Besuch bei der Präsidenten Familie

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wuyuan nach Xiaoqi. 40 km

Für viele Leute klingt es schon skurril, wenn man sagt, dass man in seinem Urlaub ein Tag mit 40 km Fahrradfahren als einen Entspannungstag ansieht. So war es aber für uns. In knapp 3 Stunden waren die km weggestrampelt… auch inklusive eines Platten, wieder mal auf den letzten 6 km. Und schon kamen wir an in Xiaoqi, einem kleinen Museumsdorf, wo wir Eintrittskarten kaufen und Fingerabdrücke abgeben mussten. Da bekam ich doch ein bisschen Sorge, dass es nicht vielleicht wieder zu viel Museum und zu wenig Dorf ist, wie das neu hergerichtete Wuzhen. Die Fahrräder durften wir nicht mit durch das Haupttor nehmen, sondern mussten damit durch eine kleine Gasse quasi durch die Hintertür. Hier lauerte wieder an Mann mit einem Fingerscangerät. Hätte Andreas mich nicht vorgewarnt, so wäre ich vermutlich vom Fahrrad gefallen, so plötzlich wie er aus seinem Versteck geschossen kam und uns mit seinem futuristischen Gerät bedrohte. Die Befürchtung hatte sich aber keineswegs bewahrheitet. Klar waren Touristen hier und da. Das Dorf selber wirkte dennoch sehr authentisch und hatte durchaus seinen Charme.

Einige Gassen und verwinkelte Wege weiter kamen wir an unserer kleinen familiengeführte Unterkunft an. Frau Jiang und Herr Hong sorgten sich sofort um uns und bereiteten schon mal das Mittagessen vor. Ein Bier war auch schon kalt gestellt. Da haben die Vorgruppen mal wieder beste Arbeit geleistet. Im Museumsdorf tummelten sich einige Touristengruppen. Wir wollten daher lieber erst einmal das ruhigere Hinterdorf besichtigen. Frau Jiang hielt das für eine schlechte Idee bei der Hitze und versuchte uns das schnell wieder auszureden. Wir gingen trotzdem und wurden belohnt, erst mit einem netten kleinen Steinweg durch die Felder, und dann mit einem völlig Touristen-freien süßen Dorf entlang eines dahinplätschernden Baches. Hier hatten wir auch die Möglichkeit, unser erworbenes Wissen über die Tee-Herstellung auf die Maschinen älteren Baujahrs in einem kleinen Tee-Museum zu übertragen.

Wie gesagt… Heute ist Entspannungstag. Da kann man auch mal eine Tasse-Tee genießen und ein bisschen chinesisches Schach spielen. Allerdings waren Katharina und ich so schlecht, dass unsere Tutorin uns irgendwann kopfschüttelnd aufgegeben hatte.

Anschließend besuchten wir das Familienhaus der Vorfahren der wohlbekanntesten Persönlichkeit in der Gegend: Jiang Zemin. Der ehemalige Präsident setzte Deng Xiaopings Öffnungspolitik weiterfort und wird immer in Verbindung gebracht mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung während der Jahrtausendwende. Das Haus seiner Vorfahren ließ erahnen welchen Einfluss bereits damals die Jiang Familie hatte: Eindrucksvolle Tore, Hallen und Seitenflügel zeugen von der ehemaligen Machtstellung des Clans. Selbst das Familienschild (im Prinzip das chin. Klingelschild) über dem Eingangstor ist von Lin Zexu, dem Held des Opiumkrieges höchstpersönlich, in Auftrag gegeben worden. Da Jiang Zemin aber nie selber hier lebte und ein paar Kilometer weiter geboren ist, gibt es nur einen kleinen netten Hinweis für die Touristen, die sich in das Hinterdorf verlaufen. Auch vom ehemalige Ruhm und Einfluss der Familie ist, zumindest in diesem Haus, nicht mehr viel übriggeblieben: Ein paar vergilbte Papiertafeln schildern die Dorfgeschichte; vor dem Eingangsbereich wurden Reiskörner und Auberginenfladen getrocknet.

Anschließend zurück ins Touridorf, 4 mal um den 1700 jährigen Glücksbaum rennen, ein paar hübsche Gassenfotos schießen und dann zurück zum Guesthouse. Herr Hong überraschte uns mit einem Abendprogramm der besonderen Art: An der Schule gab es heute ein Freiluftkino, organisiert von der Bezirksregierung, zur Aufwertung und Erfüllung des kulturellen Lebens der Dorfbewohner… so erklärte es uns einer der Veranstalter. Es lief natürlich ein Kriegsfilm über einen der vielen chinesisch-japanischen Kriege. So so… Erfüllung des kulturellen Lebens… Da haben wir Westler irgendwie eine andere Vorstellung von. Aber passt ja auch ins Bild, wenn man bedenkt, wie viel mediale Aufmerksamkeit die momentanen Streitigkeiten mit Japan um die Sentaku-Inseln in den Nachrichten zu sehen ist.

Die Enkelin von Herrn Hong war zu unserem Glück noch Klassensprecherin und damit Schlüsselverwalterin, sodass sie für uns auch noch eine Sonderführung durch die Schule machte und einen nächtlichen Einblick in ihr Klassenzimmer gewährte. Braves Mädchen! Kein Wunder, dass sie zur Klassensprecherin gewählt wurde.


Wo sind sie denn, die Massen?

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

1,5 km einfach, 400 HM, auf der Mauer bei Huanghua

Es war wohl Andreas, der diese Frage zum ersten Mal ausgesprochen hat. Bekannte hatten von Massen berichtet, sie sich an Verkaufsbuden vorbeischlängeln, um das berühmte Foto fürs Familienalbum zu machen. Wer nie die Mauer bestiegen hat, kann nicht als echter Chinese durchgehen, so oder ähnlich lautet ein chinesisches Sprichwort, an das ich mich dunkel aus dem Sprachunterricht an der Uni erinnere. Also, wo waren sie dann, die Massen, an diesem Tag mit Bilderbuchwetter, ein paar weiße Wölkchen auf blauem Grund, Zikadengezwitscher, eine Sonne, die nicht mehr ganz unbarmherzig vom Himmel brennt… einfach ideal für einen kleinen Spaziergang auf der Mauer, dem Bauwerk, dass man zwar nicht vom Mond aus sieht, an dem aber sämtliche Dynastien seit dem ersten Kaiser gearbeitet haben, um die Barbaren in ihre Schranken zu verweisen, also außerhalb des Reichs der Mitte. Wobei es schwer vorstellbar ist, wie ein Reitervolk aus dem Norden zumindest an dieser Stelle die Berge bezwingen soll, um überhaupt erst zur Mauer vorzudringen. Steil geht es bergauf und bergab, immer am Kamm entlang, es ist eine schweißtreibende Angelegenheit, die einiges an Konzentration erfordert.

Jedenfalls waren wir allein dort, um der Fantasie freien Lauf zu lassen und uns anrückende Barbaren und bestechliche Soldaten auszumalen. Nur auf dem Rückweg trafen wir auf die obligatorische Handvoll Westler, die auch auf diesem steilen Stück unterwegs waren.

Einige Stunden später, zurück in der Stadt, haben wir sie doch noch angetroffen, die Massen: im Olympischen Gelände, zwischen Vogelnest und Schwimmstadion. „Hier muss man gewesen sein“ war der Kommentar unseres Fahrers, als ich über die Kolonnen parkender Busse gestaunt hatte. Wir diskutieren ein wenig über Nutzung eines solchen Geländes (wenn die Touristenströme einmal ausbleiben sollten)…

Krönender Abschluss des Tages war die Pekingente, die zu einem letzten Abend in der Hauptstadt unbedingt dazu gehört. Im Hotel kamen uns unerwartet zwei bekannte Gesichter entgegen: Tom und der Rest der Reisegruppe, die gerade frisch mit dem Rad aus Irkutsk eingetrudelt waren. Gratulation nochmal zu dieser 4000 km Tour. Unsere Reise führt uns morgen in aller Frühe nach Yunnan, die Wanderung kann beginnen.


Where are your bikes?

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

Auf der Mauer, auf der Lauer. Eine Halbtagesbeschäftigung bei dem besten Wetter, welches man sich dafür wünschen kann.

Schon klar, wenn man mit einem China By Bike T-Shirt auf der Großen Mauer kraxelt wird man natürlich alle 52,3 Meter gefragt wo denn die Fahrräder wären. Anfangs fanden wir die Frage originell und antworteten wahrheitsgemäß. Aber spätestens nach 209,2 Meter wurden wir kreativ:

  • Die Falträder stecken in unseren Tagesrucksäcken.
  • Am nächsten Wachturm blasen wir die Räder wieder auf und fahren weiter.
  • Wir erkunden gerade die Strecke und fahren sie dann morgen mit dem Rad ab. Dürfte kein Problem sein!
  • Die Fahrräder haben uns einen Tag frei gegeben und amüsieren sich heute in der Stadt.

Manchmal mussten wir wirklich hinzufügen, dass wir mit unserer Antwort etwas geflunkert haben. Manche Menschen glauben einfach alles.

Heute also unser zweiter Tag auf der Chinesischen Mauer. Gleich nach dem Frühstück sind wir losgestiefelt. Erfolgreich konnten wir zuvor alle Cola- Water-Beer Ladies abschütteln, dann waren wir auf dem Bauwerk. Zwar nicht ganz unter uns (sonst hätten wir uns die Frage nach den Rädern nicht so oft anhören müssen), aber überwiegend allein und vor allem genießend.

Ich war ja schon oft auf der Mauer, kann aber durchaus die Gefühle von APH nachvollziehen. Es ist einfach etwas Erhabenes und wortwörtlich Erhebendes, wenn man da auf einer breiten Mauer steht, die vor über 500 Jahren errichtet wurde. Und zwar nicht irgendwo in der Landschaft, sondern über Bergkämme, die einen phantastischen Ausblick über die weitere Umgebung gewähren. Eine Mauer, errichtet unter schwierigsten Arbeitsbedingungen mit gebrannten Ziegeln, die irgendwie hier hoch geschleppt und aufeinander gesetzt wurden. Dagegen erscheinen die Aufgaben und Probleme der Welt von heute doch eher nichtig und klein…

Nach rund drei Kilometer Wanderung schlugen APundC den Rückweg ein. H ließen wir zurück, er wollte noch die letzten zwei Wachtürme besuchen. Danach ist nämlich auf diesem Teil der Mauer Schluss, weiter geht es nicht und man muss umkehren.


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Ente gut, alles gut

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

68 Kilometer vom Minggräberstausee bis nach Beijing, Besichtigung des Sommerpalastes und des Olympistadions, abends Pekingente, 51 Höhenmeter bei sonnigen 27 Grad.

Nun also der letzte Radeltag in die chinesische Hauptstadt und der beginnt mit dem Abschied von unserem Fahrer. Wir wollen uns Zeit lassen und noch den Sommerpalast besichtigen, also schicken wir Xiao Zhang mit dem gepäck gleich zum Hotel und sagen „Tschüß“. Das amüsiert die Chinesen immer wieder, wie komisch sich die Deutschen verabschieden, den „tschü-se“ bedeutet auf Chinesisch „Fahr zur Hölle“. Wir klären den Irrtum auf und nehmen unseren Meisteresser noch einmal in den Arm.

Dann rollen wir langsam los. Der letzte tag ist noch einmal sehr schön, denn es geht fast 30 Kilometer nur auf kleinen Straßen und Wegen durch kleine Wälder und an Kanälen entlang. Kaum zu glauben, dass hier in der Umgebung 10 Millionen Chinesen wohnen, wo sind die alle hin. Erst auf den Sommerpalast zu haben wir dann belebte Straßen, bis zu 6 Spuren und da sind sie dann auch die Menschenmassen. Welch ein Kontrast zu unseren Etappen durch die Wüste in der Mongolei.

Trotz des Gerangels ist der Sommerpalast immer wieder ein Erlebnis, die Anlage wurde vom Kaiser Qianlong im 18 Jahhundert errichtet und steht im starken Kontrast zur Verbotenen Stadt im Zentrum. Denn im Sommerpalast dominieren weitläufige Anlagen, Seen mit Inseln, Brücken und einzelne Paläste und Pavillions. Durch den Park führt ein mehr als 700 Meter langer Wandelgang, der mit tausenden von Bildern geschmückt ist. Waren die Anlagen einst nur zum Vergnügen des Kaisers gedacht, haben hier heute täglich mehrere 10.000 Leute ihren Spaß, besteigen die Halle der Freude und Langlebigkeit und genießen den Blick über den See mit der Skyline Beijings im Hintergrund. Im hinterne Teil des Sees liegt ein Pavillion aus Marmor in der Form eines Bootes. Um den teuren Bau finazieren zu können hat die Kaiserinwitwe Cixi den Bau unter „Ausgaben für die Marine“ deklariert, so möchte ich auch gerne meine Steuererklärung manipulieren können.

Mit einem „richtigen“ Boot schippern wir dann zum andern Ufer bis zur Insel im See und laufen über dien 17 Bogen Brücke zurück zum Ausgang. Zwei Stunden in dem Trubel reichen, denn wir haben ja noch den Stadtverkehr vor uns. Der läuft jedoch relativ ruhig, zumindest für uns, denn jede der breiten Straßen hat auch einen extra breiten Radstreifen und so sind wir entlang des vierten Rings recht schnell am Olympiagelände.
Auch hier noch einmal Volksmassen, die das Vogelnest und Aquawürfel bestaunen und auch wir machen unsere Touristenfotos. Dann folgen die letzten Kilmeter der Tour und bei 3412 schalte ich am Hotel den Kilometerzähler aus. Irkutsk-Beijing ist geschafft; für dieses Jahr und weil es so schön war, gibt es die Tour auch im nächsten Jahr wieder.

Was bleibt zu tun heute noch? Na klar, die obligatorische Pekingente! Immer wieder superlecker ist der knusprig gebratene Vogel, von dem nur die goldbraune Haut mit Fettschicht und ein wenig Fleisch serviert werden. Dazu gibt es Gurke und Zwiebeln und Pfannkuchen, in den die Ente und die Beilagen eingewickelt werden. Dazu kommt eine dunkle, leicht süßliche Soße. Ein Geschmackserlebnis der besonderen Art.

Abenteuer aus 101 Kilometern…

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Kaihua nach Wuyuan. 101 km

Auf dem Plan standen 100 km. Hört sich viel an. Ist es auch. Da kommt es vor allem darauf an, wie die Strecke ist. Und die hat einen heute zwischenzeitlich immer wieder vergessen lassen wie viele km noch vor einem liegen. Geradezu einsam ging es durch ein Tal ins nächste, oft an einem Bach oder kleinem Fluss entlang. Das war ein idealer Radweg, wie man sich ihn vorstellt: Nicht allzu viele Steigungen, schöne Landschaft und fast autofreie Straßen. Irgendwo auf der Strecke verließen wir auch die Provinz Zhejiang und kam nach Jiangxi rein. Leider wies nicht mal ein Schild daraufhin und wir konnten es nur an den Nummernschildern der vorbeifahrenden Traktoren festmachen, dass wir in Jiangxi angekommen sind.

Kurz vor unserem Ziel streikte jedoch Katharinas Rad noch einmal und wollte eine Zwangspause haben. Ein Platten ist immer ärgerlich. Aber 6 km vor dem Ziel auf so einer Etappe ist das nochmal was ganz anderes. Wir nutzten die Pause und konnten so nochmal die nötige Restkraft tanken für das letzte Stück in die Stadt hinein.

Geschafft! 101 Kilometer. Für alle drei Teilnehmer eine Premiere mit der 3-stelligen Tagesbilanz. Mächtig stolz stürzten wir unser Schmutzbier hinunter. Das Bild muss von außen allerdings weniger stolz ausgesehen haben, wie wir zu viert auf der Treppe vor dem Hoteleingang, wie Obdachlose, jeder mit einer Pulle Bier in der Flasche, völlig verdreckt und vor uns hin miefend, fläzten. Nicht einmal mehr die Treppen in die Lobby schafften wir. Ein Chinese machte natürlich auch gleich ein Foto mit seinem Handy. Das landet wahrscheinlich in der Wuyuaner Morgenpost mit der Überschrift „Eurokrise härter als befürchtet. Auch Touristen schlafen nur noch vor statt im Hotel.“

Wuyuan aber bot nicht die erhoffte Genugtuung, die man nach so einer Tour verdient hätte. Es ist lediglich ein Massen-Tourismus-Umschlagsplatz für Gäste, die entweder Wildwasser-Rafting, kleines chinesisches Naturprogramm oder traditionelle Dörfer besuchen wollen. Für uns stand letzteres bevor. Aber wie als Kontrastprogramm, hatte die Stadt nur moderne Häuser und Riesenhotelklötze zu bieten.

Zur Feier der 100-km-Marke gingen wir in ein Feuertopf-Lokal und kochten und dippten was das Zeug hält. Als hätten wir heute noch nicht genug getan… So mussten wir uns auch noch das Abendessen selber zubereiten… Trotzdem wurde es ein gelungenes und angemessenes Mahl für die heutige Etappe.


Jetzt fahrn wir um den See, um den See

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

68,3 Kilometer vom Yunhu Hotel nach Jinshanling, ständig hoch und runter, daher einige Höhenmeter.

Die Ebene, in der Beijing liegt, ist nicht gerade mit Wasser gesegnet. Daher hat man nördlich von Beijing mehrere Stauseen angelegt. Diese sollen die Trankwasserversorgung der Hauptstadt sichern. Im Frühjahr, nach der Schneeschmelze sind diese gut gefüllt und trocknen im Laufe des Sommers immer mehr aus.

So auch der größte von ihnen, der Miyun-Stausee nahe der gleichnamigen Stadt. Er ist das größte Wasserreservoire Beijings. Streng wird hier um eine Reinhaltung gekämpft, der ganze See (so groß wie die Stadtfläche von Berlin) ist umzäunt, kein Boot darf auf dem Wasser fahren und eine Nutzung für Landwirtschaft und Fischerei ist nur wenigen direkten Anwohnern erlaubt. Das bekommen wir ein wenig zu spüren, denn während es bis vor ein paar Jahren noch möglich war über alle Staudämme zu fahren müssen wir nun viele von ihnen umgehen.

Darf es noch ein Hügelchen mehr sein? Die ersten ca. 20 Kilometer um den See lässt sich am besten beschreiben mit Auf und nieder, immer wieder. Also immer runter und wieder hoch. Landschaftlich sehr reizvoll, aber auch nicht ohne ständig die Gangschaltung betätigen zu müssen.

Dann biegen wir vom See ab und erreichen eine kleine größere Ortschaft. Taishitun heißt sie. Wir könnten sie auch Tankstelle nennen, denn hier bekommen wir eine leckere Nudelsuppe als Stärkung für die restliche Strecke sowie Briefmarken für die Postkarten an die Lieben daheim.

Die restlichen Kilometer sind nicht so aufregend, wir müssen teilweise der Hauptstraße folgen und schimpfen gerne und oft über den Schwerlastverkehr. Nun gut, auch das gehört dazu. Nochmal rechts ab von der Hauptstraße und die letzten vier Kilometer hoch zu unserem Hotel unterhalb der Großen Mauer.

Schmutziges Bier für alle!


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Die Klassiker

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Eigentlich wollen wir wandern. Nicht unbedingt in Beijing, aber wenn man so weit fliegt und noch im Jetlag steckt, kann man sich ruhig die Klassiker der Hauptstadt anschauen. Ausgeschlafen und voller Eindrücke soll es dann in die Berge gehen, so ist der Plan.

In den letzten beiden Tagen haben wir zu fünft etliche Kilometer in der Stadt zurückgelegt. Auf dem Programm standen die großen Bauprojekte, die die Mingkaiser nach der Verlegung der Hauptstadt nach Beijing als erstes in Angriff genommen haben und die sich bis heute kaum verändert haben: Trommel- und Glockenturm, Himmelstempel und die Verbotene Stadt sind weitläufig angelegt, voller Symbolik und erzählen Geschichten von mächtigen Kaisern, Eunuchen und Konkurbinen, filmreifen Familienintrigen und den unzähligen Zeremonien, die ein Herrscher abhalten musste, um das Mandat des Himmels nicht zu verlieren

Unterwegs bewegen wir uns möglichst durch die Hutongs und meiden den Lärm der Hauptstraßen. Das kleine Hofhausviertel um unsere traditionelle Herberge herum ist für mich kaum wiederzuerkennen. In den letzten Jahren hat sich das beschauliche Viertel in eine durchgestylte Flaniermeile für jüngere Chinesen (und den einen oder anderen Ausländer) verwandelt. Die Cafés sind wie Pilze aus dem Boden geschossen, dazwischen Hochglanzläden, die den neusten Trendtee in sämtlichen Farben anbieten, Tattoostudios, Bars und und und. Ich suche vergeblich nach der Massagebude gegen die Flugzeugnackenstarre und mein Lieblingsrestaurant ist auch verschwunden. Aber es gibt sie noch, die ursprünglichen Wohnviertel, in dem die Pekinger bei lauen Temperaturen vor dem Haus sitzen, Schach spielen oder mit dem Nachbarn plaudern – nicht selten in Schlafanzügen, weil es so schön bequem ist.

So pendeln wir zwischen Kaiserzeit (den besagten Bauprojekten), dem quirligen Parkleben des Himmelstempels (sämtliche Formen von Tanz und Gesang), dem Konsumrausch (Perlenmarkt) und Erinnerungen an Mao und Co (am Platz des Himmlischen Friedens), zwischen Baugruben und Trendvierteln, zwischen Metro und Aussichtshügel, bis wir es uns zum Abendessen auf einer gemütlichen Dachterrasse bei chinesischen Leckereien gut gehen lassen.

Wir haben längst nicht alles gesehen, was in anderthalb Tagen möglich wäre, aber das war nicht unser Ziel. Morgen wollen wir die Stadt hinter uns lassen, ein Stückchen auf der Mauer wandern und uns auf die Wanderung in Yunnan einstimmen.

Im Schilderwald

Transmongolia, 23.07. bis 23.09.2012

53 Kilometer um den Minggräberstausee, Besichtigung der Minggräber und der Seelenstraße, Ausflug in mein Lieblingsfischrestaurant, 612 Höhenmeter bei warmen 25 Grad und Sonne

Als die Kaiser der neuen Mingdynastie die Hauptstadt wieder von nanjing nach Beijing verlegten brauchten sie einen Platz für die kaiserlichen Gräber. Unter Aufsicht von Geomanten machten sich die beamten des Hofes auf die Suche nach einem geeigneten Platz und den fanden sie etwas nördlich des kleinen Städtchen Changping. Hier gab es ein weites dünn besiedeltes Tal fast ohne Dörfer mit hohen Bergen rundherum. Hier wurden dann insgesamt 13 große Grabanlagen errichtet.

Mit der kaiserlichen Ruhe ist es nun vorbei, denn die Touristen, die die Mauer in Badaling besichtigen, stoppen alle hier und werden auf die drei oder vier größten Gräber verteilt. Mir gefällt am besten das Changling Grab des Yongle Kaisers und deshalb beginnen wir dort unsere Tour. Am späten Morgen ist hier noch nicht zu viel los und so kann man recht alleine durch die großen Hallen spazieren und staunen. Auch hier stammt nicht alles aus dem 15. Jahrhundert, die Anlagen waren vor 100 Jahren in recht schlechtem Zustand und sind in den letzten 20 Jahren renoviert worden. Davor natürlich auch schon diverse Male in der späten Ming und in der folgenden Qing Dynastie. Bis auf ein Grab, das Ding Ling, sind alle Gräber nicht geöffnet worden, lediglich in diesem einen Grab hat man den Kreisrunden Grabhügel mit fast 800 Metern Durchmesser durchwühlt und ist in fast 30 Metern Tiefe fündig geworden. In einer kleinen unterirdischen Palastanlage waren die Särge der Kaiserfamilie gestapelt und zahlreiche Beigaben konnten ausgegraben werden. Teile dieser Beigaben können heute besichtigt werden und geben einen kleinen Überblick über das Leben in der Ming Dynastie. Gerade unter dem Yongle Kaiser erblühte die Dynastie und Gesandtschaften wurden in die ganze Welt, von Südostasien bis nach Afrika geschickt. Im Museum hier gibt es die Replica eines Schiffes von 120 Metern Länge und 60 Metern Breite, mehr als 6 mal größer als Columbus „Santa Maria“. Chinesische Schiffe konnten bis zu 1000 Mann beherbergen, Columbus hatte 39 Mann Besatzung. Während die Spanier mir drei Schiffen in Amerika aufkreuzten und nicht einmal wussten, wo sie waren, legten die Chinesen mit bis zu hundert Schiffen an. Interessant ist, dass ein Eunuch aus Kunming namens Zheng He sieben große Expeditionen für den Ming-Kaiser durchgeführt hatte. Von Geburt Moslem und von mächtiger Statur und gewaltiger Stimme, weil erst als Erwachsener seiner besten Teile entledigt, hatte den Ruf eines vorzüglichen Seemanns und ist später in die Geschichte als „Sindbad, der Seefahrer“ übernommen worden, behaupten zumindest einige Sinologen und ich mag die These.

Solchen Gedanken nachhängend wandeln wir durch das Kaisergrab. Dabei stoßen wir an jeder Ecke auf einen Wald an Schildern. Es gibt eine „Drei Sterne Toilette“, man soll bei Gewitter nicht telefonieren, wir werden informiert, das auch das grüne Gras unsere Zuwendung braucht. Auch bei den sinnigeren Aufforderungen ist das Englische oft sehr witzig, wenn man sich aus Brandschutzgründen keine Zigarette anbieten lassen soll.

Dann haben wir von den Gräbern genug und beschließen übver den Berg zu meinem Lieblingsfischrestaurant zu fahren. Herausgesucht hatte ich das Lokal vor etwa 6 Jahren wegen einer langhaarigen Schönheit, welche dort servierte. Die ist längst verheiratet und ein Kind und lebt jenseits der Berge, aber der Fisch ist nach wie vor der Beste in der Region. Die Zuchtstation für zwei verschiedenen forellenähnliche Sorten, sowie einen Süßwsserwels ist direkt neben dem Restaurant. Der Fisch wird mit dem Kescher herausgeholt und 15 Minuten später kommt er dann auf den Tisch. Die rote Forelle gibt es roh, in dünnen Scheiben mit Wasabi, die schwarze Forelle dann gegrillt mit viel Chili und Kreuzkümmel, den Wels auf „Hongshao“ also traditionell chinesisch. Schwer ist es danach, sich über den Berg wieder zurück bewegen zu müssen, aber wir wolle ja noch die „Seelenstraße“ besichtigen. das ist der Eingang zum Tal der Minggräber und hier wurden die Begräbniszeremonien durchgeführt. Die Bilder mit den an beiden Seiten aufgereihten Tieren, Fabelwesen, Soldaten und Beamten sind weltberühmt und stehen eigentlich auch bei jeder Peking Reise auf dem Programm, doch jetzt am späten Nachmittag ist es angenehm ruhig hier und die wenigen reisegruppen hetzen recht schnell an uns vorüber. Wir genießen den Spaziergang durch die herrlich grüne Anlage und machen uns dann auf den Rückweg ins Hotel und müssen dann schon wieder essen. Mein Gott, die mühsam abgefahren Speckrollen wachsen in diesem Land schnell wieder nach, da nützen auch die Berge nix, die zwischen Mittag und Abendessen liegen.

Boxen-stopp

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Quzhou nach Kaihua. 85 km

Die gestrige Etappe saß uns allen noch tief in den Knochen. Da freut man sich, wenn das Höhenprofil doch mal etwas flacher ausfällt. Im Grunde genommen verhält es sich aber meistens so, dass je steiler die Strecke, desto spektakulärer die Aussicht. Zumindest traf die Regel heute zu. Uninteressant war die Etappe nicht. Jedoch nach so einer Aussicht, wie der gestrigen ist man natürlich etwas verwöhnt. Der Höhepunkt für Katherina war vermutlich, als sie endlich eine chinesische Waschschüssel gefunden hatte, die sie seit der allerersten Tour bei CBB an sucht. Insofern also doch eine erfolgreiche Etappe gewesen.

Wir mussten heute auf ein anderes Hotel ausweichen, denn das übliche war ausgebucht von Kadern, die eine Versammlung zur Entwicklung des lokalen Tourismus hatten. Also für uns ging die Entwicklung daher schon mal in eine ganz falsche Richtung. So macht man sich keine Touristen-Freunde. Zum Glück fand ich bei der Einfahrt in die Stadt Jemanden, der uns bereitwillig bis zum neuen Hotel führte und auch noch schnell unterwegs ein lohnenswertes Lokal für das Abendessen empfahl.

Das Hotel hätte ich selber vermutlich nur nach ein paar Mal Vorbeifahren gefunden. Denn es lag ziemlich versteckt in einem Hinterhof. Von außen wirkte es recht heruntergekommen und die Tapeten lösten sich bereits von der Wand. Der erste Eindruck täuschte aber, denn die Zimmer waren überraschend sauber. Dazu bekam jeder von uns noch frisches Obst aufs Zimmer gebracht. Da weiß ja jemand Pluspunkte zu sammeln.

Die Schlaglöcher-Abfahrt von gestern hatte allerdings ihren Tribut gefordert und wir hatten sage und schreibe 3 Speichenbrüche. Der Radladen nebenan hatte allerdings noch nie eine Shimano-Schaltung gesehen und konnte daher nicht mehr machen als mir sein Werkzeug zur Verfügung zu stellen. Hach ja… Die Leiden des jungen Fahrrad-Reiseleiters…

Die Restaurantempfehlung unseres kurzzeitigen lokalen Reiseführers war gut gelungen und wir bekamen sogar wieder unser geliebtes Moosgemüse, dazu Fische in Senfsoße und sonstige lokale Spezialitäten. Unser Hotel verspielte jedoch wieder seine Pluspunkte mit der integrierten Karaoke. Unsere einzige Chance wäre gewesen mitzusingen. Aber bei anstehenden 100 km entschlossen sich alle einstimmig auf frühe Ruhezeit. Doch wenn die Stadt um 21 Uhr ihre Bürgersteige hochklappt, hält auch der lauteste Schreihals mit der schiefen Tenor-Stimme spätestens um 12 Uhr seine Klappe.


Yin und Yang

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

47 Kilometer vom Yunmeng Xianjing Hotel zum Yunhu Hotel. Viele kumulierte Höhenmeter.

Sicherlich kennen Sie Yin und Yang, diese Jahrtausend alte chinesische Weisheit von den beiden Gegensätzen, die einander bedingen, denn das eine kann nicht ohne das andere existieren. Das Männliche und das Weibliche zum Beispiel, Tag und Nacht, Schönheit und Hässlichkeit, aktiv und passiv, Soll und Haben, Hemd und Hose, linke Socke und rechte Socke. Das Symbol dafür ist ☯.
Heute hatten wir einen perfekten Yin und Yang Tag!

Yin
Das Wetter spielt noch immer mit, als wir um neun Uhr anfangen in die Pedalen zu treten. Also blauster Himmel mit ein paar Wölkchen zur visuellen Auflockerung dazwischen.
Wir fahren eine Traumstraße entlang, anders kann man es kaum bezeichnen. Es geht auf Flüsterasphalt mit kaum Autoverkehr durch den Canyon des Bai Flusses, immer ein paar hundert Meter oberhalb der Schlucht.

Die Straße schlängelt sich den zerklüfteten Bergen entlang, alle dreißig Meter macht sie eine Biegung nach links oder rechts und alle 500 Meter gibt es eine Haltestelle, eine Panoramabucht. An vielen von ihnen bleiben wir stehen, genießen und bewundern den Ausblick und knipsen Fotos was die Speicherkarten her geben. Für 15 Kilometer benötigen wir zwei Stunden.

Hätten wir nicht ein anvisiertes Tagesziel gehabt wären wir sicherlich jetzt noch dort. Man kann die Schönheit dieser Stecke einfach nicht beschreiben. Ich jedenfalls kann es nicht!

Yang
Kurz hinter Heilongtan, dem Schwarzen Drachen Teich bei Kilometer 28, beginnt unerwartet eine Baustelle. Chinesische Straßenbaustellen sind echt fies! Da wird über mehrere Kilometer eine Straße aufgerissen und daran rumgewerkelt. Das ist in Deutschland nicht anders, aber in Deutschland wird in solchen Fällen der Verkehr über eine Umleitung umgeleitet. Nicht so in China, da fließt bzw. kriecht der Verkehr direkt über die Baustelle. Was für uns bedeutete: Kein Flüsterasphalt mehr, sondern holpriger Erdboden und jedes Fahrzeug, welches uns passierte, egal ob von hinten oder vorn, bedeckte uns mit einer weiteren Lage feinen Staubs.

Just auf diesem ungemütlichen Abschnitt entschloss sich Holgers Fahrradkette zu reißen. Einen Kettenriss hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gehabt, daher dauerte es eine Weile, bis wir das Problem gelöst hatten. Holger und ich werkelten kräftig an der Kette währen der Verkehr an uns vorbei zog. Wie schon geschrieben mit viel Feinstaub. Wir legten also noch ein paar Schichten davon auf unsere Haut.

Wieder ein paar Kilometer später und noch immer mitten in der Baustelle entweicht meinem Hinterrad Luft. Wieder Zwangspause, wieder eine Reparatur. Diesmal jedoch schneller, Reifen flicken bin ich gewohnt.

Um 16 Uhr erreichen wir unsere Unterkunft, drei Sterne und im Vergleich zu den letzten Tagen ziemlich luxuriös. Aber bevor wir die Zimmer beziehen ein schmutziges Bier.

Das haben wir uns redlich verdient und überlegen dabei welcher Teil der Strecke uns länger in Erinnerung bleiben wird: Yin oder Yang? Sicherlich beide, denn schließlich bedingen sie einander.


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