Verbummelt

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Zu Gast beim Panchen Lama

Unser Wettermeister hat mal wieder recht gehabt: Die ganze Nacht hat es geregnet, jetzt ist es trübe, ab und an nieselt es.
Trotzdem raffen wir uns auf, verlassen unser gemütliches Hotel und wandern zum Tashilhunpo, Sitz des Panchen Lama. Lassen uns mit den Pilgern treiben, von Halle zu Halle, von Buddha zu Buddha. Mönche schöpfen Butter aus fast überlaufenden Kerzen, Novizen wienern die Treppen und Böden.Wieder und wieder. Summend, sich in den Hüften wiegend wird Opfergeld gezählt und geordnet. Irgendwann werden wir aus dieser Klostermaschine ausgespuckt wie aus einer riesigen Gebetsmühle. Der Kopf schwirrt von den vielen Wandelgängen, den unzähligen Buddhas und Bodhisattvas, den Gerüchen von Sandelholz, Yakbutter und Rauchwerk.

Der Regen ist stärker geworden und wir beschließen die Kora um das Kloster nicht zu laufen, sondern, durchgefroren wie wir sind, in einem Kaffee oder Teehaus Unterschlupf zu finden. Wir haben etwas Pech. In dem einen Laden gibt es die Törtchen, in dem anderen den Kaffee. Beides gemeinsam – Fehlanzeige.

Wir schlendern zurück in Richtung Hotel. Und das artet in einen regelrechten Einkaufsbummel aus. Zuerst entern wir einen örtlichen Markt, wo wir uns erstaunlicherweise noch ganz gut beherrschen können. Dann kommen die Klamottenläden mit feinen Mänteln und chicen Anzügen. Da beginnt es langsam gefährlich zu werden. Haushaltswarenläden mit Gummihandschuhen, nicht für den Abwasch, sondern die regenreichen Etappen, die laut Sven vor uns liegen. Obst- und Bäckerladen für den Proviant. Und dann: der Teeladen! Zuerst will man uns abwimmeln, aber da wir unsere Kaufabsichten klar und deutlich formulieren, kommen wir dann doch in den Genuss einer fachgerechten Teeverkostung. Mit vollen Blasen erreichen wir endlich gegen halb sechs das Hotel. Der Tag ist fast vorbei. Abendessen und dann noch ein Abstecher zum Friseur. Svens Haupthaar wir gekürzt und mir mal wieder eine Rita-Süßmuth-Gedächtnisfrisur verpasst. Na dann – Gute Nacht!

Print Friendly, PDF & Email

Mit einer dicken Lippe das Wetter im Nacken

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Ebene 92 km nach Shigatse

Sven ist unser Wetterfrosch. Bisher lag er bei jeder Vorhersage richtig. Nun sitzen wir im Hotpot-Restaurant in Gyantse schlagen uns den Bauch mit Wachteleiern, fein geschnittenem Rindfleisch, Pilzen, Nudeln und vielem mehr voll. Im scharfen Teil des Potts ist ordentlich Sichuanpfeffer drin – das macht die Nasen frei! Danach geht es zur Lagebesprechung ins Village Café. Und hier startet Sven seine Wetterankündigung für die kommenden drei Tage. Morgen sonnig-warm, die beiden Tage darauf Regen mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Und so soll es sein. Am kommenden morgen begrüßt uns schon der Sonnenschein und Susann mit einer dicken Lippe, wahrscheinlich der scharfe Hotpot von gestern?… Aber noch ist es empfindlich kühl und wir starten unsere Tour gut eingepackt. Mal wieder schnurstracks geradeaus die Straße lang. Es ist Erntezeit. Auf den Feldern wird Korn geschnitten und zu Puppen oder Haufen aufgeschichtet. In den Wassermühlen (eine besichtigen wir unterwegs)wird Hafer zu feinem Mehl gemahlen.

Im letzten Jahr hat wohl einer der Teilnehmer auf diesem Abschnitt einen Ast abgekriegt, deswegen zwingt mich Sam meinen Helm zu tragen. Wir liegen gut in der Zeit. Die Sonne scheint, nach und nach werfen wir unsere warmen Klamotten ab. Gottseidank fahren wir heute auf ebener Strecke und so artet das ganze nicht in so eine An-und-Auszieh-Orgie aus wie vor zwei Tagen.

Nach den Feldern kommen die Gewächshäuser und danach die Weidenhaine in denen Schäfchen weiden. Wir erstehen eine frischgeerntete Wassermelone als Nachttisch für das Nudelsuppen-Mittagessen. Entspannt gehts weiter. Sonne, Felder, Viehweiden, und alles noch mal von vorn. Ein laues Lüftchen geht. Dann wird die Landschaft karger und der Himmel dunkler. Wenn wir nach links schauen, können wir das Wetter sehen. Der Wind wird stärker, Sand wirbelt auf, dringt in alle Ritzen. Es knirscht im Mund. Wir kämpfen gegen den Wind. Wir fahren dem Wetter davon.

Eingestaubt, schmutzig aber froh kommen wir in Shigatse an. Heute haben wir uns das Schmutzbier im wahrsten Sinne des Wortes verdient!

Print Friendly, PDF & Email

Wie die Tauben auf dem Dach

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Gammeltag in Gyantse

Von unserem Höhenflug in Höhen von über 5000m sind wir zurück und sanft auf knapp 4000m gelandet. Nach den Anstrengungen der letzten beiden Etappen steht nun ein Ruhetag an. Bestes Wetter, alles blüht, alles ist entspannt. Hier in Gyantse ist nichts zu spüren von dem kurz bevor stehenden 70. Geburtstag der Volksrepublik. Naja Fahnen und Banner wie überall. Aber keine Touristenmassen, weder ausländische noch chinesische, die sich durch die Sehenswürdigkeiten wälzen.

Wir entschließen uns die Fahrräder stehen zulassen und den Ort zu Fuß zu erkunden. Auf der Einfahrt haben wir schon das majestätisch über der Stadt thronende alte Fort erblickt und das haben wir uns als Ziel auserkoren. Immerhin ist es die einzige noch erhaltene Befestigungsanlage Tibets. Durch einen kleinen Park gelangen wir quasi hintenrum zum Tickethäuschen, wo die schläfrige Dame wohl den Umsatz des Tages mit uns macht, denn wir sind und bleiben in den folgenden 2 Stunden die einzigen Gäste der Anlage. So erklimmen wir die steilen Türme aus dem 13 Jahrhundert völlig ungestört. Einst wachte die Festung über die Handelsroute von Nepal, Sikkim und Bhutan nach Lhasa, heute scheint sie im Dornröschenschlaf zu liegen.

Von der höchsten Turmspitze haben wir einen phantastischen Rundumblick über die ganze Ebene und die imposante Klosterstadt Pälkhor Chöde. Dann steigen wir von den hohen Zinnen, spazieren durch die Altstadt mit ihren weißgetünchten Häusern bis zu den Toren des Klosters. Überall lehnen Hafergarben zum trocknen an den Häusern. Hie und da ein Kälbchen oder ein Lamm dösend in der Sonne. Wir dösen auch, aber mit leckerem Eis, dann trennen wir uns: Andrea und Ulrich erkunden auf eigenen Faust die Stadt, Sven, Susann, René und ich betreten Pälkhor Chöde.

Print Friendly, PDF & Email

Von klaren Bergseen und schneebedeckten Wipfeln

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019
104 km nach Gyantse und mit dem Wetter hatten wir auch Glück

Es ist kalt heute morgen, gerade mal 0°C. Unter strahlend blauem Himmel fahren wir den schneebedeckten Gipfeln entgegen. Die Beine sind noch schwer von der gestrigen Etappe. 23 km fahren wir stetig bergauf, dann haben wir den Karo La Gletscher erreicht. Außer uns verkrümeln sich in der Weite der Landschaft noch ein Paar andere Touristen und eine Schafherde samt Schäfer. Wir stiefeln in Richtung Gletscher los. Nur Uli und Sven schwingen sich motiviert aufs Rad. Sven hält allerdings bei einem großen Stein und läßt sich da gemütlich in der Sonne nieder. Uli bleibt vor der Geröllhalde stehen und Susann sucht nach Amethysten und findet einen schönen Quarz. René und ich steigen die Halde hinauf. Auch hier finden sich überall gestapelte Steintürmchen. Oben angekommen, wissen wir, daß sich die Mühe gelohnt hat. Vor uns breitet sich ein klarer See aus, am gegenüberliegenden Ufer ist uns der Gletscher so nah wie nie. Wir fragen uns allerdings was die beiden Bojen im See zu bedeuten haben. Geht man hier etwa in eiskaltem Wasser auf fast 5000 m Höhe baden? Freiwillig? Das ist ein Rätsel und wird es auch bleiben.

Beine vertreten ist gut, doch es liegen noch 80 km Radetappe vor uns und etwa 5 km fehlen uns noch zum Pass, der heute erstmalig knapp über 5000 m liegt. Nachdem wir das geschafft haben, haben wir uns wirklich eine leckere Instant-Nudelsuppe verdient. Aber zu viel Zeit können wir nicht vertrödeln, denn auch den Pass geht es zwar erstmal steil bergab, aber dennoch liegen noch etwa 75 km Strecke vor uns mit einigen giftigen Gegenanstiegen. Dennoch kann man die wunderbare Landschaft nur genießen: sanfte Berge, schneebedeckte Gipfel, saftige, grüne Weiden und türkis-blaue Bergseen. Klingt kitschig, oder? Kaum zu glauben? Kommt doch und schaut selbst!

Print Friendly, PDF & Email

Nur 2 Meter!

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

100 km nach Nagarze

Heute wird es ernst: etwa 100 km stehen an und 1300 HM. Wir fahren laut Plan bis auf etwa 4800 m hoch. Extra früh geht es los. Um 7 Uhr, noch vor Sonnenaufgang sitzen wir auf den Rädern und beleuchten mit unseren Stirn- und Fahrradlampen die einsamen Straßen. Doch nach 5 Minuten Fahrt legen wir schon den ersten Stop ein, Susann hat sich einen winzigen Stahldraht eingefahren, also erstmal Schlauch reparieren. Im Dunkeln. Unsere temporäre Werkstadt haben wir dummerweise neben einem LKW aufgemacht, der direkt ausparkt.

Als wir fertig sind, zieht schon der Morgen auf. Es dämmert und ganz langsam erwacht das Leben. Im Nachbarort finden wir eine gemütliche Stube, wo wir Nudelsuppe und süssen Milchtee serviert bekommen.

Dann geht es weiter. Der Kampa La-Pass wartet, aber erstmal geht es noch etwa 15 km eben und gemütlich bei bestem Sonnenschein dem Brahmaputra entlang. Nach und nach werfen wir alle unsere warmen Klamotten ab. Und auch der Anstieg lässt sich gut an. Nach 5 km sind wir alle noch ziemlich frisch, genießen Kaffe und Snacks bei schöner Aussicht und guter Luft. Doch dann zieht sich das Feld nach und nach so ziemlich auseinander. Wir treffen uns auf der Strecke an den diversen Hotspots wieder, Aussichtsplattformen z.B. voller Busse, SUV`s und Jeeps. Hier kann man sich neben Sonnenbrillen-tragenden Hunden und auf Yaks sitzend ablichten lassen.

Die letzten 5 km des Anstiegs werden dann ziemlich bitter. Wir können kaum noch die spektakuläre Landschaft genießen. Susann erinnert sich auf dem letzten Stück nur noch an Aspahlt – letztendlich werden wir aber, oben angekommen, durch einen wunderschönen Ausblick auf den türkis-blauen Yamdrock-See belohnt. Und… waren wir vorher noch in dem Glauben, dass wir uns auf 4700 befinden, werden wir jetzt eines besseren belehrt: Eine Steinstele informiert – wir sind auf 4998 m über dem Meer. Nur zwei Meter noch und wir hätten schon heute die 5000er Marke gekappt (und nicht erst Morgen).

Wußtet ihr eigentlich schon, dass unser Guide ziemlich gut massieren kann? Diese neue Qualität wird uns heute auf dem Gipfel des Kampa La offenbart. Ein zusätzliches Bonbon (neben Ausblick und Massage) ist die kurze Abfahrt zum See. Noch schnell ein paar Fotos schießen dann geht es immer weiter und weiter am See entlang. Sven und ich befürchten nicht mehr rechtzeitig anzukommen und ziehen das Tempo an, Uli hat einfach Spass am Radfahren, René und Susann reicht es, sie steigen ins Auto.

Ein kleiner Höhepunkt ist für uns der Besuch des Hauses unseres Fahrers. Zufälligerweise fahren wir heute durch seinen Heimatort, werden sofort eingeladen und in der guten Stube mit den reich bemalten Möbeln platziert. Bekommen Yakbutter-Tee und Tsampa serviert. Dann gibt es noch eine kleine Führung durchs Haus.

30 km liegen noch vor uns, es ist bereits 16 Uhr und wir überlegen ernsthaft ins Begleitfahrzeug zu steigen, Da kommt die Sonne nochmal raus. Also vertagen wir die Entscheidung auf 15 km später. Und dann reicht es wirklich. Nur Uli würde wirklich gern noch weiter fahren, aber nicht allein. Die letzten 15 km sitzen wir dann gemütlich schwatzend im Auto.
Ziehen ins beste Hotel am Ort ein, hier gibt es zwar kein wirklich warmes Wasser, dafür aber Fußboden-Heizung, und versuchen uns für unsere morgige Etappe zu regenerieren.

Print Friendly, PDF & Email

Garmin steht Kopf

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

72 km nach Qushui

Das Auto ist vollgeladen, die Thermoskannen gefüllt, wir – abfahrbereit. Es geht zuerst geradeaus durch den dichten Stadtverkehr zum Kloster Drepung. Dieser kleine Abstecher beschert uns unseren ersten kleinen Anstieg auf der Tour. Ein Gradmesser für alles, was da noch kommen mag.

Wir fahren schon einige Minuten, da fällt mir auf, dass mein kleiner elektronischer Navigator komische Sachen macht. Ich bin mir sicher richtig zu sein, aber es scheint so, als wolle mich das Teil unbedingt in die andere Richtung schicken. Dann ist plötzlich alles wieder korrekt. Irgendwann begreife ich endlich, dass die Karte Kopf steht. Mehrmals schalte ich das Gerät aus und wieder ein, aber was ich auch mache, das Teil steht Kopf! Muss ich jetzt also andersherum denken? Mir reicht schon mein Links-Rechts-Problem! Fast schon füge ich mich der verkorksten Technik (Vielleicht ein gutes Training für die Koordination der linken und rechten Gehirnhälfte versuche ich mich selbst zu beschwichtigen), da hat René die Idee mal auf Fahrzeugmodus umzuschalten und das scheint der richtige Trigger zu sein, es geht wieder!

So kommen wir am Torbogen des Klosters an. Wir dürfen mit den Rädern passieren. Diese erste kurze Steigung ist wirklich ein Test! Auf dieser Höhe spüre ich mein Herz so deutlich schlagen, als wolle es mir aus der Brust springen! Aber wir schaffen es alle.

Dieses Kloster ist wie alle Klöster Tibets auf der weißen Tara (Die weiße Tara ist eine der am meisten geehrten buddhistischen Schutzgottheiten, sie ist der weibliche Bodhisattva des Mitgefühls und gilt als die Verkörperung der mütterlichen Liebe) gebaut und somit ist das Bächlein, dass durch das Gelände fließt die Ader der Tara. Stellenweiße sehen wir Menschen Reis- und Hirsekörner in das Wasser werfen. Durch diese Opfer wird das Wasser, oder eben das Blut, gereinigt.

Nach der Besichtigung sausen wir den ganzen weg wieder hinab. Dann geht es relativ eben auf gut asphaltierter, aber sehr stark befahrenen Straße nach Qushui. Die Landschaft präsentiert sich in sanften Farben. Immer am Fluß entlang geht es unter tiefhängenden Wolken. Am Straßenrand stehen gebeugte Weiden und Espen in deren silbernen Blättern der Wind spielt.

Tibetische Nudeln und Kartoffeln mit Rindfleisch und Reis gibt es zu Mittag, danach Kaffee und Gebäck. Während wir gemütlich in unseren Bänken hocken, ist, von uns fast unbemerkt, ein heftiges Gewitter direkt über uns hereingebrochen. Wir ziehen uns ins innere des Restaurants zurück, dehnen unsere Kaffee-Pause aus. Bald scheint (fast) wieder die Sonne und es geht weiter. Wir treten kräftig in die Pedalen, aber wir können dem nächsten Gewitter kaum entkommen. Mit den ersten Regentropfen stolpern wir in einen Raum voller Tibeterinnen, die um einen warmen Ofen hockend gemeinsam Tee trinken und Suppe essen. Schnell wird zusammengerückt und auch wir finden Platz am Ofen. Bekommen süßen Tee serviert, der uns gut durchwärmt. Neugier von beiden Seiten. Viel Gespräch, viel Lachen. Meine Sitznachbarin ist überzeugt, dass ich zu kalt angezogen bin und zieht heftig an meinem Hosenbein um es irgendwie zu verlängern. Nach einer gefühlten Ewigkeit müssen wir uns eingestehen, dass dieser kleine Schauer, doch etwas ausdauernder ist, als gedacht. Also werfen wir uns in die Regenklamotten und machen uns wohl oder übel auf dem Weg. Doch wir haben Glück, der Regen wird immer schwächer und die letzten 25 km vergehen wie im Flug.

In Qushui angekommen gibt es eine kleine Verzögerung, da Guide und Hotelier erstmal mit unseren Pässen zur Polizei müssen. Wir nutzen die Zeit für unser erstes Schmutzbier. Während unseres Abendspaziergangs werden wir leider Zeuge wie ein Hund ziemlich heftig angefahren wird. Das sorgt an diesem etwas gräulichen Abend nicht gerade für eine Aufhellung der Stimmung. Auf dem Rückweg gehen wir noch mal zum Fluß und entdecken in einem üppig bewachsenen Hinterhof einen Laubengang voller erntereifer Weintrauben. Erstaunlich, was hier so alles in dreieinhalbtausend Meter wächst!

Print Friendly, PDF & Email

Biking in the rain? – Nö!

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Besichtigung des Klosters Sera

Was sagt ein Tibeter, wenn man ihm nach dem Wetter fragt? Er erwidert: Das Wetter ist wie die chinesische Regierung – mal so, mal so. Diese Erfahrung haben wir heute am eigenen Leib gemacht. Also – auf’s Wetter bezogen. Nach einer regenreichen Nacht reißen die Wolken auf und wir frühstücken beim herrlichsten Sonnenschein. Frühestens mit unserem Aufbruch zum Radladen, das ist eine halbe Stunde später, regnet es heftig. Wir springen in unseren Bus, schreiben während der Fahrt einen Einkaufszettel, dann starten wir einen Großeinlauf. In zwei Einkaufswagen türmt sich unsere Beute: Thermoskannen, Suppen, Kekse, Obst, Kaffe, Tee, Cola und so weiter. Die zwei Flaschen Schnaps (bai jiu und yao jiu), standen zwar nicht auf dem Einkaufszettel, dürfen aber nicht fehlen. Auch gibt es keine Einhorntasse und keinen bunten Lolli für Susann, sie wird es hoffentlich verkraften.

Am Radladen angekommen wird gewechselt, geschraubt und justiert. Das braucht seine Zeit und als wir endlich fertig sind, na was wohl? Genau! Da regnet es schon wieder. Wir schieben also unsere Räder zurück in den Laden und flüchten in das benachbarte Restaurant. Hier gibts Jasmin-Tee und heiße Nudelsuppe, der wir ordentlich Chilisoße zusetzen. Und wer sagt’s? Kaum fertig gegessen, scheint auch wieder die Sonne prall und prächtig vom Himmel. Doch der Schock folgt auf dem Fuß, der Radladen mit unseren Rädern drin ist verriegelt und versammelt.Klar, es ist Sonntag und der Laden wurde nur für uns geöffnet. Nach einem kurzen Telefonat ist der Laden, wir satteln die Räder und sind abfahrtbereit. Dachten wir. Denn wir können sagen: René steht ab heute in der Pannenstatistik ganz weit oben und zwar mit dem ersten Platten noch bevor wir losfahren. Das hat beim meinen Touren bisher noch keiner geschafft. Aber der Schlauch ist schnell gewechselt und wir machen uns endlich auf zum Kloster Sera, einem der drei bedeutenden Debattier-Klöster Lhasa. Nach sechs lockeren Kilometerchen empfängt uns ein friedlicher, nahezu touristenfreier Ort. Tibeter aller Altersklassen schreiten die schattige Allee mit den Klosterhallen und Debattier-Höfen hinan. Kinder mit geschwärzten Nassen tollen und springen herum. Alles erscheint uns deutlich entspannter, leichter und freundlicher als direkt in Lhasa.

Nach der Besichtigung ist die Lust auf einen Kaffee groß und da Andrea und Sven in Hotelnähe ein Kaffee ausgemacht haben, was mit dem Slogan: Guten Tag es ist cafe Zeit, Ich spreche Deutsch, wirbt, ist der Entschluss schnell gefasst.

Der Café-Betreiber stellt sich als 40jähriger Tibeter heraus der lange in der Schweiz und auch in Deutschland gelebt hat und René gleichmal auf Schweizerdeutsch begrüßt. Der Kaffee ist wirklich lecker und Delek hat uns schon ganz schlau nicht im Café sondern im gegenüberliegenden Kunsthandwerksladen platziert, den er auch betreibt. Unter den vielen schönen Dingen werden Andrea, Sven und Susann schnell fündig. In einer versteckten Ecke entdecke ich einen wunderschönen gestickten Thanka, den ich Susann und René zeige, die auch sofort begeistert sind (siehe Foto). Zu guter letzt schenkt Delek Susann noch eine originale Kuhglocke für ihre Sammlung.

Was gab es also heute? Ein bisschen shopping, ein bisschen Sport, ein bisschen Kultur und noch ein bisschen shopping. Und da ja bekanntermaßen gutes Essen Leib und Seele zusammenhält, verabschiede ich mich für heute zum Abendessen.

Print Friendly, PDF & Email

Die sechs Heiligen aus dem Abendland mit ihren vierzehn Gesichtern

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Besichtigung des Potala-Palastes und des Jokhang Tempels

Die Sonne scheint, es gibt Frühstück und wir haben noch bis 12:30 Uhr Zeit bis zu unserem ersten Besichtigungstermin, dem Potala-Palast. Also lassen wir es entspannt angehen. Erinnern uns an die Ankunft und an die weißen Schals, die wir zur Begrüßung umgelegt bekommen haben. Die Begrüßung mit weißen Schals ist eine tibetische Abwandlung einer indischen Sitte, wo den Neuankömmlingen zur Begrüßung Blumenketten gereicht wurden.

Wir sinnieren darüber, wie diese Schals am besten und nutzbringenden einzusetzen wären und finden die Idee des Schweißtuches am attraktivsten: 14 Radtage -14 Abdrücke unserer tibetstaubbedeckten Gesichter.

Pünktlich 12:30 fahren wir dann die kurze Strecke zum Potala-Palast. Unser tibetischer Guide Sam hat eine ganz besondere Beziehung zu diesem Ort, denn sein Großvater stammt aus der zweiten Linie des Dalai Lama und er selbst lebte bis 1959 auf diesem Gelände. So erfahren wir vieles auch sehr persönliches über die Geschichte und das Leben hier. Gut dreieinhalb Stunden lauschen wir gebannt Sams Ausführungen und Geschichten. Damit unsere Reise unter guten Sternen steht, hat Sam seine Beziehungen spielen lassen und wir erhalten die Segnungen und guten Wünsche zweier Mönche des Ordens.

Es ist bereits später Nachmittag als wir den Potala verlassen. Ein letztes Mal genießen wir die Aussicht, jetzt von der Rückseite des Palastes über das weitgestreckte Lhasa-Tal und die sanften Hügel auf denen die Wolken ihre Schatten werfen. Wir stärken uns mit Kaffee und Tee, dann geht es weiter zum Jokhang, Tibets Nationalheiligtum. Wir müssen uns sputen, denn man wird nur bis 18 Uhr eingelassen, aber wenn ist man erstmal drin, kann man mehr oder weniger bleiben solange man will. Dieser Tempel wurde vom tibetischen König Songtsen Gampo im siebten Jahrhundert errichtet. Dieser für den tibetischen Buddhismus so wichtige Herrscher, ehelichte drei Frauen: eine tibetische, eine nepalesische und eine chinesische. Genauso vereint der Jokhang den tibetischen, nepalesischen und chinesischen Stil. Es ist unglaublich wie gut erhalten und lebendig heute noch die 1400 Jahre alten Wandmalereien und Schnitzereien sind!

Als wir im Innenhof ankommen, wird gerade heilendes Wasser – ein Aufguss aus medizinischen Kräutern- an chinesische Touristinnen verteilt. Dieses Wasser, so unser Guide, heile Augenkrankheiten, sei gut gegen hohen aber auch niedrigen Blutdruck und verschönere die Haut der Frauen. Man müsse nur daran glauben. Einer seiner Freunde konnte eine Augen-OP abwenden, indem er sein krankes Auge dreimal täglich mit dem Heilwasser wusch.

Es sind zwar noch einige Gruppen unterwegs, dennoch wirkt das Areal in der Abendstimmung angenehm ruhig. Das liegt wohl auch daran, dass der Jokhang vor allem morgens und vormittags den vielen Pilgern vorbehalten ist.

Es war ein interessanter, ausgefüllter und schöner Tag. Die vielen Eindrücke, Gerüche, Farben und Bilder müssen erstmal verarbeitet werden.

Morgen steigen wir endlich auf die Räder und schauen mal, wie gut wir schon an die Höhe angepasst sind.

Print Friendly, PDF & Email

Willkommen im Schneeland

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Zugfahrt und Ankunft in Lhasa

Es ist 7 Uhr, gefühlt schlafe ich seit etwa 30 Minuten und träume nur Schwachsinn, als mich lautes Gedudel aus dem Lautsprecher weckt. Gerade will ich den verrutschten Ohrstöpsel zurück ins rechte Ohr schieben, da höre ich Svens Stimme: Katharina, der Winter ist da! Ich schaue ungläubig durchs Fenster, glaube ich träume noch. Draußen unendliche weiße Weite über die gerade die Sonne aufgeht. Ich denke nur: Oh je! Kalt!

Wir gehen ins Abteil zu den Anderen. Erstmal Frühstücken. Kaffee, Joghurt, Obst, Kekse. Vor dem Zugfenster ziehen Yakherden vorbei. Der Schnee ist mittlerweile verschwunden und vor unseren Augen breitet sich eine steppenartige, weite Graslandschaft aus, eingerahmt von (scheinbar) flachwelligen Hügeln. Am nahen Himmel strahlt eine Sonne, die das Abteil noch zusätzlich aufheizt.

Wir stellen Berechnungen an, wann wir den Kilometerangaben zu folge die höchste Stelle, den Tanggula-Pass, von 5072 m passieren. Gegen 14 Uhr müsste es so weit sein. Erschöpft vom Müssiggang ziehen wir uns jeder auf seine Liege zurück, verbringen die Zeit bis zum Mittagessen lesend und dösend.
Im Speisewagen warten wir dann auf den Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes. Die Zeit verstreicht. Gegen 14:30 Uhr wundern wir uns, daß wir immer noch so ziemlich gleichmäßig auf ebenem Gelände auf etwa 4700 m herum fahren. Erfahren dann, dass wir den Pass schon längst passiert haben, gegen 12:30 Uhr! Da haben wir dann wohl geschlafen. Sven und ich erinnern uns, dass etwa um diese Zeit unsere Abteilgenossen sich die Sauerstoffschläuche in die Nase gesteckt haben. Das hätte uns doch ein Zeichen sein können! Mist! Warum haben wir da nicht mal aus dem Fenster geschaut!

Die Einreise in Tibet ist dann zwar chaotisch, aber wider Erwarten ziemlich entspannt. Es ist schon nach acht als wir im Hotel ankommen, deswegen werfen wir nur alles schnell ab um uns ein Restaurant für das Abendessen zu suchen.

Print Friendly, PDF & Email

Der Tag der geschlossenen Türen

Auf dem Dach der Welt, vom 17.09. bis 10.10.2019

Bummeln in Xining und 2000 km nach Lhasa …mit Zug

Unser Zug, der uns auf 22stündiger Fahrt nach Lhasa bringen wird, fährt gegen halb zehn Uhr abends ab. So bleibt uns noch ein voller Tag in Xining- Provinzhauptstadt und einzige Millionenstadt von Qinghai.

Mittlerweile sind auch Andrea und Ulrich eingetroffen und unserer kleine Gruppe ist vollzählig. Wir genießen das reichhaltige Frühstück in dem Bewusstsein, daß sich das bald ändern wird. Danach geht jeder so seiner eigenen Wege. Andrea und Ulrich wollen die Stadt und ihr Leben erkunden und begeben sich in Richtung Moschee.
Obwohl der weitaus größte Bevölkerungsanteil hier han-chinesisch ist (über 75%), ist vor allem im Einzugsbereich der beiden großem Moscheen das muslimische Leben sehr präsent.

Sven begibt sich auf die Suche nach chinesischen Comics für die Nichten und Neffen. Da er schon gestern, trotz umchinesisch großer Füße, erfolgreich beim Schuhkauf war, ist er auch jetzt guter Hoffnung. Wir, Susann, René und ich begeben uns zum Provinzmuseum um etwas mehr über die tibetische Kultur und die Geschichte dieser Stadt zu erfahren. Nach einer Fastumrundung des Museumsgebäudes müssen wir allerdings feststellen, daß das dieses wegen Renovierungsarbeiten bereits seit April diesen Jahres geschlossen ist. Kurz überlegen wir in das benachbarte Kunstmuseum zu gehen, entschließen uns dann aber zurück zu spazieren, anderthalb Stunden auf 5 km, das muss reichen um rechtzeitig zum Auschecken im Hotel zu sein.

Es ist 14 Uhr und wir sind abfahrbereit. Das Problem: Der Bahnhof liegt nur 5 Fahrminuten vom Hotel entfernt, wir aber haben noch etwa 7,5 Stunden bis zur Abfahrt des Zuges, die wir nicht unbedingt auf dem Bahnhof verbringen wollen. Was tun? Erstmal in der Hotelbar gemütlich Kaffee und Tee trinken. Eine Empfehlung unseres Guides ist das hängende Kloster am Lao Shan. Das ist uns schon auf dem Weg zum Museum aufgefallen. Die am roten Sandsteinfelsen klebenden bunten Gebäude haben einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Insbesondere die steile Treppe! Ein gutes Konditions- und Höhentraining, das wir gerne absolvieren würden.
Um eine kurzen Einblick in die Geschichte dieses Ortes zu geben: bereits im 2 Jh v.Chr. soll es hier einen Konfuziustempel gegeben haben, der später durch einen lamaistischen Tempel ersetzt wurde, die jetzigen Gebäude dagegen sind relativ neu. In der Qingzeit wurden die Felshöhlen dann von Rebellen als Unterschlupf genutzt.

Vor der imposanten Eingangshalle angekommen, müssen wir allerdings auch hier feststellen, daß geschlossen ist. Oder vielmehr gesperrt. Für die kommenden drei Jahre, denn durch andauernde Regenfälle ist der Boden instabil und der Anstieg zu gefährlich geworden. Wir spazieren noch ein wenig den Weg vor der Anlage weiter bis der sich in einer aufgeweichten Lehm-Piste verliert.

Dann eben zurück.
Mittlerweile sind alle hungrig und wir halten eine ausgiebiges „Linner“ ab. In den dreieinhalb Stunden schaffen wir es auch fast, das ganze Festmahl zu verdrücken. Dann noch Obst, Snacks und Nudelsuppen kaufen und ab zum Bahnhof. Abgesehen von den gefühlt 77.000 Kontrollen unserer Pässe, Tickets und Permits läuft es hier ziemlich entspannt ab. So etwas bin ich von chinesischen Bahnhöfen nicht gewohnt.
Wir geben uns lesend, dösend und sinnierend der Verdauung hin, bis wir zur Ticketkontrolle gerufen werden. Erst da fällt uns auf, daß Andrea verschwunden ist. Also wieder ablegen, hinsetzen, warten – uns bleiben ja noch entspannte 30 Minuten biz zur Abfahrt.

Im Zug dann wird die erste Flasche Schnaps geköpft. Da die Höhe uns eh Kopfschmerzen verursachen wird, brauchen wir uns hier auch keinen Zwang mehr anzutun. Von Innen gut aufgewärmt verschwinden wir in unserer Betten.

Print Friendly, PDF & Email