunden. Und wir werden mit frisch zubereiteten Gemüsen zumeist aus dem eigenen Garten und leckerem gegrillten Fisch versorgt. Und frischen Kokosnüssen. In der selben Lokalität ist auch eine stark feierwütige Gruppe ortsansässiger Frauen und Männer abgestiegen. Es wird getrunken, gelacht und gesungen. Die Küche läuft auf Hochtouren….

In der Zwischenzeit ist der kleine zweijährige Sohn der Wirtin aufgetaucht, der ganz wild auf unsere (bereits) gelehrten Kokosnüsse ist und eine nach der anderen wegschleppt.

Es ist bereits dunkel als wir ins Hotel zurückkehren und ein schöner klarer sichelförmiger Mond begleitet uns.


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Dumpfmöse

Zwei Räder – Zwei Städte, 10. bis 24.10.2015

Fünf Stunden Bus, Fünf Stunden ICE (Harmony)

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„Shabi!“, ruft unser Fahrer. „Zao ni made!“

„Dunmpfmöse!“ „Fick Deine Mutter!“

Sein Schimpfwörterschatz ist so reichhaltig wie sein Fahrstil schlecht. „Alles Idioten, nur ich nicht!“, scheint er zu denken. Er wäre eine gute Besetzung für den Sketch: „Achtung, auf der A8 kommt ihnen ein Geisterfahrer entgegen!“ „Einer? Viele!“

Wir bremsen also virtuell mit und lernen Schimpfwörter. Wer auch immer die Mär von der chinesischen Höflichkeit in die Welt gesetzt hat, war noch nie in Peking. Hier wird an Genitales angelehntes Wortgut (eher Wortschlecht, Kalauer muss sein!) gebellt, dass es der Sau graust.

Wobei Dumpfmöse und Fick Deine Mutter eigentlich schon in den normalen Sprachgebrauch übergegangen sind. So eine Möse muss, rein linguistisch gesehen, auch gar nichts Schlechtes sein. Die Kuhmöse, also „Niubi“ auf Chinesisch, ist zum Beispiel die chinesische Entsprechung des deutschen „Geil!“. Kommt wohl irgendwie von „Chui Niu“, die Kuh aufblasen, beziehungsweise die Kuhhaut aufblasen, also „Niupi“, fast gleich ausgesprochen.

Jemand, der die Kuhhaut aufblasen konnte (um einen Fluss zu überqueren), war also ein Chui Niupi. Geblieben ist die Verbalhornung „Niubi“.

Warum ich das alles erzähle?

Richtig, heute ist Transfertag, und nicht viel passiert! Das würde unser Fahrer sicherlich anders sehen. „Wird nichts mehr, Mädchen!“, ruft er den verzweifelten Damen mit den viel zu hohen Stöckelschuhen zu, die versuchen, zwischen stinkenden Blechkisten doch noch ihren Zug zu bekommen.

Denn auch wenn das chinesische High-Speed-Rail-System grandios ist, wurde leider vergessen, die Bahnhöfe entsprechend auszustatten. Eine geschlagenen halbe Stunde brauchen wir von der Einfahrt zum Pekinger Südbahnhof bis zum Eingang. Was unseren Fahrer zu einer verbalen Mösenflut anspornt. Glücklicherweise sind wir aber rechtzeitig von der Chinesischen Mauer in Huanghua losgefahren und erreichen nach vier Stunden Fahrt tatsächlich die Eingangshalle. Vier Stunden für 60 Kilometer. Wenn sich irgendwo die Sinnlosigkeit des Autos als modernes Verkehrsmittel manifestiert, dann in China.

Im Bahnhof haben die Architekten dann leider die Wartesäle vergessen. Musste ja Platz für McDonalds UND Burger King sein und ein paar Dutzend überteuerte Geschäft mit Last-Minute-Geschenke-Tand. Aber immerhin: Am Südbahnhof erreicht man die Bahnsteige, ohne zuvor mehrere Treppenfluchten nach oben und unten gehastet zu sein.

Dann kehrt Ruhe und Entspannung ein. Ruhig und unspektakulär zieht der chinesische ICE mit konstanten 300 Stundenkilometern in Richtung Süden. Die Sitze sind bequem und die Klimaanlage wohl temperiert. Bester Beweis, dass die Chinesen den deutschen ICE nicht nur kopiert haben.

In Shanghai verbringen wir noch ein paar Minuten im Stau und drehen eine Extra-Runde durch die ehemalige französische Konzession, weil der Fahrer das Hotel nicht findet.

Um 21:15 sind wir dann endlich am Ziel, schmeißen unsere Koffer auf die gemütlichen Betten und haben Hunger.

Ich krame in meinem Gedächtnis nach einem geeigneten chinesischen Restaurant, das
1. Um diese Uhrzeit noch offen hat
2. Gut und günstig ist.

Denn die Gegend rund um die Hengshan Straße ist eher hip und schick. Die kleinen chinesischen Klitschen, die wir so lieben, sind hier eher selten.

„Pizza wäre auch OK!“, postulieren Anton und Heide.

„Ich hätte gerne Bratwurst mit Sauerkraut“, reißt Henning einen Witz.

Zehn Minuten später sitzen wir in der Shanghai Brewery zwei Straßenkreuzungen weiter und haben:
3x Pizza, 2x Margarita, 1x Pesto/Scampi
2x Deutsche Wurstplatte mit Sauerkraut

Dazu rotblondes Weizen aus der hauseigenen Brauerei.

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Auch das ist China!