Neun kleine Fahrradfahrer, fuhren durch den Wald… Da waren‘s nur noch 4…

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Zum Frühstück überbrachte Sabine die schlechte Nachricht, dass Wieland heute an der Reihe ist eine Runde auszusetzen. So langsam haben wir fast alle durch. Vier sind bisher noch verschont geblieben. Mal sehen, wie lange das noch gut geht.

In einem Nebental des Roten Flusses ging es heute durch Reisfelder und kleine Dörfer nach Yen Bai. Die Landschaft war malerisch. Nur schade, dass sich die Sonne nicht mal kurz blicken ließ bei den Fotostellen. Da sieht man wieder mal wie die Ansprüche sich den Umständen anpassen, wenn man mal die Witterungsbedingungen der letzten Gruppe bedenkt. Mopeds sind immer noch das Hauptfortbewegungsmittel der Vietnamesen. Vor allem die Honda Dream (meistverkaufte Motorrad Allerzeit), Honda Win und die berühmte Minsk aus Russland gibt es hier wie Sand am Meer. Als René dann auch noch alte IFA-Laster aus der DDR entdeckt, die hier als Müllwagen und Transporter eingesetzt werden, war das Bild für Motor-Nostalgiker perfekt. Immerhin haben sie hier alle noch einen schönen Lebensabend in einer herrlichen Landschaft.

Ich blieb kurz vor der Mittagspause etwas zurück, weil mir eine Biene oder ähnliches ins Ohr geflogen ist und sich in meinen Gehörkanälen verirrte und um ihr Leben brummte. Der Geräuschpegel war nicht auszuhalten. Ich ließ mein Rad fallen und lief ins nächste Häuschen und versuchte mit Handzeichen zu vermitteln, was mir wiederfahren ist. Der Hausherr schickte einen seiner Töchter ins Haus um Tigerbalsam zu holen, was er mir ums Ohr schmierte. Anscheinend dachte er mich hätte eine Biene ins Ohr gestochen. Aber der Geruch genügte, um das Insekt aus der kuschligen Höhle meiner Ohrmuschel zu vertreiben. Zur Beruhigung reichte man mir Tee. Ich bedankte mich für die nette Behandlung. Dann aber kam die Abrechnung: „Vietnam Dong!“ und er zeigte auf seine Jüngsten Kinder, deren Bildung ich wohl finanziell unterstützen sollte. Nun gut… unter den Umständen blieb mir wohl nichts anderes übrig. Stellt sich nur die Frage, ob Papa nicht doch lieber ein Maisschnaps holt, statt einen neues Schulheft für die Kinder.

Am späten Nachmittag erst kamen wir in Yen Bai an, wo ein sozialistisches Prunkhotel unsere Bleibe für die Nacht war. Die Türen waren wohl für vietnamesische Zwerge gedacht, da man sich fast hinkniehen musste, um an den Knauf zu kommen. Ein Schmutzbier noch am See und ich brachte nichts mehr raus aus meinem Mund als einen erschöpften Seufzer.

Zum Abendessen gingen wir laut Duong ins beste Restaurant der Stadt, wo uns Schnecken mit grüner Banane gebraten in Galanga-Sauce, gebratener Aal und 2 große frittierte Fische aufgetischt wurden. Das war heute Abend nicht jedermanns Sache.


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Nach Süden, nach Süden

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Jetzt sind wir Südchina, d.h. zwar nach wie vor in der Provinz Shaanxi, aber mittlerweile über dem Qinling-Gebirge. Das nämlich gilt als die natürliche Grenze von Nord und Süd, von den Einzugsgebieten des Gelben Flusses und des Yangzi. Von Weizen und Reis. Die Etappe über diese Barriere war nicht ohne, die ersten 40km ging es fast konstant bergauf, doch das Gefälle war fair und die Landschaft gewaltig. Steinmassive, Felswände, reine Naturgewalt. Der Mensch verschwindet hier, die wenigen die noch da sind brechen Steine aus den Wänden und schneiden sie, der Tag heute war fast menschenleer. Schroffes Gestein und als wir tiefer kommen auch wieder die Parasolbäume, die derzeit in voller Blüte stehen und schon die Ebene des Wei-Flusses geschmückt hatten.

Luonan (wie groß sind diese Städte denn nun, man kann das kaum schätzen) war unser Endziel, Strecke war prima, Mittagessen war prima, Leistung war prima, nichts zu meckern, einwandfrei wie die Schwaben sagen, ihr höchstes Lob. Im Ort haben sich Menschentrauben um meine Schützlinge gebildet, aber penetrant ist es nicht. Die Menschen sind angenehm schüchtern hier. Das Hotel ist das Beste der Stadt, und das sagt viel über die Stadt. Touristen verirren sich nie hierher, auf unsere letzte Radgruppe wurde ich heute einige Male von wildfremden Leuten angesprochen (und die hat hier vor etwa einem halbes Jahr für eine Nacht Station gemacht), es spricht sich schnell herum dass wir aus Deutschland sind.


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Vietnamesische Kleinstadtidylle

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Heute Morgen schien Sapa wieder seinem Ruf alle Ehre zu machen und der Nebel hat sich noch weiter verdichtet und ein feiner Sprühregen kühlte die Bergluft. Um nicht unterkühlt und via Rutschpartie im Nebel unten im Tal anzukommen, nahmen wir den Bus und begannen unsere Fahrt unten im Tal. Eine Holperstrecke führte uns über Eisenbahnbrücken mit Fahrradverbot zu unserem Mittagslokal. Pho Xau Bo mal zur Abwechslung. Gebraten sind die Reisnudeln mindestens genau so lecker. Aber sie wären nicht halb so köstlich ohne die Zugabe von frischer Minze, Chilli und Limette. Die Luft war schwül und zäh. Aber wir kamen zeitig in Pho Rang an und begutachteten unsere Bleibe. Heute hatte René einen Aussetzer. Wie gut, dass die Leute immer dann krank werden, wenn wir einen Transport haben. Pho Rang selber ist recht unspektakulär. Bis auf Schuhläden mit zu kleinen Flipflops und einem dunklen Markt gab es hier nicht viel, was man erkunden konnte.

Die Zimmer waren halb so schlimm wie erwartet. Das eigentlich Ungemütliche war, die Durchfahrtstraße an der das Hotel lag und die Propagandabeschallung.

Als Westler sind wir es ja eigentlich nicht gewohnt unser Abendessen kurz vorher noch sterben zu hören. So verdarb das Todesquieken des Schweins kurz vor dem Abendessen einigen den Appetit auf Fleisch, wovon reichlich aufgetischt wurde heute. Weggeworfen wird hier ja nichts. Daher trofft das Blut beim Ausbluten nicht in den Abfluss, sondern wird auf gefangen und Blutpudding draus gemacht. Das klingt schlimmer als es ist. Mit Minze, Erdnüssen und Limette garniert, sieht fast alles genießbar aus. Selbst Karin die ja eigentlich fast Vegetarierin ist probierte ein Häppchen und zuckte die Achseln. Der kulinarische Höhepunkt heute Abend allerdings war der Maisschnaps, aus unreifem Mais. Er roch zwar etwas strenger, hatte aber eine erstaunlich milde Note und einen zarten, fast nach Vanille schmeckender Abgang. Einfach Herrlich! Mit diesem Stoff kann man jeden Weintrinker bekehren.


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…das himmlische Kind

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die Straße führt durch karge Landschaft leicht ansteigend Richtung Horizont. Drei von weit angereiste Radler treten gleichmäßig in die Pedalen und blinzeln in die Morgensonne. Das Leben ist schön!

Vielleicht hätten wir am Vorabend gemeinsam den „Himalaya by Bike“ Reiseführer lesen sollen. Haben wir eigentlich auch, aber die Wahrnehmung ist anscheinend selektiv. „Im oberen Bereich wird der Karo La Pass in Frühjahr oft zu einem Windkanal“, steht da. Nun denn, Rückwind ist doch klasse, denkt sich da der optimistische Radler und blättert weiter. Das mit dem Windkanal stimmt, das wissen wir nun. Von orkanartigem Gegenwind hatten wir aber nichts gelesen haben wollen.

Also begeben wir uns auf Schleichfahrt. Die Sicht und das Wetter sind immer noch fantastisch. Vorbei an zwei 6.000ern und einem 7.000er mit einem imposanten Gletscher quälen wir uns gegen den Wind, bis irgendwann die Vernunft siegt. Die letzten zehn Kilometer Pass, d.h. rund 300 Höhenmeter nutzen wir das Begleitfahrzeug, um nicht völlig gegen eine Windwand zu fahren. Unser erster 5.000er Pass, leider nicht ganz mit eigenem Muskelschmalz. Aber es gibt noch einige Chancen, uns auf dieser Tour in diesen Höhen zu behaupten. Bergab balanchiert der Gegenwind dann die Fahrtgeschwindigkeit so, dass wir weder treten noch bremsen müssen – das entschädigt ein wenig für die anstrengende Bergfahrt. Vor allem aber die karge Mondlandschaft, durch die wir gemächlich rollen, fasziniert uns. Wenn die Eskimos 100 Wörter für Schnee ihr Eigen nennen, werden die Tibeter mindestens 50 Nuancen von Grau und Braun in ihrem Vokabular aufgenommen haben. Am Horizont bauen sich über der unwirtlichen Landschaft Eissillouetten auf. Bis die Landschaft lieblicher wird und die Straße in ein enges Flußtal mündet, mit tibetischen Bauernhäusern an beiden Hängen. Wir hatten uns entschieden, zwei Etappen zusammenzulegen, um einen Besichtigungs- und Ruhetag in Gyantse zu haben, was sich als richtige Entscheidung entpuppt, da sowohl das Guesthouse als auch das Restaurant in Longma, unserem eigentlichen Etappenziel, nicht mehr vorhanden ist. Mit der vollständigen Teerung des Friendship Highways sind die Gasthäuser in den kleinen Orten anscheinend nicht mehr notwendig.

Von Longma geht es tendenziell bergab nach Gyantse, das sollte eigentlich keine Probleme machen. Macht es auch nicht, nur der Wind weht uns erneut in Orkanstärke entgegen und irgendwann ist zwar noch ein wenig Kraft, aber definitiv keine Lust mehr vorhanden. Die letzten 30 km der 110 km Etappe steigen wir erneut ins Begleitfahrzeug um, und haben auch kein schlechtes Gewissen dabei. Das Gyantse Hotel verwöhnt uns dann mit heißem Wasser und weichen Betten. Den morgigen Ruhetag haben wir uns definitiv verdient!


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Wo Yaks Herzflattern bekommen

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Uns geht es gut! Wir radeln bei strahlendem Sonnenschein leicht bergan durch das Bramaputra-Tal, durch kleine tibetische Dörfer, vorbei an Aussichtspunkten, die allerdings fest in deutscher Hand sind (Bavaria Fernreisen), die Höhe von 3.700 Metern scheint ein Papiertiger. Dann schrauben wir uns die ersten Serpentinen hinauf, schnaufen ein wenig mehr, aber nicht wesentlich auffälliger als im Flachland, freuen uns auf die Passhöhe, machen nach 12 Kilometern Passfahrt auf 4.350 Metern Höhe noch einmal eine entspannte Pause – satteln wieder auf.

Und fahren gegen eine Mauer. Unerbittlich bläst wie aus dem Nichts ein eiskalter Wind, aus wechselnden Richtungen. Uns erscheint es, als käme er immer aus unserer Fahrtrichtung. Ob von vorne oder hinten: Der Wind zehrt an unseren Kräften, die Kälte macht die Muskeln steif wie Eiszapfen. 300 Höhenmeter und vier Kilometer vor der Passhöhe schmeiße ich das Handtuch, Sabine und Heinz halten tatsächlich bis zur Passhöhe durch, die Anstrengung ist ihnen aber ins Gesicht geschrieben. Auf der Passhöhe (4.800 m) ist der Wind noch stärker und kälter, da wollen wir uns nicht so lange aufhalten. Selbst die als Fotoobjekt auf die Passhöhe gestellten Yaks scheinen zu frieren und ihre Besitzer treten in einem verzweifeltem Versuch, sich aufzuwärmen, von einen Fuß auf den anderen. Also stürzen wir uns in die Abfahrt, mutig dem Wind entgegen. Zum Glück ist das Gefällte stark genug und wir müssen wenigstens nicht bergab treten. Uns zu Füßen liegt der Yangdrok Tso, einer von vier heiligen tibetischen Seen und glänzt verführerisch in Türkis. Nach kurzer Schußfahrt haben wir den See erreicht, bibbernd, erschöpft und wärmebedürftig. Ein paar Kilometer radeln wir noch am See entlang, steigen dann aber nach einem kurzen einverständlichem Nicken kollektiv in das Begleitfahrzeug. Schon am ersten Bergtag bis weit in den roten Bereich zu fahren, das hat keinen Sinn. Zumal Nangartze, unser Etappenort, immer noch auf 4.400 Metern Höhe liegt und wir noch nicht wissen, wie wir den erneuten Anstieg der Übernachtungshöhe vertragen. Die Höhe erweist sich dann als kein Problem, die scheinen wir alle drei sehr gut zu vertragen. Eher die Temparaturen, die am frühen Abend kaum noch über dem Nullpunkt liegen. Immerhin, das Hotel (!) hat brühend heißes Wasser zu bieten. Aber leider keine Heizung und Fenster, deren Isolierung die Frage logisch erscheinen lässt, warum man überhaupt welche eingebaut hat.

Folglich tragen wir alle Kleidungsschichten auf, rennen über die zugige Hauptstraße von Nangartze und wärmen uns dann in einem der Straßenrestaurants bei einer heißen Suppe, einem Lhasa-Bier auf Zimmertemperatur (ca. 5 Grad) und unserem inzwischen zum Inventar gewordenen chinesischen Kräuterschnaps Jinjiu 劲酒.


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Loutoa und der gelbe Schmetterling

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Lang lebe Loutoa! Sie hat ein mächtiges Lachen und eine ansteckende Lebenslust, heute hat sie Geburtstag. Letztes Jahr haben ihr die Freunde noch eine Limousine vorbeigeschickt, heute hat sie sich mit uns den Huashan hochgekämpft und dem widrigen Wetter trotzig die Stirn geboten. Ganz schön kühl da oben, dann hat es auch noch angefangen zu regnen, keine Idealbedingungen für eine Polynesierin. Loutoa kommt aus Tonga und lebt jetzt mit ihrem Mann Welf auf Hawaii, der kommt aus dem Allgäu und hat ihr den entsprechenden Akzent vermacht. Jetzt radeln die beiden also durch China (schon zum sechsten Mal mit uns!). Welf heute barfuss den Berg hoch, Rad fährt er mit Flip-Flops. Und gerne auch ein paar Kilometer mehr, wie gestern, da sind wir zum Hotel abgebogen und waren einen Moment unaufmerksam, Welf auch, bis ich ihn wieder hatte war er schon zehn Kilometer weiter.

Und da waren schon 105km gefahren. Anfangs hügelig durch tolle Lösslandschaft, später durch die Ebene und dem Wind ausgesetzt. Die Fahrt verlief parallel des Wei, dem wichtigsten Zufluss des Huanghe, des Gelben Flusses. Die Gegend gilt als Kerngebiet der chinesischen Kultur, ihre Fruchtbarkeit ist offensichtlich: der Weizen ist schon gut gediehen, die Ebene ein einziges grosses Gemüsefeld. Wir sind durch traditionelle Dörfer aus Lehm gekommen, über lebhafte Märkte und an archaischen Ziegeleien vorbei. Einige der Höhlen, die in die enormen, durchbrochenen Lössschichten gehaün wurden, sind noch bewohnt. Ein paar Kilometer weiter durch moderne Orte wie Weinan, bei uns würde das als Grossstadt gelten. Nachmittags ging es dann stetig auf das Qingling-Gebirge zu, der Berg Hua („Blütenberg“) ist Teil dieser Kette, die sich bis zur Taklamakan im Westen zieht. Er ist einer der fünf heiligen Berge des Daoismus und heute haben wir ihn gemeistert, knapp 1200 Höhenmeter, kein Problem.

Loutoa und der gelbe Schmetterling haben nichts miteinander zu tun, überhaupt nichts (aber es klingt schön, oder?). Der gelbe Schmetterling ist in China immer seltener anzutreffen, wenn auch nicht gerade vom Aussterben bedroht. In unserem kleinen gruppeninternen Sprachkurs lernen wir jeden Tag ein neüs Wort, das erworbene Wissen wird mit grossem Elan praktiziert. Albin hat sich zudem neulich selbst ein Wort beigebracht, viel im Spracherwerb liegt ja in der Nachahmung, in Albins Fall war es eine interkulturelle Meisterleistung. Seitdem kommuniziert er dann und wann mit den Chinesen auf seine Weise…es geht um die Art, wie manche von ihnen ihre Kehle freiräumen – von ganz tief unten – Welf meinte, sein Grossvater hätte dazu „den gelben Schmetterling fliegen lassen“ gesagt. Das könnte aus China stammen.


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Die Stadt im Nebel

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

…So heißt Sapa in einem bekannten vietnamesischen Popsong… und so präsentierte es sich uns heute Morgen. Sichtweite betrug etwa 100 m. Ursprünglich war eine Fuß-Wanderung durch die Minoritätendörfer mit einem Ausblick über das Tal geplant. Nach dem Frühstück saßen wir alle gemeinsam in der Lobby, schauten uns gegenseitig an, schauten aus dem Fenster, schauten uns wieder an und schüttelten den Kopf. Also gut, verschieben wir unser Vorhaben auf später. Wir entschlossen uns um zwei wiederzutreffen um einen neuen Versuch zu wagen. Der Nebel blieb, genau wie unsere Unlust das Tal zu erkunden. Asche über unser Haupt! Aber hey! Wer die Auffahrt nach Sapa schafft, der hat sich auch einen Ruhetag verdient. Also beschlossen wir gemeinsam einen Kaffee trinken zu gehen. So liefen wir im Nieselregen los und ließen uns an einem Café am Dorfsee nieder. Der Kaffee wurde schnell kalt und uns ging es nicht anders. So wurde für den Nachmittag auch das gemeinsame Programm gestrichen und man versuchte sich selbst zu unterhalten.

Abends hatte Duong ein besonderes Lokal ausgesucht, in dem sich keine Touristen verlaufen, auch wenn es fast mitten in Sapa liegt. Hier wird Feuertopf gegessen: Fondue auf asiatisch. Das Essen war hervorragend, inklusive etwas zähem Pferdefleisch und Schweinespeck. Nur als die einheimischen Hmong zur Unterhaltung einen Regentanz aufführten, bekamen wir etwas Panik und tranken lieber noch 2 Runden Reisschnaps auf sonnige Tage. Bisher hatten wir echt Glück mit dem Wetter. Sapa zählen wir jetzt mal nicht mit… Wenn sein schlechtes Wetter schon in der vietnamesischen Popmusik besungen wird, können wir da auch nicht mehr viel machen.

Entlang der Teestraße

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die „Teestraße“, besser gesagt die verschiedenen Karawanenrouten, die Indien und Nepal mit China verbanden, führten durch Tibet, und in der Regel durch Lhasa. Entlang einer dieser alten Handelswege radeln wir in den nächsten zwei Wochen von Lhasa nach Kathmandu. „Friendship Highway“ ist der moderne Name für eine der wichtigsten Handelstraßen der letzten 1000 Jahre. Seide, Tee, Porzellan und Gewürze wurde zwischen den Weltreichen Indien und China transportiert, die Umschlagplätze lagen in Lhasa und Kathmandu.

Die ersten Kilometer unserer Reise wollen jedoch so gar nichts mit einer historischen Handelstraße gemein haben. Breit und bräsig führt der Friendship Highway als Beijing Lu durch das Stadtzentrum von Lhasa. Rechter Hand bietet der Potala noch einmal einen Fotostopp, dann radeln wir durch breite Ausfallstraßen, die auch in jeder anderen chinesischen Stadt stehen könnten auf abgetrennten Radwegen in Richtung Bramaputra-Tal. Flach geht es dahin, mit leichtem Gegenwind. An die Höhe haben wir uns inzwischen gut gewöhnt, auch dank medizinischer Hilfe. Sabine und Heinz schwören auf Diamox, ich habe mich flächendeckend mit „Hong Jing Tian 红景天“ eingedeckt. Das besteht vor allem aus dem Destillat der Rhodiola Rosea. Musste ich auch googlen: Das ist die Rosenwurz und wohl inzwischen in Russland so etwas wie eine Wunderpflanze. In Sibirien wird sie „Goldene Wurzel“ (Золотой Корень, Solotoy Koren) genannt, denn der Wurzelextrakt soll Erinnerungsvermögen, Konzentration und Aufnahmevermögen steigern (Wikipedia sei Dank!). Neuen Erkenntnissen zufolge verlängern die Extrakte dieser Pflanze die Lebensspanne von Fruchtfliegen um bis zu 10 %. Na dann wird die Wurzel wohl auch gegen Höhenkrankheit helfen. Das Problem: Mit der Rhodiola Rosea geht es mir auch auf über 4.000 Meter ausgezeichnet. Was wäre ohne? Da versagt die Empirie.

Wir radeln also relativ schnaufarm durch Tibet und feiern unsere erste Etappe. In einem tibetischen Gasthaus, dass wohl auch schon zu Karawanenzeiten das erste Haus am Platze war. Von dem ursprünglich geplanten Hotel sahen wir leider nur die Grundmauern und einen emsigen Bagger, der sich durch das Resthotel fraß. Das Bedauern hält sich in Grenzen, die tibetische Familie sorgt sich rührend um uns, auch wenn der Sohn der Familie meint, chinesische Schlager zur Hintergrundmelodie seines Handys singen zu müssen – bei „Es müsste im Winter gewesen sein“ habe ich auch gegen Mitternacht gerne mitgesungen – der gute Mann hatte sein Zimmer neben meinem. Ein wenig fühlen wir uns also als Nachfahren der mutigen Karawanenführer. Immerhin – auch heute wartet hinter jeder Bergkette das Ungewisse auf uns.


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Goodbye „Mixian“, Hello „Pho“

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Morgens nach einem einfachen Nudelsuppen Frühstück wollte uns Herr Wang noch seine Gartenanlage zeigen. Eigentlich wollten wir zeitig los, da wir wussten, was uns am Nachmittag in Vietnam erwartet: Der steile Weg hoch nach Sapa! Aber wir wollten mal nicht so sein und taten unsere Pflicht als freundliche Gäste. Herr Wang seinerseits verstand es als seine Pflicht das Bewusstsein für Natur und Umwelt seiner Gäste zu stärken. Gegen so ein nobles Argument waren wir ja sowieso machtlos. Wir erwarteten einen kleinen Garten in dem er uns seine Fruchtbäumchen und Blumen vorstellen würde und wir etwas verkrampft nicken und aufgesetzt grinsen würden. Sein „Garten“ war jedoch, wenn man seinen Worten Glauben schenken kann, eine Zuchtstelle für seltene und bedrohte Pflanzenarten. Die Pflanzen und Insekten Ausstellungen waren recht sehenswert und seine Erklärungen gaben einen interessanten Einblick in die hiesige Fauna und Flora. Nichtsdestotrotz wollten wir endlich aufbrechen, da Grenzübergänge immer ungewiss und schwer einschätzbar sind. Dazu kam, dass Claudias Vietnam Visum erst einen Tag später gültig war. Aber es gibt ja immer Wege hier. Sackgassen kennt man nicht!

Die ersten 95 km bis zum Grenzposten ließen wir uns mit Bus fahren, da die Öffnungszeiten der Grenze etwas unbestimmt sind und die Masochisten unter uns es kaum erwarten konnten die Berge von Sapa zu bezwingen. Nachdem hilfsbereite Grenzbeamte die Problematik mit dem Pass geklärt hatten, konnten wir unsere Räder und Gepäck über den Roten Fluss schieben und waren in Südostasien angekommen. Das machte sich sofort bemerkbar: die Leute grüßten uns Fahrradfahrer mit einem freundlichen „Hello!“, der Duft, der in Luft lag ,änderte sich und 3 bis 4-stöckige Reihenhäuser zierten die Straßenufer. Duong (Gesprochen: „Hsöng“), unser vietnamesischer Reiseleiter nahm uns in Empfang und ich verstand außer „Pho“ hier kein Wort mehr. Auch wenn ich mich nicht mehr verständigen kann merkte ich sofort, dass ich meiner Heimat in Thailand ein ganzes Stückchen näher kam.

Vor dem Anstieg mussten wir natürlich nochmal Energie auftanken. Da kam unsere erste Schüssel Pho wie gerufen. Es gibt vermutlich kein Gericht auf der Welt das so verwurzelt ist. Pho ist das kulinarische Nationalsymbol Vietnams… und was für eins! Mixian in China sind nicht schlecht, Eiernudelsuppen in Thailand schlage ich auch niemals ab. Aber Pho ist sowohl die einfachste als auch die vollkommenste Form einer Nudelsuppe. Vorausgesetzt man steht auf frischen Koriander und Minze.

1450 Höhenmeter… jetzt könnt ihr kommen! In solchen Momenten bin ich immer besonders froh, dass ich als Reiseleiter bei den Letzten mitfahren muss. Gegen Ruth (die immer noch ziemlich angeschlagen war) und Claudia hätte ich keine Chance gehabt. Auf halber Strecke meldete sich eine Stimme in meinem Kopf. Es war meine asiatische Seite die sich immer mehr in den Vordergrund drängte: „Warum tust Du Dir das an? Hinten fährt das Begleitfahrzeug mit und du mühst dich hier ab. Schmeiß das Fahrrad da rein, entspann Dich und genieß die Aussicht!“. Immerhin haben es alle von uns bis über 1000 Meter geschafft. Als die ersten bei 1043 m das Handtuch schmissen und den Bus bestiegen, war ich ihnen endlos dankbar und ließ mich in das Sitzpolster fallen. Fünf von uns wollten jedoch weiterfahren. Als wir mit dem Bus oben ankamen, wartete Claudia bereits. Auch Ruth ließ nicht lange auf sich warten. Als dann der Rest auch mit ihren Rädern und kaltem Schweiß auf der Stirn vor dem Hotel stand meldete sich mein europäischer Ehrgeiz zurück: „Ich hätte jetzt auch als einer von denen sein können, die es hier hoch geschafft haben.“ Claudia übernahm die Rechnung für das Schmutzbier und allerspätestens jetzt konnte ihr die kleine Verzögerung keiner mehr übel nehmen.

Nun ist erst mal Entspannung Touri-Style angesagt mit allem, was das Touristenherz begehrt: französische Backereien, indischen Restaurants, Massagesalons, Outdoorläden und You-buy-someting-from-me-ok? -Rufe von Hmongfrauen, die einem ihre gestickten Tücher und Kissenbezüge andrehen wollen. Der Boom Sapas in den letzten 10 Jahren ist unglaublich. Der ehemalige französische Kurort, welcher fast in Vergessenheit geraten ist, mutierte zu einer ausgewachsenen Backpackermetropole. Lonely Planet hat hier mal wieder ganze Arbeit geleistet.


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