Die Klassiker

Die Oberen Schluchten des Yangzi, 15.09. bis 07.10.2012

Eigentlich wollen wir wandern. Nicht unbedingt in Beijing, aber wenn man so weit fliegt und noch im Jetlag steckt, kann man sich ruhig die Klassiker der Hauptstadt anschauen. Ausgeschlafen und voller Eindrücke soll es dann in die Berge gehen, so ist der Plan.

In den letzten beiden Tagen haben wir zu fünft etliche Kilometer in der Stadt zurückgelegt. Auf dem Programm standen die großen Bauprojekte, die die Mingkaiser nach der Verlegung der Hauptstadt nach Beijing als erstes in Angriff genommen haben und die sich bis heute kaum verändert haben: Trommel- und Glockenturm, Himmelstempel und die Verbotene Stadt sind weitläufig angelegt, voller Symbolik und erzählen Geschichten von mächtigen Kaisern, Eunuchen und Konkurbinen, filmreifen Familienintrigen und den unzähligen Zeremonien, die ein Herrscher abhalten musste, um das Mandat des Himmels nicht zu verlieren

Unterwegs bewegen wir uns möglichst durch die Hutongs und meiden den Lärm der Hauptstraßen. Das kleine Hofhausviertel um unsere traditionelle Herberge herum ist für mich kaum wiederzuerkennen. In den letzten Jahren hat sich das beschauliche Viertel in eine durchgestylte Flaniermeile für jüngere Chinesen (und den einen oder anderen Ausländer) verwandelt. Die Cafés sind wie Pilze aus dem Boden geschossen, dazwischen Hochglanzläden, die den neusten Trendtee in sämtlichen Farben anbieten, Tattoostudios, Bars und und und. Ich suche vergeblich nach der Massagebude gegen die Flugzeugnackenstarre und mein Lieblingsrestaurant ist auch verschwunden. Aber es gibt sie noch, die ursprünglichen Wohnviertel, in dem die Pekinger bei lauen Temperaturen vor dem Haus sitzen, Schach spielen oder mit dem Nachbarn plaudern – nicht selten in Schlafanzügen, weil es so schön bequem ist.

So pendeln wir zwischen Kaiserzeit (den besagten Bauprojekten), dem quirligen Parkleben des Himmelstempels (sämtliche Formen von Tanz und Gesang), dem Konsumrausch (Perlenmarkt) und Erinnerungen an Mao und Co (am Platz des Himmlischen Friedens), zwischen Baugruben und Trendvierteln, zwischen Metro und Aussichtshügel, bis wir es uns zum Abendessen auf einer gemütlichen Dachterrasse bei chinesischen Leckereien gut gehen lassen.

Wir haben längst nicht alles gesehen, was in anderthalb Tagen möglich wäre, aber das war nicht unser Ziel. Morgen wollen wir die Stadt hinter uns lassen, ein Stückchen auf der Mauer wandern und uns auf die Wanderung in Yunnan einstimmen.

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