Weil er da ist!

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die Kältewelle hält an. Immerhin, die Sonne scheint und es scheint ein klarer Tag zu werden. Das ist wichtig, denn wir fahren die nächten zwei Tage in Richtung Mt. Everest Base Camp. Warum? „Weil er da ist, der Berg!“, wie der Kollege Malleroy (und nicht wie fälschlicherweise, auch von mir in meinem letzten Blog kolportiert, Sir Edmund Hillary) erklärt hat, warum er den Mt. Everest besteigen wolle. Zwischen Bergfuß und unserem Standpunkt liegen 120 km Piste, das einzig nicht alphaltierte Teilstück unserer Tour. Und ein 5.100 Meter Pass. Na dann, Berg heil!

Aber erst einmal rollt es gut dahin auf Flüsterasphalt, die ersten 10 Kilometer radeln wir noch auf dem Friendship Highway. Dann zweigt ein Feldweg ab, der extra für den olympischen Fackellauf 2008 neu ausgebaut wurde. Seitdem ist viel Schotter den Berg heruntergegangen und der Weg stellt tatsächlich eine radfahrerische Herausforderung dar. Vor allen Dingen, weil es ziemlich schnell recht knackig bergauf geht. Diesmal ist Sabine die Heldin und hält tatsächlich durch! 75 Kilometer auf schwieriger Piste, mit einem Pass, der sich dann doch als 5.200er entpuppt, und einer Abfahrt, die Mark und Bein erschüttert. Dieselbige wird mir zum Verhängnis. Mein so geliebtes und treues Koga-Rad ist nun (und von mir ja auch so gewollt) kein Mountain Bike, und so zieht es mir in einer besonders holprig-sandigen Kurve das Vorderrad weg. Mehr als eine Schramme am Knie und ein paar blauen Flecken ist nicht passiert, aber die Etappe ist für mich mental erst einmal zu Ende. Sabine und Heinz sind derweil in ihrem Element und reizen ihre Mountainbikes voll aus. Und Sabine wird am Ende die einzige sein, die die Etappe inklusive Pass komplett gefahren ist. Kompliment!

Unsere Unterkunft ist heute eine gemütliche tibetische Familienpension mit Blick auf den Mt. Everest (wenn man vom Plumsklo über eine Leiter auf das Dach steigt). Wir sind mittendrin im Familienleben, es ist warm und das Essen mit Liebe und Geschmack zubereitet.

Am nächsten Tag ruft dann der Berg, wir verabschieden uns von unserer Gastfamilie und radeln weiter in Richtung Basecamp. Gleißend steht der Mt. Everest vor uns in der Sonne, der Wind ist still und die Piste wie am Vortag. Aber was sind schon ein paar Bodenwellen, wenn der höchste Berg der Welt einen anlacht!? Auf die Dauer dann doch entnervend. Gegen Mittag dreht dann auch noch der Wind und bläst uns mit Orkanstärke entgegen. Gibt man 5 Kilometer vor dem Ziel auf und steigt ins Auto? Vernünftigerweise schon, wenn es 12 Prozent Steigung und eiskalten Gegenwind hat, die Gesundheit angeschlagen ist und es selbst bei höchsten Pedaleinsatz nicht mehr vorwärts geht. Meinen jedenfall Sabine, Heinz und ich und gönnen uns dann ein „schmutziges Bier“ auf der herrlich warmen Aussichtsterrasse des ansonsten jedoch ziemlich bescheidenen Hotels. Vor uns die Everest-Nordwand und die Flanke des Lotse. In den Knochen 100 Kilometer tibetischer Feldweg. Es gibt schlimmere Momente im Leben!


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/05/2011-04-28_1.gpx“]
[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/05/2011-04-29_1.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

Hupen, aber herzlich

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Ankang war uns sehr sympathisch. Auch hier ist die alte Bausubstanz fast komplett verschwunden, das Zentrum ist ziemlich austauschbar, aber eine Stadt lebt von ihren Bewohnern. Die Bewohner von Ankang sind erfrischend, neugierig, freundlich. Die Lautsprecher am Platz des Volkes schlagen die Stunden mit den ersten Takten von „Beat It.“

Die Strecke heute war kurz und hügelig, eine saubere schöne Gegend hier, mitten durch die Teeplantagen des südlichen Shaanxi hindurch. Nichts als Tee, wirklich. Bei der Teezeremonie in Shangzhou habe ich mich schon eingedeckt, dann bin ich in der Teegasse von Ankang derart liebenswert beschwatzt worden, dass ich nochmal nachgelegt habe. Und heute sind wir inmitten einer Teeplantage untergebracht, im ruhigen, grünen Cuimingyuan, wieder Tee gekauft (von der besten Pflückung, zur Zeit des Qingming Jie vor etwa einem Monat). Ich bin Kaffeetrinker. Seit Jahren quäle ich mich mit grauenhaftem Instant-Kaffee durch, vielleicht sollte ich das mal ändern und mehr Tee trinken, der im Koffer würde erstmal für eine Weile reichen. Wird aber wahrscheinlich mal wieder verschenkt.

Schön ruhig ist es hier, es zirpt und zwitschert, das sind wir nicht mehr gewohnt nach den Kreisstädten und ihrem lustigen Toben. Die Chinesen haben ein anderes Verhältnis zum Lärm, soviel steht fest. Es muss laut sein, heiß und fettig (renao). Viele Chinesen haben in Deutschland Anlaufschwierigkeiten, weil es dort so ruhig und geordnet und langweilig zugeht. Große kulturelle Missverständnisse ergeben sich aus solchen Umständen. Dieser Teegarten hier ist eigentlich nicht der richtige Platz, um über den chinesischen Umgang mit der Hupe zu berichten, aber Albin protzt neuerdings mit seinem neuen Gerät, batteriebetrieben und fünf Melodien (dazu haben wir 3 handbetriebene Hupen und ein paar erbarmungswürdige Klingeln in unserem Bestand).

Hier wird gehupt, und es ist nicht böse gemeint. Es ist bestimmt kein Signal der Frustration und der aufgestauten Wut wie meist bei uns. Herzliches Hupen, ein Gruß, oder aber ein Warnsignal. Der chinesische Verkehr verläuft nach einem Muster, das ohne Hupe gar nicht mehr funktioniert. Wenn alles erlaubt ist, dann muss man auf sich aufmerksam machen. Inzwischen kann ich ganz gut an der Hupe erkennen, welches Fahrzeug hinter mir auftaucht (ich meine dabei nicht mal Modell oder Lautstärke, eher die Art des Hupens): Trucks hupen kurz und nachlässig, die Könige der Landstraße, die hört man auch so und zieht schnell den Schwanz ein. Wenn sie uns sehen dann wird es oft ein Stakkato, begeistert (wenn auch nicht wir)! Überlandbusse sind am schlimmsten, die einzigen Fahrzeuge vor denen man sich wirklich in Acht nehmen muss. Sie kennen weder Freund noch Feind und brettern durch die Straßendörfer als säße ihnen der Teufel im Nacken und nicht der Schalk. Man sollte sich Sorgen machen, wenn sie mal nicht hupen. Die Brotautos (mianbaoche, geformt wie ein Brotlaib, Sammeltaxis oder die Verbindung zwischen kleineren Orten) hupen eigentlich nur, wenn sie uns sehen, ein paar mal kräftig und dann sieht man meist Hände oder einen halben Oberkörper aus dem Fenster lehnen, in Verzückung. So geht das.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-28.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

Vom landenden Drachen zum aufsteigenden…

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Mit weinendem Himmel verabschiedete sich heute die Halong Bucht von uns… also kein Sonnenbaden mehr. Die nebelverhangenen Berge sahen recht andächtig aus. Aber das Wasser war immer noch so dreckig wie gestern. Am Hafen wartete unser Fahrer auf uns und wir bestiegen etwas widerwillig den Bus. Denn jetzt hieß es wieder etwa 3,5 Stunden sitzen und langweilen im Kleinbus auf Autobahnen in Richtung Hanoi.

Unterwegs sollte natürlich eine kleine Mittagspause rein um die Beine mal wieder strecken zu können. Ich sagte dem Guide die Gruppe wolle einen authentischen, kleinen Nudelimbiss am Straßenrand. Etwas später ließ er den Fahrer in eine riesige Anlage mit lauter Touristenbussen einbiegen. Ich denke nicht, dass das ein sprachliches Problem war und dass er mich nicht richtig verstand. Jetzt war ein Gesichtsverlustduell ausgebrochen… zwei Asiaten mano a mano. Entweder ich verliere mein Gesicht vor der Gruppe weil wir nun in dieser Touri-Halle hätten speisen sollen, oder er, weil er uns hierher gelockt hat. Nicht mit mir Alter! Ich fragte ihn, ob er Provision kassieren würde, wohlwissend dass hier Fahrer und Guide normalerweise nur ein Essen umsonst bekommen, wenn sie eine Reisegruppe vorbeibringen. Ich fügte hinzu, dass wir auch deren Essen mit übernehmen würden und das alles gar kein Problem wäre. Beleidigt gab Phong nach und ließ den Busfahrer später in einer Suppenküche halten. Nach der Touri-Fress-Halle aber waren entlang der Straße noch etliche weitere Fliegenfänger, wie etwa Schmuck- und Edelsteinfabriken und mehrere Touri-Malls mitten im nichts. Seine Suppe zahlte er allerdings selbst und bemängelte, dass wir das ganze Fleisch im Laden aufgegessen hätten und er nur eine Eiersuppe bekommen hatte.

Der Verkehr auf den Straßen wurde bald dichter und man merkte, dass man sich einer Großstadt näherte. Hanoi hatte früher mehrere Namen unteranderem „Thang Long“ (der aufsteigende Drache). Ein weiteres Mal überquerten wir den Roten Fluss und tauchten ein in das Getümmel. Eine wundervolle Stadt geprägt von wuselnden Motorädern, Läden aller Arten und Häuser mit einem Hauch Paris gepaart mit den Schlauchhäusern Vietnams.

Nach einer kurzen orientierungslosen Shoppingtour gingen wir gemeinsam Essen in einem Bia Hoi (Zapfbierlokal). Zusammen mit den Locals setzen wir uns auf kleine Hocker an den Tisch und genießten das kühle Bier Hanoi vom Fass. Es war mit Abstand das Beste bisher in Vietnam. Duong bestellte viel und gut. Zum Abschluss gab es mal wieder Verdauungsschnaps. Zur Feier des Tages bekam Wieland ein Vietnam T-Shirt als Dankeschön von der Gruppe für seine akkurate Leistung als Kassenwart, die vor allem in Vietnam nicht ganz leicht ist, wenn man als Multimillionär mit Hunderttausendern um sich schmeißt.

Print Friendly, PDF & Email

Weltkulturerbe… Hallo?

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Der Plan heute war die unglaubliche Grotte besichtigen, Kanu fahren und an einen entlegenen Strand fahren um nachmittags im Meer zu plantschen. Zwei Drittel der Tagesordnungspunkte gingen auch ganz gut auf: Die Höhle war in den Morgenstunden kaum besucht und wir hatten die beleuchtete Attraktion fast für uns, die Kanus (für Touristenpreise) sind immerhin nicht untergegangen und man konnte sich endlich mal wieder körperlich betätigen. Aber die Fahrt an den Strand nahm einem jede Lust ins Wasser zu gehen. Kleine Inseln von Müll und ausgegrabenen Weichkorallen schwammen an unserem Schiff vorbei. Phong, unser Guide hier auf dem Meer meinte, dass die Strömung heute schlecht wäre und wir den Strand lieber nicht sehen sollten, da wohl der ganze Müll in die Richtung fließe und sich dort sammeln würde. Wir sind im Weltkulturerbegebiet und die Leute hier scheren sich einen Dreck drum… im wahrsten Sinne des Wortes. Streckenweise schwammen Ströme von Müll an uns vorbei, sodass wir den bedeckten Nachmittag lieber an Deck verbrachten mit der Hoffnung die letzte Bräune vielleicht doch noch durch den bedeckten Himmel zu bekommen.

Zum Abendessen brachte uns der Captain unseren bestellten Reisschnaps, den leider keines der Kioskboote in den Buchten an Bord hatte. Somit war immerhin der Abend noch gerettet. Aber für die abendliche Karaoke hat es dann doch nicht mehr gereicht.

Print Friendly, PDF & Email

Der Mann mit der Mütze

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Da sitzt er. Tief gebeugt über einer dampfenden Tasse Tee. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen, bis zur Sonnenbrille, die er auch jetzt noch, am späten Abend trägt. Ein Sonnenallergiker? Ein Sonderling? Ein chinesischer Dissident auf der Flucht?

Wir werden es nicht erfahren, denn der Mann kommt und geht wort- und grußlos und schlürft nur schnell eine Nudelsuppe im Hotelrestaurant. Vielleicht ist ihm auch einfach nur kalt. Da sind wir jetzt beim Thema.

Lange habe ich heute durchgehalten auf dem Rad, auf dem Weg zum Dach der Tour. Der Gyatso La (5.250 m) rief, und er rief nicht nur, sondern blies uns mit eiskaltem Atem entgegen. „Wind Chill Factor“ sagt man auf Englisch, der „Windkältefaktor“, das ist die negativ gefühlte Temperatur, wenn kalter Wind weht. Also in unserem Fall -5 Grad Außentemperatur minus ca. 20 Grad Wind Chill, macht gefühlte minus 25 Grad. Sabine, die sonst eigentlich immer alles fährt, schmeißt zusammen mit dem immer noch angeschlagenen Heinz recht früh das Handtuch, ich fühle mich eigentlich gut und quäle mich den immer steiler werdenden Pass auch bei den ersten Schneeflocken bis auf 4.900 m Höhe. Lade dann, weil das Begleitfahrzeug noch Einiges hinter mir ist, auf einen tibetischen Trekker um. Als der allerdings die Getreidesäcke eines ganzen Dorfes aufnimmt, warte ich auf das Begleitfahrzeug und gebe ebenfalls auf. Nicht aus Erschöpfung, es ist einfach zu kalt. Der Rhythmus „Treten, Einfrieren, Zurückrollen“ ist auf Dauer auszehrend. „Aber bergab fahre ich wieder!“, sage ich noch und verwerfe den Plan direkt auf dem Pass, als uns ein mit Eiszapfen gefüllt zu scheinender Wind entgegen bläst. Schade, denn da geht es wunderbar asphaltiert bergab, bis nach Baipa, dass auf 4.300 Metern Höhe liegt.

Dort laden wir ab, steigen im frisch renovierten und daher erstaunlich guten und vor allem heizbaren Baipa Hotel ab und wärmen uns. Erst unter der Bettdecke, dann der Dusche und schließlich unter einem Heizpilz im Hotelrestaurant. Eine Stadtbegehung des kleinen Wildweststädtchens haben wir wegen eines Eis-Sand-Sturmes abgebrochen.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/05/2011-04-27.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

Nach getaner Arbeit…

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Nun heißt es zurück lehnen, auf Sonne hoffen, Badehose rausholen, die 50er Sonnencreme einpacken und die 15er rausholen und die Perle Vietnams genießen. In jedem zweiten vietnamesischen Restaurant im Ausland hängt mindestens ein Bild der Halong Bucht. Das riesige Areal von Karstbergen erstreckt sich über ein Gebiet von etwa 1500 km² mit über 3000 kleinen Inseln. Der Legende nach schuf sie ein riesiger Drache, der zum Schutz der Vietnamesen riesige Perlen in den Weg der angreifenden Schiffe (vermutlich eine chinesische Flotte) spuckte, daraus entstanden die Inseln so wie sie heute zusehen ist.

Nach einer vierstündigen Busfahrt kamen wir in Halong City an. Die Stadt ist nur auf den Tourismus aus. Es besteht zwar auch ein Frachthafen, dieser verblasst aber gegen die Masse von anliegenden Touristenbooten. Wir betraten die MS Anh Duong, die komplett uns zur Verfügung stand, tranken den Begrüßungscocktail aus, stürmten aufs Sonnendeck und tuckerten Richtung Halong Bucht. Das Wetter spielte mit und zeigte die Perle Vietnams von seiner schönsten Seite. In einer der Halteplätze ankerten wir neben zig weiteren Booten und sprangen vom Deck ins erfrischende, salzige Nass. Mit drei Decks hatte man wie im Freibad die Wahl, ob man vom Einer, Dreier oder Fünfer springen wollte. Der Rest des Abends bestand aus in die Ferne schweifenden Blicken, Seufzern und zufriedenem Grinsen.

Leider werden die Generatoren der Schiffe nachts nicht mehr ausgestellt, da es seit einem nächtlichen Unglück wohl neue Vorschriften bestehen. So hat man in den netten kleinen Kajüten bei offenem Fenster statt leisem Meeresrauschen und Seebriese, Motorbrummen und Dieselgeruch. Auch im Paradies kann nicht alles perfekt sein.

Print Friendly, PDF & Email

Guodao 316

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Die letzten drei Tage hatten es in sich, alles freut sich auf den Ruhetag morgen. Erst von Tal zu Tal und schließlich den Han-Fluss hinauf, jedesmal über 100km und Höhenmeter gab es auch nicht zu knapp. Jetzt sind wir in Ankang, einer fröhlichen Stadt. Und angekommen im Süden, das zeigen die Temperaturen – gut über 30 Grad – ebenso die Flora: nach wie vor wenig Reis, aber Bambuswälder, Fächerpalmen, vereinzelt Bananenstauden.

Über den Han-Fluss sind wir noch gestern gesetzt und heute den ganzen Tag entlanggefahren. Er ist der größte Zufluss des Yangzi und wird in Wuhan in diesen einfließen. Am Anfang der Reise stand der Wei bzw. das Einflussgebiet des Gelben Flusses, jetzt sind wir am Han und in den Fängen des großen Yangzi. Das sind zwei verschiedene Kulturen und eine komplett andere Landschaft, innerhalb weniger Tage. Der Han Jiang wird an einigen Stellen mächtig gestaut, dann spiegelt sich die ganze Welt darin, wenig später ist er ein kümmerliches Rinnsal. Aber der Regen kommt erst noch. Überall wird fleißig Kies gehoben.

Wir fahren die Nationalstraße 316 entlang. Die Nationalstraßen (guodao) sind die guten, verlässlichen Freunde des China-Reisenden, sie durchqueren das Land von Nord nach Süd, von West nach Ost, Tausende von Kilometern. Wir sind bei km 1888 (von der Ostküste aus) vorbeigekommen, dieser Zahl musste Tribut gezollt werden. Jetzt nicht nachlässig werden, Wetter war wieder gut heute. Die Nationalstraßen sind meist zweispurig und spiegeln das Leben und die Saison des jeweiligen Landstrichs wieder, an der 316 wurde heute Gelbwurz getrocknet, wurden Kirschen verkauft und Honig produziert. Häuser und Dörfer liegen direkt an der Straße, Bauweise und Alltagsleben verändern sich mit den Kilometern, im Fall der 316 reicht die Spanne von der Küstenprovinz Fujian zur islamisch geprägten Stadt Lanzhou weit im Westen, am Eingangstor des Hexi-Korridors. Dagegen die neue Generation der Autobahnen: steril, vier-bis-sechsspurig das Land zerschneidend, kreuz und quer, ohne Anfang und ohne Ende. Auf den Nationalstraßen dagegen will man ins Abendrot reiten.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-26.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

Wie Vögel gegen den Wind

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Heute hat uns der Hafer gestochen. Oder eher die Gerste, da man diese hier in Tibet eher isst. Obwohl – zum Frühstück taucht die obligatorische Tsampa, als Pulver, Brei oder wie auch immer, nicht auf, leider! Im chinesischen Kernland ist das Hotel-Frühstück oft schon jenseits von nahrhaft. In Tibet können wir eigentlich komplett darauf verzichten und verdrücken lieber Unmengen von Bananen, Äpfeln, Keksen und Müsliriegeln als Start des Tages. Dazu ein Instantkaffee oder ein frisch aufgebrühter Tee – und dann kann das tibetische Hochland kommen!
Heute kommt es besonders stark. Heinz legt eine Bronchitis bedingte Ruhepause ein und steigt auf das Begleitfahrzeug um. Und Sabine und mich sticht besagte Gerste. Bei der ersten Pause auf dem ersten Pass, der eher bescheiden und ohne viel Gegenwind daherkommt, rechne ich vor: Insgesamt 105 Kilometer bis zur nächsten Passhöhe, das ist zu schaffen. Dann nur noch 40 km strikt bergab. Können wir schaffen, müssen aber nicht. Auf jeden Fall hätte Heinz dadurch eine zugige Dorfübernachtung gespart und wir könnten unsere diversen grösseren und kleinen Wehwehchen bei einem zusätzlichen Ruhetag pflegen und wären trotzdem geradelt. Spätestens zur Mittagspause in Longma und mit einem Blick auf das Gasthaus, das sicherlich unter normalen Umständen erträglich wäre, aber eben mit zugigem Aussenklo und spartanischem Komfort daherkommt, ist Sabine überzeugt.

Also stärken wir uns mit Nudelsuppe und Eierreis, schnüren die Jacken zu und radeln los. Strikt bergan, über 40 Kilometer, durch ein karges Hochtal, dass aber durchaus seinen Reiz hat, mal mit dem Wind, mal gegen den Wind. Und es geht uns gut. Der finale Anstieg lacht und wäre wohl nur noch eine Formalie, wäre da nicht der Wind, der am Hang festhängt und stetig gegen uns bläst. Wir werden zum beliebten Fotomodell mehrerer chinesischer Tourgruppen, lassen Yak und Felder unter uns liegen und stehen schliesslich auf dem Pass. Auf 4.520 Metern Hoehe. Bei fast 0 Grad. Die Abfahrt gönnen wir uns noch, 10 Kilometer Schussfahrt, dann haben wir genug. 123 Kilometer zeigt der Tacho an, die restlichen 25 Kilometer locken zwar, doch die Kälte spricht für ein warmes Hotelzimmer. In Lhatse hat das Hotel zwar sämtliche Klimaanlagen (die ja auch als Heizung dienen können) abmontiert, nur die Halterungen hängen noch an der Wand. Aber es gibt Heizdecken!!! Das warme Bett verlassen wir nur noch auf ein schmackhaftes Sichuan-Mahl, dann fallen wir wohlig in die Federn. Und träumen von warmem Wetter.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-25_1.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

Gute Bilanz

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Heute stand die letzte Rad-Etappe an. Zugegeben war ich etwas skeptisch. Seit einer Woche ist es durchgehend stark bewölkt und die Sichtweite war immer recht eingeschränkt. Aber vorher gab es ja noch den Nationalpark zu erkunden. Wegen Zeitdruck teilte sich die Gruppe auf: Einige wollten eine Wanderung zum Tausendjährigen Baum, andere lieber die Primaten-Rettungsstation besichtigen. Ich entschied mich für die Wanderung. Bevor wir losgehen konnten, mussten wir allerdings noch ca. 15 km mit dem Pickup fahren. Duong ist heute mal gefahren. Man hätte meinen können, er wäre auf der Flucht. Immerhin sind wir heute auf der Straße die Jäger und nicht wie sonst die Gejagten. Auf Wanderungen durch den Urwald entdeckt man am Tage natürlich keine Bären, Lemuren oder seltene Vögel. Mit der Atmosphäre und Geräuschkulisse konnte man sich aber trotzdem vorstellen, man sei Indiana Jones auf einem Spaziergang durch seinen Vorgarten.

Zusammen ging es dann vom Hotel mit den Rädern los auf die letzte Etappe. Eine bisschen wehleidig ist man dann schon. Einige Schutzbleche sind gebrochen, die Schaltungen teils verschlammt und die Rahmen sahen den Umständen entsprechend aus. Aber auf den letzten 50 km, gab es auch keine Ansprüche auf Äußerlichkeiten mehr. Die Räder hatten gute Dienste geleistet und so sollten sie sich auch präsentieren. Als dann die Karstberge der trockenen Halong Bucht sich zeigten und die Sonne seit einer Woche sich wieder raus traute und die Berge mit goldenem Spätnachmittagslicht umhüllte, war das Szenario für unsere letzten 15 km nach Ninh Binh perfekt. Da konnten auch die zwei platten Reifen heute mir nichts mehr anhaben.
Wehmütig, schraubten wir Klickpedale und Lenkertaschen ab und schickten die Räder zurück nach Hanoi, wo sie geduldig auf die nächste Tour und ihre neuen Herrschen warten werden.

Zum Abendessen gab es zur Abwechslung auch mal Pommes Frites. Aber nach der Woche mit zwei Nudelsuppen pro Tag wollte sich darüber auch keiner beschweren. Aber um das ganze wieder auszugleichen gab es zur Verdauung Schlangenschnaps. Probiert haben wir alle mal. Naja… wegen des Geschmacks würde ich den jetzt nicht empfehlen. Die erwartete maskuline Wirkung trat auch nicht ein (zumindest bei mir nicht!).

Auf etwa 900 km mit 9 Leuten, 4 Platten, eine gebrochene Speiche, eine verbogene und keinen einzigen Sturz. Das nenne ich mal eine saubere Leistung!


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-25_2.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

Es gibt kaum Reis, Baby

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Die gestrigen Mühen haben sich gelohnt, die Wanderarbeiter-Kohorten haben uns heute eine butterweiche Fahrt beschert. Durch ein mal wieder wunderschönes Tal, ohne Verkehr, man käme kaum aus dem Fotografieren, würde man es nicht irgendwann einstellen. Hier gibt es jetzt endlich vereinzelt Reisfelder, auch wenn Weizen und Gerste nach wie vor tonangebend sind, die meisten dieser kleinen Parzellen liegen außerdem noch brach und manchmal wächst Lotus darin. Die Reissaison kommt mit dem Regen und der fängt demnächst erst an. Einige Bauern können es nicht abwarten und setzen den Reis schon jetzt in ihr Stückchen Land, nach alter Tradition jede Pflanze in den Boden drückend. Da hilft irgendwann auch kein Kieser-Training mehr. Mittlerweile gibt es rückenschonendere Verfahren (meistens sind die Setzlinge mit einem Erdklumpen beschwert und werden in die Suppe geworfen, sie pflanzen sich dann quasi selber ein). Aber bei solch winzigen Feldern besteht sicherlich eine besondere Bindung zu jeder einzelnen Reispflanze.

Die Ausnutzung jeder kleinen Ecke, jedes Stück Hangs, ist besonders in China. 7% des weltweit nutzbaren Ackerlandes müssen hier 22% der Weltbevölkerung ernähren. Das ist eine große Leistung. Land ist kostbar, verschwenderisch sollte damit nicht umgegangen werden. Auf winzigen Terrassen wird Weizen angebaut, das muss mehr oder weniger zum Eigenverbrauch sein (der Weizen braucht im Gegensatz zum Reis eigentlich viel Platz, um eine ordentliche Ernte abzuwerfen). Die wilden Hügelketten und die absurd scheinenden Terrassierungen darauf sind jedenfalls ein Augenschmaus. Mittags gab es eine richtig harte Steigung und die Sonne brannte auf uns hernieder, danach wieder eine lange Abfahrt mit allerhand kleinen Ablenkungen.

Wie haben wir dieses Wetter verdient? Wir haben es uns erarbeitet! Indem wir heute Nachmittag möglichen Regen gewarnt und hinweggeböllert haben (gute chinesische Tradition, nicht umsonst der Name „Chinakracher“). Und auch indem wir uns sklavisch der Zahlenmystik unterworfen haben. Gehalten wird etwa unter keinen Umständen bei km 44 (Unglückszahl). Jutta, Albin und Matthias haben sich ein Nummernschild „Zhongguo 888“ (Glückszahl) anfertigen lassen und ans Fahrrad gehängt etc. pp.

Außerdem essen wir immer schön auf, man darf nicht arrogant werden.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-25.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email